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Auch Vermieter können Verbraucher sein

  • Teaser: Wer einen Kredit für eine Mietwohnung aufnimmt, gilt als Verbraucher und genießt besonderen Schutz vor unfairen Kreditklauseln – auch wenn er mit der Immobilie Einnahmen erzielen will.
  • Bildquelle: Symbolbild: KI-generiertes Bild
  • Beitragstext: Der Fall aus Polen Ein berufstätiges Ehepaar lebte in London und ging dort ganz normalen Jobs nach. Er arbeitete als Polizeibeamter, sie als Schulleiterin. Im Jahr 2008 fassten sie den Entschluss, eine Immobilie in Warschau zu kaufen und diese zu vermieten. Zur Finanzierung nahmen sie bei einer polnischen Bank einen Hypothekenkredit auf, der an den Schweizer Franken gekoppelt war. Die Mieteinnahmen sollten in erster Linie dazu dienen, die monatlichen Kreditraten zu bezahlen. Das Paar vermietete keine weiteren Immobilien und betrieb auch sonst keine gewerbliche Tätigkeit im Immobilienbereich. Um den Kauf und die Vermietung abzuwickeln, beauftragten sie einen professionellen Immobilienverwalter in Polen. Nach elf Jahren, im Jahr 2019, hatten sie den Kredit vollständig zurückgezahlt und verkauften die Wohnung. Doch dann erhoben sie Klage gegen die Bank: Sie warfen ihr vor, unfaire Klauseln in den Kreditvertrag eingebaut zu haben, und forderten die Rückzahlung aller geleisteten Raten. Die zentrale Rechtsfrage Die entscheidende Frage vor Gericht lautete: Gelten die beiden als Verbraucher oder als Gewerbetreibende? Diese Unterscheidung ist von enormer Bedeutung, denn nur Verbraucher genießen besonderen Schutz vor missbräuchlichen Vertragsklauseln. Das polnische Gericht war sich unsicher: Einerseits dienten die beiden einem normalen Beruf nach und betrieben keine gewerbliche Immobilienverwaltung. Andererseits wollten sie mit der Vermietung Gewinn erzielen, was typisch für eine Geschäftstätigkeit ist. Da es sich um EU-Recht handelte, legte das polnische Gericht die Frage dem Europäischen Gerichtshof vor. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs Der EuGH entschied eindeutig zugunsten der beiden Kreditnehmer und stellte wichtige Grundsätze auf: Weite Auslegung des Verbraucherbegriffs "Eine natürliche Person, die einen Hypothekendarlehensvertrag abschließt, um den Kauf einer einzelnen Wohnimmobilie zu finanzieren, die zur entgeltlichen Vermietung bestimmt ist, ist als Verbraucher anzusehen, wenn sie zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann." Der Gerichtshof betonte, dass der Verbraucherbegriff weit auszulegen ist, um möglichst vielen Menschen den Schutz vor unfairen Klauseln zu gewähren. Entscheidend ist der Zweck des Handelns Ob jemand als Verbraucher gilt, hängt davon ab, zu welchem Zweck er einen Vertrag abschließt. Entscheidend ist, ob das Handeln außerhalb der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit erfolgt. In diesem Fall handelten die beiden nicht als Immobilienhändler oder professionelle Vermieter, sondern verfolgten private Investitionsziele. Der Kauf der Wohnung diente der Steigerung ihres Privatvermögens. Gewinnerzielungsabsicht schadet nicht Besonders wichtig: Der bloße Umstand, dass jemand mit einer Immobilie Einnahmen erzielen will, führt nicht dazu, dass er seinen Verbraucherstatus verliert. Auch die Tatsache, dass die beiden einen professionellen Immobilienverwalter beauftragten, änderte nichts an ihrer Eigenschaft als Verbraucher. Warum der Verbraucherstatus so wichtig ist Der Unterschied zwischen Verbraucher und Gewerbetreibendem hat weitreichende Folgen: Schutz vor unfairen Klauseln Verbraucher sind besonders geschützt vor missbräuchlichen Vertragsklauseln. Banken können ihnen nicht beliebige Bedingungen aufzwingen. Unfaire Klauseln können unwirksam sein. Schwächere Verhandlungsposition wird anerkannt Das Gesetz erkennt an, dass Privatpersonen gegenüber Banken in einer schwächeren Position stehen. Sie haben weniger Fachwissen und geringere Verhandlungsmacht. Besondere Informationspflichten Banken müssen Verbraucher umfassender über Risiken und Kosten aufklären als bei Geschäftskunden. Abgrenzung zur gewerblichen Tätigkeit Der EuGH machte auch deutlich, wann jemand nicht als Verbraucher gilt: Professionelle Immobilienhändler Wer regelmäßig mit Immobilien handelt oder mehrere Objekte vermietet, überschreitet schnell die Grenze zur gewerblichen Tätigkeit. Gewerbliche Immobilienverwaltung Bei hauptberuflicher Tätigkeit als Immobilienverwalter oder -makler liegt eindeutig eine gewerbliche Tätigkeit vor. Einzelfallprüfung erforderlich Nationale Gerichte müssen alle Umstände des Einzelfalls prüfen, insbesondere: Art und Umfang der Immobilientätigkeit Verhältnis zur Haupttätigkeit Anzahl der verwalteten Objekte Professionalität des Vorgehens Was bedeutet das Urteil für Sie? Für künftige Immobilienkäufer Gute Nachrichten: Auch wenn Sie eine Wohnung zur Vermietung kaufen, gelten Sie wahrscheinlich als Verbraucher, solange es sich um eine einzelne Immobilie handelt und Sie keine gewerbliche Immobilientätigkeit betreiben. Das bedeutet: Besserer Schutz vor unfairen Kreditkonditionen Recht auf verständliche Aufklärung durch die Bank Möglichkeit, missbräuchliche Klauseln anzufechten Für bestehende Kreditnehmer Prüfung lohnt sich: Haben Sie bereits einen Immobilienkredit für eine Mietwohnung? Dann sollten Sie Ihren Vertrag auf unfaire Klauseln prüfen lassen. Das Urteil stärkt Ihre Position. Besonders bei Fremdwährungskrediten, wie im verhandelten Fall, gibt es oft problematische Klauseln. Für Banken Klarstellung der Rechtslage: Banken müssen bei der Kreditvergabe für einzelne Mietobjekte die Verbraucherschutzregeln beachten. Die bisherige Praxis, solche Kunden automatisch als Gewerbetreibende zu behandeln, ist nicht haltbar. Praktische Tipps Bei der Kreditaufnahme Lassen Sie sich alle Kosten und Risiken ausführlich erklären Bestehen Sie auf verständliche Formulierungen Holen Sie sich bei komplexen Produkten (wie Fremdwährungskrediten) rechtlichen Rat Dokumentieren Sie, dass Sie keine gewerbliche Immobilientätigkeit betreiben Bei bestehenden Verträgen Prüfen Sie Ihren Kreditvertrag auf unklare oder unfaire Klauseln Bei Problemen: Betonen Sie Ihren Verbraucherstatus Suchen Sie sich rechtlichen Beistand, wenn die Bank nicht kooperiert Grenzen beachten Das Urteil gilt nur für einzelne Immobilien zur privaten Vermögensbildung. Bei mehreren Objekten oder gewerblicher Tätigkeit kann die Bewertung anders ausfallen. Europäische Dimension Dieses Urteil hat Auswirkungen in allen EU-Mitgliedstaaten. Die Grundsätze gelten nicht nur in Polen, sondern überall dort, wo EU-Verbraucherschutzrecht anwendbar ist. Besonders in Deutschland, wo viele Menschen in Immobilien als Altersvorsorge investieren, schafft das Urteil mehr Rechtssicherheit. Fazit Das EuGH-Urteil stärkt die Rechte von Privatpersonen, die Immobilien zur Vermietung erwerben. Der Verbraucherstatus geht nicht allein dadurch verloren, dass jemand mit einer Immobilie Einnahmen erzielen will. Entscheidend ist, ob das Handeln außerhalb der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit erfolgt. Bei einzelnen Mietobjekten zur privaten Vermögensbildung ist das in der Regel der Fall. Für Verbraucher bedeutet das besseren Schutz vor unfairen Bankpraktiken. Für Banken bedeutet es, dass sie bei der Kreditvergabe für Mietimmobilien die strengeren Verbraucherschutzregeln beachten müssen. Bottom Line: Wer als Privatperson eine einzelne Wohnung zur Vermietung kauft, genießt Verbraucherschutz – auch wenn er damit Gewinn erzielen will. Quelle: Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 24. Oktober 2024, Rs. C-347/23
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    Rechtsanwalt Alexander Liese

Der Fall aus Polen

Ein berufstätiges Ehepaar lebte in London und ging dort ganz normalen Jobs nach. Er arbeitete als Polizeibeamter, sie als Schulleiterin. Im Jahr 2008 fassten sie den Entschluss, eine Immobilie in Warschau zu kaufen und diese zu vermieten. Zur Finanzierung nahmen sie bei einer polnischen Bank einen Hypothekenkredit auf, der an den Schweizer Franken gekoppelt war.

Die Mieteinnahmen sollten in erster Linie dazu dienen, die monatlichen Kreditraten zu bezahlen. Das Paar vermietete keine weiteren Immobilien und betrieb auch sonst keine gewerbliche Tätigkeit im Immobilienbereich. Um den Kauf und die Vermietung abzuwickeln, beauftragten sie einen professionellen Immobilienverwalter in Polen.

Nach elf Jahren, im Jahr 2019, hatten sie den Kredit vollständig zurückgezahlt und verkauften die Wohnung. Doch dann erhoben sie Klage gegen die Bank: Sie warfen ihr vor, unfaire Klauseln in den Kreditvertrag eingebaut zu haben, und forderten die Rückzahlung aller geleisteten Raten.

Die zentrale Rechtsfrage

Die entscheidende Frage vor Gericht lautete: Gelten die beiden als Verbraucher oder als Gewerbetreibende? Diese Unterscheidung ist von enormer Bedeutung, denn nur Verbraucher genießen besonderen Schutz vor missbräuchlichen Vertragsklauseln.

Das polnische Gericht war sich unsicher: Einerseits dienten die beiden einem normalen Beruf nach und betrieben keine gewerbliche Immobilienverwaltung. Andererseits wollten sie mit der Vermietung Gewinn erzielen, was typisch für eine Geschäftstätigkeit ist.

Da es sich um EU-Recht handelte, legte das polnische Gericht die Frage dem Europäischen Gerichtshof vor.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs

Der EuGH entschied eindeutig zugunsten der beiden Kreditnehmer und stellte wichtige Grundsätze auf:

Weite Auslegung des Verbraucherbegriffs

"Eine natürliche Person, die einen Hypothekendarlehensvertrag abschließt, um den Kauf einer einzelnen Wohnimmobilie zu finanzieren, die zur entgeltlichen Vermietung bestimmt ist, ist als Verbraucher anzusehen, wenn sie zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann."

Der Gerichtshof betonte, dass der Verbraucherbegriff weit auszulegen ist, um möglichst vielen Menschen den Schutz vor unfairen Klauseln zu gewähren.

Entscheidend ist der Zweck des Handelns

Ob jemand als Verbraucher gilt, hängt davon ab, zu welchem Zweck er einen Vertrag abschließt. Entscheidend ist, ob das Handeln außerhalb der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit erfolgt.

In diesem Fall handelten die beiden nicht als Immobilienhändler oder professionelle Vermieter, sondern verfolgten private Investitionsziele. Der Kauf der Wohnung diente der Steigerung ihres Privatvermögens.

Gewinnerzielungsabsicht schadet nicht

Besonders wichtig: Der bloße Umstand, dass jemand mit einer Immobilie Einnahmen erzielen will, führt nicht dazu, dass er seinen Verbraucherstatus verliert.

Auch die Tatsache, dass die beiden einen professionellen Immobilienverwalter beauftragten, änderte nichts an ihrer Eigenschaft als Verbraucher.

Warum der Verbraucherstatus so wichtig ist

Der Unterschied zwischen Verbraucher und Gewerbetreibendem hat weitreichende Folgen:

Schutz vor unfairen Klauseln

Verbraucher sind besonders geschützt vor missbräuchlichen Vertragsklauseln. Banken können ihnen nicht beliebige Bedingungen aufzwingen. Unfaire Klauseln können unwirksam sein.

Schwächere Verhandlungsposition wird anerkannt

Das Gesetz erkennt an, dass Privatpersonen gegenüber Banken in einer schwächeren Position stehen. Sie haben weniger Fachwissen und geringere Verhandlungsmacht.

Besondere Informationspflichten

Banken müssen Verbraucher umfassender über Risiken und Kosten aufklären als bei Geschäftskunden.

Abgrenzung zur gewerblichen Tätigkeit

Der EuGH machte auch deutlich, wann jemand nicht als Verbraucher gilt:

Professionelle Immobilienhändler

Wer regelmäßig mit Immobilien handelt oder mehrere Objekte vermietet, überschreitet schnell die Grenze zur gewerblichen Tätigkeit.

Gewerbliche Immobilienverwaltung

Bei hauptberuflicher Tätigkeit als Immobilienverwalter oder -makler liegt eindeutig eine gewerbliche Tätigkeit vor.

Einzelfallprüfung erforderlich

Nationale Gerichte müssen alle Umstände des Einzelfalls prüfen, insbesondere:

  • Art und Umfang der Immobilientätigkeit
  • Verhältnis zur Haupttätigkeit
  • Anzahl der verwalteten Objekte
  • Professionalität des Vorgehens

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für künftige Immobilienkäufer

Gute Nachrichten: Auch wenn Sie eine Wohnung zur Vermietung kaufen, gelten Sie wahrscheinlich als Verbraucher, solange es sich um eine einzelne Immobilie handelt und Sie keine gewerbliche Immobilientätigkeit betreiben.

Das bedeutet:

  • Besserer Schutz vor unfairen Kreditkonditionen
  • Recht auf verständliche Aufklärung durch die Bank
  • Möglichkeit, missbräuchliche Klauseln anzufechten

Für bestehende Kreditnehmer

Prüfung lohnt sich: Haben Sie bereits einen Immobilienkredit für eine Mietwohnung? Dann sollten Sie Ihren Vertrag auf unfaire Klauseln prüfen lassen. Das Urteil stärkt Ihre Position.

Besonders bei Fremdwährungskrediten, wie im verhandelten Fall, gibt es oft problematische Klauseln.

Für Banken

Klarstellung der Rechtslage: Banken müssen bei der Kreditvergabe für einzelne Mietobjekte die Verbraucherschutzregeln beachten. Die bisherige Praxis, solche Kunden automatisch als Gewerbetreibende zu behandeln, ist nicht haltbar.

Praktische Tipps

Bei der Kreditaufnahme

  • Lassen Sie sich alle Kosten und Risiken ausführlich erklären
  • Bestehen Sie auf verständliche Formulierungen
  • Holen Sie sich bei komplexen Produkten (wie Fremdwährungskrediten) rechtlichen Rat
  • Dokumentieren Sie, dass Sie keine gewerbliche Immobilientätigkeit betreiben

Bei bestehenden Verträgen

  • Prüfen Sie Ihren Kreditvertrag auf unklare oder unfaire Klauseln
  • Bei Problemen: Betonen Sie Ihren Verbraucherstatus
  • Suchen Sie sich rechtlichen Beistand, wenn die Bank nicht kooperiert

Grenzen beachten

Das Urteil gilt nur für einzelne Immobilien zur privaten Vermögensbildung. Bei mehreren Objekten oder gewerblicher Tätigkeit kann die Bewertung anders ausfallen.

Europäische Dimension

Dieses Urteil hat Auswirkungen in allen EU-Mitgliedstaaten. Die Grundsätze gelten nicht nur in Polen, sondern überall dort, wo EU-Verbraucherschutzrecht anwendbar ist.

Besonders in Deutschland, wo viele Menschen in Immobilien als Altersvorsorge investieren, schafft das Urteil mehr Rechtssicherheit.

Fazit

Das EuGH-Urteil stärkt die Rechte von Privatpersonen, die Immobilien zur Vermietung erwerben. Der Verbraucherstatus geht nicht allein dadurch verloren, dass jemand mit einer Immobilie Einnahmen erzielen will.

Entscheidend ist, ob das Handeln außerhalb der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit erfolgt. Bei einzelnen Mietobjekten zur privaten Vermögensbildung ist das in der Regel der Fall.

Für Verbraucher bedeutet das besseren Schutz vor unfairen Bankpraktiken. Für Banken bedeutet es, dass sie bei der Kreditvergabe für Mietimmobilien die strengeren Verbraucherschutzregeln beachten müssen.

Bottom Line: Wer als Privatperson eine einzelne Wohnung zur Vermietung kauft, genießt Verbraucherschutz – auch wenn er damit Gewinn erzielen will.


Quelle: Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 24. Oktober 2024, Rs. C-347/23

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Vorkaufsrecht auch auf Teileigentum

  • Teaser: Mieter haben auch bei Umwandlung in Teileigentum ein Vorkaufsrecht. Der BGH stellte klar: § 577 BGB gilt analog auch für Teileigentum. Doch Vorsicht: Die Zwei-Monats-Frist zur Ausübung ist eine strenge Ausschlussfrist.
  • Bildquelle: Symbolbild: KI-generiertes Bild
  • Beitragstext: Der Fall aus der Praxis Ein Mieter bewohnte seit 2006 eine Wohnung in einem Mehrparteienhaus mit insgesamt zwölf Einheiten. Als die Vermieterin verstarb, übernahm ein Testamentsvollstrecker die Verwaltung. Dieser entschied sich für einen ungewöhnlichen Weg: Statt die Wohnungen in klassisches Wohnungseigentum umzuwandeln, begründete er im Dezember 2017 Teileigentum an den vermieteten Räumen. Der Unterschied ist wichtig: Während Wohnungseigentum speziell für Wohnzwecke gedacht ist, wird Teileigentum normalerweise für gewerblich genutzte Räume wie Büros oder Läden verwendet. In der Praxis können jedoch auch Wohnräume als Teileigentum verkauft werden. Ende 2017 verkaufte der Testamentsvollstrecker neun Einheiten des Mehrparteienhauses paketweise an eine Immobiliengesellschaft für mehrere Millionen Euro. Der Mieter erhielt im Januar 2018 eine teilweise geschwärzte Kopie des Kaufvertrags und wurde über sein mögliches Vorkaufsrecht informiert. Die zentrale Rechtsfrage: Vorkaufsrecht bei Teileigentum? Der Mieter wartete jedoch über ein Jahr, bevor er im August 2019 sein Vorkaufsrecht ausübte – viel zu spät, wie sich herausstellen sollte. Da die Immobiliengesellschaft die Wohnung bereits weiterverkauft hatte, klagte der Mieter auf Schadensersatz in Höhe von mehreren hunderttausend Euro. Die entscheidende Frage war: Haben Mieter überhaupt ein Vorkaufsrecht, wenn ihre Wohnung in Teileigentum statt in Wohnungseigentum umgewandelt wird? Nach § 577 BGB haben Mieter grundsätzlich ein Vorkaufsrecht, wenn ihre Wohnung in Wohnungseigentum umgewandelt und verkauft wird. Doch der Gesetzestext erwähnt nur "Wohnungseigentum" – nicht "Teileigentum". BGH-Entscheidung: Analogie zu § 577 BGB Der Bundesgerichtshof gab dem Mieter zumindest teilweise Recht und stellte wichtige Grundsätze auf: Vorkaufsrecht entsteht auch bei Teileigentum "§ 577 Abs. 1 Satz 1 BGB kann auch dann ein Vorkaufsrecht des Mieters entstehen lassen, wenn anstelle von Wohnungseigentum Teileigentum an zu Wohnzwecken vermieteten Räumlichkeiten begründet wird." Das Gericht begründete dies mit einer Analogie: Obwohl das Gesetz nur Wohnungseigentum erwähnt, soll § 577 BGB auch für Teileigentum gelten, wenn die betroffenen Räume zu Wohnzwecken vermietet sind. Planwidrige Gesetzeslücke geschlossen Der BGH argumentierte, dass der Gesetzgeber bei der Einführung des Vorkaufsrechts im Jahr 1993 nur den "Normalfall" der Umwandlung in Wohnungseigentum im Blick hatte. Eine Umwandlung in Teileigentum war damals nicht bedacht worden. Da die Schutzbedürftigkeit der Mieter in beiden Fällen identisch ist, müssen sie gleichbehandelt werden. Denn nach einem Verkauf droht ihnen in beiden Konstellationen dasselbe Risiko: Der neue Eigentümer kann eine Eigenbedarfskündigung aussprechen. Strenge Ausschlussfrist bleibt bestehen Trotz des grundsätzlich positiven Urteils für Mieter verlor der Kläger seinen Prozess – aus einem anderen Grund: Zwei-Monats-Frist ist unerbittlich Das Vorkaufsrecht muss innerhalb von zwei Monaten nach ordnungsgemäßer Mitteilung über den Verkauf ausgeübt werden. Diese Frist ist eine sogenannte Ausschlussfrist. Der BGH stellte unmissverständlich klar: "Die Frist ist eine Ausschlussfrist, die nach ihrem Ablauf nicht mehr der Disposition der Parteien unterliegt." Das bedeutet: Nach Ablauf der zwei Monate ist das Vorkaufsrecht endgültig erloschen – auch wenn der Vermieter später noch einmal anbietet, den Vertrag abzuschließen. Kein Schadensersatz möglich Da der Mieter sein Vorkaufsrecht erst im August 2019 ausübte, obwohl die Frist bereits im März 2018 abgelaufen war, konnte er keinen Schadensersatz verlangen. Das Vorkaufsrecht war zu diesem Zeitpunkt bereits untergegangen. Was bedeutet das Urteil für Sie? Für Mieter: Gute Nachricht: Ihr Vorkaufsrecht besteht auch dann, wenn Ihre Wohnung als Teileigentum verkauft wird. Sie sind nicht schlechter gestellt als bei einer klassischen Umwandlung in Wohnungseigentum. Wichtige Warnung: Die Zwei-Monats-Frist läuft gnadenlos ab. Sobald Sie eine ordnungsgemäße Mitteilung über den Verkauf erhalten, haben Sie exakt zwei Monate Zeit. Danach ist es zu spät – unwiderruflich. Praktische Tipps: Nehmen Sie Mitteilungen über Verkäufe ernst und prüfen Sie diese umgehend Lassen Sie sich rechtlich beraten, wenn Sie unsicher sind Dokumentieren Sie den Zugang wichtiger Schreiben Zögern Sie die Entscheidung nicht hinaus Für Vermieter: Klarstellung: Sie können das Vorkaufsrecht nicht durch die Wahl zwischen Wohnungs- und Teileigentum umgehen. In beiden Fällen entsteht ein Vorkaufsrecht des Mieters. Mitteilungspflichten beachten: Informieren Sie Mieter ordnungsgemäß über Verkäufe und das bestehende Vorkaufsrecht. Die Zwei-Monats-Frist beginnt erst mit einer vollständigen Mitteilung. Rechtssicherheit: Nach Ablauf der Ausschlussfrist können Mieter keine nachträglichen Ansprüche mehr geltend machen. Bedeutung für die Praxis: Dieses Urteil schließt eine wichtige Lücke im Mieterschutz. Bisher war umstritten, ob das Vorkaufsrecht auch bei Teileigentum gilt. Nun herrscht Rechtssicherheit: Der Schutz vor Verdrängung gilt unabhängig von der rechtlichen Konstruktion des Eigentums. Gleichzeitig betont das Urteil die Bedeutung strikter Fristen im Immobilienrecht. Mieter, die ihre Rechte nicht rechtzeitig ausüben, gehen leer aus – auch wenn dies im Einzelfall hart erscheinen mag. Fazit: Das Vorkaufsrecht ist ein wichtiges Schutzinstrument für Mieter. Doch es nützt nur demjenigen etwas, der es rechtzeitig und richtig ausübt. Bei Unsicherheiten sollten Betroffene umgehend rechtlichen Rat einholen. Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Mai 2025, Az. VIII ZR 201/23
  • Der beste Anwalt für Mietrecht
    Rechtsanwalt Alexander Liese

Der Fall aus der Praxis

Ein Mieter bewohnte seit 2006 eine Wohnung in einem Mehrparteienhaus mit insgesamt zwölf Einheiten. Als die Vermieterin verstarb, übernahm ein Testamentsvollstrecker die Verwaltung. Dieser entschied sich für einen ungewöhnlichen Weg: Statt die Wohnungen in klassisches Wohnungseigentum umzuwandeln, begründete er im Dezember 2017 Teileigentum an den vermieteten Räumen.

Der Unterschied ist wichtig: Während Wohnungseigentum speziell für Wohnzwecke gedacht ist, wird Teileigentum normalerweise für gewerblich genutzte Räume wie Büros oder Läden verwendet. In der Praxis können jedoch auch Wohnräume als Teileigentum verkauft werden.

Ende 2017 verkaufte der Testamentsvollstrecker neun Einheiten des Mehrparteienhauses paketweise an eine Immobiliengesellschaft für mehrere Millionen Euro. Der Mieter erhielt im Januar 2018 eine teilweise geschwärzte Kopie des Kaufvertrags und wurde über sein mögliches Vorkaufsrecht informiert.

Die zentrale Rechtsfrage: Vorkaufsrecht bei Teileigentum?

Der Mieter wartete jedoch über ein Jahr, bevor er im August 2019 sein Vorkaufsrecht ausübte – viel zu spät, wie sich herausstellen sollte. Da die Immobiliengesellschaft die Wohnung bereits weiterverkauft hatte, klagte der Mieter auf Schadensersatz in Höhe von mehreren hunderttausend Euro.

Die entscheidende Frage war: Haben Mieter überhaupt ein Vorkaufsrecht, wenn ihre Wohnung in Teileigentum statt in Wohnungseigentum umgewandelt wird?

Nach § 577 BGB haben Mieter grundsätzlich ein Vorkaufsrecht, wenn ihre Wohnung in Wohnungseigentum umgewandelt und verkauft wird. Doch der Gesetzestext erwähnt nur "Wohnungseigentum" – nicht "Teileigentum".

BGH-Entscheidung: Analogie zu § 577 BGB

Der Bundesgerichtshof gab dem Mieter zumindest teilweise Recht und stellte wichtige Grundsätze auf:

Vorkaufsrecht entsteht auch bei Teileigentum

"§ 577 Abs. 1 Satz 1 BGB kann auch dann ein Vorkaufsrecht des Mieters entstehen lassen, wenn anstelle von Wohnungseigentum Teileigentum an zu Wohnzwecken vermieteten Räumlichkeiten begründet wird."

Das Gericht begründete dies mit einer Analogie: Obwohl das Gesetz nur Wohnungseigentum erwähnt, soll § 577 BGB auch für Teileigentum gelten, wenn die betroffenen Räume zu Wohnzwecken vermietet sind.

Planwidrige Gesetzeslücke geschlossen

Der BGH argumentierte, dass der Gesetzgeber bei der Einführung des Vorkaufsrechts im Jahr 1993 nur den "Normalfall" der Umwandlung in Wohnungseigentum im Blick hatte. Eine Umwandlung in Teileigentum war damals nicht bedacht worden.

Da die Schutzbedürftigkeit der Mieter in beiden Fällen identisch ist, müssen sie gleichbehandelt werden. Denn nach einem Verkauf droht ihnen in beiden Konstellationen dasselbe Risiko: Der neue Eigentümer kann eine Eigenbedarfskündigung aussprechen.

Strenge Ausschlussfrist bleibt bestehen

Trotz des grundsätzlich positiven Urteils für Mieter verlor der Kläger seinen Prozess – aus einem anderen Grund:

Zwei-Monats-Frist ist unerbittlich

Das Vorkaufsrecht muss innerhalb von zwei Monaten nach ordnungsgemäßer Mitteilung über den Verkauf ausgeübt werden. Diese Frist ist eine sogenannte Ausschlussfrist.

Der BGH stellte unmissverständlich klar:

"Die Frist ist eine Ausschlussfrist, die nach ihrem Ablauf nicht mehr der Disposition der Parteien unterliegt."

Das bedeutet: Nach Ablauf der zwei Monate ist das Vorkaufsrecht endgültig erloschen – auch wenn der Vermieter später noch einmal anbietet, den Vertrag abzuschließen.

Kein Schadensersatz möglich

Da der Mieter sein Vorkaufsrecht erst im August 2019 ausübte, obwohl die Frist bereits im März 2018 abgelaufen war, konnte er keinen Schadensersatz verlangen. Das Vorkaufsrecht war zu diesem Zeitpunkt bereits untergegangen.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Mieter:

Gute Nachricht: Ihr Vorkaufsrecht besteht auch dann, wenn Ihre Wohnung als Teileigentum verkauft wird. Sie sind nicht schlechter gestellt als bei einer klassischen Umwandlung in Wohnungseigentum.

Wichtige Warnung: Die Zwei-Monats-Frist läuft gnadenlos ab. Sobald Sie eine ordnungsgemäße Mitteilung über den Verkauf erhalten, haben Sie exakt zwei Monate Zeit. Danach ist es zu spät – unwiderruflich.

Praktische Tipps:

  • Nehmen Sie Mitteilungen über Verkäufe ernst und prüfen Sie diese umgehend
  • Lassen Sie sich rechtlich beraten, wenn Sie unsicher sind
  • Dokumentieren Sie den Zugang wichtiger Schreiben
  • Zögern Sie die Entscheidung nicht hinaus

Für Vermieter:

Klarstellung: Sie können das Vorkaufsrecht nicht durch die Wahl zwischen Wohnungs- und Teileigentum umgehen. In beiden Fällen entsteht ein Vorkaufsrecht des Mieters.

Mitteilungspflichten beachten: Informieren Sie Mieter ordnungsgemäß über Verkäufe und das bestehende Vorkaufsrecht. Die Zwei-Monats-Frist beginnt erst mit einer vollständigen Mitteilung.

Rechtssicherheit: Nach Ablauf der Ausschlussfrist können Mieter keine nachträglichen Ansprüche mehr geltend machen.

Bedeutung für die Praxis:

Dieses Urteil schließt eine wichtige Lücke im Mieterschutz. Bisher war umstritten, ob das Vorkaufsrecht auch bei Teileigentum gilt. Nun herrscht Rechtssicherheit: Der Schutz vor Verdrängung gilt unabhängig von der rechtlichen Konstruktion des Eigentums.

Gleichzeitig betont das Urteil die Bedeutung strikter Fristen im Immobilienrecht. Mieter, die ihre Rechte nicht rechtzeitig ausüben, gehen leer aus – auch wenn dies im Einzelfall hart erscheinen mag.

Fazit: Das Vorkaufsrecht ist ein wichtiges Schutzinstrument für Mieter. Doch es nützt nur demjenigen etwas, der es rechtzeitig und richtig ausübt. Bei Unsicherheiten sollten Betroffene umgehend rechtlichen Rat einholen.


Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Mai 2025, Az. VIII ZR 201/23

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Brandschaden in Gewerberäumen: Wann Mieter trotzdem zahlen müssen

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Dies stelle einen Mangel dar, der zur Mietminderung bis hin zum vollständigen Wegfall der Mietzahlungspflicht berechtigt. Der Vermieter müsse den ursprünglichen Zustand wiederherstellen. Der Vermieter verwies auf die Vertragsgestaltung: Der Mieter habe umfassende Instandhaltungspflichten übernommen und sei für alle von ihm vorgenommenen Installationen verantwortlich. OLG-Entscheidung: Vertragliche Risikoverteilung ist entscheidend Das Oberlandesgericht Frankfurt gab dem Vermieter Recht und stellte wichtige Grundsätze auf: Grundsatz: Vermieter muss Mängel beseitigen "Entsteht während der Mietzeit ein Mangel der Mietsache, schuldet der Vermieter grundsätzlich dessen Beseitigung unabhängig davon, ob die Mangelursache in seinem eigenen oder im Gefahrenbereich des Mieters zu suchen ist." Diese Regel gilt auch bei Gewerberäumen: Normalerweise muss der Vermieter dafür sorgen, dass gemietete Räume in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand bleiben. Ausnahme: Wirksame Übertragung der Instandhaltung Im konkreten Fall hatte jedoch der Mieter vertraglich umfassende Instandhaltungspflichten übernommen: Kompletter Umbau von der Ladenpassage zum Restaurant auf eigene Kosten Verantwortung für alle Elektroinstallationen Verpflichtung zur fachgerechten Ausführung durch Spezialfirmen Übernahme aller Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten Keine Mietminderung bei eigenem Verschulden Entscheidend war: Der Brand entstand durch die vom Mieter installierten Mehrfachsteckdosenleisten. Da die Schadensursache seinem Verantwortungsbereich zuzuordnen war, konnte er sich nicht auf Mietminderung berufen. "Die Minderungsbefugnis des Mieters ist ausgeschlossen, wenn er die Mangelbeseitigung schuldhaft verhindert oder der Mangel seinem Verantwortungsbereich entstammt." Besonderheiten bei Gewerberaummieten Das Urteil zeigt wichtige Unterschiede zwischen Wohn- und Gewerberaummieten auf: Weitgehende Vertragsfreiheit Bei Gewerberäumen können Vermieter und Mieter die gesetzliche Risikoverteilung weitgehend abändern. Üblich sind Vereinbarungen über: Umfassende Instandhaltungspflichten des Mieters Übernahme von Umbau- und Modernisierungskosten Verantwortung für technische Installationen "Sphärentheorie" bei ungeklärter Schadensursache Bleibt die Brandursache ungeklärt, entscheidet die Zuordnung zu den Verantwortungsbereichen: Mieterbereich: Alle vom Mieter eingebrachten oder installierten Gegenstände Vermieterbereich: Bausubstanz und fest installierte Gebäudetechnik Was bedeutet das Urteil für Sie? Für Gewerbemieter: Verträge genau prüfen: Achten Sie darauf, welche Instandhaltungspflichten Sie übernehmen Risikobewertung: Umfassende Pflichten bedeuten auch umfassende Haftungsrisiken Versicherung: Schließen Sie ausreichende Betriebshaftpflicht- und Inhaltsversicherungen ab Fachgerechte Ausführung: Lassen Sie alle Installationen nur von Fachfirmen durchführen Für Vermieter: Klare Vertragsgestaltung: Definieren Sie präzise, wer für welche Bereiche verantwortlich ist Dokumentation: Halten Sie den ursprünglichen Zustand der Räume schriftlich fest Versicherungsschutz: Ihre Gebäudeversicherung deckt möglicherweise nicht alle Schäden ab Praktische Konsequenzen: Auch bei unbewohnbaren Räumen kann die Mietzahlungspflicht fortbestehen Vertragliche Risikoverteilung geht vor gesetzlichen Regelungen Bei Brandschäden ist die Ursachenermittlung entscheidend Präventive Maßnahmen sind wichtiger als nachträgliche Haftungsdiskussionen Vorsicht bei Instandhaltungsklauseln Das Urteil zeigt: Wer als Gewerbemieter umfassende Instandhaltungspflichten übernimmt, trägt auch das entsprechende Risiko. Dies gilt selbst dann, wenn: Der Schaden unverschuldet entsteht Die Räume völlig unbenutzbar werden Erhebliche Wiederherstellungskosten anfallen Fazit: Bei Gewerberaummieten sollten beide Vertragsseiten die Risikoverteilung bewusst gestalten und entsprechend versichern. Mieter müssen sich darüber im Klaren sein, dass weitreichende Instandhaltungspflichten auch bei unverschuldeten Schäden zu fortbestehenden Mietzahlungspflichten führen können. Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 11.10.2024, Az. 2 U 112/22
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Der Fall aus der Praxis

Ein Restaurantbetreiber mietete 2014 Räume für sein asiatisches Restaurant. Der umfangreiche Mietvertrag übertrug dem Mieter weitreichende Pflichten: Er musste die Räume von einer Ladenpassage zum Restaurant umbauen, alle Elektroinstallationen erneuern und für die komplette Instandhaltung sorgen. Im Gegenzug erhielt er einen reduzierten Mietzins.

2019 ereignete sich das Unglück: Ein Brand brach aus und machte das Restaurant unbenutzbar. Ursache waren überlastete Mehrfachsteckdosenleisten im Thekenbereich. Der Mieter stellte daraufhin die Mietzahlungen ein und berief sich auf sein Recht zur Mietminderung wegen Mangels der Mietsache.

Die zentrale Rechtsfrage: Wer trägt das Risiko?

Der Streit drehte sich um eine grundsätzliche Frage: Muss ein Vermieter Mängel beseitigen, auch wenn sie durch den Mieter verursacht wurden?

Der Mieter argumentierte: Nach einem Brand sei das Restaurant nicht mehr nutzbar. Dies stelle einen Mangel dar, der zur Mietminderung bis hin zum vollständigen Wegfall der Mietzahlungspflicht berechtigt. Der Vermieter müsse den ursprünglichen Zustand wiederherstellen.

Der Vermieter verwies auf die Vertragsgestaltung: Der Mieter habe umfassende Instandhaltungspflichten übernommen und sei für alle von ihm vorgenommenen Installationen verantwortlich.

OLG-Entscheidung: Vertragliche Risikoverteilung ist entscheidend

Das Oberlandesgericht Frankfurt gab dem Vermieter Recht und stellte wichtige Grundsätze auf:

Grundsatz: Vermieter muss Mängel beseitigen

"Entsteht während der Mietzeit ein Mangel der Mietsache, schuldet der Vermieter grundsätzlich dessen Beseitigung unabhängig davon, ob die Mangelursache in seinem eigenen oder im Gefahrenbereich des Mieters zu suchen ist."

Diese Regel gilt auch bei Gewerberäumen: Normalerweise muss der Vermieter dafür sorgen, dass gemietete Räume in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand bleiben.

Ausnahme: Wirksame Übertragung der Instandhaltung

Im konkreten Fall hatte jedoch der Mieter vertraglich umfassende Instandhaltungspflichten übernommen:

  • Kompletter Umbau von der Ladenpassage zum Restaurant auf eigene Kosten
  • Verantwortung für alle Elektroinstallationen
  • Verpflichtung zur fachgerechten Ausführung durch Spezialfirmen
  • Übernahme aller Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten

Keine Mietminderung bei eigenem Verschulden

Entscheidend war: Der Brand entstand durch die vom Mieter installierten Mehrfachsteckdosenleisten. Da die Schadensursache seinem Verantwortungsbereich zuzuordnen war, konnte er sich nicht auf Mietminderung berufen.

"Die Minderungsbefugnis des Mieters ist ausgeschlossen, wenn er die Mangelbeseitigung schuldhaft verhindert oder der Mangel seinem Verantwortungsbereich entstammt."

Besonderheiten bei Gewerberaummieten

Das Urteil zeigt wichtige Unterschiede zwischen Wohn- und Gewerberaummieten auf:

Weitgehende Vertragsfreiheit

Bei Gewerberäumen können Vermieter und Mieter die gesetzliche Risikoverteilung weitgehend abändern. Üblich sind Vereinbarungen über:

  • Umfassende Instandhaltungspflichten des Mieters
  • Übernahme von Umbau- und Modernisierungskosten
  • Verantwortung für technische Installationen

"Sphärentheorie" bei ungeklärter Schadensursache

Bleibt die Brandursache ungeklärt, entscheidet die Zuordnung zu den Verantwortungsbereichen:

  • Mieterbereich: Alle vom Mieter eingebrachten oder installierten Gegenstände
  • Vermieterbereich: Bausubstanz und fest installierte Gebäudetechnik

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Gewerbemieter:

  • Verträge genau prüfen: Achten Sie darauf, welche Instandhaltungspflichten Sie übernehmen
  • Risikobewertung: Umfassende Pflichten bedeuten auch umfassende Haftungsrisiken
  • Versicherung: Schließen Sie ausreichende Betriebshaftpflicht- und Inhaltsversicherungen ab
  • Fachgerechte Ausführung: Lassen Sie alle Installationen nur von Fachfirmen durchführen

Für Vermieter:

  • Klare Vertragsgestaltung: Definieren Sie präzise, wer für welche Bereiche verantwortlich ist
  • Dokumentation: Halten Sie den ursprünglichen Zustand der Räume schriftlich fest
  • Versicherungsschutz: Ihre Gebäudeversicherung deckt möglicherweise nicht alle Schäden ab

Praktische Konsequenzen:

  • Auch bei unbewohnbaren Räumen kann die Mietzahlungspflicht fortbestehen
  • Vertragliche Risikoverteilung geht vor gesetzlichen Regelungen
  • Bei Brandschäden ist die Ursachenermittlung entscheidend
  • Präventive Maßnahmen sind wichtiger als nachträgliche Haftungsdiskussionen

Vorsicht bei Instandhaltungsklauseln

Das Urteil zeigt: Wer als Gewerbemieter umfassende Instandhaltungspflichten übernimmt, trägt auch das entsprechende Risiko. Dies gilt selbst dann, wenn:

  • Der Schaden unverschuldet entsteht
  • Die Räume völlig unbenutzbar werden
  • Erhebliche Wiederherstellungskosten anfallen

Fazit: Bei Gewerberaummieten sollten beide Vertragsseiten die Risikoverteilung bewusst gestalten und entsprechend versichern. Mieter müssen sich darüber im Klaren sein, dass weitreichende Instandhaltungspflichten auch bei unverschuldeten Schäden zu fortbestehenden Mietzahlungspflichten führen können.


Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 11.10.2024, Az. 2 U 112/22

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Weiterlesen … Brandschaden in Gewerberäumen: Wann Mieter trotzdem zahlen müssen

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WEG: Sanierungsbeschlüsse rechtsgültig beschließen

  • Teaser: Wohnungseigentümergemeinschaften müssen bei Sanierungsbeschlüssen präzise formulieren und ihre Kompetenzen beachten. Das Amtsgericht Friedberg erklärte Beschlüsse zur Balkonsanierung für ungültig, weil sie zu unbestimmt waren oder das Sondereigentum betrafen.
  • Bildquelle: Symbolbild: KI-generiertes Bild
  • Beitragstext: Der Fall aus Hessen: Streit um Balkonsanierung Eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit drei Einheiten beschloss in ihrer Versammlung die Sanierung von vier Außenbalkonen und einer Garagen-Terrasse. Die Maßnahmen sollten von zwei Miteigentümern in Eigenleistung durchgeführt werden. Doch nicht alle Eigentümer waren mit diesen Beschlüssen einverstanden. Die betroffenen Balkone und die Terrasse gehörten zum Sondereigentum der durchführenden Miteigentümer und waren sanierungsbedürftig. In der Eigentümerversammlung stimmte die Mehrheit dafür, dass die beiden Miteigentümer die Sanierungsarbeiten selbst übernehmen sollten. Die Einwände der Kläger: Zu unbestimmt und nicht zuständig Die klagenden Miteigentümer sahen gleich mehrere Probleme in den gefassten Beschlüssen. Ihr Hauptkritikpunkt: Die Beschlüsse seien viel zu unbestimmt formuliert. Der Begriff "Sanierung" sage nichts darüber aus, was konkret gemacht werden sollte. Besonders problematisch war aus ihrer Sicht die Vermischung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum. Bei Balkonen gehört typischerweise der Oberbelag zum Sondereigentum des jeweiligen Wohnungseigentümers, während die darunter liegende Konstruktion Gemeinschaftseigentum darstellt. Da nicht klar war, welche Teile saniert werden sollten, blieb auch die Finanzierung ungeklärt. Weitere Kritikpunkte der klagenden Eigentümer Die Kläger bemängelten zusätzlich, dass durch die Beschlüsse wesentliche Aufgaben des Verwalters an die beiden Miteigentümer übertragen würden, was rechtlich nicht zulässig sei. Außerdem seien die Beschlüsse nicht ordnungsgemäß verkündet worden. Bei den Balkonen kritisierten sie außerdem, dass nicht eindeutig sei, welche der vier Balkone überhaupt saniert werden sollten, obwohl die Anlage tatsächlich nur über vier Außenbalkone verfügte. Die Verteidigung: Beschlüsse seien ausreichend konkret Die Wohnungseigentümergemeinschaft verteidigte ihre Beschlüsse vehement. Ihrer Ansicht nach waren die Beschlüsse hinreichend bestimmt, da die Anlage nur über vier Balkone und eine Garagen-Terrasse verfüge. Eine Verwechslung sei daher ausgeschlossen. Den Begriff "Sanierung" hielt die beklagte Gemeinschaft für ausreichend konkret. Unter Sanierung verstehe man im Bauwesen die technische Wiederherstellung und Werterhaltung der Bausubstanz mit dem Ziel, einen standsicheren und gebrauchstauglichen Zustand zu erreichen. Die Beschlüsse seien ordnungsgemäß protokolliert und damit auch verkündet worden. Eine Übertragung von Verwaltungsaufgaben liege nicht vor, sondern lediglich die Durchführung der Sanierungsarbeiten in Eigenleistung. Gerichtsentscheidung: Beide Beschlüsse ungültig Das Amtsgericht Friedberg gab den klagenden Eigentümern Recht und erklärte beide strittigen Beschlüsse für ungültig. Dabei unterschied das Gericht zwischen zwei verschiedenen Rechtsproblemen. Beschluss zur Balkonsanierung: Zu unbestimmt Bei dem Beschluss zur Sanierung der vier Balkone sah das Gericht das Hauptproblem in der mangelnden Bestimmtheit. Zwar gab das Gericht den Einwänden bezüglich der Verkündung und der Erkennbarkeit der betroffenen Balkone nicht statt, wohl aber dem Argument der zu ungenauen Formulierung. "Aus dem Beschluss selbst ist nicht ersichtlich, in welchem Umfang die Sanierung der vier Balkone durchgeführt werden soll." Das Gericht betonte, dass bei Balkonen zwischen Teilen unterschieden werden müsse, die zum Sondereigentum gehören (typischerweise der Oberbelag) und solchen, die Gemeinschaftseigentum darstellen (die Grundkonstruktion und sicherheitsrelevante Teile). Da der Beschluss diese Unterscheidung nicht traf, blieb völlig unklar, wie weit die Sanierung gehen sollte. Wichtige Rechtsgrundsätze zur Beschlussauslegung Das Gericht verwies auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der Beschlüsse "objektiv und aus sich heraus" auszulegen sind. Dabei kommt es darauf an, wie der Beschluss für einen unbefangenen Betrachter verständlich ist. Auch bei diesem Maßstab war der Umfang der geplanten Arbeiten nicht bestimmbar. Der allgemeine Begriff "Sanierung" reichte nach Ansicht des Gerichts nicht aus, um die beschlossene Maßnahme hinreichend zu konkretisieren. Es fehlte jede Beschreibung dessen, was die beauftragten Eigentümer tun sollten und wo ihrem Handeln Grenzen gesetzt waren. Beschluss zur Terrasse: Keine Kompetenz für Sondereigentum Anders lag der Fall bei der Garagen-Terrasse. Hier vermied der Beschluss zwar die Bestimmtheitsproblematik, da er ausdrücklich nur den zum Sondereigentum gehörenden Belag betraf. Dennoch erklärte das Gericht auch diesen Beschluss für ungültig. Der Grund: Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat keine Beschlusskompetenz für Angelegenheiten des Sondereigentums. Sondereigentum ist grundsätzlich nicht Gegenstand der gemeinschaftlichen Verwaltung. Strikte Rechtsprechung zu Sondereigentum Das Gericht berief sich auf die klare Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs: Ein Beschluss zur Verwaltung von Sondereigentum ist wegen fehlender Beschlusskompetenz nichtig. Dies gilt selbst dann, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften Maßnahmen am Sondereigentum erfordern würden. Der Mangel der Beschlusskompetenz muss als Nichtigkeitsgrund von Amts wegen berücksichtigt werden, unabhängig davon, wann er vorgetragen wird. Was bedeutet das Urteil für Sie? Für Wohnungseigentümergemeinschaften: Präzise Beschlussformulierung ist entscheidend: Beschlüsse zu Sanierungsmaßnahmen müssen genau definieren, welche Arbeiten durchgeführt werden sollen. Der Begriff "Sanierung" allein reicht nicht aus. Beschreiben Sie konkret Art, Umfang und Grenzen der geplanten Maßnahmen. Sonder- und Gemeinschaftseigentum unterscheiden: Klären Sie vor jeder Beschlussfassung, ob die geplanten Arbeiten Sonder- oder Gemeinschaftseigentum betreffen. Beschlüsse zu Sondereigentum sind grundsätzlich unwirksam. Rechtliche Beratung einholen: Bei komplexeren Sanierungsvorhaben sollten Sie vorab rechtliche Beratung einholen, um unwirksame Beschlüsse zu vermeiden. Für einzelne Wohnungseigentümer: Beschlüsse genau prüfen: Lesen Sie Beschlussvorlagen vor der Versammlung sorgfältig durch. Unklare oder zu allgemein formulierte Beschlüsse können später für ungültig erklärt werden. Fristen beachten: Auch wenn Beschlüsse wegen fehlender Kompetenz nichtig sind, sollten Sie bei anderen Fehlern die Anfechtungsfristen des Wohnungseigentumsgesetzes beachten. Eigentumsarten kennen: Informieren Sie sich über die Aufteilung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum in Ihrer Anlage. Diese Kenntnis hilft bei der Bewertung von Beschlussvorlagen. Praktische Empfehlungen: Für Sanierungsbeschlüsse sollten Sie folgende Punkte beachten: Definieren Sie präzise die betroffenen Bauteile und unterscheiden Sie dabei zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum. Beschreiben Sie Art und Umfang der geplanten Arbeiten detailliert. Klären Sie die Kostenverteilung und Finanzierung vorab. Holen Sie bei größeren Vorhaben mehrere Angebote ein und legen Sie diese der Versammlung vor. Bei Arbeiten am Sondereigentum ist die Eigentümergemeinschaft nicht zuständig. Hier muss der betroffene Eigentümer selbst entscheiden und handeln. Sind sowohl Sonder- als auch Gemeinschaftseigentum betroffen, müssen separate Beschlüsse für die verschiedenen Eigentumsarten gefasst werden. Fazit: Dieses Urteil zeigt deutlich, wie wichtig präzise Formulierungen und die Beachtung der Kompetenzen in Wohnungseigentümergemeinschaften sind. Ungenaue Beschlüsse können nicht nur zu rechtlichen Problemen führen, sondern auch den gesamten Sanierungsprozess verzögern und verteuern. Quelle: Amtsgericht Friedberg (Hessen), Urteil vom 10. Januar 2025, Az. 2 C 580/24
  • Der beste Anwalt für Mietrecht
    Rechtsanwalt Alexander Liese

Der Fall aus Hessen: Streit um Balkonsanierung

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit drei Einheiten beschloss in ihrer Versammlung die Sanierung von vier Außenbalkonen und einer Garagen-Terrasse. Die Maßnahmen sollten von zwei Miteigentümern in Eigenleistung durchgeführt werden. Doch nicht alle Eigentümer waren mit diesen Beschlüssen einverstanden.

Die betroffenen Balkone und die Terrasse gehörten zum Sondereigentum der durchführenden Miteigentümer und waren sanierungsbedürftig. In der Eigentümerversammlung stimmte die Mehrheit dafür, dass die beiden Miteigentümer die Sanierungsarbeiten selbst übernehmen sollten.

Die Einwände der Kläger: Zu unbestimmt und nicht zuständig

Die klagenden Miteigentümer sahen gleich mehrere Probleme in den gefassten Beschlüssen. Ihr Hauptkritikpunkt: Die Beschlüsse seien viel zu unbestimmt formuliert. Der Begriff "Sanierung" sage nichts darüber aus, was konkret gemacht werden sollte.

Besonders problematisch war aus ihrer Sicht die Vermischung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum. Bei Balkonen gehört typischerweise der Oberbelag zum Sondereigentum des jeweiligen Wohnungseigentümers, während die darunter liegende Konstruktion Gemeinschaftseigentum darstellt. Da nicht klar war, welche Teile saniert werden sollten, blieb auch die Finanzierung ungeklärt.

Weitere Kritikpunkte der klagenden Eigentümer

Die Kläger bemängelten zusätzlich, dass durch die Beschlüsse wesentliche Aufgaben des Verwalters an die beiden Miteigentümer übertragen würden, was rechtlich nicht zulässig sei. Außerdem seien die Beschlüsse nicht ordnungsgemäß verkündet worden.

Bei den Balkonen kritisierten sie außerdem, dass nicht eindeutig sei, welche der vier Balkone überhaupt saniert werden sollten, obwohl die Anlage tatsächlich nur über vier Außenbalkone verfügte.

Die Verteidigung: Beschlüsse seien ausreichend konkret

Die Wohnungseigentümergemeinschaft verteidigte ihre Beschlüsse vehement. Ihrer Ansicht nach waren die Beschlüsse hinreichend bestimmt, da die Anlage nur über vier Balkone und eine Garagen-Terrasse verfüge. Eine Verwechslung sei daher ausgeschlossen.

Den Begriff "Sanierung" hielt die beklagte Gemeinschaft für ausreichend konkret. Unter Sanierung verstehe man im Bauwesen die technische Wiederherstellung und Werterhaltung der Bausubstanz mit dem Ziel, einen standsicheren und gebrauchstauglichen Zustand zu erreichen.

Die Beschlüsse seien ordnungsgemäß protokolliert und damit auch verkündet worden. Eine Übertragung von Verwaltungsaufgaben liege nicht vor, sondern lediglich die Durchführung der Sanierungsarbeiten in Eigenleistung.

Gerichtsentscheidung: Beide Beschlüsse ungültig

Das Amtsgericht Friedberg gab den klagenden Eigentümern Recht und erklärte beide strittigen Beschlüsse für ungültig. Dabei unterschied das Gericht zwischen zwei verschiedenen Rechtsproblemen.

Beschluss zur Balkonsanierung: Zu unbestimmt

Bei dem Beschluss zur Sanierung der vier Balkone sah das Gericht das Hauptproblem in der mangelnden Bestimmtheit. Zwar gab das Gericht den Einwänden bezüglich der Verkündung und der Erkennbarkeit der betroffenen Balkone nicht statt, wohl aber dem Argument der zu ungenauen Formulierung.

"Aus dem Beschluss selbst ist nicht ersichtlich, in welchem Umfang die Sanierung der vier Balkone durchgeführt werden soll."

Das Gericht betonte, dass bei Balkonen zwischen Teilen unterschieden werden müsse, die zum Sondereigentum gehören (typischerweise der Oberbelag) und solchen, die Gemeinschaftseigentum darstellen (die Grundkonstruktion und sicherheitsrelevante Teile). Da der Beschluss diese Unterscheidung nicht traf, blieb völlig unklar, wie weit die Sanierung gehen sollte.

Wichtige Rechtsgrundsätze zur Beschlussauslegung

Das Gericht verwies auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der Beschlüsse "objektiv und aus sich heraus" auszulegen sind. Dabei kommt es darauf an, wie der Beschluss für einen unbefangenen Betrachter verständlich ist. Auch bei diesem Maßstab war der Umfang der geplanten Arbeiten nicht bestimmbar.

Der allgemeine Begriff "Sanierung" reichte nach Ansicht des Gerichts nicht aus, um die beschlossene Maßnahme hinreichend zu konkretisieren. Es fehlte jede Beschreibung dessen, was die beauftragten Eigentümer tun sollten und wo ihrem Handeln Grenzen gesetzt waren.

Beschluss zur Terrasse: Keine Kompetenz für Sondereigentum

Anders lag der Fall bei der Garagen-Terrasse. Hier vermied der Beschluss zwar die Bestimmtheitsproblematik, da er ausdrücklich nur den zum Sondereigentum gehörenden Belag betraf. Dennoch erklärte das Gericht auch diesen Beschluss für ungültig.

Der Grund: Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat keine Beschlusskompetenz für Angelegenheiten des Sondereigentums. Sondereigentum ist grundsätzlich nicht Gegenstand der gemeinschaftlichen Verwaltung.

Strikte Rechtsprechung zu Sondereigentum

Das Gericht berief sich auf die klare Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs: Ein Beschluss zur Verwaltung von Sondereigentum ist wegen fehlender Beschlusskompetenz nichtig. Dies gilt selbst dann, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften Maßnahmen am Sondereigentum erfordern würden.

Der Mangel der Beschlusskompetenz muss als Nichtigkeitsgrund von Amts wegen berücksichtigt werden, unabhängig davon, wann er vorgetragen wird.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Wohnungseigentümergemeinschaften:

Präzise Beschlussformulierung ist entscheidend: Beschlüsse zu Sanierungsmaßnahmen müssen genau definieren, welche Arbeiten durchgeführt werden sollen. Der Begriff "Sanierung" allein reicht nicht aus. Beschreiben Sie konkret Art, Umfang und Grenzen der geplanten Maßnahmen.

Sonder- und Gemeinschaftseigentum unterscheiden: Klären Sie vor jeder Beschlussfassung, ob die geplanten Arbeiten Sonder- oder Gemeinschaftseigentum betreffen. Beschlüsse zu Sondereigentum sind grundsätzlich unwirksam.

Rechtliche Beratung einholen: Bei komplexeren Sanierungsvorhaben sollten Sie vorab rechtliche Beratung einholen, um unwirksame Beschlüsse zu vermeiden.

Für einzelne Wohnungseigentümer:

Beschlüsse genau prüfen: Lesen Sie Beschlussvorlagen vor der Versammlung sorgfältig durch. Unklare oder zu allgemein formulierte Beschlüsse können später für ungültig erklärt werden.

Fristen beachten: Auch wenn Beschlüsse wegen fehlender Kompetenz nichtig sind, sollten Sie bei anderen Fehlern die Anfechtungsfristen des Wohnungseigentumsgesetzes beachten.

Eigentumsarten kennen: Informieren Sie sich über die Aufteilung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum in Ihrer Anlage. Diese Kenntnis hilft bei der Bewertung von Beschlussvorlagen.

Praktische Empfehlungen:

Für Sanierungsbeschlüsse sollten Sie folgende Punkte beachten:

Definieren Sie präzise die betroffenen Bauteile und unterscheiden Sie dabei zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum. Beschreiben Sie Art und Umfang der geplanten Arbeiten detailliert. Klären Sie die Kostenverteilung und Finanzierung vorab. Holen Sie bei größeren Vorhaben mehrere Angebote ein und legen Sie diese der Versammlung vor.

Bei Arbeiten am Sondereigentum ist die Eigentümergemeinschaft nicht zuständig. Hier muss der betroffene Eigentümer selbst entscheiden und handeln. Sind sowohl Sonder- als auch Gemeinschaftseigentum betroffen, müssen separate Beschlüsse für die verschiedenen Eigentumsarten gefasst werden.

Fazit: Dieses Urteil zeigt deutlich, wie wichtig präzise Formulierungen und die Beachtung der Kompetenzen in Wohnungseigentümergemeinschaften sind. Ungenaue Beschlüsse können nicht nur zu rechtlichen Problemen führen, sondern auch den gesamten Sanierungsprozess verzögern und verteuern.


Quelle: Amtsgericht Friedberg (Hessen), Urteil vom 10. Januar 2025, Az. 2 C 580/24

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Wohnfläche im Mietvertrag richtig verstehen

  • Teaser: Mieter können nicht immer auf eine objektive Wohnflächenberechnung pochen. Der Bundesgerichtshof hat entschieden: Vereinbaren die Parteien im Mietvertrag ausdrücklich, welche Räume zur Wohnfläche zählen, ist diese Absprache bindend – auch wenn sie von üblichen Berechnungsstandards abweicht.
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  • Beitragstext: Der konkrete Fall aus Bonn Ein Ehepaar mietete 2006 eine Wohnung in Bonn, die laut Mietvertrag "ca. 180 qm" groß sein sollte. Die Wohnung erstreckte sich über drei Geschosse: Erdgeschoss, Zwischengeschoss und Untergeschoss. Im Vertrag hieß es, dass alle Räume "zur Benutzung als Wohnraum" vermietet würden. Jahre später wollte die Vermieterin die Miete erhöhen – basierend auf einer Wohnfläche von 177 qm. Die Mieter wehrten sich jedoch: Sie ließen die Wohnung neu vermessen und kamen nur auf 144,5 qm tatsächliche Wohnfläche. Daraufhin forderten sie eine Mietminderung und die Rückzahlung von Miete in Höhe von fast 50.000 Euro. Die zentrale Streitfrage: Was zählt zur Wohnfläche? Der Streit drehte sich um eine grundsätzliche Frage: Müssen Wohnflächen immer nach objektiven Standards berechnet werden, oder können Mieter und Vermieter eigene Regeln vereinbaren? Die Mieter argumentierten, dass die tatsächliche Wohnfläche erheblich kleiner sei als im Vertrag angegeben. Nach ihrer Ansicht lag ein Mangel vor, der zur Mietminderung berechtigt. Die Vermieterin berief sich dagegen auf die Vertragsformulierung: Alle Räume seien ausdrücklich "als Wohnraum" vermietet worden – inklusive der Kellerräume im Untergeschoss. BGH-Entscheidung: Vertragsvereinbarungen haben Vorrang Der Bundesgerichtshof gab der Vermieterin Recht und stellte dabei wichtige Grundsätze auf: Wohnflächenvereinbarungen sind bindend "Die Parteien können vereinbaren, wie sie eine im Mietvertrag angegebene Wohnfläche verstanden wissen wollten." Das Gericht machte deutlich: Mieter und Vermieter dürfen selbst festlegen, welche Flächen zur Wohnfläche zählen sollen – unabhängig davon, ob diese Räume nach offiziellen Berechnungsverordnungen als Wohnraum gelten würden oder nicht. Entscheidend ist die Vertragsauslegung Im konkreten Fall interpretierten die Richter die Formulierung "zur Benutzung als Wohnraum" als klare Vereinbarung: Alle drei Geschosse sollten bei der Wohnflächenberechnung berücksichtigt werden. Verstärkt wurde diese Auslegung dadurch, dass im Vertrag der übliche Zusatz über die hälftige Anrechnung von Balkonen und Terrassen gestrichen worden war. Keine Mietminderung möglich Da die Parteien eine spezielle Wohnflächenvereinbarung getroffen hatten und die Wohnung tatsächlich die vereinbarte Fläche aufwies, lag kein Mangel vor. Die Mieter konnten daher weder eine Mietminderung noch Rückzahlungen verlangen. Unterschied zwischen Vertragsauslegung und Mieterhöhung Besonders wichtig: Der BGH betonte den Unterschied zwischen Wohnflächenvereinbarungen und Mieterhöhungen: • Bei Beschaffenheitsvereinbarungen (wie im Mietvertrag) können die Parteien selbst bestimmen, was zur Wohnfläche zählt • Bei Mieterhöhungen ist dagegen immer die objektiv ermittelte tatsächliche Wohnfläche maßgeblich – vertragliche Abweichungen sind hier unwirksam Dies erklärt, warum die Vermieterin bei der Mieterhöhung von 177 qm ausging, während gleichzeitig die vertragliche Vereinbarung über 180 qm für die Mangelfrage relevant blieb. Was bedeutet das Urteil für Sie? Für Mieter: • Mietverträge genau prüfen: Achten Sie darauf, wie die Wohnfläche beschrieben wird und welche Räume explizit erwähnt werden • Bei Zweifeln nachmessen: Lassen Sie vor Vertragsabschluss die Wohnfläche professionell vermessen, wenn Ihnen die Angaben unrealistisch erscheinen • Vertragsverhandlungen nutzen: Sprechen Sie unklare Flächenangaben bereits bei Vertragsabschluss an Für Vermieter: • Klare Formulierungen: Beschreiben Sie präzise, welche Räume und Flächen zur Wohnfläche zählen sollen • Konsistenz beachten: Verwenden Sie bei Mieterhöhungen die tatsächlich gemessene Wohnfläche, unabhängig von vertraglichen Vereinbarungen • Dokumentation: Halten Sie Messungen und Berechnungsgrundlagen schriftlich fest Praktische Tipps: • Der Zusatz "ca." bei Flächenangaben ändert nichts an der Bindungswirkung von Beschaffenheitsvereinbarungen • Auch Kellerräume können zur Wohnfläche zählen, wenn sie entsprechend vermietet und genutzt werden • Bei Abweichungen von mehr als 10% zwischen vereinbarter und tatsächlicher Fläche kann grundsätzlich ein Mangel vorliegen – es sei denn, es gibt eine spezielle Vereinbarung Fazit: Wohnflächenangaben im Mietvertrag sind nicht nur unverbindliche Schätzungen, sondern können bindende Beschaffenheitsvereinbarungen darstellen. Beide Vertragsseiten sollten daher von Anfang an Klarheit über die Flächenberechnung schaffen. ________________________________________ Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22. Juni 2021, Az. VIII ZR 26/20
  • Der beste Anwalt für Mietrecht
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Der konkrete Fall aus Bonn

Ein Ehepaar mietete 2006 eine Wohnung in Bonn, die laut Mietvertrag "ca. 180 qm" groß sein sollte. Die Wohnung erstreckte sich über drei Geschosse: Erdgeschoss, Zwischengeschoss und Untergeschoss. Im Vertrag hieß es, dass alle Räume "zur Benutzung als Wohnraum" vermietet würden.

Jahre später wollte die Vermieterin die Miete erhöhen – basierend auf einer Wohnfläche von 177 qm. Die Mieter wehrten sich jedoch: Sie ließen die Wohnung neu vermessen und kamen nur auf 144,5 qm tatsächliche Wohnfläche. Daraufhin forderten sie eine Mietminderung und die Rückzahlung von Miete in Höhe von fast 50.000 Euro.

Die zentrale Streitfrage: Was zählt zur Wohnfläche?

Der Streit drehte sich um eine grundsätzliche Frage: Müssen Wohnflächen immer nach objektiven Standards berechnet werden, oder können Mieter und Vermieter eigene Regeln vereinbaren?

Die Mieter argumentierten, dass die tatsächliche Wohnfläche erheblich kleiner sei als im Vertrag angegeben. Nach ihrer Ansicht lag ein Mangel vor, der zur Mietminderung berechtigt.

Die Vermieterin berief sich dagegen auf die Vertragsformulierung: Alle Räume seien ausdrücklich "als Wohnraum" vermietet worden – inklusive der Kellerräume im Untergeschoss.

BGH-Entscheidung: Vertragsvereinbarungen haben Vorrang

Der Bundesgerichtshof gab der Vermieterin Recht und stellte dabei wichtige Grundsätze auf:

Wohnflächenvereinbarungen sind bindend

"Die Parteien können vereinbaren, wie sie eine im Mietvertrag angegebene Wohnfläche verstanden wissen wollten."

Das Gericht machte deutlich: Mieter und Vermieter dürfen selbst festlegen, welche Flächen zur Wohnfläche zählen sollen – unabhängig davon, ob diese Räume nach offiziellen Berechnungsverordnungen als Wohnraum gelten würden oder nicht.

Entscheidend ist die Vertragsauslegung

Im konkreten Fall interpretierten die Richter die Formulierung "zur Benutzung als Wohnraum" als klare Vereinbarung: Alle drei Geschosse sollten bei der Wohnflächenberechnung berücksichtigt werden. Verstärkt wurde diese Auslegung dadurch, dass im Vertrag der übliche Zusatz über die hälftige Anrechnung von Balkonen und Terrassen gestrichen worden war.

Keine Mietminderung möglich

Da die Parteien eine spezielle Wohnflächenvereinbarung getroffen hatten und die Wohnung tatsächlich die vereinbarte Fläche aufwies, lag kein Mangel vor. Die Mieter konnten daher weder eine Mietminderung noch Rückzahlungen verlangen.

Unterschied zwischen Vertragsauslegung und Mieterhöhung

Besonders wichtig: Der BGH betonte den Unterschied zwischen Wohnflächenvereinbarungen und Mieterhöhungen:

  • Bei Beschaffenheitsvereinbarungen (wie im Mietvertrag) können die Parteien selbst bestimmen, was zur Wohnfläche zählt
  • Bei Mieterhöhungen ist dagegen immer die objektiv ermittelte tatsächliche Wohnfläche maßgeblich – vertragliche Abweichungen sind hier unwirksam

Dies erklärt, warum die Vermieterin bei der Mieterhöhung von 177 qm ausging, während gleichzeitig die vertragliche Vereinbarung über 180 qm für die Mangelfrage relevant blieb.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Mieter:

  • Mietverträge genau prüfen: Achten Sie darauf, wie die Wohnfläche beschrieben wird und welche Räume explizit erwähnt werden
  • Bei Zweifeln nachmessen: Lassen Sie vor Vertragsabschluss die Wohnfläche professionell vermessen, wenn Ihnen die Angaben unrealistisch erscheinen
  • Vertragsverhandlungen nutzen: Sprechen Sie unklare Flächenangaben bereits bei Vertragsabschluss an

Für Vermieter:

  • Klare Formulierungen: Beschreiben Sie präzise, welche Räume und Flächen zur Wohnfläche zählen sollen
  • Konsistenz beachten: Verwenden Sie bei Mieterhöhungen die tatsächlich gemessene Wohnfläche, unabhängig von vertraglichen Vereinbarungen
  • Dokumentation: Halten Sie Messungen und Berechnungsgrundlagen schriftlich fest

Praktische Tipps:

  • Der Zusatz "ca." bei Flächenangaben ändert nichts an der Bindungswirkung von Beschaffenheitsvereinbarungen
  • Auch Kellerräume können zur Wohnfläche zählen, wenn sie entsprechend vermietet und genutzt werden
  • Bei Abweichungen von mehr als 10% zwischen vereinbarter und tatsächlicher Fläche kann grundsätzlich ein Mangel vorliegen – es sei denn, es gibt eine spezielle Vereinbarung

Fazit: Wohnflächenangaben im Mietvertrag sind nicht nur unverbindliche Schätzungen, sondern können bindende Beschaffenheitsvereinbarungen darstellen. Beide Vertragsseiten sollten daher von Anfang an Klarheit über die Flächenberechnung schaffen.


Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22. Juni 2021, Az. VIII ZR 26/20

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