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Eigenbedarfskündigung: BGH definiert Familienbegriff im Mietrecht

  • Teaser: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem wegweisenden Urteil vom 10. Juli 2024 (VIII ZR 276/23) den Begriff der "Familie" im Mietrecht klar definiert. Die Richter stellten fest: Cousins gehören nicht zur selben Familie im mietrechtlichen Sinne – selbst wenn sie persönlich eng verbunden sind. Diese Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen für Vermieter und Mieter bei Eigenbedarfskündigungen.
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  • Der beste Anwalt für Mietrecht
    Alexander Liese
  • 04/25

Die zentrale Frage: Wer gehört zur "Familie"?

Im Mittelpunkt des Urteils steht die Frage, wie der Begriff "Familie" im Mietrecht auszulegen ist. Diese Frage ist besonders relevant, wenn es um Eigenbedarfskündigungen durch Gesellschaften geht.

Der konkrete Fall: Die Beklagten waren seit 2009 Mieter einer Wohnung in Berlin. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) erwarb 2013 das Gebäude. Zum Zeitpunkt des Kaufs hatte die GbR zwei Gesellschafter, die Cousins waren. Nach dem Tod eines Gesellschafters wurden dessen drei Kinder als Erben ebenfalls Gesellschafter der GbR.

Im August 2021 kündigte die GbR das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Einer der neuen Gesellschafter wollte die Wohnung für sich und seine Ehefrau nutzen. Die Mieter weigerten sich auszuziehen, woraufhin die GbR Räumungsklage erhob.

Der Streitpunkt: Die Kündigungssperrfrist

Nach § 577a Abs. 1a BGB gibt es eine Kündigungssperrfrist, wenn eine Wohnung nach der Vermietung an eine Personengesellschaft (wie eine GbR) veräußert wird. In Berlin beträgt diese Sperrfrist durch eine spezielle Verordnung sogar zehn Jahre.

Es gibt jedoch eine Ausnahme: Die Sperrfrist gilt nicht, wenn die Gesellschafter im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs derselben Familie angehörten (§ 577a Abs. 1a Satz 2 BGB).

Die entscheidende Frage war also: Gehören Cousins zur selben "Familie" im Sinne dieser Ausnahmeregelung?

Die klare Definition des Familienbegriffs durch den BGH

Der BGH traf eine richtungsweisende Entscheidung: Als "Familie" im mietrechtlichen Sinne gelten nur Personen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen nach § 383 ZPO oder § 52 StPO zusteht.

Zu diesem Personenkreis gehören:

  • Verlobte, Ehegatten und Lebenspartner
  • Verwandte in gerader Linie (Eltern, Kinder, Großeltern, Enkel)
  • Verwandte in der Seitenlinie bis zum dritten Grad (Geschwister, Onkel, Tanten, Neffen, Nichten)

Cousins sind jedoch in der Seitenlinie im vierten Grad miteinander verwandt und fallen daher nicht unter diese Definition – selbst wenn zwischen ihnen eine noch so enge persönliche Bindung besteht.

Warum der BGH den Familienbegriff eng auslegt

Die Begründung des BGH für die enge Definition des Familienbegriffs ist besonders aufschlussreich:

  1. Typisierende Betrachtungsweise: Der Gesetzgeber geht pauschal davon aus, dass innerhalb eines bestimmten Verwandtschaftskreises eine enge persönliche Bindung besteht. Diese Annahme gilt aber nur für den im Prozessrecht definierten Kreis der zeugnisverweigerungsberechtigten Personen.
  2. Objektive statt subjektive Kriterien: Der BGH lehnt es bewusst ab, auf die tatsächlich vorhandene persönliche Bindung abzustellen. Bei entfernteren Verwandten wie Cousins reicht auch eine tatsächlich bestehende enge Beziehung nicht aus, um sie als "Familie" einzustufen.
  3. Rechtssicherheit und Planbarkeit: Das Gericht betont, dass die klare, objektive Definition des Familienbegriffs Rechtsstreitigkeiten über die subjektive Frage der persönlichen Nähebeziehung vermeidet. Eine einzelfallbezogene Prüfung der sozialen Nähe würde zu Rechtsunsicherheit führen.

"Als 'Familienangehörige' oder als 'Familie' im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB und § 577a Abs. 1a Satz 2 BGB sind ausschließlich diejenigen Personen anzusehen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen gemäß § 383 ZPO, § 52 StPO zusteht."

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Die enge Definition des Familienbegriffs hat weitreichende praktische Konsequenzen:

Wer gilt als "Familie" im mietrechtlichen Sinne:

✓ Ehepartner und eingetragene Lebenspartner
✓ Verlobte
✓ Eltern, Kinder, Großeltern, Enkel (gerade Linie)
✓ Geschwister (Seitenlinie 2. Grades)
✓ Onkel, Tanten, Neffen, Nichten (Seitenlinie 3. Grades)

Wer gilt NICHT als "Familie":

✗ Cousins und Cousinen (Seitenlinie 4. Grades)
✗ Großcousins
✗ Unverheiratete Lebensgefährten
✗ Angeheiratete Verwandte (außer in den Grenzen des Schwägerschaftsgrads)
✗ Freunde, egal wie eng die Beziehung ist

Praktische Bedeutung für Vermieter:

  • Eine GbR kann grundsätzlich wegen Eigenbedarfs eines ihrer Gesellschafter kündigen.
  • Erwirbt eine GbR ein bereits vermietetes Objekt, gilt die Kündigungssperrfrist (in Berlin: zehn Jahre).
  • Die Ausnahme von der Sperrfrist greift nur, wenn die ursprünglichen Gesellschafter im oben definierten Sinne zur selben Familie gehören.
  • Eine persönliche oder wirtschaftliche Verbundenheit der Gesellschafter reicht für die Ausnahme nicht aus.

Praktische Bedeutung für Mieter:

  • Wenn Ihre Wohnung von einer GbR erworben wurde, deren Gesellschafter nur entfernt verwandt (z.B. Cousins) oder gar nicht verwandt sind, sind Sie durch die Kündigungssperrfrist geschützt.
  • Die Sperrfrist beginnt mit der Eintragung des neuen Eigentümers im Grundbuch.
  • Innerhalb dieser Frist kann auch wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters nicht wirksam gekündigt werden.

Fazit: Familie ist im Mietrecht klar definiert

Der BGH hat mit seiner Entscheidung für Klarheit gesorgt: Im Mietrecht gilt ein objektiv bestimmbarer, eng gefasster Familienbegriff. Die Definition orientiert sich am Zeugnisverweigerungsrecht und nicht an der tatsächlichen persönlichen Bindung zwischen den Beteiligten.

Diese enge Auslegung mag manchen persönlichen Lebensrealitäten nicht entsprechen. Schließlich können Cousins durchaus eng verbunden sein, während manche gesetzlich privilegierten Verwandten kaum Kontakt haben. Der BGH hat sich jedoch bewusst für eine klare, objektive Definition entschieden, die Rechtssicherheit schafft und Streitigkeiten vermeidet.

Für Mieter bedeutet das Urteil einen stärkeren Schutz: Bei Erwerb durch eine GbR, deren Gesellschafter nicht im engeren Sinne "Familie" sind, greift die Kündigungssperrfrist. Vermieter müssen bei der Planung von Eigenbedarfskündigungen sorgfältig prüfen, ob sie unter die eng definierte Ausnahme fallen.

Quelle: BGH, Urteil vom 10. Juli 2024, VIII ZR 276/23

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Mietvertragsende: Wann beginnt die Verjährung von Schadensersatzansprüchen?

  • Teaser: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Urteil vom 29. Januar 2025 (Az. XII ZR 96/23) eine wichtige Entscheidung zur Verjährung von Schadensersatzansprüchen im Mietrecht getroffen. Die Entscheidung betrifft die Frage, wann bei einem einseitigen Einwurf der Schlüssel in den Briefkasten des Vermieters die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche beginnt.
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    Alexander Liese
  • 04/25

Der Sachverhalt: Kündigung und Schlüsselrückgabe vor Mietvertragsende

In dem verhandelten Fall hatte ein Vermieter einer Firma mehrere Gewerbeflächen vermietet. Die Mieterin kündigte das Mietverhältnis am 10. März 2020 "zum nächstmöglichen Zeitpunkt 17.06.2020". Der Vermieter wies darauf hin, dass das Mietverhältnis aufgrund vertraglicher Regelungen deutlich später enden würde.

Die Mieterin nutzte die Räumlichkeiten noch bis zum 31. Dezember 2020 und warf an diesem Tag die Schlüssel in den Hausbriefkasten des Vermieters. Dieser teilte der Mieterin am 7. Januar 2021 schriftlich mit, dass die Rückgabe der Schlüssel gegen seinen Willen erfolgt sei und er nicht "empfangsbereit" sei.

Im Juni 2021 forderte der Vermieter die Mieterin auf, Mängel und Schäden an der Mietsache zu beseitigen. Nach Ablauf der gesetzten Frist verlangte er Schadensersatz. Der am 26. August 2021 beantragte Mahnbescheid wurde der Mieterin am 30. August 2021 zugestellt. Die Mieterin erhob die Einrede der Verjährung.

Die zentrale Rechtsfrage: Wann beginnt die Verjährungsfrist?

Das Kernproblem des Falls lag in der Frage, ob der Vermieter durch den Einwurf der Schlüssel in seinen Briefkasten die Mietsache "zurückerhalten" hatte und damit die sechsmonatige Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche nach § 548 Abs. 1 BGB in Gang gesetzt wurde.

Nach § 548 Abs. 1 BGB verjähren Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache innerhalb von sechs Monaten. Diese Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH hat entschieden, dass der Vermieter die Mietsache bereits mit dem Einwurf der Schlüssel in seinen Briefkasten "zurückerhalten" hatte und die Verjährungsfrist damit spätestens mit seiner Kenntnisnahme am 7. Januar 2021 begann.

Das Gericht stellte folgende wichtige Grundsätze auf:

  1. Zurückerhalt setzt Besitzwechsel voraus: Der Rückerhalt der Mietsache im Sinne des § 548 Abs. 1 BGB setzt eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters voraus. Erst durch die unmittelbare Sachherrschaft wird der Vermieter in die Lage versetzt, sich ungestört ein umfassendes Bild von möglichen Mängeln zu machen.
  2. Mieter muss Besitz vollständig aufgeben: Für den Rückerhalt ist erforderlich, dass der Mieter den Besitz vollständig und eindeutig aufgibt. Eine bloße Besichtigung während des noch bestehenden Mieterverhältnisses reicht nicht aus.
  3. Rückerhalt auch vor Mietvertragsende möglich: Der Rückerhalt der Mietsache ist auch dann für den Verjährungsbeginn maßgeblich, wenn der Mietvertrag noch nicht beendet ist. Ein Anspruch kann also bereits vor Ende des Mietverhältnisses verjähren.
  4. Tatsächliche Sachherrschaft entscheidend: Entscheidend ist, ob der Vermieter tatsächlich die Möglichkeit erhält, die Räume ungestört zu untersuchen. Diese Möglichkeit hatte der Vermieter nach Einwurf der Schlüssel in seinen Briefkasten.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Die Entscheidung des BGH hat erhebliche praktische Auswirkungen für Mieter und Vermieter:

Für Vermieter:

  • Schnelles Handeln erforderlich: Wenn ein Mieter die Schlüssel zurückgibt (auch einseitig durch Einwurf in den Briefkasten), beginnt die sechsmonatige Verjährungsfrist, selbst wenn das Mietverhältnis noch nicht beendet ist.
  • Förmlicher Widerspruch hilft nicht: Ein bloßer Widerspruch gegen die Schlüsselrückgabe verhindert nicht den Beginn der Verjährungsfrist.
  • Prüfpflicht: Nach Rückerhalt der Schlüssel sollten Vermieter umgehend die Mietsache auf Schäden prüfen und gegebenenfalls zeitnah rechtliche Schritte einleiten.

Für Mieter:

  • Verjährungsschutz: Schadensersatzansprüche des Vermieters verjähren grundsätzlich sechs Monate nach Rückgabe der Schlüssel.
  • Rückgabedokumentation: Es empfiehlt sich, die Schlüsselrückgabe sorgfältig zu dokumentieren, um den Beginn der Verjährungsfrist nachweisen zu können.
  • Kein pauschales Rückgaberecht: Der BGH betont, dass ein Vermieter nicht verpflichtet ist, die Mietsache jederzeit ("auf Zuruf") zurückzunehmen. Die Entscheidung betrifft nur die Frage der Verjährung, wenn eine tatsächliche Rückgabe erfolgt ist.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Verjährung von Schadensersatzansprüchen nicht bedeutet, dass auch andere Ansprüche des Vermieters erlöschen. Insbesondere Mietzahlungsansprüche für die vertraglich vereinbarte Restmietzeit bleiben bestehen, auch wenn der Mieter die Schlüssel vorzeitig zurückgibt.

Fazit

Die Entscheidung des BGH stärkt die Rechtssicherheit im Mietrecht und betont den Zweck der kurzen Verjährungsfrist: Eine rasche Auseinandersetzung zwischen den Mietvertragsparteien und schnelle Klärung von Ansprüchen wegen des Zustands der Mietsache.

Für Vermieter bedeutet dies, dass sie nach Erhalt der Schlüssel zeitnah handeln müssen, um ihre Ansprüche zu sichern. Für Mieter bietet die Entscheidung mehr Klarheit darüber, wann die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche beginnt.

Quelle: BGH, Urteil vom 29. Januar 2025 - XII ZR 96/23

 

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Wann ist ein Haus ein "Einfamilienhaus" im Sinne des Maklerrechts?

  • Teaser: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer aktuellen Entscheidung vom 6. März 2025 wichtige Klarstellungen zum Begriff des "Einfamilienhauses" im Maklerrecht getroffen. Die Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen auf die Verteilung von Maklerprovisionen beim Immobilienkauf. Wir erklären, was das Urteil konkret bedeutet und welche Folgen es für Käufer und Verkäufer von Immobilien hat.

Wann ist ein Haus ein "Einfamilienhaus" im Sinne des Maklerrechts?

  • Alexander Liese
  • 02/25

Worum ging es im Streitfall?

Eine Maklerin hatte Käufern ein Objekt vermittelt, das als Einfamilienhaus mit Büroanbau beschrieben wurde. Für ihre Dienste verlangte die Maklerin eine Provision in Höhe von 3,57% des Kaufpreises. Das Besondere: Der Büroanbau hatte einen separaten Eingang und eine eigene Hausnummer und machte etwa ein Fünftel der Gesamtfläche aus.

Die Käufer hatten einen Maklervertrag unterschrieben, der diese Provision vorsah. Allerdings hatte die Maklerin auch mit der Ehefrau des Verkäufers einen Maklervertrag mit einer anderen Provisionshöhe geschlossen.

Die Käufer weigerten sich, die verlangte Provision zu zahlen. Sie beriefen sich darauf, dass nach den seit Dezember 2020 geltenden Regelungen zur Maklerprovision (§§ 656a ff. BGB) bei einem Einfamilienhaus die Provision zwischen Käufer und Verkäufer hälftig zu teilen sei und beide Seiten die gleiche Provisionshöhe zahlen müssten.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH hat den Käufern Recht gegeben und die Klage der Maklerin abgewiesen. Das Gericht stellte dabei mehrere wichtige Grundsätze klar:

"Um ein Einfamilienhaus im Sinne der §§ 656a ff. BGB handelt es sich, wenn der Erwerb des nachzuweisenden oder zu vermittelnden Objekts für den Makler bei Abschluss des Maklervertrags mit dem Erwerber erkennbar Wohnzwecken der Mitglieder eines einzelnen Haushalts dient."

Anders ausgedrückt: Entscheidend ist der erkennbare Erwerbszweck, nicht die aktuelle oder frühere Nutzung des Gebäudes.

Gewerbliche Teilnutzung schadet nicht

Eine besonders wichtige Klarstellung betrifft die Frage, ob eine teilweise gewerbliche Nutzung der Einordnung als "Einfamilienhaus" entgegensteht. Der BGH stellte hierzu fest:

"Der Annahme, dass ein Einfamilienhaus Wohnzwecken dient, steht nicht entgegen, dass darin eine Einliegerwohnung oder eine anderweitige gewerbliche Nutzungsmöglichkeit von jeweils nur untergeordneter Bedeutung vorhanden sind."

Im konkreten Fall umfasste der Büroanbau etwa ein Fünftel der Gesamtfläche. Diese untergeordnete gewerbliche Nutzung änderte nach Ansicht des BGH nichts daran, dass es sich um ein Einfamilienhaus im Sinne des Maklerrechts handelte. Auch der Umstand, dass das Büro über einen eigenen Eingang und eine eigene Hausnummer verfügte, spielte keine entscheidende Rolle.

Dritte als Vertragspartner beim Maklervertrag

Ein weiterer interessanter Aspekt des Urteils: Die Vorschrift des § 656c BGB ist auch dann entsprechend anzuwenden, wenn nicht der Verkäufer selbst, sondern ein Dritter (hier: die Ehefrau des Verkäufers) den Maklervertrag mit dem Makler abschließt.

Der BGH begründet dies damit, dass anderenfalls der Schutzzweck der Regelung - nämlich der Verbraucherschutz für Käufer von Wohnimmobilien - leicht umgangen werden könnte.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Käufer von Immobilien:

  1. Gleichverteilung der Provision: Wenn Sie ein Einfamilienhaus kaufen und der Makler sowohl für Sie als auch für die Verkäuferseite tätig ist, muss die Provision in gleicher Höhe verteilt werden. Abweichende Vereinbarungen sind unwirksam.
  2. Weiter Definition des "Einfamilienhauses": Auch wenn die Immobilie teilweise gewerblich genutzt wird (z.B. durch ein Büro oder eine Einliegerwohnung), kann sie als Einfamilienhaus gelten, solange diese Nutzung untergeordnet ist.
  3. Keine Umgehung durch Dritte: Es spielt keine Rolle, ob der Verkäufer selbst oder ein Dritter (z.B. Ehepartner) den Maklervertrag mit dem Makler abschließt - die Schutzvorschriften gelten trotzdem.

Für Verkäufer von Immobilien:

  1. Transparenz bei der Provisionshöhe: Achten Sie darauf, dass die mit dem Makler vereinbarte Provision der entspricht, die auch der Käufer zahlt. Nur so ist der Maklervertrag wirksam.
  2. Klare Kommunikation: Sprechen Sie offen mit Ihrem Makler über die gesetzlichen Regelungen zur Provisionsverteilung.

Für Makler:

  1. Gleiche Provisionshöhe zwingend: Vereinbaren Sie mit beiden Parteien eines Immobiliengeschäfts die exakt gleiche Provisionshöhe, wenn Sie für beide Seiten tätig werden.
  2. Weite Definition des Einfamilienhauses beachten: Auch Objekte mit untergeordneter gewerblicher Nutzung (wie im Urteilsfall: ein Fünftel der Gesamtfläche) fallen unter die Regelungen zu Einfamilienhäusern.
  3. Keine Umgehungsmöglichkeit: Die Beauftragung durch Dritte (z.B. Ehepartner des Verkäufers) statt durch die Vertragspartei selbst ändert nichts an der Anwendbarkeit der Provisionsregelungen.

Fazit: Mehr Schutz für Verbraucher beim Immobilienkauf

Die Entscheidung des BGH stärkt die Position von Verbrauchern beim Kauf von Einfamilienhäusern. Sie macht deutlich, dass der Gesetzgeber mit den Ende 2020 eingeführten Regelungen zur Maklercourtage einen effektiven Verbraucherschutz bezweckt hat, der nicht durch vertragliche Konstruktionen umgangen werden kann.

Für die Praxis bedeutet dies: Bei Einfamilienhäusern - auch mit untergeordneter gewerblicher Nutzung - muss die Maklerprovision gleichmäßig zwischen Käufer und Verkäufer aufgeteilt werden, wenn der Makler für beide Seiten tätig ist. Eine unterschiedliche Provisionshöhe führt zur Unwirksamkeit des Maklervertrags.

Wenn Sie unsicher sind, ob die Ihnen angebotene Provisionsregelung den gesetzlichen Vorgaben entspricht, sollten Sie sich rechtlich beraten lassen, bevor Sie einen Maklervertrag unterschreiben.

BGH, Urteil vom 6. März 2025 - I ZR 32/24

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Schonfristzahlung schützt nicht vor ordentlicher Kündigung wegen Mietrückständen

  • Teaser: Die nachträgliche Zahlung von Mietrückständen innerhalb der gesetzlichen Schonfrist kann zwar eine fristlose Kündigung unwirksam machen – vor einer ordentlichen Kündigung wegen derselben Mietrückstände schützt sie jedoch nicht.

Schonfristzahlung schützt nicht vor ordentlicher Kündigung wegen Mietrückständen

  • Alexander Liese
  • 03/25

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Der Fall: Langzeitmieter mit wiederholten Zahlungsausfällen

Ein Berliner Mieterpaar bewohnte seit November 1994 – also seit fast 30 Jahren – eine Wohnung im selben Mietverhältnis. In den Jahren 2019 bis 2021 kam es zu wiederholten Zahlungsausfällen. Konkret blieben die Mieten für Oktober 2019, Januar 2020 und Mai 2021 zunächst unbezahlt.

Nachdem die Vermieterin die Mieter mehrfach an ihre Zahlungspflicht erinnert hatte, sprach sie schließlich am 8. Juni 2021 eine fristlose Kündigung aus. Vorsorglich erklärte sie im selben Schreiben auch die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses – ebenfalls wegen der Zahlungsrückstände.

Die Mieter reagierten darauf und glichen am 30. Juni 2021 – also innerhalb der gesetzlichen Schonfrist – ihre Mietrückstände vollständig aus.

Streitpunkt: Welche Wirkung hat die Schonfristzahlung?

Der Rechtsstreit drehte sich um die zentrale Frage: Wirkt die rechtzeitige Zahlung innerhalb der Schonfrist nur gegen die fristlose Kündigung oder auch gegen die ordentliche Kündigung?

Was ist die Schonfristregelung?

Nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB wird eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs unwirksam, wenn der Vermieter spätestens zwei Monate nach Erhebung einer Räumungsklage die rückständige Miete erhält.

Das Landgericht Berlin vertrat – wie schon in früheren Entscheidungen – die Ansicht, dass eine rechtzeitige Schonfristzahlung nicht nur die außerordentliche fristlose Kündigung, sondern auch eine gleichzeitig erklärte ordentliche Kündigung unwirksam macht, sofern beide auf denselben Zahlungsrückstand gestützt werden.

Der BGH sah dies jedoch anders.

Die Entscheidung: Schonfristzahlung wirkt nur gegen die fristlose Kündigung

Der BGH stellte klar: Die Schonfristzahlung hat ausschließlich Folgen für die fristlose Kündigung – nicht aber für eine gleichzeitig ausgesprochene ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs.

Die entscheidende Begründung des Gerichts:

  • Die gesetzliche Regelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB, die die Heilungswirkung der Schonfristzahlung regelt, ist ausdrücklich nur auf die fristlose Kündigung bezogen.
  • Diese Vorschrift ist weder direkt noch entsprechend (analog) auf die ordentliche Kündigung anwendbar.
  • Der Gesetzgeber hat mehrfach die Möglichkeit gehabt, eine Ausweitung der Schonfristregelung auch auf ordentliche Kündigungen zu beschließen, hat dies aber nicht getan.

Damit bestätigte der BGH seine bereits in früheren Urteilen vertretene Rechtsauffassung und widersprach ausdrücklich der Ansicht des Berliner Landgerichts.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil hat weitreichende praktische Konsequenzen für Mieter und Vermieter:

Für Mieter:

  • Die nachträgliche Zahlung von Mietrückständen innerhalb der Schonfrist schützt Sie nur vor der fristlosen Kündigung.
  • Auch wenn Sie Ihre Mietrückstände vollständig ausgleichen, kann eine ordentliche Kündigung wegen derselben Zahlungsrückstände weiterhin wirksam sein.
  • Bei Zahlungsschwierigkeiten sollten Sie frühzeitig das Gespräch mit dem Vermieter suchen und möglichst Ratenzahlungsvereinbarungen treffen, um einer Kündigung vorzubeugen.

Für Vermieter:

  • Bei Zahlungsverzug empfiehlt es sich, immer sowohl die fristlose als auch hilfsweise die ordentliche Kündigung auszusprechen.
  • Die ordentliche Kündigung bleibt auch dann wirksam, wenn der Mieter innerhalb der Schonfrist zahlt.
  • Allerdings muss eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs eine "nicht unerhebliche" Pflichtverletzung darstellen, was im Einzelfall zu prüfen ist.

Wichtig zu beachten: In Ausnahmefällen kann es als rechtsmissbräuchlich (treuwidrig) angesehen werden, wenn sich ein Vermieter trotz Ausgleichs der Zahlungsrückstände noch auf die ordentliche Kündigung beruft. Dies ist jedoch stets eine Einzelfallentscheidung, die von den konkreten Umständen abhängt.

Fazit: Pünktliche Mietzahlung bleibt oberstes Gebot

Das Urteil des BGH unterstreicht einmal mehr, wie wichtig die pünktliche Zahlung der Miete ist. Die Schonfristregelung bietet keinen umfassenden Schutz bei Zahlungsverzug, sondern verhindert lediglich die sofortige Beendigung des Mietverhältnisses durch eine fristlose Kündigung.

Mieter sollten daher:

  • Für ausreichende finanzielle Rücklagen sorgen
  • Bei absehbaren Zahlungsschwierigkeiten frühzeitig mit dem Vermieter kommunizieren
  • Im Notfall Beratungsangebote (z.B. Mietervereine oder Schuldnerberatung) in Anspruch nehmen

Für Vermieter bestätigt das Urteil, dass sie durch die Kombination von fristloser und ordentlicher Kündigung ihre Rechtsposition bei Zahlungsverzug effektiv absichern können.

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Digitale Belegeinsicht: Urteil und Gesetzesänderung bei Nebenkostenabrechnungen

  • Teaser: Müssen Vermieter bei der Belegeinsicht zu Nebenkostenabrechnungen immer Originalbelege vorlegen, oder reichen auch digitale Dokumente aus? Diese Frage beschäftigt regelmäßig Mieter und Vermieter – besonders in Zeiten steigender Nachzahlungsbeträge und zunehmender Digitalisierung. Ein aktuelles Urteil des Amtsgerichts Frankfurt sorgt hier für Klarheit und zeigt: Unter bestimmten Voraussetzungen ist die rein digitale Belegeinsicht zulässig.

Digitale Belegeinsicht bei Betriebskostenabrechnung

  • Alexander Liese
  • 02/25

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Darum ging es im Streitfall

Ein Vermieter hatte seinen Mietern eine Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2021 zugesandt, die einen Nachzahlungsbetrag auswies. Zusätzlich sollten die Mieter eine Nachzahlung für Grundsteuer leisten, da der Vermieter einen geänderten Grundsteuerbescheid erhalten hatte.

Die Mieter verlangten daraufhin Einsicht in die Belege. Bei dem Termin in den Räumen des Vermieters stellten sie jedoch fest, dass ihnen keine Originalbelege in Papierform vorgelegt wurden. Das Büro des Vermieters arbeitet als "papierloses Büro", weshalb nur digitale Dokumente am Computer zur Einsicht bereitgestellt wurden.

Die Mieter weigerten sich, die Nachzahlung zu leisten und beriefen sich auf ihr Zurückbehaltungsrecht, da sie der Meinung waren, dass:

  1. Der Vermieter verpflichtet sei, Originalbelege und nicht nur digitale Kopien vorzulegen

  2. Die Belegeinsicht nicht vollständig gewährt worden sei

Die Entscheidung des Gerichts

Das Amtsgericht Frankfurt (Urteil vom 02.02.2024, Az. 33 C 3020/23) entschied zugunsten des Vermieters und verurteilte die Mieter zur Zahlung der geforderten Nachzahlungsbeträge. Die zentralen Punkte der Entscheidung:

Digitale Belege können ausreichen

Das Gericht stellte klar: Obwohl Mieter grundsätzlich einen Anspruch auf Einsicht in die Originalbelege haben, können gemäß den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in Ausnahmefällen auch Kopien oder Scanprodukte ausreichen.

Ein solcher Ausnahmefall liegt vor, wenn:

  • Der Vermieter nachweislich eine papierlose Büroverwaltung führt

  • Die digitalen Belege geeignet sind, die dokumentierten Erklärungen unverändert wiederzugeben

Im vorliegenden Fall hatte der Vermieter überzeugend dargelegt, dass ihm die Belege durch einen digitalen Dienstleister nur in digitaler Form zur Verfügung standen und legte sogar eine Bescheinigung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vor, die die Echtheit der Dokumente bestätigte.

Belegeinsicht war ausreichend gewährt

Das Gericht sah die Belegeinsicht auch als ausreichend gewährt an. Die Mieter hatten nicht konkret dargelegt, welche Belege ihnen angeblich vorenthalten wurden. Der Vermieter hingegen konnte durch eine ausführliche Notiz seiner Mitarbeiter nachweisen, dass:

  • Den Mietern vorab die papierlose Verwaltung erläutert wurde

  • Einsicht in verschiedene Kostenpositionen gewährt wurde

  • Nach jeder Rechnung und Erklärung gefragt wurde, ob noch Fragen bestünden

  • Der Termin nach etwa 1,5 Stunden von den Mietern selbst abgebrochen wurde, obwohl 3 Stunden angesetzt waren

Die pauschale Behauptung der Mieter, "der PC habe nicht funktioniert", überzeugte das Gericht nicht.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Mieter:

  • Bestehen Sie weiterhin auf Ihr Recht, die Belege zur Nebenkostenabrechnung einzusehen.

  • Akzeptieren Sie aber, dass Vermieter mit nachweislich papierloser Büroführung die Belege auch in digitaler Form bereitstellen dürfen.

  • Dokumentieren Sie genau, welche Belege Sie einsehen möchten und welche Ihnen eventuell nicht gezeigt wurden.

  • Ein pauschaler Einwand, die Belegeinsicht sei unzureichend gewesen, reicht vor Gericht nicht aus.

Für Vermieter:

  • Sie dürfen bei papierloser Büroführung die Belege digital bereitstellen.

  • Dokumentieren Sie jedoch sorgfältig, wie Sie die Belegeinsicht gewährt haben.

  • Idealerweise lassen Sie sich die Echtheit der digitalen Dokumente von einem unabhängigen Dritten bestätigen.

  • Erklären Sie den Mietern vorab, warum keine Originalbelege vorgelegt werden können.

Gesetzesänderung zum 01.01.2025

Der Gesetzgeber hat diese Entwicklung erkannt und das Belegeinsichtsrecht im Mietrecht zum 01.01.2025 angepasst. Der neu geschaffene § 556 Abs. 4 BGB regelt:

"Der Vermieter hat dem Mieter auf Verlangen Einsicht in die der Abrechnung zugrundeliegenden Belege zu gewähren. Der Vermieter ist berechtigt, die Belege elektronisch bereitzustellen."

Mit dieser Regelung wird die elektronische Bereitstellung von Belegen zur Nebenkostenabrechnung ausdrücklich erlaubt. Wichtig bleibt aber:

  • Der Ort der Einsichtnahme bleibt grundsätzlich der Geschäftssitz des Vermieters

  • Die Belege müssen auch in elektronischer Form geordnet vorliegen

  • Ein Anspruch auf Zusendung von digitalen Kopien per E-Mail besteht nicht automatisch

Fazit

Das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt nimmt bereits wesentliche Aspekte der aktuellen Gesetzesänderung vorweg. Es zeigt: Die Digitalisierung hält auch im Mietrecht Einzug. Mieter müssen akzeptieren, dass Vermieter mit nachweislich papierloser Büroführung Belege digital bereitstellen dürfen. Gleichzeitig bleiben die Kernprinzipien des Belegeinsichtsrechts erhalten – die Belege müssen vollständig, geordnet und nachvollziehbar sein, egal ob digital oder analog.

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