Wer riecht's, der glaubt's! - Geruchsbelästigung beim Hauskauf und Verkäuferhaftung


Der Fall: Was ist passiert?
Ein Ehepaar erwarb im Februar 2021 ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück. Bei dem Haus handelte es sich um ein Fertighaus aus dem Jahr 1977. Dem Vertragsabschluss ging eine Besichtigung voraus, an der der Käufer, eine Begleitperson und der vom Verkäufer beauftragte Makler teilnahmen.
Nach dem Einzug im Mai 2021 bemerkte der Käufer nach eigenen Angaben eine erhebliche Geruchsbelästigung in den Wohnräumen. Der Geruch haftete sogar an Kleidungsstücken und konnte nur durch Waschen entfernt werden. Zudem stellte der Käufer fest, dass das Haus mit gesundheitsschädlichen Substanzen belastet war. Eine Raumluftanalyse ergab eine Belastung mit Formaldehyd in einer den zulässigen Höchstwert für Innenraumluft übersteigenden Konzentration sowie das Vorhandensein des Holzschutzmittels Lindan.
Im November 2022 zog der Käufer mit seiner Familie aufgrund der Schadstoffbelastung aus dem Haus aus und forderte von der Verkäuferin Schadensersatz. Die Verkäuferin wies diese Forderung zurück.
Die zentralen Streitpunkte
Der Fall drehte sich um folgende zentrale Fragen:
- Lag ein Sachmangel vor? War das Haus zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs tatsächlich mit Geruchsbelästigung und Schadstoffen belastet?
- Griff der Haftungsausschluss? Im Kaufvertrag war ein Ausschluss der Haftung für Sachmängel vereinbart worden. Konnte sich die Verkäuferin darauf berufen?
- Kannte die Verkäuferin die Mängel? Ein Haftungsausschluss greift nicht, wenn der Verkäufer einen Mangel kennt, aber verschweigt. Hatte die Verkäuferin oder ihr Makler als "Verhandlungsgehilfe" Kenntnis von den Mängeln?
- Bestand eine Aufklärungspflicht? Hätte die Verkäuferin den Käufer über mögliche Schadstoffbelastungen informieren müssen?
Der Käufer argumentierte, die Verkäuferin und der Makler hätten von der Schadstoffbelastung und Geruchsbelästigung gewusst und ihn darüber nicht aufgeklärt. Die Verkäuferin hingegen bestritt, dass zu irgendeinem Zeitpunkt eine Geruchs- oder Schadstoffbelastung bestanden habe. Der Makler behauptete, er habe im Rahmen der Besichtigung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um ein Haus der Firma J. handele und dass bei solchen Häusern eine Schadstoffbelastung möglich sei.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Landgericht Paderborn wies die Klage ab, und das OLG Hamm bestätigte diese Entscheidung in der Berufung. Das Gericht stellte folgende wichtige Grundsätze fest:
"Der Käufer trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sich der Verkäufer nicht auf einen vertraglich vereinbarten Haftungsausschluss berufen kann. Die Kenntnis der mangelbegründenden Umstände muss im Einzelfall festgestellt und darf nicht durch wertende Überlegungen ersetzt werden."
Das Gericht ließ offen, ob tatsächlich eine Geruchsbelästigung oder Schadstoffbelastung mit Formaldehyd und Lindan zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag. Entscheidend war vielmehr, dass der Käufer nicht beweisen konnte, dass die Verkäuferin von diesen Mängeln wusste.
Zu den Kernpunkten im Detail:
1. Zur subjektiven Wahrnehmung von Gerüchen
Das Gericht berücksichtigte die Aussage einer Sachverständigen, dass Menschen Gerüche unterschiedlich wahrnehmen. Es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass die Verkäuferin und ihr verstorbener Ehemann sowie Zeugen, die keine besondere Geruchsbelästigung festgestellt hatten, den Geruch trotz dessen Vorhandenseins nicht wahrgenommen haben.
2. Zur Haftung für Äußerungen des Maklers
Das Gericht stellte klar:
"Beim Grundstückskauf ist dem Verkäufer das Wissen desjenigen zuzurechnen, der Verhandlungsführer oder Verhandlungsgehilfe ist."
Der Makler hatte nach Aussage eines Zeugen darauf hingewiesen, dass bei dem Haus eine Schadstoffbelastung vorliegen und eine Sanierung erforderlich sein könnte. Dies erfolgte, weil seine Internetrecherche kein eindeutiges Ergebnis bezüglich der Schadstoffbelastung ergeben hatte. Mit diesem Hinweis erfüllte er seine Aufklärungspflicht.
3. Zur Aufklärungspflicht bei Vertragsverhandlungen
Das Gericht betonte einen wichtigen Grundsatz:
"Bei Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen, besteht für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen Teil über Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck des anderen vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise erwarten darf."
Zudem:
"Macht der Verkäufer tatsächliche Angaben, die für den Kaufentschluss des anderen Teils von Bedeutung sein können, müssen diese unabhängig vom Bestehen einer Offenbarungspflicht richtig sein."
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Dieses Urteil hat wichtige praktische Auswirkungen für Käufer und Verkäufer von Immobilien:
Für Käufer:
- Beweislast beachten: Als Käufer tragen Sie die Beweislast dafür, dass der Verkäufer einen Mangel kannte oder hätte kennen müssen.
- Vertragsgestaltung: Achten Sie auf Haftungsausschlüsse im Kaufvertrag und versuchen Sie, konkrete Beschaffenheitsvereinbarungen zu treffen.
- Sachverständige hinzuziehen: Bei Verdacht auf Schadstoffbelastung sollten Sie vor dem Kauf eine Fachperson hinzuziehen.
- Dokumentation: Halten Sie alle Aussagen des Verkäufers oder Maklers zu möglichen Mängeln schriftlich fest.
Für Verkäufer:
- Aufklärungspflicht ernst nehmen: Sie müssen über bekannte Mängel aufklären, auch wenn ein Haftungsausschluss vereinbart ist.
- Vorsicht bei Aussagen: Alle Angaben zum Kaufobjekt müssen korrekt sein, selbst wenn keine Aufklärungspflicht besteht.
- Makleraussagen beachten: Was der Makler sagt, wird Ihnen als Verkäufer zugerechnet.
- Dokumentation: Halten Sie fest, worüber Sie den Käufer informiert haben, um spätere Beweisschwierigkeiten zu vermeiden.
Das Urteil zeigt, dass Geruchsbelästigungen und Schadstoffbelastungen aufgrund der subjektiven Wahrnehmung besonders schwierige Mängel sind. Für Käufer ist die Beweisführung in solchen Fällen oft kompliziert, während Verkäufer gut beraten sind, auf jeden Verdacht einer möglichen Belastung hinzuweisen.
Quelle: OLG Hamm, Urteil vom 17.02.2025 - 22 U 117/23
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