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Wassergruß aus dem Fenster: Vermieter darf fristlos kündigen

Der beste Anwalt für Mietrecht
Im Zusammenleben von Mietern und Vermietern kann es leider immer wieder zu Konflikten kommen. Doch wo liegt die Grenze zwischen einer harmlosen Meinungsverschiedenheit und einem Verhalten, das eine fristlose Kündigung rechtfertigt? Ein aktuelles Gerichtsurteil gibt hierzu eine klare Antwort: Wer seinen Vermieter mit Wasser überschüttet, muss mit einer sofortigen Beendigung des Mietverhältnisses rechnen.
Bild von Ryan McGuire auf Pixabay

Der Fall: Eskalierter Streit im Hinterhof

Der vorliegende Fall dreht sich um einen Konflikt zwischen einer Mieterin und ihrer Vermieterin. An zwei aufeinanderfolgenden Tagen – dem 18. und 19. Mai 2023 – kam es zu folgenden Vorfällen:

Die Mieterin goss jeweils einen mit Wasser gefüllten Eimer aus ihrem Fenster in den Hof, während sich die Vermieterin dort aufhielt. Nach Feststellung des Gerichts wurde die Vermieterin dabei beide Male getroffen und "gänzlich durchnässt". Ein Zeuge beschrieb den Zustand der Vermieterin bildhaft als "klitschnass" wie bei der "Ice-Bucket-Challenge".

Die Mieterin selbst gab an, dass die Wassergüsse erfolgt seien, um die Vermieterin davon abzuhalten, ihr Fahrrad umzustellen. Nach dem ersten Vorfall soll die Mieterin sogar geäußert haben, "sie würde es wieder tun" – was sie am Folgetag dann auch in die Tat umsetzte.

Die rechtliche Bewertung: Störung des Hausfriedens

Das Gericht bewertete dieses Verhalten als schwerwiegenden Verstoß gegen die mietvertraglichen Pflichten. Folgende rechtliche Aspekte waren dabei entscheidend:

  1. Störung des Hausfriedens: Bereits das grundsätzliche Schütten eines Wassereimers aus dem Fenster in den Hof eines vermieteten Gebäudes stellt ein vertragswidriges Verhalten dar.
  2. Verletzung der Rücksichtnahmepflicht: Die Mieterin hat das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme "in grober Weise wiederholt verletzt".
  3. Vorsätzliches Handeln: Der Mieterin war bewusst, dass sich die Vermieterin im Hof aufhielt. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass sie zumindest billigend in Kauf nahm, die Vermieterin zu treffen.
  4. Strafrechtliche Relevanz: Das Gericht stufte die Handlung sogar als vorsätzliche Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB ein.

"Bereits jeder einzelne der Wassergüsse ist dazu geeignet, aufgrund seiner Nachhaltigkeit und Schwere einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen."

Die Entscheidung: Fristlose Kündigung war rechtmäßig

Die Vermieterin kündigte das Mietverhältnis am 24. Mai 2023 fristlos und forderte die Räumung der Wohnung. Das Gericht bestätigte die Rechtmäßigkeit dieser Kündigung nach §§ 543 Abs. 1, 569 Abs. 2 BGB.

Besonders bemerkenswert: Eine vorherige Abmahnung war in diesem Fall nicht erforderlich. Das Gericht begründete dies mit zwei wesentlichen Punkten:

  1. Die Schwere des Vorfalls rechtfertigte den sofortigen Ausspruch der Kündigung ohne vorherige Warnung.
  2. Eine Abmahnung hätte "offensichtlich keinen Erfolg" versprochen, da die Mieterin ausdrücklich angekündigt hatte, ihr Verhalten zu wiederholen.

Die von der Mieterin erhobene Widerklage auf Mängelbeseitigung wies das Gericht ebenfalls ab, da durch die wirksame fristlose Kündigung das Mietverhältnis bereits beendet war und somit keine Ansprüche mehr daraus abgeleitet werden konnten.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil verdeutlicht wichtige Grundsätze im Mietrecht, die sowohl für Mieter als auch für Vermieter relevant sind:

Für Mieter:

  • Respektvoller Umgang ist Pflicht: Das Mietverhältnis verpflichtet zu gegenseitiger Rücksichtnahme. Körperliche Übergriffe oder Belästigungen – und sei es "nur" durch Wasser – können schwerwiegende Konsequenzen haben.
  • Konflikte sachlich lösen: Bei Streitigkeiten mit dem Vermieter sollten immer sachliche Lösungswege gesucht werden. Der Rechtsweg steht offen, Selbstjustiz hingegen kann zum Verlust der Wohnung führen.
  • Keine Bagatelle: Was mancher vielleicht als harmlosen Streich ansehen könnte, kann rechtlich als Körperverletzung gewertet werden und sofortige Konsequenzen nach sich ziehen.

Für Vermieter:

  • Dokumentation ist wichtig: Bei Vorfällen, die den Hausfrieden stören, sollten Beweise gesichert und Zeugen benannt werden. Im vorliegenden Fall war die Aussage eines Zeugen entscheidend.
  • Abmahnung nicht immer erforderlich: Bei besonders schwerwiegenden Verstößen kann eine fristlose Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtmäßig sein.
  • Zeitnahes Handeln: Nach Kenntnis eines Kündigungsgrundes sollte die Kündigung zeitnah ausgesprochen werden, um den Zusammenhang zwischen Vorfall und Kündigung deutlich zu machen.

Das Urteil zeigt eindrücklich, dass der Gesetzgeber und die Rechtsprechung dem friedlichen Zusammenleben in Mietverhältnissen einen hohen Stellenwert beimessen. Die Störung des Hausfriedens durch körperliche Übergriffe – auch wenn diese auf den ersten Blick harmlos erscheinen mögen – kann zur sofortigen Beendigung des Mietverhältnisses führen.


Quelle: AG Hanau, 19.02.2024 - 34 C 92/23

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