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Wann ist eine Kündigung wegen Modernisierung berechtigt?

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Vermieter können ihren Mietern nicht einfach kündigen, nur weil sie modernisieren wollen. Das Landgericht Lübeck hat jetzt klargestellt: Bei einer Verwertungskündigung müssen strenge Voraussetzungen erfüllt sein.
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Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Kündigung für umfangreiche Sanierung

Eine Vermieterin wollte ihre Wohnanlage modernisieren und sanieren. Die geplanten Arbeiten sollten etwa 18 Monate dauern. Konkret waren vorgesehen: komplette Erneuerung der Küchen und Bäder, Vergrößerung der Bäder durch Grundrissänderungen und Umgestaltung zu einer nahezu barrierefreien Nutzung.

Da diese Arbeiten im bewohnten Zustand nicht möglich waren, kündigte die Vermieterin ihrer Mieterin zum 31. Mai 2023 wegen Verwertungskündigung gemäß Paragraf 573 Absatz 2 Nummer 3 BGB. Die Vermieterin hatte der Mieterin zwar Alternativwohnungen und ein Umzugspaket angeboten, doch die Mieterin widersprach der Kündigung wegen unzumutbarer Härte.

Das Amtsgericht gab der Vermieterin zunächst recht und verurteilte die Mieterin zur Räumung der Wohnung. Diese legte jedoch Berufung ein und beantragte Prozesskostenhilfe.

Was das Gericht zur Begründungspflicht sagt

Eine Kündigung muss ordnungsgemäß begründet werden. Das Landgericht Lübeck betont: Die Angabe der Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters ist eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung. Der Zweck dieser Begründungspflicht ist klar: Der Mieter soll zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition erhalten und rechtzeitig alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutz seiner Interessen einleiten können.

Aus dem Kündigungsschreiben muss hervorgehen, warum der Vermieter durch den Bestand des Mietverhältnisses an der Durchführung seiner geplanten Arbeiten gehindert wird und welche konkreten Nachteile ihm drohen, wenn er von der beabsichtigten Verwertung Abstand nimmt.

Kernfrage: Alternative Unterbringung prüfen

Das Gericht stellte eine wichtige Klarstellung auf: Bei einer Verwertungskündigung darf nicht allein darauf abgestellt werden, ob eine bewohnte Wohnung der Durchführung der geplanten Arbeiten entgegensteht. Vielmehr muss auch geprüft werden, ob es den Parteien möglich und zumutbar gewesen wäre, den Mieter vorübergehend in einer alternativen Unterkunft unterzubringen.

Diese Prüfung muss insbesondere unter finanziellen Gesichtspunkten erfolgen. Dabei kommt es auf die Dauer der Unterbringung und das Verhältnis der Unterbringungskosten zu den reinen Modernisierungskosten an. Wenn eine vorübergehende alternative Unterbringung möglich und zumutbar ist, kann die Verwertungskündigung unwirksam sein.

Wann reicht eine Umgestaltung für eine Kündigung?

Eine besonders wichtige Aussage traf das Gericht zur Frage, wann eine Umgestaltung einer Wohnung einer Kündigung rechtfertigt: Die Umgestaltung einer Wohnung kann dem Wegfall einer Wohnung nur dann gleichgestellt werden, wenn die Wohnung durch die Umgestaltung in ihrem grundlegenden Charakter wesentlich verändert wird.

Dies erfordert eine grundsätzliche Veränderung des Wohnungszuschnitts und der Wohnqualität, die über eine reine Modernisierung hinausgeht. Das Gericht führt konkret aus, was nicht ausreicht:

  • Geringfügige Grundrissänderungen
  • Änderungen von Balkon- oder anderen Türen
  • Erneuerungen von Bädern oder Küchen
  • Maßnahmen zur Förderung der Barrierefreiheit

Auch in der Gesamtschau dieser Maßnahmen sieht das Gericht keine ausreichende Begründung für eine Verwertungskündigung.

Problematische Nachträglichkeit von Kündigungsgründen

Das Landgericht weist außerdem darauf hin, dass nachträglich vorgebrachte Kündigungsgründe gemäß Paragraf 573 Absatz 3 Satz 2 BGB grundsätzlich nicht berücksichtigt werden können. Kündigungsgründe müssen bereits im ursprünglichen Kündigungsschreiben enthalten sein.

Die Berücksichtigung nachträglich entstandener Gründe setzt voraus, dass die ausgesprochene Kündigung bereits in ihrer ursprünglichen Form wirksam war. Eine von Anfang an unwirksame Kündigung wird auch dann nicht wirksam, wenn nach ihrem Ausspruch neue Kündigungsgründe entstehen.

Bedeutung für die Modernisierungspraxis

In dem konkreten Fall sieht das Landgericht die Kündigung kritisch. Obwohl sie formell wirksam sein dürfte, könnten die angegebenen Kündigungsgründe den materiellen Anforderungen an eine Verwertungskündigung nicht genügen. Insbesondere kritisiert das Gericht, dass nicht erörtert wurde, ob eine vorübergehende alternative Unterbringung der Mieterin möglich und zumutbar gewesen wäre.

Diese Bewertung macht deutlich, dass Vermieter bei Modernisierungsvorhaben nicht automatisch eine wirksame Verwertungskündigung aussprechen können. Sie müssen detailliert prüfen und darlegen, warum die geplanten Maßnahmen eine Kündigung rechtfertigen und ob es keine milderen Mittel gibt.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Mieter: Eine Kündigung wegen Modernisierung ist nicht automatisch wirksam. Prüfen Sie genau, ob der Vermieter alle Voraussetzungen erfüllt hat. Insbesondere sollten Sie hinterfragen, ob eine vorübergehende alternative Unterbringung möglich gewesen wäre. Lassen Sie sich rechtlich beraten, bevor Sie eine solche Kündigung akzeptieren.

Für Vermieter: Bereiten Sie Verwertungskündigungen sorgfältig vor. Die bloße Behauptung, dass Modernisierungsarbeiten im bewohnten Zustand nicht möglich sind, reicht nicht aus. Sie müssen auch alternative Lösungen prüfen und dokumentieren, warum diese nicht zumutbar sind. Reine Modernisierungsmaßnahmen rechtfertigen in der Regel keine Kündigung.

Die Entscheidung zeigt, dass Gerichte Verwertungskündigungen kritisch prüfen und hohe Anforderungen an die Begründung stellen. Eine umfassende rechtliche Beratung vor Ausspruch einer solchen Kündigung ist daher unerlässlich.

Das Verfahren war noch nicht abgeschlossen, da das Landgericht der Mieterin Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren bewilligte. Die endgültige Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung steht damit noch aus. Die Ausführungen des Gerichts geben jedoch wichtige Hinweise auf die strengen Voraussetzungen für Verwertungskündigungen.


Quelle: Landgericht Lübeck, Beschluss vom 26.06.2024, Az. 14 S 38/24

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