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Heckenhöhe im Nachbarrecht: BGH klärt Streitfrage zu Bambus

  • Teaser: Haben Sie schon einmal Ärger mit den Nachbarn wegen zu hoher Gewächse an der Grundstücksgrenze gehabt? Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs klärt nun wichtige Fragen zum Thema Heckenhöhe und Grenzabstand – besonders interessant für alle, die mit Bambus oder anderen hochwachsenden Hecken leben oder sich davon gestört fühlen.
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    Rechtsanwalt Alexander Liese

Worum ging es in dem Fall?

In Hessen stritten zwei Nachbarn um eine Bambushecke, die auf einer Aufschüttung an der gemeinsamen Grundstücksgrenze wuchs. Diese Aufschüttung bestand bereits seit den 1960er Jahren und wurde durch eine 28 Meter lange Mauer abgestützt. Im Jahr 2018 pflanzte der Eigentümer auf dieser erhöhten Fläche Bambus an und installierte zum Nachbargrundstück hin eine Rhizomsperre, um ein Ausbreiten der Wurzeln zu verhindern.

Der Bambus wuchs schnell und erreichte eine Höhe von sechs bis sieben Metern. Der Nachbar fühlte sich dadurch erheblich beeinträchtigt und forderte gerichtlich, dass der Bambus auf drei Meter zurückgeschnitten werden müsse – gemessen vom Bodenniveau seines tiefergelegenen Grundstücks.

Die zentrale Rechtsfrage

Der Fall warf mehrere spannende Rechtsfragen auf:

  1. Ist eine Bambuspflanzung überhaupt als „Hecke" im Sinne des Nachbarrechts anzusehen?
  2. Hat der Begriff „Hecke" eine natürliche Höhenbegrenzung oder kann eine Hecke beliebig hoch wachsen?
  3. Von welchem Bodenniveau aus ist die Höhe zu messen, wenn ein Grundstück höher liegt als das andere?

Das Landgericht hatte zunächst dem Kläger Recht gegeben. Das Oberlandesgericht Frankfurt wies die Klage jedoch ab. Schließlich landete der Fall beim Bundesgerichtshof (BGH).

Die Entscheidung des BGH

Der BGH traf in seinem Urteil vom 28. März 2025 mehrere wichtige Feststellungen:

Dem Begriff der Hecke im Sinne der Landesnachbargesetze ist eine Höhenbegrenzung nicht immanent. Entscheidend für die Einordnung als Hecke ist vielmehr, ob die Anpflanzungen im Einzelfall nach dem äußeren Erscheinungsbild bei einer natürlichen Betrachtungsweise einen geschlossenen Eindruck als Einheit mit einem Dichtschluss sowie einer Höhen- und Seitenbegrenzung vermitteln.

Dies bedeutet: Eine Hecke kann durchaus höher als drei Meter sein, ohne ihren Status als Hecke zu verlieren. Der BGH widersprach damit der Auffassung, dass Anpflanzungen ab einer gewissen Höhe nicht mehr als Hecke anzusehen seien.

Zur Messung der Höhe bei unterschiedlichen Geländeniveaus stellte der BGH fest:

Wird eine Hecke auf einem Grundstück gepflanzt, das höher liegt als das Nachbargrundstück, ist die nach den Landesnachbargesetzen zulässige Heckenhöhe grundsätzlich von der Stelle aus zu messen, an der die Anpflanzungen aus dem Boden austreten.

Allerdings gibt es eine wichtige Ausnahme:

Erfolgt hingegen im zeitlichen Zusammenhang mit der Anpflanzung eine (künstliche) Erhöhung des Grundstücksniveaus im Bereich der Grundstücksgrenze, ist davon abweichend das ursprüngliche Geländeniveau maßgeblich.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Diese Entscheidung hat erhebliche praktische Auswirkungen für Grundstückseigentümer:

  1. Bambuspflanzungen können Hecken sein: Auch wenn Bambus botanisch zu den Süßgräsern zählt, kann er rechtlich als Hecke eingestuft werden, wenn er als einheitliche, dichtgeschlossene Anpflanzung an der Grundstücksgrenze wächst.
  2. Keine automatische Höhenbegrenzung für Hecken: Eine Hecke verliert nicht automatisch ihren Status als Hecke, wenn sie höher als drei Meter wächst. Das heißt aber nicht, dass jede beliebige Höhe zulässig ist.
  3. Natürliche Geländeunterschiede sind zu akzeptieren: Wenn Ihr Grundstück naturbedingt höher liegt als das Ihres Nachbarn, wird die erlaubte Heckenhöhe von Ihrem Bodenniveau aus gemessen.
  4. Vorsicht bei künstlichen Erhöhungen: Wer sein Grundstück an der Grenze künstlich erhöht und darauf dann eine Hecke pflanzt, kann sich nicht auf die höhere Messbasis berufen. Hier gilt das ursprüngliche Bodenniveau.
  5. Besonderheiten in den Bundesländern beachten: Die konkreten Regelungen können je nach Bundesland unterschiedlich sein. In Hessen darf eine Hecke bei einem Grenzabstand von 0,75 Metern höher als zwei Meter sein.

Wann kann trotz Einhaltung der Abstände ein Rückschnitt verlangt werden?

Der BGH hat in seiner Entscheidung betont, dass in besonders gravierenden Fällen das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis einen Rückschnitt rechtfertigen kann – auch wenn die formalen Abstandsregeln eingehalten werden.

Hier kommt es auf eine Einzelfallbetrachtung an: Führt die hohe Hecke zu ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Beeinträchtigungen für den Nachbarn, kann ein Rückschnitt verlangt werden. Solche Situationen können vorliegen, wenn eine sehr hohe Hecke die Aussicht völlig versperrt oder wenn ein Grundstück durch die Bepflanzung praktisch „eingemauert" wird.

Fazit

Das Urteil des BGH schafft mehr Rechtssicherheit im oft streitbefangenen Bereich des Nachbarrechts. Es stellt klar, dass nicht jede hohe Hecke automatisch rechtswidrig ist, betont aber gleichzeitig die Bedeutung gegenseitiger Rücksichtnahme zwischen Nachbarn.

Wenn Sie selbst in einem Nachbarschaftskonflikt um Anpflanzungen stehen, empfiehlt es sich, zunächst das Gespräch zu suchen. Viele Streitigkeiten lassen sich durch Kompromisse lösen, ohne die Gerichte zu bemühen. Bei besonders schwerwiegenden Beeinträchtigungen kann jedoch der Rechtsweg beschritten werden – das aktuelle BGH-Urteil bietet hierfür wichtige Orientierungspunkte.


Quelle: BGH, Urteil vom 28. März 2025 - V ZR 185/23

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Vorkaufsrechte an Wohnungen: Familienangehöriger oder Mieter?

  • Teaser: Nach einer Trennung oder Scheidung muss häufig gemeinsames Eigentum aufgeteilt werden - besonders bei Immobilien kann dies kompliziert werden. Welche Rechte haben die Beteiligten, wenn sowohl ein Familienmitglied als auch ein Mieter ein Vorkaufsrecht an derselben Wohnung beanspruchen? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer wegweisenden Entscheidung diese Frage nun klar beantwortet.
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  • 04/25

Der Sachverhalt: Vorkaufsrechte in Konkurrenz

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatten sich geschiedene Eheleute bei der Trennung darauf geeinigt, ihr gemeinsames Haus in Meißen in drei Wohnungen aufzuteilen. Der Ehemann erhielt zwei Wohnungen, die Ehefrau eine. Wichtig für den späteren Rechtsstreit: Die Ex-Partner räumten sich gegenseitig dingliche Vorkaufsrechte ein. Für die Frau wurde im Dezember 2016 ein solches Vorkaufsrecht an einer der Wohnungen des Mannes im Grundbuch eingetragen.

Als der Ex-Ehemann 2019 seine beiden Wohnungen an Dritte verkaufen wollte, wurde es kompliziert. Für eine der Wohnungen wurde ein Kaufpreis von 27.000 Euro vereinbart. Die Ex-Ehefrau übte daraufhin ihr Vorkaufsrecht aus. Doch diese Wohnung war bereits vor der Aufteilung an einen Mieter vermietet worden, der nun seinerseits das gesetzliche Mietervorkaufsrecht nach § 577 BGB geltend machte.

Der Mieter wurde schließlich als Eigentümer im Grundbuch eingetragen, das Vorkaufsrecht der Ex-Ehefrau später gelöscht. Dies führte zu mehreren Rechtsstreitigkeiten.

Der zentrale Streitpunkt: Welches Vorkaufsrecht hat Vorrang?

Die entscheidende Rechtsfrage lautete: Welches Vorkaufsrecht geht vor – das im Grundbuch eingetragene dingliche Vorkaufsrecht der Ex-Ehefrau oder das gesetzliche Vorkaufsrecht des Mieters?

Das Oberlandesgericht Dresden hatte zunächst dem Mietervorkaufsrecht den Vorrang eingeräumt. Es argumentierte, dass das dingliche Vorkaufsrecht der Ex-Ehefrau hinter dem Mietervorkaufsrecht zurücktreten müsse, da es erst nach der Vermietung der Wohnung bestellt worden war.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH hob diese Entscheidung auf und stellte klar: Das dingliche Vorkaufsrecht eines Familienangehörigen genießt Vorrang vor dem gesetzlichen Vorkaufsrecht des Mieters – und zwar auch dann, wenn das dingliche Vorkaufsrecht erst nach Überlassung der Wohnung an den Mieter bestellt wurde.

Für diese Entscheidung stützte sich der BGH auf folgende Überlegungen:

"Wenn der Vermieter das Wohnungseigentum auch nach Überlassung der Wohnung an den Mieter direkt an den Familienangehörigen verkaufen könnte, ohne dass der Mieter zum Vorkauf berechtigt wäre, ist nicht ersichtlich, warum das Mietervorkaufsrecht Vorrang gegenüber einem nach Überlassung der Wohnung an den Mieter für einen Familienangehörigen bestellten dinglichen Vorkaufsrecht haben sollte."

Besonders wichtig: Der BGH betonte, dass auch geschiedene Eheleute weiterhin als Familienangehörige im Sinne des § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB anzusehen sind.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Diese BGH-Entscheidung hat weitreichende praktische Auswirkungen:

  1. Für Familienangehörige mit Vorkaufsrecht: Ihr im Grundbuch eingetragenes Vorkaufsrecht behält seinen Wert und seine Durchsetzbarkeit – auch gegenüber Mietern mit gesetzlichem Vorkaufsrecht. Dies gilt selbst dann, wenn das Vorkaufsrecht erst nach Vermietung der Wohnung eingeräumt wurde.
  2. Für Mieter: Ihr gesetzliches Vorkaufsrecht nach § 577 BGB kann durch ein dingliches Vorkaufsrecht eines Familienangehörigen des Vermieters verdrängt werden. Dies schränkt den Mieterschutz in bestimmten Konstellationen ein.
  3. Für Vermieter: Sie können auch nach Vermietung einer Wohnung Familienangehörigen ein wirksames dingliches Vorkaufsrecht einräumen, das Vorrang vor dem Mietervorkaufsrecht genießt. Dies erweitert Ihre Gestaltungsmöglichkeiten bei der Nachlassplanung oder Vermögensaufteilung.
  4. Für Immobilienkäufer: Beim Erwerb von vermieteten Wohnungen sollten Sie stets prüfen, ob im Grundbuch Vorkaufsrechte zugunsten von Familienangehörigen des Verkäufers eingetragen sind. Diese können auch nach einer scheinbar erfolgreichen Ausübung des Mietervorkaufsrechts noch relevant werden.

Das Urteil verdeutlicht, wie wichtig eine sorgfältige Prüfung aller Rechte und Belastungen beim Immobilienerwerb ist. Die scheinbar klare Regelung des Mietervorkaufsrechts kann durch familienrechtliche Konstellationen und dingliche Rechte überlagert werden.

Fazit

Mit dieser Entscheidung stärkt der BGH die Position von Familienangehörigen bei der Ausübung von Vorkaufsrechten. Die familienrechtliche Komponente erhält damit Vorrang vor dem Mieterschutz. Betroffene sollten sich bei ähnlichen Konstellationen frühzeitig rechtlich beraten lassen, um ihre Rechte optimal wahren zu können.

Quelle: BGH, Urteil vom 27. September 2024 – V ZR 48/23

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WEG-Reform: Einfachere Umlaufbeschlüsse für Eigentümergemeinschaften

  • Teaser: Das reformierte Wohnungseigentumsgesetz erleichtert seit Dezember 2020 die Beschlussfassung in Eigentümergemeinschaften – was Sie darüber wissen sollten.
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  • 04/25

Modernisierung des Umlaufverfahrens bei Wohnungseigentümergemeinschaften

Wer in einer Eigentumswohnung lebt, kennt das Problem: Für Entscheidungen in der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) müssen oft alle Eigentümer zusammenkommen. Manchmal reicht die Zeit in einer Eigentümerversammlung nicht aus, oder es fehlen wichtige Informationen, um eine fundierte Entscheidung zu treffen. Früher bedeutete das häufig: Eine neue Versammlung musste einberufen werden – mit entsprechendem Aufwand und Kosten.

Mit der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes vom 1. Dezember 2020 wurde das Umlaufverfahren, also die Beschlussfassung außerhalb einer Versammlung, deutlich modernisiert. Diese Änderungen bieten neue Möglichkeiten für einen effizienteren Umgang mit Entscheidungsprozessen in Eigentümergemeinschaften.

Was hat sich beim Umlaufverfahren geändert?

1. Digitale Kommunikation ist jetzt erlaubt

Die erste wesentliche Änderung betrifft die Form der Zustimmung. Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 WEG können Eigentümer seit Dezember 2020 ihre Zustimmung zu einem Umlaufbeschluss in Textform erklären. Das bedeutet:

  • E-Mails sind zulässig
  • Internetplattformen können genutzt werden
  • Spezielle Apps sind möglich
  • Schriftliche Dokumente sind weiterhin gültig

Diese Neuerung passt das Wohnungseigentumsrecht an die digitale Realität an. Allerdings bleibt eine wichtige Hürde bestehen: Grundsätzlich müssen weiterhin alle Eigentümer einem Umlaufbeschluss zustimmen, damit er wirksam ist – ein Quorum, das in der Praxis oft schwer zu erreichen ist.

2. Erleichterung durch Mehrheitsentscheidungen

Die zweite und vermutlich praktisch bedeutsamere Änderung findet sich in § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG. Die Eigentümergemeinschaft kann nun in einer Versammlung beschließen, dass für einen bestimmten einzelnen Gegenstand im nachfolgenden Umlaufverfahren die Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausreicht.

Dies klingt zunächst kompliziert, hilft aber in vielen Alltagssituationen:

Beispiel: Bei der Prüfung der Jahresabrechnung in der Eigentümerversammlung wird ein Fehler entdeckt. Statt eine neue Versammlung einzuberufen, kann jetzt beschlossen werden, dass über die korrigierte Abrechnung im Umlaufverfahren mit einfacher Mehrheit entschieden werden darf.

Früher wurden solche Fälle oft mit rechtlich fragwürdigen "Beschlüssen unter Vorbehalt" gelöst. Das Landgericht München I hatte bereits 2016 geurteilt, dass solche Beschlüsse rechtswidrig oder sogar nichtig sein können.

In welchen Fällen hilft die neue Regelung?

Das vereinfachte Umlaufverfahren eignet sich besonders für:

  • Korrekturen fehlerhafter Jahresabrechnungen
  • Anpassungen von Vorschüssen
  • Nachforderungen aus Abrechnungen
  • Folgebeschlüsse zu Baumaßnahmen
  • Auftragserweiterungen bei laufenden Projekten

Was bedeutet die Gesetzesänderung für Sie?

Für Wohnungseigentümer:

  • Mehr Flexibilität: Entscheidungen können schneller getroffen werden, ohne dass eine neue Versammlung einberufen werden muss.
  • Vereinfachte Teilnahme: Die Möglichkeit, per E-Mail oder andere digitale Wege abzustimmen, erleichtert die Beteiligung.
  • Bessere Informationsgrundlage: Durch die Vertagung einzelner Beschlüsse ins Umlaufverfahren haben Sie mehr Zeit, sich mit komplexen Themen zu befassen.

Für Verwaltungen:

  • Effizientere Arbeit: Korrekturen oder Anpassungen können schneller umgesetzt werden.
  • Rechtssicherheit: Die neue Regelung schafft eine klare Rechtsgrundlage für Beschlüsse, die früher in rechtlicher Grauzone getroffen wurden.
  • Planbarkeit: Die Möglichkeit, bestimmte Entscheidungen ins Umlaufverfahren zu verlagern, erlaubt eine bessere Planung von Eigentümerversammlungen.

Grenzen und Risiken des neuen Verfahrens

Die Reform bringt zwar deutliche Erleichterungen, aber es gibt auch Grenzen und offene Fragen:

  1. Das vereinfachte Verfahren gilt nur für einzelne, konkrete Gegenstände, die zuvor in einer Eigentümerversammlung besprochen wurden.
  2. Eine vollständige Verlagerung neuer oder komplexer Themen ins Umlaufverfahren ohne vorherige Beratungsmöglichkeit ist nach Expertenmeinung wahrscheinlich nicht zulässig.
  3. Ein Beschluss, dass bestimmte Themen grundsätzlich und dauerhaft im vereinfachten Umlaufverfahren entschieden werden sollen, wäre vermutlich nichtig.
  4. Es ist noch nicht abschließend geklärt, ob die Absicht, ein vereinfachtes Umlaufverfahren durchzuführen, bereits in der Einladung zur Eigentümerversammlung angekündigt werden muss.

Praktische Umsetzung

Um ein vereinfachtes Umlaufverfahren durchzuführen, sind folgende Schritte notwendig:

  1. In der Eigentümerversammlung wird mit einfacher Mehrheit beschlossen, dass ein bestimmter Gegenstand im Umlaufverfahren mit Mehrheitsentscheidung entschieden werden soll.
  2. Der Verwalter sendet einen Beschlussvorschlag in Textform an alle Eigentümer.
  3. Die Eigentümer haben eine angemessene Frist zur Stimmabgabe.
  4. Der Verwalter zählt die eingegangenen Stimmen aus. Es genügt die Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
  5. Das Ergebnis wird verkündet und in die Beschlusssammlung eingetragen.

Fazit

Die Reform des Umlaufverfahrens im Wohnungseigentumsgesetz bringt spürbare Erleichterungen für den Alltag in Eigentümergemeinschaften. Besonders die Möglichkeit der digitalen Kommunikation und des vereinfachten Mehrheitsverfahrens für einzelne Beschlussgegenstände können den Verwaltungsaufwand reduzieren und Entscheidungsprozesse beschleunigen.

Dennoch bleiben einige rechtliche Fragen offen, die erst durch künftige Rechtsprechung geklärt werden müssen. Eigentümer und Verwaltungen sollten daher die weitere Entwicklung aufmerksam beobachten und im Zweifelsfall rechtliche Beratung einholen.

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Auskunftsanspruch nach vorgetäuschtem Eigenbedarf

  • Teaser: Wer aufgrund einer Eigenbedarfskündigung seine Wohnung verliert, nur um später festzustellen, dass der Eigenbedarf vorgetäuscht war, hat Anspruch auf Schadensersatz – das ist bekannt. Doch wie weit gehen die Rechte des Mieters in solchen Fällen? Das Landgericht Berlin hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass Mieter auch Auskunft über die neue Miethöhe verlangen können, wenn die Wohnung nach einer Eigenbedarfskündigung neu vermietet wurde.
  • Bildquelle: Dutko(Liudmila Dutko))@depositphotos
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  • 04/25

Der Fall: Vorgetäuschter Eigenbedarf und Neuvermietung

In dem vom Landgericht Berlin entschiedenen Fall kündigte ein Vermieterehepaar ihrem Mieter im Juli 2015 wegen Eigenbedarfs. Als Grund gaben sie an, die Wohnung ihrer Tochter überlassen zu wollen. Nach einem Räumungsprozess musste der Mieter im November 2018 ausziehen.

Allerdings zog die Tochter der Vermieter nie in die Wohnung ein. Stattdessen blieb die Wohnung fast drei Jahre lang leer, bevor die Vermieter im November 2021 einen neuen Mietvertrag mit anderen Mietern abschlossen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der ehemalige Mieter bereits die Wiedereinräumung des Besitzes an der Wohnung gerichtlich gefordert und in einem separaten Verfahren Schadensersatz für seine Umzugskosten geltend gemacht.

Als die Vermieter die Wohnung neu vermieteten, forderte der ehemalige Mieter Auskunft über die vereinbarte Miethöhe. Die Vermieter verweigerten diese Information jedoch und legten dem Gericht nur eine geschwärzte Kopie des neuen Mietvertrags vor.

Die Entscheidung des Landgerichts

Das Amtsgericht Kreuzberg hatte die Auskunftsklage des Mieters zunächst abgewiesen. Das Landgericht Berlin kam in der Berufung jedoch zu einem anderen Ergebnis:

Das Landgericht Berlin hat den Vermieter zur Auskunft über die neue Miethöhe verpflichtet.

Nach Ansicht des Landgerichts Berlin (Az. 66 S 178/22, Urteil vom 28.02.2024) ist der Auskunftsanspruch nach § 242 BGB (Treu und Glauben) begründet. Das Gericht stellte fest, dass zwischen den Parteien durch die unrechtmäßige Eigenbedarfskündigung ein besonderes Rechtsverhältnis entstanden ist, das über reine Schadensersatzansprüche hinausgeht.

Die rechtliche Begründung im Detail

Das Gericht führte aus, dass ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB besteht, wenn:

  • Eine besondere rechtliche Beziehung zwischen den Parteien besteht
  • Der Berechtigte entschuldbar keine Kenntnis über einen Umstand hat, den er zur Beurteilung seiner Rechte benötigt
  • Der Verpflichtete die Auskunft ohne großen Aufwand erteilen kann

Diese Voraussetzungen sah das Gericht als erfüllt an. Besonders interessant ist die Begründung, warum die Höhe der neuen Miete für die Rechte des ehemaligen Mieters relevant ist:

"Der von den Beklagten mit den neuen Mietern in der Wohnung vereinbarte Mietzins ist für den Bestand und gegebenenfalls den Umfang anderer Rechte des Klägers erheblich, über die er ohne die verlangte Auskunft entschuldigt im Ungewissen ist."

Das Gericht verwies auf § 285 BGB, wonach ein Schuldner, der von seiner Pflicht zur Leistung eines geschuldeten Gegenstandes frei geworden ist, zur Herausgabe des empfangenen Ersatzes verpflichtet ist. Dies sei auf den vorliegenden Fall anwendbar:

  1. Der Vermieter schuldete dem Mieter die Wiedereinräumung der Besitzrechte an der Wohnung (aufgrund der unrechtmäßigen Kündigung).
  2. Diese Pflicht wurde durch die Neuvermietung unmöglich (§ 275 BGB).
  3. Der neue Mietzins stellt einen "Ersatz" dar, den der Vermieter für den Gegenstand (die Wohnung) empfängt.

Um seine Rechte in vollem Umfang beurteilen zu können, benötigt der Mieter daher die Information über die neue Miethöhe.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil stärkt die Position von Mietern, die Opfer einer vorgetäuschten Eigenbedarfskündigung geworden sind. Es zeigt, dass die Rechte von Mietern in solchen Fällen weiter reichen können als bisher angenommen:

  1. Nicht nur Umzugskosten: Neben den üblicherweise geltend gemachten Umzugskosten können weitere Ansprüche bestehen, etwa solche aus § 285 BGB.
  2. Auskunftsanspruch als Vorstufe: Um diese Ansprüche prüfen und beziffern zu können, haben Mieter Anspruch auf relevante Informationen wie die neue Miethöhe.
  3. Keine Privilegierung durch Zwangsvollstreckung: Das Gericht stellte klar, dass es Vermietern nicht zugute kommen darf, wenn sie ihre unwahren Behauptungen auch in gerichtlichen Verfahren erfolgreich vertreten haben.
  4. Missbräuchliches Verhalten wird nicht belohnt: Das Gericht kritisierte das Verhalten der Vermieter, die nach Jahren des Leerstands die Wohnung plötzlich neu vermieteten, als der ehemalige Mieter bereits rechtliche Schritte eingeleitet hatte.

Falls Sie als Mieter von einer Eigenbedarfskündigung betroffen sind, die sich später als vorgetäuscht herausstellt, können Sie möglicherweise nicht nur Schadensersatz für Umzugskosten verlangen, sondern auch Auskunft über die neue Miethöhe und unter Umständen weitere Ansprüche geltend machen.

Wichtig ist, dass Sie frühzeitig rechtlichen Rat einholen und Ihre Ansprüche innerhalb der gesetzlichen Fristen geltend machen.


Quelle: Landgericht Berlin, Urteil vom 28.02.2024, Az. 66 S 178/22

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Mehr Rechte für Eigentümer nach WEMoG

  • Teaser: Die Eigentümergemeinschaft ist eine rechtliche Zwangsgemeinschaft – Wohnungseigentümer müssen sich oft mit unterschiedlichen Interessen arrangieren. Besonders bei baulichen Veränderungen kam es in der Vergangenheit häufig zu Streit. Mit dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) hat der Gesetzgeber 2020 weitreichende Änderungen eingeführt, die nun durch zwei wegweisende BGH-Urteile vom 9. Februar 2024 erstmals höchstrichterlich konkretisiert wurden.
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  • 04/25

Der Sachverhalt: Streit um einen Aufzug im denkmalgeschützten Haus

Im Mittelpunkt des Falles aus München stand eine Wohnanlage mit zwei zwischen 1911 und 1912 im Jugendstil errichteten Gebäuden unter Denkmalschutz. Während im Vorderhaus ein Aufzug vorhanden war, fehlte eine solche Einrichtung im Hinterhaus – dem ehemaligen "Gesindehaus" mit schlichter Fassade und einem sehr schmalen Treppenhaus.

Die Eigentümer von Wohnungen im dritten und vierten Obergeschoss des Hinterhauses beantragten bei der Eigentümerversammlung, ihnen auf eigene Kosten die Errichtung eines Außenaufzugs am Treppenhaus des Hinterhauses zu gestatten. Obwohl die Antragsteller selbst nicht gehbehindert waren, beriefen sie sich auf die Erleichterung des Zugangs durch Menschen mit Behinderung.

Die Eigentümergemeinschaft lehnte den Antrag ab. Nach erfolgloser Klage vor dem Amtsgericht hatte das Landgericht München I den Beschluss der Eigentümergemeinschaft durch Urteil ersetzt und damit den Bau des Außenaufzugs grundsätzlich genehmigt. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) legte Revision zum BGH ein.

Die Entscheidung: Grünes Licht für den Aufzug

Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und wies die Revision zurück. Nach seiner Auffassung steht den Klägern ein Anspruch auf einen Grundlagenbeschluss über die Errichtung eines Personenaufzugs für das Hinterhaus zu. Damit wird zunächst nur über das "Ob" der Maßnahme entschieden, während das "Wie" der Ausgestaltung den Wohnungseigentümern noch vorbehalten bleibt.

Wichtige Klarstellungen des BGH

Für Wohnungseigentümer sind besonders folgende Punkte der Entscheidung bedeutsam:

1. Privilegierte bauliche Veränderungen nach § 20 Abs. 2 WEG

Der BGH betont, dass nach dem seit dem 1. Dezember 2020 geltenden WEG bestimmte bauliche Veränderungen privilegiert sind. Der Gesetzgeber hat in § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG einen Anspruch auf Genehmigung von Maßnahmen geschaffen, die unter anderem der Barrierefreiheit dienen.

"Eine bauliche Veränderung, die einem der gesetzlich privilegierten Zwecke dient, ist regelmäßig angemessen."

2. Keine Behinderung erforderlich

Wichtig für Eigentümer ist auch die Feststellung des BGH, dass es unerheblich ist, ob die Wohnungseigentümer selbst behindert sind. Es genügt, wenn die Maßnahme die Zugänglichkeit des Sondereigentums dadurch erleichtert, dass Barrieren verringert werden. Eigentümer dürfen also für die Zukunft vorsorgen.

3. Ausschließliche Nutzungsbefugnis durch Beschluss möglich

Der BGH hat seine frühere Rechtsprechung geändert: Nach dem neuen WEG können die Wohnungseigentümer bauliche Veränderungen auch dann beschließen, wenn die Beschlussfassung zur Zuweisung einer ausschließlichen Nutzungsbefugnis an dem dafür vorgesehenen Gemeinschaftseigentum führt. Eine Vereinbarung ist dafür nicht mehr nötig.

4. Angemessenheit als Regelfall

Bauliche Veränderungen, die einem privilegierten Zweck dienen, sind nach Auffassung des BGH regelmäßig angemessen. Nur in Ausnahmefällen kann die Angemessenheit verneint werden, etwa bei außergewöhnlichen baulichen Gegebenheiten oder außergewöhnlichen Begehren, die zu unverhältnismäßigen Nachteilen führen.

5. Keine grundlegende Umgestaltung durch Aufzug

Eine "grundlegende Umgestaltung" der Wohnanlage, die ein Hindernis für die Maßnahme sein könnte, nahm der BGH bei einem Außenaufzug nicht an. Bei Maßnahmen, die privilegierten Zwecken dienen, ist eine grundlegende Umgestaltung typischerweise nicht anzunehmen.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Das BGH-Urteil stärkt die Position von Wohnungseigentümern, die ihre Wohnung oder das Gemeinschaftseigentum barrierefrei gestalten wollen. Sie können folgende Rechte nun mit größerer Sicherheit durchsetzen:

  1. Recht auf barrierefreien Zugang: Auch wenn Sie selbst (noch) nicht körperlich eingeschränkt sind, können Sie Maßnahmen zur Barrierereduzierung (z.B. Aufzug, Rampe) durchsetzen.
  2. Kostenregelung unproblematisch: Die Kosten für die Maßnahme tragen die bauwilligen Eigentümer. Dies steht der Angemessenheit nicht entgegen.
  3. Detailfragen später klären: Zunächst wird nur das "Ob" der Maßnahme beschlossen. Die genaue Ausführung kann später festgelegt werden, wobei die Mehrheit im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung noch Gestaltungsermessen hat.
  4. Hohe Hürden für Ablehnung: Die Eigentümergemeinschaft kann privilegierte Maßnahmen nur in begründeten Ausnahmefällen ablehnen.

Praktische Empfehlungen

Wenn Sie als Wohnungseigentümer bauliche Veränderungen zur Barrierereduzierung planen:

  • Stellen Sie einen präzisen Beschlussantrag für die Eigentümerversammlung
  • Weisen Sie auf den privilegierten Charakter der Maßnahme nach § 20 Abs. 2 WEG hin
  • Bieten Sie an, die Kosten zu übernehmen
  • Legen Sie verschiedene Ausführungsvarianten vor, aus denen die Gemeinschaft wählen kann
  • Beachten Sie, dass öffentlich-rechtliche Vorgaben (z.B. Denkmalschutz, Baurecht) eingehalten werden müssen

Für Eigentümergemeinschaften bedeutet das Urteil, dass sie privilegierte bauliche Veränderungen nur in eng begrenzten Ausnahmefällen ablehnen können. Sie haben jedoch ein Mitspracherecht bei der konkreten Ausführung der Maßnahme.

Das BGH-Urteil ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Rechte einzelner Eigentümer und trägt dem gesellschaftlichen Interesse an barrierefreiem Wohnraum Rechnung.


Quelle: BGH, Urteil vom 9. Februar 2024 - V ZR 244/22

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Weiterlesen … Mehr Rechte für Eigentümer nach WEMoG

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