Verwahrloste Wohnung: Wann ist die Rückgabe rechtlich wirksam?


Der Sachverhalt: Umzugskostenbeihilfe trotz Schmutz?
In dem verhandelten Fall hatten Mieter und Vermieter einen gerichtlichen Vergleich geschlossen. Darin verpflichtete sich der Mieter, die Wohnung bis zu einem bestimmten Datum zu räumen und zurückzugeben. Im Gegenzug sollte der Vermieter eine Umzugskostenbeihilfe in Höhe von 7.500 Euro zahlen. Vereinbart wurde ausdrücklich, dass der Mieter keine Schönheitsreparaturen schuldet, sondern die Rückgabe in "besenreinem Zustand" genügt.
Der Mieter übergab die Wohnung fristgerecht, jedoch – laut Darstellung des Vermieters – in einem stark verschmutzten Zustand:
- Spinnweben in den Zimmerecken
- Das Spülbecken mit Rost und Schmutz befüllt
- Stark verkalkte Toilette und Badewanne
- Verschmutzte Fliesen im Bad
- Stark verschmutzter Fußboden in der gesamten Wohnung
Der Vermieter forderte den Mieter mehrfach auf, die Wohnung zu reinigen, was dieser verweigerte. Daraufhin wollte der Vermieter die vereinbarte Umzugskostenbeihilfe nicht zahlen. Er argumentierte, dass die Bedingung "besenrein" nicht erfüllt sei und daher auch die Zahlungspflicht nicht entstanden sei.
Die zentrale Rechtsfrage
In diesem Fall ging es um eine grundlegende Frage im Mietrecht: Darf ein Vermieter die Rücknahme einer Wohnung verweigern, wenn diese nicht im vereinbarten (besenreinen) Zustand übergeben wird? Und kann dadurch die Zahlungspflicht für eine vereinbarte Umzugskostenbeihilfe entfallen?
Die Entscheidung des Gerichts
Das Landgericht München I hat in seinem Beschluss vom 17.07.2023 (Az. 14 S 4563/23) die Position des Mieters bestätigt. Der Vermieter muss die vereinbarte Umzugskostenbeihilfe zahlen, weil:
- Die Wohnung fristgerecht zurückgegeben wurde.
- Der Zustand der Wohnung bei der Rückgabe für die Wirksamkeit der Rückgabe rechtlich unerheblich ist.
Der entscheidende Leitsatz des Gerichts lautet:
"Allein darin, dass der Mieter dem Vermieter die Räume in verwahrlostem oder einem sonst nicht vertragsgemäßen Zustand überlässt, kann noch keine Vorenthaltung gesehen werden."
Das Gericht stützt sich dabei auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Es unterscheidet klar zwischen zwei Rechtsbegriffen:
- Die Rückgabe/Herausgabe bedeutet lediglich die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes an der Mietsache. Sie ist mit der Schlüsselübergabe erfüllt.
- Die vertragliche Räumungspflicht betrifft hingegen den Zustand, in dem die Wohnung zurückzugeben ist.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Mieter:
- Sie müssen die Wohnung zum vereinbarten Zeitpunkt zurückgeben (Schlüssel übergeben), aber der Zustand der Wohnung verhindert nicht die Wirksamkeit der Rückgabe.
- Auch wenn Sie die Wohnung nicht im vertraglich vereinbarten Zustand (z.B. "besenrein") übergeben, haben Sie Ihre Rückgabepflicht grundsätzlich erfüllt.
- Achtung: Dies bedeutet nicht, dass Sie für Verschmutzungen oder Beschädigungen nicht haftbar gemacht werden können! Der Vermieter kann immer noch Schadensersatzansprüche geltend machen.
Für Vermieter:
- Sie sind zur Annahme der Wohnung verpflichtet, auch wenn diese nicht im vereinbarten Zustand übergeben wird.
- Eine Verweigerung der Rücknahme kann sogar zum Annahmeverzug führen, was negative Folgen für Sie haben kann.
- Statt die Rücknahme zu verweigern, sollten Sie die Wohnung annehmen und anschließend Schadensersatzansprüche geltend machen.
- Bei Vereinbarungen über Zahlungen (wie eine Umzugskostenbeihilfe) sollten Sie präzise formulieren, welche Bedingungen erfüllt sein müssen.
Praktische Konsequenzen
Das Urteil verdeutlicht einen wichtigen Grundsatz im Mietrecht: Die Nichterfüllung einer Reinigungspflicht stellt nur eine Schlechterfüllung dar, keine Nichterfüllung der Rückgabepflicht. Ist eine Wohnung bei der Übergabe also verschmutzt oder nicht im vereinbarten Zustand, ist der korrekte Weg für den Vermieter:
- Die Wohnung zurücknehmen
- Den Zustand dokumentieren (z.B. durch ein Übergabeprotokoll mit Fotos)
- Gegebenenfalls Schadensersatzansprüche geltend machen
Für beide Parteien empfiehlt es sich, bei der Wohnungsübergabe ein detailliertes Protokoll zu erstellen und den Zustand durch Fotos zu dokumentieren, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
Fazit
Das Landgericht München I hat mit seinem Beschluss die Rechtsprechung des BGH bestätigt: Der Zustand einer Mietwohnung bei der Rückgabe hat keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Rückgabe selbst. Vermieter sind verpflichtet, die Wohnung anzunehmen – auch wenn diese nicht im vereinbarten "besenreinen" Zustand ist. Für Schäden oder übermäßige Verschmutzung können sie anschließend Schadensersatz verlangen.
Quelle: LG München I, Beschluss vom 17.07.2023 - 14 S 4563/23
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