Zum Hauptinhalt springen

Absenkungsbeschlüsse richtig fassen – Was Eigentümer wissen müssen

  • Teaser: Das Landgericht München I hat in einem wegweisenden Urteil vom 21. März 2024 wichtige Grundsätze für Wohnungseigentümergemeinschaften aufgestellt. Im Mittelpunkt stehen dabei die oft unterschätzten "Absenkungsbeschlüsse" und ihre rechtlichen Anforderungen.
  • Bildquelle: Symbolbild: KI-generiertes Bild
  • Beitragstext: Der Fall: Umfangreiche Sanierungsplanung führt zum Streit Eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit mehreren Gebäuden und Wohnungen beschloss in ihrer Versammlung vom Juli 2022 umfangreiche Sanierungsmaßnahmen. Dabei ging es um die Erneuerung von Fassaden, Balkonen, Fenstern und Dächern – ein Millionenprojekt mit geschätzten Kosten von über 14 Millionen Euro. Besonders umstritten war ein sogenannter Absenkungsbeschluss: Die Eigentümer wollten sich die Möglichkeit schaffen, künftige Entscheidungen rund um die Sanierung per Umlaufverfahren – also ohne neue Versammlung – mit einfacher Mehrheit zu treffen. Zentrale Streitpunkte vor Gericht Mehrere Wohnungseigentümer klagten gegen die gefassten Beschlüsse. Ihre Hauptkritikpunkte: Unzureichende Beschlussgrundlagen: Es fehlte eine ordnungsgemäße Bestandsaufnahme der tatsächlich erforderlichen Sanierungsmaßnahmen Fehlende Vergleichsangebote: Für die Beauftragung des Planungsbüros wurden keine Konkurrenzangebote eingeholt Rechtlich problematischer Absenkungsbeschluss: Der Beschluss ermöglichte zu viele künftige Entscheidungen ohne Versammlung Das Urteil: Klare Grenzen für Wohnungseigentümer Das Landgericht München I gab den klagenden Eigentümern weitgehend recht und stellte wichtige Grundsätze auf: Absenkungsbeschlüsse sind echte Sachbeschlüsse "Absenkungsbeschlüsse sind anzukündigen und in die Beschluss-Sammlung aufzunehmen" Das Gericht entschied eindeutig: Absenkungsbeschlüsse nach § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG sind keine bloßen Verfahrensbeschlüsse, sondern vollwertige Sachbeschlüsse. Das bedeutet: Sie müssen bei der Einladung zur Versammlung angekündigt werden Sie gehören in die Beschlusssammlung der Gemeinschaft Sie können eigenständig angefochten werden Nur "einzelne Gegenstände" zulässig Der im Streitfall gefasste Absenkungsbeschluss war nichtig, weil er zu weit gefasst war. Das Gericht stellte klar: "Der Beschluss erlaubt eine Vielzahl von Mehrheitsbeschlüssen im schriftlichen Umlaufverfahren zu einem bestimmten Thema, bezieht sich aber nicht mehr auf einen 'einzelnen Gegenstand'." Abstrakte Regelungen, die eine Vielzahl künftiger Entscheidungen ermöglichen, sind unzulässig. Der Gegenstand muss konkret bestimmbar sein. Vergleichsangebote sind Pflicht Bei größeren Aufträgen – hier Planungsleistungen im Wert von über 500.000 Euro – widerspricht es ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn keine Vergleichsangebote eingeholt werden. "Die Vergabe eines Auftrags zur Durchführung von größeren Instandsetzungsarbeiten und Sanierungsmaßnahmen widerspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn der Verwalter nicht mehrere Konkurrenzangebote eingeholt hat." Delegationsversuche sind unzulässig Formulierungen wie "in Abstimmung mit" oder "nach Rücksprache" bei Entscheidungen verstoßen gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung. Die Eigentümer müssen selbst entscheiden und dürfen ihre Entscheidungsbefugnis nicht auf Dritte übertragen. Was bedeutet das Urteil für Sie? Für Wohnungseigentümergemeinschaften ergeben sich klare Handlungsempfehlungen: Bei Absenkungsbeschlüssen: Nur für konkrete, klar abgrenzbare Einzelfälle verwenden Vorab in der Tagesordnung ankündigen In die Beschlusssammlung aufnehmen Nicht für abstrakte oder viele künftige Entscheidungen nutzen Bei größeren Aufträgen: Grundsätzlich mehrere Vergleichsangebote einholen Ausnahmen nur bei besonderen Umständen (z.B. bereits bewährte Zusammenarbeit) Entscheidung der Eigentümerversammlung dokumentieren Bei Sanierungsbeschlüssen: Ordnungsgemäße Bestandsaufnahme vor Beschlussfassung Umfang und Notwendigkeit der Maßnahmen prüfen lassen Gestuftes Vorgehen bei komplexen Projekten erwägen Praktischer Tipp: Lassen Sie sich bei komplexen Sanierungsprojekten von einem erfahrenen Verwalter oder Rechtsanwalt beraten. Die rechtlichen Fallstricke sind vielfältig und können teure Folgen haben. Das Urteil zeigt: Auch im Wohnungseigentum gilt der Grundsatz "Eile mit Weile". Sorgfältige Vorbereitung und rechtskonforme Beschlussfassung sind der Schlüssel zum Erfolg. Quelle: LG München I, Urteil vom 21.03.2024, Az. 36 S 3331/23 WEG
  • Der beste Anwalt für Mietrecht
    Rechtsanwalt Alexander Liese

Der Fall: Umfangreiche Sanierungsplanung führt zum Streit

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit mehreren Gebäuden und Wohnungen beschloss in ihrer Versammlung vom Juli 2022 umfangreiche Sanierungsmaßnahmen. Dabei ging es um die Erneuerung von Fassaden, Balkonen, Fenstern und Dächern – ein Millionenprojekt mit geschätzten Kosten von über 14 Millionen Euro.

Besonders umstritten war ein sogenannter Absenkungsbeschluss: Die Eigentümer wollten sich die Möglichkeit schaffen, künftige Entscheidungen rund um die Sanierung per Umlaufverfahren – also ohne neue Versammlung – mit einfacher Mehrheit zu treffen.

Was ist ein Absenkungsbeschluss?

Ein Absenkungsbeschluss ist ein spezielles Instrument im Wohnungseigentumsrecht, das es Eigentümergemeinschaften ermöglicht, die normalerweise erforderliche Einstimmigkeit für bestimmte Entscheidungen auf eine einfache Mehrheit "abzusenken".

Die rechtliche Grundlage

§ 23 Abs. 3 Satz 2 WEG regelt dies folgendermaßen:

"Die Wohnungseigentümer können beschließen, dass für einen einzelnen Gegenstand die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt."

Wie funktioniert das normalerweise?

Grundregel: Beschlüsse im Umlaufverfahren (also ohne Versammlung, nur schriftlich) erfordern nach § 23 Abs. 3 Satz 1 WEG Einstimmigkeit aller Wohnungseigentümer.

Problem in der Praxis: Bei größeren Gemeinschaften ist Einstimmigkeit oft schwer zu erreichen - ein einziger Eigentümer kann jede Entscheidung blockieren.

Der Absenkungsbeschluss als Lösung

Mit einem Absenkungsbeschluss können die Eigentümer vorab in der Versammlung festlegen:

"Für die Entscheidung X können wir später per Umlaufverfahren mit einfacher Mehrheit beschließen - Einstimmigkeit ist nicht nötig."

Praktisches Beispiel

Ohne Absenkungsbeschluss:

  • Eigentümerversammlung beschließt: "Wir sanieren das Dach"
  • Später werden 3 Angebote eingeholt
  • Für die Auftragsvergabe muss eine neue Versammlung einberufen werden
  • ODER: Umlaufverfahren, aber alle müssen zustimmen

Mit Absenkungsbeschluss:

  • Eigentümerversammlung beschließt: "Wir sanieren das Dach" + "Die spätere Auftragsvergabe kann per Umlaufverfahren mit einfacher Mehrheit erfolgen"
  • Später werden 3 Angebote eingeholt
  • Umlaufverfahren mit einfacher Mehrheit reicht aus
  • Keine neue Versammlung nötig

Die strengen Voraussetzungen

Das Münchener Urteil macht deutlich: Absenkungsbeschlüsse haben enge Grenzen:

1. Nur für "einzelne Gegenstände"

Falsch: "Alle künftigen Entscheidungen zur Sanierung" ✅ Richtig: "Die Vergabe des Dachdecker-Auftrags nach Vorlage der Angebote"

2. Konkret und bestimmbar

Falsch: "Weitere erforderliche Maßnahmen"
Richtig: "Auswahl zwischen den drei eingeholten Heizungsangeboten"

3. Formale Anforderungen

  • Muss in der Tagesordnung angekündigt werden
  • Gehört in die Beschlusssammlung
  • Kann separat angefochten werden

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft wollte umfangreiche Sanierungsarbeiten durchführen lassen. In einer Eigentümerversammlung beschlossen die Eigentümer die Erneuerung aller Fassadenflächen, Balkone, Fenster und Dächer – ein Millionenprojekt. Doch die Beschlussfassung war mangelhaft vorbereitet und verstieß gegen wichtige Verfahrensregeln.

Die Eigentümer beauftragten ein Planungsbüro mit Leistungen im Wert von über 500.000 Euro, ohne Vergleichsangebote einzuholen. Zudem delegierten sie wichtige Entscheidungen an die Verwaltung und fassten einen sogenannten Absenkungsbeschluss, der künftige Entscheidungen im schriftlichen Umlaufverfahren ermöglichen sollte.

Zentrale Streitpunkte vor Gericht

Fehlende Vergleichsangebote bei Großaufträgen

Das Gericht stellte einen wichtigen Grundsatz auf:

"Die Vergabe eines Auftrags zur Durchführung von größeren Instandsetzungsarbeiten und Sanierungs- und/oder Modernisierungsmaßnahmen widerspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn der Verwalter nicht mehrere Konkurrenzangebote eingeholt hat."

Bei einem Planungsauftrag von über 500.000 Euro hätten mindestens drei Konkurrenzangebote vorliegen müssen. Weder die Bekanntheit des Planungsbüros noch angebliche Spezialkenntnisse rechtfertigten den Verzicht auf Vergleichsangebote.

Problematische Delegation an die Verwaltung

Die Eigentümer wollten die Auswahl eines Sicherheitskoordinators "in Abstimmung mit dem Planungsbüro" der Verwaltung überlassen. Solche unbestimmten Delegationsversuche widersprechen nach Ansicht des Gerichts den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.

Absenkungsbeschlüsse richtig handhaben

Ein besonders wichtiger Punkt betraf den sogenannten Absenkungsbeschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG. Damit können Eigentümer beschließen, dass künftige Entscheidungen zu einem bestimmten Thema im schriftlichen Umlaufverfahren mit einfacher Mehrheit getroffen werden.

Das Gericht entschied:

"Aus der Einordnung als Sachbeschluss folgt, dass der Absenkungsbeschluss bei der Einberufung nach § 23 Abs. 2 WEG anzukündigen ist, dass er in die Beschluss-Sammlung nach § 24 Abs. 7 WEG aufzunehmen ist und dass er isoliert angefochten werden kann."

Gerichtsentscheidung: Klarer Sieg für die Kläger

Das Landgericht München I erklärte mehrere Beschlüsse für ungültig:

Planungsauftrag ohne Vergleichsangebote

Der Beschluss zur Beauftragung des Planungsbüros wurde für ungültig erklärt, weil keine Vergleichsangebote eingeholt wurden. Das Gericht betonte, dass auch die Berufung auf angebliche Spezialkenntnisse des Büros nicht ausreiche, um auf Konkurrenzangebote zu verzichten.

Unzulässiger Absenkungsbeschluss

Der Absenkungsbeschluss war zu weit gefasst und bezog sich auf "abstrakt unbekannte Gegenstände". Er erlaubte eine Vielzahl künftiger Mehrheitsbeschlüsse, ohne dass diese konkret benannt waren. Dies überschritt die Grenzen des § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG, der nur Beschlüsse für einen "einzelnen Gegenstand" zulässt.

Mangelnde Bestandsaufnahme

Auch die Sanierungsbeschlüsse selbst widersprachen ordnungsgemäßer Verwaltung, weil keine ausreichende Bestandsaufnahme der tatsächlichen Schäden vorgenommen wurde. Bei größeren Sanierungsmaßnahmen müssen Eigentümer zunächst den konkreten Sanierungsbedarf ermitteln.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Wohnungseigentümergemeinschaften:

  • Vergleichsangebote einholen: Bei größeren Aufträgen sind mindestens drei Konkurrenzangebote Pflicht
  • Bestandsaufnahme durchführen: Vor Sanierungsbeschlüssen muss der tatsächliche Bedarf ermittelt werden
  • Absenkungsbeschlüsse konkret fassen: Diese dürfen sich nur auf einen "einzelnen Gegenstand" beziehen und müssen ordnungsgemäß angekündigt werden
  • Keine unscharfen Delegationen: Entscheidungen können nicht einfach "in Abstimmung mit" anderen getroffen werden

Für Verwalter:

  • Sorgfältige Vorbereitung: Beschlussvorlagen müssen alle notwendigen Informationen und Vergleichsangebote enthalten
  • Korrekte Ankündigung: Absenkungsbeschlüsse müssen in der Tagesordnung angekündigt und in die Beschlusssammlung aufgenommen werden
  • Nebenintervention möglich: Verwalter können als Nebenintervenienten an Rechtsstreitigkeiten teilnehmen

Praktische Tipps:

  • Lassen Sie bei größeren Vorhaben immer mehrere Angebote erstellen
  • Dokumentieren Sie bei Sanierungen den konkreten Bedarf durch Sachverständige
  • Formulieren Sie Absenkungsbeschlüsse präzise und nur für konkrete Einzelfälle
  • Delegieren Sie Entscheidungen nicht unbestimmt an Dritte

Fazit: Das Urteil stärkt die Rechte der Wohnungseigentümer und zeigt: Auch bei dringend erscheinenden Sanierungsmaßnahmen müssen die Verfahrensregeln eingehalten werden. Sorgfältige Vorbereitung und ordnungsgemäße Beschlussfassung sind unerlässlich – auch wenn sie Zeit kosten.


Quelle: Landgericht München I, Urteil vom 21.03.2024, Az. 36 S 3331/23 WEG

Kontaktieren Sie uns!

Für detaillierte Fragen oder eine individuelle Beratung stehen Ihnen die Experten unserer Kanzlei für Mietrecht in Essen zur Verfügung. Wir helfen Ihnen, die beste Strategie für Ihr spezifisches Anliegen zu entwickeln.


Zurück zum Magazin

Ihr Recht ist unsere Leidenschaft!

Portrait der besten Anwälte von Essen

Sie sind ratlos im Streit mit Ihrem Mieter oder Vermieter? Sie stehen vor komplexen Vertragsverhandlungen oder es geht um den Erwerb, Veräußerung oder Vererbung von Immobilieneigentum. Wir haben uns auf das private und gewerbliche Mietrecht, Immobilienrecht und Maklerrecht spezialisiert. Vertrauen Sie uns. Zögern Sie also nicht länger und holen Sie sich die Unterstützung, die ein professionelles Vorgehen ermöglicht. Lassen Sie uns gemeinsam eine Strategie für die Umsetzung Ihres Vorhabens besprechen.

Jetzt Termin sichern


Unsere digitale Kanzlei

Kind sitzt im Chefsessel und bedient ein Mobiltelefon

Bei uns geht Recht vollkommen digital. Für Sie entscheidend: Sie können alles bequem von überall aus organisieren. Besuchen Sie unsere Webseite und buchen Sie ein Video-Meeting mit einem Anwalt. Ihre Unterlagen können Sie einfach uploaden. Selbst erforderliche Unterschriften können Sie bei uns digital leisten.

Erfahrungen & Bewertungen zu JURiAL® Rechtsanwaltskanzlei

kostenlose Ersteinschätzung

Wartebereich der JURiAL® Rechtsanwaltskanzlei

Lassen Sie uns bei einem unverbindlichen Kennenlerngespräch über Ihre spezifischen rechtlichen Anliegen sprechen.

Jetzt Termin sichern


Das könnte Sie auch interessieren:

Weiterlesen … Absenkungsbeschlüsse richtig fassen – Was Eigentümer wissen müssen

  • Aufrufe: 169

Belegeinsicht bei Betriebskostenabrechnung: Vor Ort oder per Post?

  • Teaser: Die Einsicht in die Belege einer Betriebskostenabrechnung ist ein wichtiges Mieterrecht. Doch viele Mieter stellen sich die Frage: Muss ich zur Einsichtnahme zum Vermieter fahren oder kann ich die Zusendung von Kopien verlangen? Das Landgericht Hanau hat hierzu am 24. März 2025 eine klare Entscheidung getroffen.
  • Bildquelle: Symbolbild: KI-generiertes Bild
  • Beitragstext: Der Fall: Ist 46 Kilometer Fahrtweg zumutbar? In dem verhandelten Fall forderte ein Mieter aus Hanau seinen Vermieter auf, ihm Kopien der Belege zur Betriebskostenabrechnung zu übersenden. Die Hausverwaltung des Vermieters befand sich in Frankfurt, etwa 46 Kilometer vom Wohnort des Mieters entfernt. Für das Abrechnungsjahr 2020 hatte die Hausverwaltung dem Mieter tatsächlich Belegkopien per E-Mail zugeschickt. Für das Folgejahr 2021 verlangte der Mieter erneut die Übersendung von Kopien, ohne jedoch eine persönliche Einsichtnahme in Frankfurt zu vereinbaren. Nachdem der Mieter später aus seiner Wohnung in Hanau ausgezogen war, befand sich sein neuer Wohnort sogar 124 Kilometer von der Hausverwaltung entfernt. Der Streitpunkt: Übersendungspflicht oder Einsicht vor Ort? Die zentrale Rechtsfrage lautete: Reicht die bloße Aufforderung zur Übersendung von Belegkopien als wirksames Einsichtnahmeersuchen aus? Und: Spielt es eine Rolle, dass der Vermieter früher einmal freiwillig Kopien übersandt hatte? Der Kläger (Mieter) argumentierte, dass: eine Aufforderung zur Übersendung der Belege immer als Einsichtnahmeverlangen umzudeuten sei die frühere freiwillige Übersendung der Belege für das Jahr 2020 ein Recht auf Übersendung auch für das Jahr 2021 begründe die Entfernung von 46 km zur Hausverwaltung in Frankfurt bereits unzumutbar sei die Entfernung von 124 km nach seinem Umzug erst recht unzumutbar sei Der Vermieter hingegen sah keine Verpflichtung zur Übersendung von Kopien und bestand auf dem Recht, die Belege zur Einsichtnahme in seinen Geschäftsräumen bereitzuhalten. Die Entscheidung des Gerichts Das Landgericht Hanau wies die Berufung des Mieters zurück und stellte zwei wichtige Grundsätze klar: 1. Ist dem Mieter die Einsichtnahme in die Belege der Betriebskostenabrechnung bei dem Vermieter zumutbar, stellt die alleinige Aufforderung zur Übersendung von Belegkopien kein wirksames Einsichtnahmeersuchen dar. Das gilt auch dann, wenn der Vermieter freiwillig Belege übersendet. 2. Für die Frage, ob die Einsichtnahme bei dem Vermieter zumutbar ist, kommt es auf die Entfernung zur Mietwohnung an und nicht auf den Ort, an den der Mieter nach Mietende verzogen ist. Das Gericht betonte, dass die einmalige freiwillige Übersendung der Belege durch den Vermieter kein dauerhaftes Recht auf Kopien begründe. Der Vermieter sei auch nicht verpflichtet gewesen, den Mieter auf die Unzulässigkeit seines Übersendungsverlangens hinzuweisen. Was bedeutet das Urteil für Sie? Als Mieter haben Sie grundsätzlich das Recht, die Belege der Betriebskostenabrechnung einzusehen. Die wichtigsten Konsequenzen aus diesem Urteil sind: Persönliche Einsichtnahme hat Vorrang: Sie müssen in der Regel zur Hausverwaltung oder zum Vermieter fahren, um Einsicht in die Belege zu nehmen - sofern die Entfernung zumutbar ist. Zumutbare Entfernung: Eine Fahrtstrecke von 46 km, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln in unter einer Stunde zurückgelegt werden kann, gilt nach Ansicht des LG Hanau als zumutbar. Explizites Einsichtnahmeersuchen: Die bloße Bitte um Übersendung von Kopien genügt nicht. Sie sollten ausdrücklich um einen Termin zur Einsichtnahme bitten. Kein Gewohnheitsrecht: Selbst wenn Ihr Vermieter Ihnen früher einmal freiwillig Kopien zugesandt hat, begründet dies keinen Anspruch für die Zukunft. Umzug ändert nichts: Nach Ende des Mietverhältnisses bleibt die ursprüngliche Entfernung zwischen Mietwohnung und Vermieter maßgeblich - ein Umzug in eine weiter entfernte Gegend schafft keinen Anspruch auf Zusendung von Belegen. Sonderfall Unzumutbarkeit: Nur wenn die Einsichtnahme beim Vermieter objektiv unzumutbar ist (z.B. bei sehr großer Entfernung oder gesundheitlichen Einschränkungen), kann ein Anspruch auf Übersendung von Kopien bestehen. Dies müssen Sie allerdings gegenüber dem Vermieter konkret begründen. Praktische Tipps Bitten Sie stets um einen konkreten Termin zur Einsichtnahme in die Belege. Dokumentieren Sie Ihre Anfrage schriftlich (per E-Mail oder Brief). Falls Sie die Reise zum Vermieter wirklich nicht antreten können, erläutern Sie die Gründe für die Unzumutbarkeit detailliert und bitten Sie höflich um Übersendung von Kopien. Verweisen Sie nicht allein auf frühere Übersendungen als Begründung für einen Anspruch. Berücksichtigen Sie, dass der Vermieter für die Übersendung von Kopien eventuell eine angemessene Kostenpauschale verlangen kann. Das Urteil verdeutlicht, dass Mieter nicht ohne Weiteres die Zusendung von Belegen verlangen können, sondern in der Regel die persönliche Einsichtnahme beim Vermieter wahrnehmen müssen, sofern dies zumutbar ist. Quelle: LG Hanau, Beschluss vom 24.03.2025 - 2 S 43/24
  • Der beste Anwalt für Mietrecht
    Rechtsanwalt Alexander Liese

Der Fall: Ist 46 Kilometer Fahrtweg zumutbar?

In dem verhandelten Fall forderte ein Mieter aus Hanau seinen Vermieter auf, ihm Kopien der Belege zur Betriebskostenabrechnung zu übersenden. Die Hausverwaltung des Vermieters befand sich in Frankfurt, etwa 46 Kilometer vom Wohnort des Mieters entfernt. Für das Abrechnungsjahr 2020 hatte die Hausverwaltung dem Mieter tatsächlich Belegkopien per E-Mail zugeschickt. Für das Folgejahr 2021 verlangte der Mieter erneut die Übersendung von Kopien, ohne jedoch eine persönliche Einsichtnahme in Frankfurt zu vereinbaren.

Nachdem der Mieter später aus seiner Wohnung in Hanau ausgezogen war, befand sich sein neuer Wohnort sogar 124 Kilometer von der Hausverwaltung entfernt.

Der Streitpunkt: Übersendungspflicht oder Einsicht vor Ort?

Die zentrale Rechtsfrage lautete: Reicht die bloße Aufforderung zur Übersendung von Belegkopien als wirksames Einsichtnahmeersuchen aus? Und: Spielt es eine Rolle, dass der Vermieter früher einmal freiwillig Kopien übersandt hatte?

Der Kläger (Mieter) argumentierte, dass:

  • eine Aufforderung zur Übersendung der Belege immer als Einsichtnahmeverlangen umzudeuten sei
  • die frühere freiwillige Übersendung der Belege für das Jahr 2020 ein Recht auf Übersendung auch für das Jahr 2021 begründe
  • die Entfernung von 46 km zur Hausverwaltung in Frankfurt bereits unzumutbar sei
  • die Entfernung von 124 km nach seinem Umzug erst recht unzumutbar sei

Der Vermieter hingegen sah keine Verpflichtung zur Übersendung von Kopien und bestand auf dem Recht, die Belege zur Einsichtnahme in seinen Geschäftsräumen bereitzuhalten.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Hanau wies die Berufung des Mieters zurück und stellte zwei wichtige Grundsätze klar:

1. Ist dem Mieter die Einsichtnahme in die Belege der Betriebskostenabrechnung bei dem Vermieter zumutbar, stellt die alleinige Aufforderung zur Übersendung von Belegkopien kein wirksames Einsichtnahmeersuchen dar. Das gilt auch dann, wenn der Vermieter freiwillig Belege übersendet.

2. Für die Frage, ob die Einsichtnahme bei dem Vermieter zumutbar ist, kommt es auf die Entfernung zur Mietwohnung an und nicht auf den Ort, an den der Mieter nach Mietende verzogen ist.

Das Gericht betonte, dass die einmalige freiwillige Übersendung der Belege durch den Vermieter kein dauerhaftes Recht auf Kopien begründe. Der Vermieter sei auch nicht verpflichtet gewesen, den Mieter auf die Unzulässigkeit seines Übersendungsverlangens hinzuweisen.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Als Mieter haben Sie grundsätzlich das Recht, die Belege der Betriebskostenabrechnung einzusehen. Die wichtigsten Konsequenzen aus diesem Urteil sind:

  1. Persönliche Einsichtnahme hat Vorrang: Sie müssen in der Regel zur Hausverwaltung oder zum Vermieter fahren, um Einsicht in die Belege zu nehmen - sofern die Entfernung zumutbar ist.
  2. Zumutbare Entfernung: Eine Fahrtstrecke von 46 km, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln in unter einer Stunde zurückgelegt werden kann, gilt nach Ansicht des LG Hanau als zumutbar.
  3. Explizites Einsichtnahmeersuchen: Die bloße Bitte um Übersendung von Kopien genügt nicht. Sie sollten ausdrücklich um einen Termin zur Einsichtnahme bitten.
  4. Kein Gewohnheitsrecht: Selbst wenn Ihr Vermieter Ihnen früher einmal freiwillig Kopien zugesandt hat, begründet dies keinen Anspruch für die Zukunft.
  5. Umzug ändert nichts: Nach Ende des Mietverhältnisses bleibt die ursprüngliche Entfernung zwischen Mietwohnung und Vermieter maßgeblich - ein Umzug in eine weiter entfernte Gegend schafft keinen Anspruch auf Zusendung von Belegen.
  6. Sonderfall Unzumutbarkeit: Nur wenn die Einsichtnahme beim Vermieter objektiv unzumutbar ist (z.B. bei sehr großer Entfernung oder gesundheitlichen Einschränkungen), kann ein Anspruch auf Übersendung von Kopien bestehen. Dies müssen Sie allerdings gegenüber dem Vermieter konkret begründen.

Praktische Tipps

  • Bitten Sie stets um einen konkreten Termin zur Einsichtnahme in die Belege.
  • Dokumentieren Sie Ihre Anfrage schriftlich (per E-Mail oder Brief).
  • Falls Sie die Reise zum Vermieter wirklich nicht antreten können, erläutern Sie die Gründe für die Unzumutbarkeit detailliert und bitten Sie höflich um Übersendung von Kopien.
  • Verweisen Sie nicht allein auf frühere Übersendungen als Begründung für einen Anspruch.
  • Berücksichtigen Sie, dass der Vermieter für die Übersendung von Kopien eventuell eine angemessene Kostenpauschale verlangen kann.

Das Urteil verdeutlicht, dass Mieter nicht ohne Weiteres die Zusendung von Belegen verlangen können, sondern in der Regel die persönliche Einsichtnahme beim Vermieter wahrnehmen müssen, sofern dies zumutbar ist.

Quelle: LG Hanau, Beschluss vom 24.03.2025 - 2 S 43/24

Kontaktieren Sie uns!

Für detaillierte Fragen oder eine individuelle Beratung stehen Ihnen die Experten unserer Kanzlei für Mietrecht in Essen zur Verfügung. Wir helfen Ihnen, die beste Strategie für Ihr spezifisches Anliegen zu entwickeln.


Zurück zum Magazin

Ihr Recht ist unsere Leidenschaft!

Portrait der besten Anwälte von Essen

Sie sind ratlos im Streit mit Ihrem Mieter oder Vermieter? Sie stehen vor komplexen Vertragsverhandlungen oder es geht um den Erwerb, Veräußerung oder Vererbung von Immobilieneigentum. Wir haben uns auf das private und gewerbliche Mietrecht, Immobilienrecht und Maklerrecht spezialisiert. Vertrauen Sie uns. Zögern Sie also nicht länger und holen Sie sich die Unterstützung, die ein professionelles Vorgehen ermöglicht. Lassen Sie uns gemeinsam eine Strategie für die Umsetzung Ihres Vorhabens besprechen.

Jetzt Termin sichern


Unsere digitale Kanzlei

Kind sitzt im Chefsessel und bedient ein Mobiltelefon

Bei uns geht Recht vollkommen digital. Für Sie entscheidend: Sie können alles bequem von überall aus organisieren. Besuchen Sie unsere Webseite und buchen Sie ein Video-Meeting mit einem Anwalt. Ihre Unterlagen können Sie einfach uploaden. Selbst erforderliche Unterschriften können Sie bei uns digital leisten.

Erfahrungen & Bewertungen zu JURiAL® Rechtsanwaltskanzlei

kostenlose Ersteinschätzung

Wartebereich der JURiAL® Rechtsanwaltskanzlei

Lassen Sie uns bei einem unverbindlichen Kennenlerngespräch über Ihre spezifischen rechtlichen Anliegen sprechen.

Jetzt Termin sichern


Das könnte Sie auch interessieren:

Weiterlesen … Belegeinsicht bei Betriebskostenabrechnung: Vor Ort oder per Post?

  • Aufrufe: 132

Defekte Rollläden rechtfertigen Zurückbehaltung der gesamten Miete

  • Teaser: Eine defekte Rollladen-Anlage in einer Erdgeschosswohnung kann ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen - und Mietern das Recht geben, die komplette Miete zurückzubehalten. Das zeigt ein aktuelles Urteil des Amtsgerichts Friedberg, das auch wichtige Grundsätze zur Mietminderung bei Wasserschäden aufstellt.
  • Bildquelle: Symbolbild: KI-generiertes Bild
  • Beitragstext: Der Fall: Wasserschaden und kaputte Rollläden Die Ausgangslage war komplex: Eine Mieterfamilie lebte in einer Erdgeschosswohnung mit Kellerräumen. Anfang 2022 und erneut im November 2022 ereigneten sich Wasserschäden, die das Kellergeschoss unbewohnbar machten. Gleichzeitig funktionierten die Rollläden im Wohnzimmer und in den Kinderzimmern nicht ordnungsgemäß. Die Folgen des Wasserschadens waren gravierend: Feuchtigkeit und Schimmelbildung in den Kellerräumen Trocknungsgeräte standen über vier Monate in der Wohnung Kinderzimmer und ein Badezimmer waren nicht nutzbar Die Familie musste auf engstem Raum zusammenleben Wegen der defekten Rollläden behielten die Mieter im April 2024 die gesamte Monatsmiete ein. Die Vermieter sahen dies als Grund für eine fristlose Kündigung und verlangten die Räumung der Wohnung. Gericht bestätigt: Sicherheitsrisiko rechtfertigt Mieteinbehalt Das Amtsgericht Friedberg gab den Mietern in allen Punkten recht und wies die Räumungsklage vollständig ab. Die Richter stellten dabei wichtige Rechtsgrundsätze auf: Rollläden als Sicherheitsfaktor "Die fehlende Funktion der Rollläden in einer EG-Wohnung stellt insbesondere nachts ein Sicherheitsrisiko dar und begründet deshalb ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters an der vollen Miete." Das Gericht betonte, dass defekte Rollläden in Erdgeschoss- oder Kellergeschosswohnungen besonders problematisch sind. Die Räume werden für Außenstehende einsehbar und für Einbrecher leicht zugänglich. Daher war der Einbehalt der kompletten Miete für einen kurzen Zeitraum gerechtfertigt. Wasserschaden: 60 Prozent Mietminderung angemessen Bei der Bewertung des Wasserschadens zeigte das Gericht klare Kante: "Ist nach einem Wasserschaden aufgrund von Schimmel und Feuchtigkeit der Großteil der Wohnung nicht nutzbar, ist eine Minderungsquote von 60% angemessen." Die Richter begründeten dies ausführlich: Da die Kellerräume mit Kinderzimmern und Bad über vier Monate unbewohnbar waren, war der vertragsgemäße Gebrauch der gesamten Wohnung erheblich eingeschränkt. Die Familie hatte keine Privatsphäre und musste auf engstem Raum leben. Strategisches Vorgehen der Mieter erfolgreich Bemerkenswert ist die Strategie der Mieter: Sie minderten zunächst monatelang wegen des Wasserschadens und behielten später wegen der Rollläden die komplette Miete für einen Monat ein. Das Gericht sah darin ein rechtmäßiges Druckmittel: "Nachdem die Beklagte die Kläger über Monate vielfach zur Instandsetzung der Rollläden aufgefordert hatte, hat sie als letztes Mittel die Miete zu Recht einmalig zurückbehalten." Entscheidend war, dass die Mieter die volle Miete sofort nachzahlten, als die Rollläden repariert wurden. Kündigung war unwirksam Die von den Vermietern ausgesprochene fristlose Kündigung scheiterte aus mehreren Gründen: Kein echter Mietrückstand: Die einbehaltenen Beträge waren durch berechtigte Minderung und Zurückbehaltungsrecht gedeckt Heilung eingetreten: Die April-Miete wurde am selben Tag gezahlt, an dem die Kündigung zuging Verhältnismäßigkeit: Der Mieteinbehalt stand in angemessener Relation zum Sicherheitsrisiko Was bedeutet das Urteil für Sie? Für Mieter: Rollläden sind sicherheitsrelevant: Defekte Rollläden in Erdgeschoss- oder Kellerwohnungen rechtfertigen drastische Maßnahmen Komplette Mieteinbehaltung möglich: Bei gravierenden Sicherheitsmängeln dürfen Sie kurzzeitig die gesamte Miete zurückbehalten Wasserschäden berechtigen zu hoher Minderung: 60 Prozent Mietminderung sind bei unbewohnbaren Räumen durchaus realistisch Strategie ist wichtig: Dokumentieren Sie Mängel, mahnen Sie mehrfach ab und zahlen Sie nach Reparatur sofort nach Für Vermieter: Sicherheit geht vor: Rollläden-Reparaturen sollten Sie nicht aufschieben Wasserschäden kosten viel Geld: Durch Verzögerungen bei der Sanierung drohen monatelang hohe Mietausfälle Kündigungen gut prüfen: Berechtigte Mietminderungen können Kündigungen unwirksam machen Praktische Tipps: Bei Rollläden-Defekten: Melden Sie Sicherheitsrisiken schriftlich und setzen Sie eine angemessene Frist zur Reparatur Bei Wasserschäden: Lassen Sie den Schaden sofort dokumentieren und verlangen Sie zügige Sanierung Mietminderung berechnen: Orientieren Sie sich an der tatsächlichen Nutzungseinschränkung, nicht nur an der betroffenen Quadratmeterzahl Das Urteil zeigt: Gerichte nehmen Sicherheitsaspekte beim Wohnen sehr ernst. Wer als Mieter berechtigt handelt und seine Rechte konsequent durchsetzt, kann auch gegen Kündigungen erfolgreich vorgehen. Quelle: AG Friedberg, Urteil vom 20.11.2024 - 2 C 380/24 (ZMR 2025, 212)
  • Der beste Anwalt für Mietrecht
    Rechtsanwalt Alexander Liese

Der Fall: Wasserschaden und defekte Rollläden

Eine Familie mietete eine Erdgeschosswohnung mit zusätzlichen Räumen im Kellergeschoss. Die monatliche Miete betrug über 1.000 Euro zuzüglich Betriebskosten. Was zunächst als normale Mietverhältnis begann, entwickelte sich zu einem komplexen Rechtsstreit über Mängel und Mietminderungen.

Die Probleme begannen mit zwei Wasserschäden: einem zu Jahresbeginn und einem weiteren im November desselben Jahres. Das Kellergeschoss war komplett durchnässt. Zusätzlich funktionierten die Rollläden im Wohnzimmer und in den Kinderzimmern nicht ordnungsgemäß.

Monatelange Beeinträchtigungen

Die Folgen der Wasserschäden waren gravierend. Vom Dezember bis April des Folgejahres standen Trocknungsgeräte in der Wohnung. Das Kellergeschoss mit den Kinderzimmern und einem weiteren Badezimmer war unbewohnbar. Schimmel bildete sich, die Feuchtigkeit zog sich durch die Wände.

Die Familie musste über vier Monate auf einem deutlich kleineren Wohnraum leben. Eigene Zimmer für die Kinder waren nicht vorhanden, die Privatsphäre stark eingeschränkt. Die Stromkosten für die Trocknungsgeräte beliefen sich auf über 300 Euro.

Streit um Mietminderung und Zurückbehaltungsrecht

Die Vermieter akzeptierten zunächst eine Mietminderung von 20 Prozent. Die Mieter sahen dies als unzureichend an und minderten die Miete deutlich stärker. Zusätzlich behielten sie aufgrund der defekten Rollläden eine komplette Monatsmiete zurück.

Als die Vermieter die ausstehenden Beträge als Mietrückstand bewerteten, kündigten sie das Mietverhältnis fristlos. Ihre Begründung: Die Mieter seien mit mehreren Monatsmieten im Rückstand. Die Kündigung sollte das Mietverhältnis sofort beenden.

Rechtliche Bewertung der Mängel

Das Gericht musste verschiedene Rechtsfragen klären. Wie hoch darf eine Mietminderung bei Wasserschäden ausfallen? Berechtigen defekte Rollläden zum Zurückbehalt der kompletten Miete? Und wann ist eine fristlose Kündigung wegen Mietrückständen zulässig?

Diese Fragen sind für Mieter und Vermieter gleichermaßen relevant, da sie die Grenzen der jeweiligen Rechte abstecken.

Gerichtsentscheidung: Mieter im Recht

Das Amtsgericht Friedberg gab den Mietern in allen wesentlichen Punkten Recht und wies die Räumungsklage vollständig ab. Die Begründung des Gerichts zeigt wichtige Grundsätze für ähnliche Fälle auf.

60 Prozent Mietminderung bei Wasserschaden

Das Gericht bewertete die Mietminderung von 60 Prozent als angemessen. Die Begründung war eindeutig: Ein vertragsgemäßer Gebrauch der Wohnung war nicht möglich. Für die Minderungshöhe sei ausschließlich die objektive Einschränkung der Nutzbarkeit maßgeblich.

"Für die Bestimmung der Minderungshöhe ist allein die objektive Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit maßgeblich."

Das Gericht berücksichtigte dabei mehrere Faktoren: Die Kinderzimmer standen über Monate nicht zur Verfügung, ein komplettes Badezimmer war unbenutzbar, und die Familie musste sich auf deutlich weniger Wohnraum beschränken. Die ständige Geräuschkulisse und der Stromverbrauch der Trocknungsgeräte verstärkten die Beeinträchtigung zusätzlich.

Rollläden als Sicherheitsrisiko

Besonders interessant ist die Bewertung der defekten Rollläden. Das Gericht sah darin nicht nur einen harmlosen Mangel, sondern ein echtes Sicherheitsrisiko. In einer Erdgeschosswohnung können nicht funktionierende Rollläden nachts zur Gefahr werden.

Die Räume seien für Außenstehende einsehbar und für Einbrecher leicht zu überwinden gewesen. Nach monatelangen erfolglosen Aufforderungen zur Reparatur sei das Zurückbehalten der kompletten Monatsmiete gerechtfertigt gewesen.

"Die fehlende Funktion der Rollläden in einer EG-Wohnung stellt insbesondere nachts ein Sicherheitsrisiko dar und begründet deshalb ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters an der vollen Miete."

Kündigung unwirksam: Keine Mietrückstände

Da das Gericht sowohl die hohe Mietminderung als auch das Zurückbehaltungsrecht als berechtigt ansah, lagen keine echten Mietrückstände vor. Die fristlose Kündigung der Vermieter war daher unwirksam.

Das Zurückbehaltungsrecht verhinderte den Verzugseintritt. Solange ein berechtigter Mangel vorliegt, dürfen Mieter ihre Zahlungen zurückhalten, um Druck auf die Beseitigung auszuüben. Wichtig dabei: Der einbehaltene Betrag muss in einem angemessenen Verhältnis zum Mangel stehen.

Heilung durch nachträgliche Zahlung

Interessant ist auch der zeitliche Ablauf: Am Tag der Kündigung reparierten die Vermieter endlich die Rollläden. Am selben Tag überwies die Mieterin die zurückbehaltene Miete. Das Gericht sah darin eine sogenannte Heilung - selbst wenn Mietrückstände bestanden hätten, wären sie durch die prompte Zahlung beseitigt worden.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Mieter: Ihre Rechte bei Mängeln

Das Urteil stärkt die Position von Mietern erheblich. Bei schwerwiegenden Mängeln sind hohe Mietminderungen möglich - in diesem Fall sogar 60 Prozent. Entscheidend ist die objektive Beeinträchtigung der Wohnnutzung, nicht das subjektive Empfinden.

Sicherheitsmängel besonders gewichtet: Defekte Rollläden in Erdgeschosswohnungen werden als Sicherheitsrisiko eingestuft. Das berechtigt zum Zurückbehalt der kompletten Miete bis zur Reparatur.

Zurückbehaltungsrecht als Druckmittel: Wenn Vermieter auf Mängelbeseitigung nicht reagieren, dürfen Mieter ihre Zahlungen zurückhalten. Der einbehaltene Betrag muss jedoch angemessen sein.

Für Vermieter: Mängel ernst nehmen

Vermieter sollten Mängel schnell und gründlich beseitigen. Das Urteil zeigt: Wer Reparaturen verschleppt, riskiert hohe Mietausfälle und kann nicht erfolgreich kündigen.

Wasserschäden sofort angehen: Bei Feuchtigkeit und Schimmel sind Minderungen von 60 Prozent und mehr möglich. Schnelle professionelle Sanierung ist günstiger als monatelange Mietausfälle.

Sicherheitsaspekte beachten: Besonders bei Erdgeschosswohnungen haben funktionierende Rollläden hohe Bedeutung. Defekte sollten umgehend repariert werden.

Praktische Tipps für beide Seiten

Dokumentation ist wichtig: Fotografieren Sie Mängel ausführlich. Bei Wasserschäden sollten Feuchtigkeitsmessungen und Schadensberichte erstellt werden.

Kommunikation schriftlich: Mängelmeldungen und Reparaturaufforderungen sollten immer schriftlich erfolgen. Setzen Sie angemessene Fristen für die Beseitigung.

Verhältnismäßigkeit wahren: Mietminderungen und Zurückbehaltungen müssen zum Mangel passen. Übertreibungen schwächen die Rechtsposition.

Professionelle Hilfe: Bei komplexen Fällen sollten beide Seiten rechtlichen Rat einholen. Oft lassen sich Streitigkeiten durch frühzeitige Beratung vermeiden.

Wichtige Unterscheidung: Minderung vs. Zurückbehaltung

Das Urteil verdeutlicht einen wichtigen Unterschied: Mietminderung und Zurückbehaltungsrecht sind verschiedene Rechtsinstitute mit unterschiedlichen Voraussetzungen.

Die Mietminderung reduziert die Miete dauerhaft um einen bestimmten Prozentsatz, solange der Mangel besteht. Sie richtet sich nach der objektiven Beeinträchtigung der Wohnnutzung.

Das Zurückbehaltungsrecht berechtigt zur kompletten Verweigerung der Mietzahlung bis zur Mängelbeseitigung. Es dient als Druckmittel und setzt voraus, dass der Vermieter nicht auf Mängelbeseitigung reagiert.

Fazit: Starke Mieterrechte bei echten Mängeln

Das Friedberger Urteil zeigt: Bei echten und erheblichen Wohnungsmängeln haben Mieter starke Rechte. Wasserschäden mit Schimmelbildung können Mietminderungen von 60 Prozent rechtfertigen. Sicherheitsmängel wie defekte Rollläden in Erdgeschosswohnungen berechtigen sogar zum kompletten Zahlungsstopp.

Gleichzeitig wird deutlich: Vermieter können nicht erfolgreich kündigen, wenn die Mietrückstände auf berechtigten Mängelrechten beruhen. Wer als Vermieter Reparaturen verschleppt, trägt das wirtschaftliche Risiko hoher Mietausfälle.

Für beide Seiten gilt: Mängel sollten schnell, sachlich und lösungsorientiert angegangen werden. Dann lassen sich langwierige Rechtsstreitigkeiten meist vermeiden.


Quelle: Amtsgericht Friedberg, Urteil vom 20.11.2024, Az. 2 C 380/24

Kontaktieren Sie uns!

Für detaillierte Fragen oder eine individuelle Beratung stehen Ihnen die Experten unserer Kanzlei für Mietrecht in Essen zur Verfügung. Wir helfen Ihnen, die beste Strategie für Ihr spezifisches Anliegen zu entwickeln.


Zurück zum Magazin

Ihr Recht ist unsere Leidenschaft!

Portrait der besten Anwälte von Essen

Sie sind ratlos im Streit mit Ihrem Mieter oder Vermieter? Sie stehen vor komplexen Vertragsverhandlungen oder es geht um den Erwerb, Veräußerung oder Vererbung von Immobilieneigentum. Wir haben uns auf das private und gewerbliche Mietrecht, Immobilienrecht und Maklerrecht spezialisiert. Vertrauen Sie uns. Zögern Sie also nicht länger und holen Sie sich die Unterstützung, die ein professionelles Vorgehen ermöglicht. Lassen Sie uns gemeinsam eine Strategie für die Umsetzung Ihres Vorhabens besprechen.

Jetzt Termin sichern


Unsere digitale Kanzlei

Kind sitzt im Chefsessel und bedient ein Mobiltelefon

Bei uns geht Recht vollkommen digital. Für Sie entscheidend: Sie können alles bequem von überall aus organisieren. Besuchen Sie unsere Webseite und buchen Sie ein Video-Meeting mit einem Anwalt. Ihre Unterlagen können Sie einfach uploaden. Selbst erforderliche Unterschriften können Sie bei uns digital leisten.

Erfahrungen & Bewertungen zu JURiAL® Rechtsanwaltskanzlei

kostenlose Ersteinschätzung

Wartebereich der JURiAL® Rechtsanwaltskanzlei

Lassen Sie uns bei einem unverbindlichen Kennenlerngespräch über Ihre spezifischen rechtlichen Anliegen sprechen.

Jetzt Termin sichern


Das könnte Sie auch interessieren:

Weiterlesen … Defekte Rollläden rechtfertigen Zurückbehaltung der gesamten Miete

  • Aufrufe: 551

E-Mail-Zugang rechtssicher nachweisen: SMTP-Protokolle als Lösung

  • Teaser: In der digitalen Kommunikation ist die E-Mail längst zum Standard geworden – auch bei rechtlich wichtigen Nachrichten. Doch was passiert, wenn der Empfänger behauptet, eine wichtige E-Mail nie erhalten zu haben? Ein neuer Ansatz über SMTP-Protokolle könnte endlich Rechtssicherheit schaffen.
  • Bildquelle: Symbolbild: KI-generiertes Bild
  • Beitragstext: Das Problem: Wie beweise ich, dass meine E-Mail angekommen ist? Wer eine rechtlich bedeutsame E-Mail versendet, steht vor einem klassischen Dilemma: Wie kann man beweisen, dass die Nachricht tatsächlich beim Empfänger angekommen ist? Das Oberlandesgericht Rostock hat bereits 2024 klargestellt: Der bloße Versand einer E-Mail beweist noch nicht deren Zugang. Es reicht also nicht aus, im Streitfall auf den Ordner "Gesendete Elemente" zu verweisen. Auch Lese- oder Zustellbestätigungen helfen meist nicht weiter, da diese vom Empfänger freiwillig erteilt werden müssen – was in der Praxis selten geschieht. Die rechtliche Hürde: Was gilt als "Zugang"? Rechtlich gilt eine E-Mail bereits dann als zugegangen, wenn sie auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung steht. Der Bundesgerichtshof hat 2022 bestätigt: Es ist nicht erforderlich, dass der Empfänger die E-Mail tatsächlich vom Server abruft oder öffnet. Diese Definition schafft jedoch ein praktisches Problem: Wie soll der Absender beweisen, dass seine E-Mail auf einem fremden Server gespeichert wurde, ohne auf die Mitwirkung des Empfängers angewiesen zu sein? Die Lösung: SMTP-Protokolle als Nachweis Hier kommen sogenannte SMTP-Protokolle ins Spiel – eine technische Lösung, die bisher kaum bekannt war. SMTP steht für "Simple Mail Transfer Protocol" und regelt die Kommunikation zwischen E-Mail-Servern. So funktioniert der technische Nachweis: Bevor eine E-Mail übertragen wird, "sprechen" der Ausgangsserver des Absenders und der Eingangsserver des Empfängers miteinander. Nach erfolgreicher Speicherung der E-Mail sendet der Empfangsserver automatisch eine Bestätigung zurück: "250 OK" – Diese Antwort bestätigt die erfolgreiche Speicherung der E-Mail auf dem Zielserver. Dieses technische Protokoll dokumentiert eindeutig, dass die E-Mail den Empfängerserver erreicht und dort gespeichert wurde. Rechtliche Einordnung: Beweiskraft vor Gericht Prozessrechtlich sind SMTP-Protokolle zwar keine Urkunden im klassischen Sinne, können aber als elektronische Dokumente vor Gericht verwendet werden. Auch ausgedruckt gelten sie als sogenannte "Augenscheinobjekte" nach § 371 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung. Falls Gerichte die technischen Details nicht verstehen, können sie IT-Sachverständige hinzuziehen (§ 404 Abs. 3 ZPO). Dies gewährleistet eine fachgerechte Bewertung der SMTP-Protokolle. Praktische Herausforderungen und Grenzen Trotz der theoretischen Eignung als Beweismittel gibt es praktische Hürden: Spam-Filter können stören Moderne Spam-Filter können die Aussagekraft von SMTP-Codes beeinträchtigen. Hier muss im Einzelfall geprüft werden, welche Filter-Software verwendet wird und wie diese funktioniert. Technische Hürden beim Zugriff SMTP-Protokolle lassen sich nur mit speziellen Programmen oder Plugins auslesen. Alternativ müssen sie beim eigenen E-Mail-Provider angefordert werden. Zeitliche Begrenzung beachten Wichtiger Hinweis: Die meisten Provider löschen SMTP-Protokolle nach etwa 90 Tagen automatisch. Es ist daher ratsam, die Protokolle unmittelbar nach dem E-Mail-Versand anzufordern. Was bedeutet diese Erkenntnis für Sie? Diese neue rechtliche Analyse bietet erstmals eine praktikable Möglichkeit, den E-Mail-Zugang unabhängig vom Empfängerverhalten zu beweisen. Besonders relevant ist dies für: Anwälte und Steuerberater, die wichtige Fristen einhalten müssen Unternehmen, die Kündigungen oder Mahnungen per E-Mail versenden Vermieter und Mieter bei mietrechtlichen Streitigkeiten Alle, die rechtlich wichtige Nachrichten elektronisch übermitteln Praktische Empfehlungen: Sofort handeln: Fordern Sie SMTP-Protokolle direkt nach dem E-Mail-Versand bei Ihrem Provider an Dokumentation: Bewahren Sie die Protokolle sicher auf Bei wichtigen E-Mails: Zusätzlich klassische Nachweismethoden wie Einschreiben nutzen Beachten Sie: Auch mit SMTP-Protokoll ist nicht automatisch der Inhalt der E-Mail bewiesen Ausblick: Rechtsprechung muss sich entwickeln Ob und wie die Gerichte diese neue Nachweismethode in der Praxis akzeptieren werden, bleibt abzuwarten. Die rechtlichen Grundlagen sind jedoch geschaffen – SMTP-Protokolle könnten die ersehnte Rechtssicherheit beim E-Mail-Versand bringen. Ähnlich wie beim Einwurf-Einschreiben, dessen Auslieferungsbeleg ebenfalls nur zeitlich begrenzt verfügbar ist, erfordert auch diese Methode rechtzeitiges Handeln. Wer wichtige E-Mails versendet, sollte die technischen Möglichkeiten seiner E-Mail-Software prüfen oder sich an seinen Provider wenden. Quelle: Dietlein/Klomfaß: Der Nachweis des Zugangs einer E-Mail, veröffentlicht in: NJW 2025, 1539
  • Der beste Anwalt für Mietrecht
    Rechtsanwalt Alexander Liese

Das Problem: Wie beweise ich, dass meine E-Mail angekommen ist?

Wer eine rechtlich bedeutsame E-Mail versendet, steht vor einem klassischen Dilemma: Wie kann man beweisen, dass die Nachricht tatsächlich beim Empfänger angekommen ist? Das Oberlandesgericht Rostock hat bereits 2024 klargestellt: Der bloße Versand einer E-Mail beweist noch nicht deren Zugang.

Es reicht also nicht aus, im Streitfall auf den Ordner "Gesendete Elemente" zu verweisen. Auch Lese- oder Zustellbestätigungen helfen meist nicht weiter, da diese vom Empfänger freiwillig erteilt werden müssen – was in der Praxis selten geschieht.

Die rechtliche Hürde: Was gilt als "Zugang"?

Rechtlich gilt eine E-Mail bereits dann als zugegangen, wenn sie auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung steht. Der Bundesgerichtshof hat 2022 bestätigt: Es ist nicht erforderlich, dass der Empfänger die E-Mail tatsächlich vom Server abruft oder öffnet.

Diese Definition schafft jedoch ein praktisches Problem: Wie soll der Absender beweisen, dass seine E-Mail auf einem fremden Server gespeichert wurde, ohne auf die Mitwirkung des Empfängers angewiesen zu sein?

Die Lösung: SMTP-Protokolle als Nachweis

Hier kommen sogenannte SMTP-Protokolle ins Spiel – eine technische Lösung, die bisher kaum bekannt war. SMTP steht für "Simple Mail Transfer Protocol" und regelt die Kommunikation zwischen E-Mail-Servern.

So funktioniert der technische Nachweis:

Bevor eine E-Mail übertragen wird, "sprechen" der Ausgangsserver des Absenders und der Eingangsserver des Empfängers miteinander. Nach erfolgreicher Speicherung der E-Mail sendet der Empfangsserver automatisch eine Bestätigung zurück:

"250 OK" – Diese Antwort bestätigt die erfolgreiche Speicherung der E-Mail auf dem Zielserver.

Dieses technische Protokoll dokumentiert eindeutig, dass die E-Mail den Empfängerserver erreicht und dort gespeichert wurde.

Rechtliche Einordnung: Beweiskraft vor Gericht

Prozessrechtlich sind SMTP-Protokolle zwar keine Urkunden im klassischen Sinne, können aber als elektronische Dokumente vor Gericht verwendet werden. Auch ausgedruckt gelten sie als sogenannte "Augenscheinobjekte" nach § 371 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung.

Falls Gerichte die technischen Details nicht verstehen, können sie IT-Sachverständige hinzuziehen (§ 404 Abs. 3 ZPO). Dies gewährleistet eine fachgerechte Bewertung der SMTP-Protokolle.

Praktische Herausforderungen und Grenzen

Trotz der theoretischen Eignung als Beweismittel gibt es praktische Hürden:

Spam-Filter können stören

Moderne Spam-Filter können die Aussagekraft von SMTP-Codes beeinträchtigen. Hier muss im Einzelfall geprüft werden, welche Filter-Software verwendet wird und wie diese funktioniert.

Technische Hürden beim Zugriff

SMTP-Protokolle lassen sich nur mit speziellen Programmen oder Plugins auslesen. Alternativ müssen sie beim eigenen E-Mail-Provider angefordert werden.

Zeitliche Begrenzung beachten

Wichtiger Hinweis: Die meisten Provider löschen SMTP-Protokolle nach etwa 90 Tagen automatisch. Es ist daher ratsam, die Protokolle unmittelbar nach dem E-Mail-Versand anzufordern.

Was bedeutet diese Erkenntnis für Sie?

Diese neue rechtliche Analyse bietet erstmals eine praktikable Möglichkeit, den E-Mail-Zugang unabhängig vom Empfängerverhalten zu beweisen. Besonders relevant ist dies für:

  • Anwälte und Steuerberater, die wichtige Fristen einhalten müssen
  • Unternehmen, die Kündigungen oder Mahnungen per E-Mail versenden
  • Vermieter und Mieter bei mietrechtlichen Streitigkeiten
  • Alle, die rechtlich wichtige Nachrichten elektronisch übermitteln

Praktische Empfehlungen:

  1. Sofort handeln: Fordern Sie SMTP-Protokolle direkt nach dem E-Mail-Versand bei Ihrem Provider an
  2. Dokumentation: Bewahren Sie die Protokolle sicher auf
  3. Bei wichtigen E-Mails: Zusätzlich klassische Nachweismethoden wie Einschreiben nutzen
  4. Beachten Sie: Auch mit SMTP-Protokoll ist nicht automatisch der Inhalt der E-Mail bewiesen

Ausblick: Rechtsprechung muss sich entwickeln

Ob und wie die Gerichte diese neue Nachweismethode in der Praxis akzeptieren werden, bleibt abzuwarten. Die rechtlichen Grundlagen sind jedoch geschaffen – SMTP-Protokolle könnten die ersehnte Rechtssicherheit beim E-Mail-Versand bringen.

Ähnlich wie beim Einwurf-Einschreiben, dessen Auslieferungsbeleg ebenfalls nur zeitlich begrenzt verfügbar ist, erfordert auch diese Methode rechtzeitiges Handeln. Wer wichtige E-Mails versendet, sollte die technischen Möglichkeiten seiner E-Mail-Software prüfen oder sich an seinen Provider wenden.


Quelle: Dietlein/Klomfaß: Der Nachweis des Zugangs einer E-Mail, veröffentlicht in: NJW 2025, 1539

Kontaktieren Sie uns!

Für detaillierte Fragen oder eine individuelle Beratung stehen Ihnen die Experten unserer Kanzlei für Mietrecht in Essen zur Verfügung. Wir helfen Ihnen, die beste Strategie für Ihr spezifisches Anliegen zu entwickeln.


Zurück zum Magazin

Ihr Recht ist unsere Leidenschaft!

Portrait der besten Anwälte von Essen

Sie sind ratlos im Streit mit Ihrem Mieter oder Vermieter? Sie stehen vor komplexen Vertragsverhandlungen oder es geht um den Erwerb, Veräußerung oder Vererbung von Immobilieneigentum. Wir haben uns auf das private und gewerbliche Mietrecht, Immobilienrecht und Maklerrecht spezialisiert. Vertrauen Sie uns. Zögern Sie also nicht länger und holen Sie sich die Unterstützung, die ein professionelles Vorgehen ermöglicht. Lassen Sie uns gemeinsam eine Strategie für die Umsetzung Ihres Vorhabens besprechen.

Jetzt Termin sichern


Unsere digitale Kanzlei

Kind sitzt im Chefsessel und bedient ein Mobiltelefon

Bei uns geht Recht vollkommen digital. Für Sie entscheidend: Sie können alles bequem von überall aus organisieren. Besuchen Sie unsere Webseite und buchen Sie ein Video-Meeting mit einem Anwalt. Ihre Unterlagen können Sie einfach uploaden. Selbst erforderliche Unterschriften können Sie bei uns digital leisten.

Erfahrungen & Bewertungen zu JURiAL® Rechtsanwaltskanzlei

kostenlose Ersteinschätzung

Wartebereich der JURiAL® Rechtsanwaltskanzlei

Lassen Sie uns bei einem unverbindlichen Kennenlerngespräch über Ihre spezifischen rechtlichen Anliegen sprechen.

Jetzt Termin sichern


Das könnte Sie auch interessieren:

Weiterlesen … E-Mail-Zugang rechtssicher nachweisen: SMTP-Protokolle als Lösung

  • Aufrufe: 101

Geplatzter Hauskauf: Wann müssen Verkäufer Kosten ersetzen?

  • Teaser: Ein Immobilienkauf platzt kurz vor dem Notartermin – wer trägt die bereits angefallenen Kosten? Das Landgericht Karlsruhe hat in einem aktuellen Fall entschieden, dass Verkäufer unter bestimmten Umständen die Notarkosten des Käufers ersetzen müssen. Dabei kommt es entscheidend auf das Verhalten während der Verhandlungen an.
  • Bildquelle: Symbolbild: KI-generiertes Bild
  • Beitragstext: Der Fall: Vom sicheren Käufer zum Nachsehen Die Geschichte beginnt wie viele Immobilienkäufe: Ein Interessent besichtigt mehrfach ein Wohnhaus und führt intensive Verhandlungen mit dem Verkäufer. Nachdem sich beide Seiten über die wesentlichen Punkte einig waren, sollte ein Notar den Kaufvertrag ausarbeiten. Doch der Käufer wurde unsicher. Immer noch fanden Besichtigungen mit anderen Interessenten statt. Als er beim Verkäufer nachfragte, erhielt er eine beruhigende E-Mail: "Unsere Absprache gilt: Sie sind der Käufer!" Vertrauensvoll beauftragte der Käufer daraufhin das Notariat mit der Vertragserstellung. Doch dann kam die böse Überraschung: Der Verkäufer erhielt ein gleichwertiges Angebot mit angeblich besseren Nebenvereinbarungen, brach die Verhandlungen ab und verkaufte an den anderen Interessenten. Der enttäuschte Käufer blieb auf den Notarkosten sitzen und klagte auf Schadensersatz. Hohe Hürden für Schadensersatz bei Immobiliengeschäften Grundsätzlich gilt: Wer einen Vertrag nicht abschließt, muss normalerweise keinen Schadensersatz zahlen. Bei Immobiliengeschäften sind die Hürden besonders hoch, um Verkäufer nicht unter indirekten Zwang zu setzen. Schadensersatz gibt es nur bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen, die in der Regel vorsätzlich begangen werden müssen. Das hat der Bundesgerichtshof bereits 2017 klargestellt. Die Gerichte prüfen dabei sehr genau: Wie liefen die Verhandlungen ab? Welche Zusagen wurden gemacht? Wurde der Käufer zu kostspieligen Maßnahmen veranlasst? Entscheidende Faktoren: Vertrauen und Zusagen Im vorliegenden Fall sah das Landgericht Karlsruhe die hohen Voraussetzungen als erfüllt an. Ausschlaggebend waren mehrere Punkte: Gesteigerte Vertrauensbeziehung: Durch die klare Aussage "Sie sind der Käufer!" entstand ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien. Veranlassung zu Kosten: Der Verkäufer stimmte der Beauftragung des Notars zu und bestärkte den Käufer in seinem Vertrauen, obwohl er weiterhin mit anderen Interessenten verhandelte. Fehlende Fairness: Bei einem gleichwertigen Angebot hätte der Verkäufer dem ersten Interessenten die Chance geben müssen, "gleichzuziehen". "Aufgrund der vorangegangenen Verhandlungen und der klaren Aussage des Verkäufers sah das Gericht eine gesteigerte Vertrauensbeziehung begründet, die zu erhöhter Rücksichtnahme verpflichtet." Was bedeutet das Urteil für Sie? Als Käufer sollten Sie trotz dieser Entscheidung vorsichtig sein: Verlassen Sie sich nicht darauf, dass Sie im Streitfall Recht bekommen Warten Sie mit kostspieligen Maßnahmen (wie Kreditzusagen) bis zum Notartermin Dokumentieren Sie alle Zusagen des Verkäufers schriftlich Lassen Sie sich rechtlich beraten, wenn Sie bereits Kosten hatten Als Verkäufer müssen Sie aufpassen: Machen Sie keine verbindlich wirkenden Zusagen, wenn Sie noch unentschlossen sind Informieren Sie alle Interessenten transparent über den Stand der Verhandlungen Brechen Sie Verhandlungen nicht unvermittelt ab, wenn Sie den Käufer zu Kosten veranlasst haben Praktische Absicherung ist wichtig Das Urteil zeigt: Auch ohne unterschriebenen Kaufvertrag können Pflichten entstehen. Dennoch sollten sich Käufer nicht auf solche Ansprüche verlassen. Besser ist es, sich von Anfang an abzusichern: Vereinbaren Sie schriftlich, wer bei einem Rücktritt welche Kosten trägt Klären Sie, ob der Verkäufer parallel mit anderen Interessenten verhandelt Lassen Sie sich bei größeren Investitionen rechtlich beraten Die Rechtsprechung entwickelt sich stetig weiter, aber eines bleibt: Vertrauen ist gut, schriftliche Vereinbarungen sind besser. Fazit Das Urteil des Landgerichts Karlsruhe bestätigt die strenge BGH-Rechtsprechung, zeigt aber auch: In Ausnahmefällen können Verkäufer zur Kostenerstattung verpflichtet werden. Entscheidend ist das konkrete Verhalten während der Verhandlungen. Für beide Seiten gilt: Ehrlichkeit und Transparenz vermeiden nicht nur rechtliche Probleme, sondern auch menschliche Enttäuschungen. Quelle: LG Karlsruhe, Urteil vom 28.03.2025 - 9 S 41/24
  • Der beste Anwalt für Mietrecht
    Rechtsanwalt Alexander Liese

Der Fall: Vom sicheren Käufer zum Nachsehen

Die Geschichte beginnt wie viele Immobilienkäufe: Ein Interessent besichtigt mehrfach ein Wohnhaus und führt intensive Verhandlungen mit dem Verkäufer. Nachdem sich beide Seiten über die wesentlichen Punkte einig waren, sollte ein Notar den Kaufvertrag ausarbeiten.

Doch der Käufer wurde unsicher. Immer noch fanden Besichtigungen mit anderen Interessenten statt. Als er beim Verkäufer nachfragte, erhielt er eine beruhigende E-Mail: "Unsere Absprache gilt: Sie sind der Käufer!"

Vertrauensvoll beauftragte der Käufer daraufhin das Notariat mit der Vertragserstellung. Doch dann kam die böse Überraschung: Der Verkäufer erhielt ein gleichwertiges Angebot mit angeblich besseren Nebenvereinbarungen, brach die Verhandlungen ab und verkaufte an den anderen Interessenten.

Der enttäuschte Käufer blieb auf den Notarkosten sitzen und klagte auf Schadensersatz.

Hohe Hürden für Schadensersatz bei Immobiliengeschäften

Grundsätzlich gilt: Wer einen Vertrag nicht abschließt, muss normalerweise keinen Schadensersatz zahlen. Bei Immobiliengeschäften sind die Hürden besonders hoch, um Verkäufer nicht unter indirekten Zwang zu setzen.

Schadensersatz gibt es nur bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen, die in der Regel vorsätzlich begangen werden müssen. Das hat der Bundesgerichtshof bereits 2017 klargestellt.

Die Gerichte prüfen dabei sehr genau:

  • Wie liefen die Verhandlungen ab?
  • Welche Zusagen wurden gemacht?
  • Wurde der Käufer zu kostspieligen Maßnahmen veranlasst?

Entscheidende Faktoren: Vertrauen und Zusagen

Im vorliegenden Fall sah das Landgericht Karlsruhe die hohen Voraussetzungen als erfüllt an. Ausschlaggebend waren mehrere Punkte:

Gesteigerte Vertrauensbeziehung: Durch die klare Aussage "Sie sind der Käufer!" entstand ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien.

Veranlassung zu Kosten: Der Verkäufer stimmte der Beauftragung des Notars zu und bestärkte den Käufer in seinem Vertrauen, obwohl er weiterhin mit anderen Interessenten verhandelte.

Fehlende Fairness: Bei einem gleichwertigen Angebot hätte der Verkäufer dem ersten Interessenten die Chance geben müssen, "gleichzuziehen".

"Aufgrund der vorangegangenen Verhandlungen und der klaren Aussage des Verkäufers sah das Gericht eine gesteigerte Vertrauensbeziehung begründet, die zu erhöhter Rücksichtnahme verpflichtet."

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Als Käufer sollten Sie trotz dieser Entscheidung vorsichtig sein:

  • Verlassen Sie sich nicht darauf, dass Sie im Streitfall Recht bekommen
  • Warten Sie mit kostspieligen Maßnahmen (wie Kreditzusagen) bis zum Notartermin
  • Dokumentieren Sie alle Zusagen des Verkäufers schriftlich
  • Lassen Sie sich rechtlich beraten, wenn Sie bereits Kosten hatten

Als Verkäufer müssen Sie aufpassen:

  • Machen Sie keine verbindlich wirkenden Zusagen, wenn Sie noch unentschlossen sind
  • Informieren Sie alle Interessenten transparent über den Stand der Verhandlungen
  • Brechen Sie Verhandlungen nicht unvermittelt ab, wenn Sie den Käufer zu Kosten veranlasst haben

Praktische Absicherung ist wichtig

Das Urteil zeigt: Auch ohne unterschriebenen Kaufvertrag können Pflichten entstehen. Dennoch sollten sich Käufer nicht auf solche Ansprüche verlassen.

Besser ist es, sich von Anfang an abzusichern:

  • Vereinbaren Sie schriftlich, wer bei einem Rücktritt welche Kosten trägt
  • Klären Sie, ob der Verkäufer parallel mit anderen Interessenten verhandelt
  • Lassen Sie sich bei größeren Investitionen rechtlich beraten

Die Rechtsprechung entwickelt sich stetig weiter, aber eines bleibt: Vertrauen ist gut, schriftliche Vereinbarungen sind besser.

Fazit

Das Urteil des Landgerichts Karlsruhe bestätigt die strenge BGH-Rechtsprechung, zeigt aber auch: In Ausnahmefällen können Verkäufer zur Kostenerstattung verpflichtet werden. Entscheidend ist das konkrete Verhalten während der Verhandlungen.

Für beide Seiten gilt: Ehrlichkeit und Transparenz vermeiden nicht nur rechtliche Probleme, sondern auch menschliche Enttäuschungen.


Quelle: LG Karlsruhe, Urteil vom 28.03.2025 - 9 S 41/24

Kontaktieren Sie uns!

Für detaillierte Fragen oder eine individuelle Beratung stehen Ihnen die Experten unserer Kanzlei für Mietrecht in Essen zur Verfügung. Wir helfen Ihnen, die beste Strategie für Ihr spezifisches Anliegen zu entwickeln.


Zurück zum Magazin

Ihr Recht ist unsere Leidenschaft!

Portrait der besten Anwälte von Essen

Sie sind ratlos im Streit mit Ihrem Mieter oder Vermieter? Sie stehen vor komplexen Vertragsverhandlungen oder es geht um den Erwerb, Veräußerung oder Vererbung von Immobilieneigentum. Wir haben uns auf das private und gewerbliche Mietrecht, Immobilienrecht und Maklerrecht spezialisiert. Vertrauen Sie uns. Zögern Sie also nicht länger und holen Sie sich die Unterstützung, die ein professionelles Vorgehen ermöglicht. Lassen Sie uns gemeinsam eine Strategie für die Umsetzung Ihres Vorhabens besprechen.

Jetzt Termin sichern


Unsere digitale Kanzlei

Kind sitzt im Chefsessel und bedient ein Mobiltelefon

Bei uns geht Recht vollkommen digital. Für Sie entscheidend: Sie können alles bequem von überall aus organisieren. Besuchen Sie unsere Webseite und buchen Sie ein Video-Meeting mit einem Anwalt. Ihre Unterlagen können Sie einfach uploaden. Selbst erforderliche Unterschriften können Sie bei uns digital leisten.

Erfahrungen & Bewertungen zu JURiAL® Rechtsanwaltskanzlei

kostenlose Ersteinschätzung

Wartebereich der JURiAL® Rechtsanwaltskanzlei

Lassen Sie uns bei einem unverbindlichen Kennenlerngespräch über Ihre spezifischen rechtlichen Anliegen sprechen.

Jetzt Termin sichern


Das könnte Sie auch interessieren:

Weiterlesen … Geplatzter Hauskauf: Wann müssen Verkäufer Kosten ersetzen?

  • Aufrufe: 95