Muss eine fremde Abwasserleitung auf eigenem GrundstĂŒck geduldet werden?
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Rechtsanwalt Alexander Liese
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04/25
Der Fall: Nachbarstreit um eine Abwasserleitung
In einem Nachbarschaftsstreit in Baden-WĂŒrttemberg ging es um ein Doppelhaus, das 1981 auf einem geteilten GrundstĂŒck errichtet wurde. Die Eltern des KlĂ€gers und die GroĂeltern des Beklagten waren ursprĂŒnglich gemeinsame EigentĂŒmer des GesamtgrundstĂŒcks. Nach der Teilung wurde das östliche GrundstĂŒck dem KlĂ€ger ĂŒbertragen, das westliche dem Bruder des KlĂ€gers. Dieser ĂŒbertrug es 2022 seinem Sohn, dem Beklagten.
Seit der Errichtung des Doppelhauses wurde das GrundstĂŒck des Beklagten ĂŒber das tiefer gelegene GrundstĂŒck des KlĂ€gers entwĂ€ssert. Die Abwasserleitung fĂŒhrte vom höher gelegenen GrundstĂŒck des Beklagten zum GrundstĂŒck des KlĂ€gers und mĂŒndete dort in dessen Abwasserleitung.
Der Auslöser fĂŒr den Rechtsstreit war ein RĂŒckstau am 7. Mai 2023, durch den der Keller des KlĂ€gers unter Wasser gesetzt wurde. Ein Fachunternehmen stellte eine Einwurzelung in der Abwasserleitung fest. Daraufhin forderte der KlĂ€ger den Beklagten auf, die Einleitung von Abwasser in seine Leitung zu unterlassen und die zufĂŒhrende Leitung zurĂŒckzubauen.
Die zentrale Rechtsfrage
Die zentrale Frage des Falles lautete: Muss ein GrundstĂŒckseigentĂŒmer eine fremde Abwasserleitung auf seinem GrundstĂŒck dulden, wenn diese ohne dingliche Berechtigung (etwa in Form einer Grunddienstbarkeit) verlegt wurde?
Die Entscheidung des OLG Karlsruhe
Das OLG Karlsruhe (Urteil vom 06.03.2025, Az. 12 U 130/24) entschied zugunsten des KlÀgers und gab seiner Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Karlsruhe statt.
GrundsĂ€tzlich kann ein GrundstĂŒckseigentĂŒmer nach § 1004 Abs. 1 BGB die Beseitigung einer ohne dingliche Berechtigung in seinem GrundstĂŒck verlaufenden fremden Abwasserleitung verlangen.
Das Gericht stellte fest, dass unstreitig eine EigentumsbeeintrĂ€chtigung nach § 1004 Abs. 1 BGB vorlag, da die Abwasserleitung des Beklagten auf das GrundstĂŒck des KlĂ€gers fĂŒhrte und an dessen Abwasserleitung angeschlossen war. Die Abwasserleitung stand nicht im Eigentum des KlĂ€gers, sondern gehörte als Zubehör nach § 97 BGB zum GrundstĂŒck des Beklagten.
Keine Duldungspflicht fĂŒr den GrundstĂŒckseigentĂŒmer
Das OLG prĂŒfte verschiedene mögliche GrĂŒnde fĂŒr eine Duldungspflicht des KlĂ€gers, verneinte diese jedoch allesamt:
- Keine dingliche Berechtigung: Eine Dienstbarkeit nach § 1018 BGB oder § 1090 BGB bestand mangels Eintragung im Grundbuch nicht.
- Keine Duldungspflicht nach dem Nachbarrechtsgesetz: Das GrundstĂŒck des Beklagten grenzte direkt an die öffentliche StraĂe. Ein eigener Anschluss an die öffentliche Abwasserleitung wĂ€re daher ohne Inanspruchnahme des NachbargrundstĂŒcks möglich.
- Keine Duldungspflicht aus der Abwassersatzung: Die Satzung der Gemeinde verbot eine separate EntwĂ€sserung fĂŒr das GrundstĂŒck des Beklagten nicht.
- Keine schuldrechtliche Gestattung: Zwar hatte es bei der gemeinsamen Planung und AusfĂŒhrung der AbwasserfĂŒhrung eine zumindest konkludent erklĂ€rte Gestattung gegeben. Diese wirkte jedoch nicht gegenĂŒber dem Beklagten als Sonderrechtsnachfolger seines Vaters.
Nachbarliches RĂŒcksichtnahmegebot greift nicht
Das Gericht prĂŒfte auch, ob der Beseitigungsanspruch nach § 242 BGB aufgrund des nachbarschaftlichen RĂŒcksichtnahmegebots ausgeschlossen sein könnte. Dies verneinte das OLG jedoch:
- Der Beklagte könnte die Inanspruchnahme des NachbargrundstĂŒcks vermeiden, indem er eine eigene Abwasserleitung ĂŒber sein GrundstĂŒck zur StraĂe fĂŒhrt.
- Eine alternative LeitungsfĂŒhrung war weder rechtlich unzulĂ€ssig noch tatsĂ€chlich unmöglich.
- Die vom Beklagten behaupteten hohen Kosten fĂŒr eine eigene Abwasserleitung wurden nicht konkret dargelegt oder begrĂŒndet.
Das Gericht berĂŒcksichtigte auch, dass der KlĂ€ger ein sachliches Interesse an der Beseitigung der Abwasserzuleitung hatte. Aufgrund des Niveauunterschieds der GrundstĂŒcke trug er das Risiko von WasserschĂ€den im Fall eines RĂŒckstaus allein, und die ZufĂŒhrung des Abwassers vom GrundstĂŒck des Beklagten erhöhte die Gefahr eines KapazitĂ€tsengpasses.
Was bedeutet das Urteil fĂŒr Sie?
- Fehlende Absicherung von Leitungsrechten: Wenn bei einer GrundstĂŒcksteilung Leitungen ĂŒber fremde GrundstĂŒcke verlaufen, sollten diese durch eine Grunddienstbarkeit im Grundbuch abgesichert werden. Anderenfalls kann der EigentĂŒmer des belasteten GrundstĂŒcks grundsĂ€tzlich die Beseitigung verlangen.
- Kein automatischer Bestandsschutz: Bei GrundstĂŒckskĂ€ufen sollte immer geprĂŒft werden, ob alle Leitungen und AnschlĂŒsse rechtlich abgesichert sind. Eine jahrelang geduldete Situation gibt keine Sicherheit fĂŒr die Zukunft.
- Regelung bei Rechtsnachfolge beachten: Rein schuldrechtliche Vereinbarungen (wie die Gestattung einer LeitungsfĂŒhrung) wirken nicht automatisch gegenĂŒber Rechtsnachfolgern. Bei GrundstĂŒcksĂŒbertragungen in der Familie sollten bestehende Nutzungsrechte daher ausdrĂŒcklich mit ĂŒbertragen werden.
- Frist zur Umsetzung: Das OLG gestand dem Beklagten eine Umsetzungsfrist bis zum 01.01.2026 zu. Bei der Durchsetzung von Beseitigungs- und UnterlassungsansprĂŒchen ist eine angemessene Ăbergangsfrist aus GrĂŒnden der nachbarlichen RĂŒcksichtnahme zu gewĂ€hren.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass das Eigentumsrecht grundsĂ€tzlich Vorrang vor praktischen ErwĂ€gungen hat. Nur in AusnahmefĂ€llen, wenn ein ĂŒber die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint, kann eine Duldungspflicht bestehen.
Quelle: OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.03.2025, Az. 12 U 130/24
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