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Gewerbliche Nutzung in Mietwohnung: Wann droht die Kündigung?

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Ein aktuelles Urteil zeigt: Nicht jede berufliche Tätigkeit in der Wohnung rechtfertigt eine Kündigung. Das Gericht stellt klare Anforderungen an Vermieter und schützt Mieterrechte bei Untervermietung.
Junger Mann sitzt in seiner Wohnung an einem Laptop und arbeitet
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Mehrfache Kündigungsversuche scheitern

Eine Vermieterin aus München versuchte über einen Zeitraum von mehreren Monaten, einem langjährigen Mieter zu kündigen. Der Vorwurf: Er betreibe in der angemieteten Wohnung einen Onlineshop für Kiteboards und ein Massagestudio. Zudem habe er ohne Erlaubnis ein Zimmer untervermietet und lagere ein elektrisches Fahrrad in der Wohnung. Die Vermieterin sprach insgesamt vier Kündigungen aus, alle scheiterten jedoch vor Gericht.

Das Mietverhältnis bestand bereits seit fast dreißig Jahren. Nach dem Auszug seiner Lebensgefährtin hatte der Mieter zunächst einem anderen Mitbewohner ein Zimmer überlassen und später einem neuen Untermieter. Die Vermieterin sah darin eine Reihe von Vertragsverletzungen und forderte die Räumung der Wohnung.

Entscheidender Grundsatz: Nach außen sichtbare Gewerbetätigkeit

Das Amtsgericht München stellte klar: Berufliche Tätigkeiten im häuslichen Arbeitszimmer, die nicht nach außen in Erscheinung treten, fallen noch unter den Begriff des Wohnens. Erst wenn der Mieter die Wohnung als Betriebsstätte angibt, dort regelmäßig Kunden empfängt oder Mitarbeiter beschäftigt, kann eine vertragswidrige gewerbliche Nutzung vorliegen.

Die bloße Angabe der Wohnadresse als Geschäftsadresse auf einer Website reicht allein nicht aus, um eine Kündigung zu rechtfertigen. Dies ist ein wichtiger Grundsatz für alle, die im Homeoffice arbeiten oder einen Onlineshop betreiben.

Die Bedeutung der Abmahnung

Im vorliegenden Fall hatte die Vermieterin zunächst im März 2022 ein Abmahnschreiben verschickt, dann aber erst im Juni 2024 erneut abgemahnt. Das Gericht betonte: Wenn der Vermieter nach einer Abmahnung erneut abmahnt statt zu kündigen, kann er die Kündigung nicht mehr auf Sachverhalte stützen, die zwischen der ersten und zweiten Abmahnung liegen.

Für eine wirksame Kündigung hätte die Vermieterin nachweisen müssen, dass der Mieter nach der Abmahnung vom Juni 2024 weiterhin gewerblich tätig war. Dies gelang ihr jedoch nicht. Die vorgelegten Google-Rezensionen stammten alle aus der Zeit vor der maßgeblichen Abmahnung. Auch die benannten Zeugen konnten keine konkreten Zeitpunkte nach der Abmahnung benennen.

Beweislast liegt beim Vermieter

Ein zentraler Punkt des Urteils: Der Vermieter trägt die volle Beweislast für die behauptete vertragswidrige Nutzung. Im Prozess konnte die Vermieterin nicht nachweisen, dass in der Wohnung tatsächlich Waren gelagert, verpackt oder versendet wurden. Auch der Betrieb eines Massagestudios mit regelmäßigem Kundenverkehr ließ sich nicht belegen.

Das Gericht machte deutlich, dass bloße Behauptungen ohne konkrete Beweise nicht ausreichen. Selbst die Existenz eines Zimmers mit Massageliege beweist nicht, dass dort nach einer Abmahnung noch gewerbliche Tätigkeiten stattgefunden haben.

Untervermietung: Mieter haben oft ein berechtigtes Interesse

Die Vermieterin hatte auch die ungenehmigte Untervermietung als Kündigungsgrund angeführt. Hier stellte das Gericht jedoch fest: Der Mieter hatte einen Anspruch auf Erteilung der Untermieterlaubnis. Bereits die Absicht, nach dem Auszug des Partners nicht allein in der Wohnung leben zu wollen, kann ein berechtigtes Interesse begründen.

Ebenso berechtigt ist der Wunsch, durch Untervermietung die Wohnkosten zu reduzieren. An die Annahme eines berechtigten Interesses sind keine besonders hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt, dass vernünftige Gründe vorliegen, die den Wunsch nach Überlassung eines Teils der Wohnung nachvollziehbar erscheinen lassen.

Die Dolo-Petit-Einwendung schützt Mieter

Besonders interessant: Das Gericht bestätigte, dass sich ein Mieter selbst dann auf seinen Anspruch auf Untermieterlaubnis berufen kann, wenn er zunächst ohne Genehmigung untervermietet hat. Diese sogenannte Dolo-Petit-Einwendung verhindert eine missbräuchliche Rechtsausübung durch den Vermieter.

Im vorliegenden Fall wog die ungenehmigt Untervermietung nicht schwer genug für eine Kündigung, da der Mieter ohnehin Anspruch auf die Erlaubnis gehabt hätte. Das Mietverhältnis bestand bereits seit Jahrzehnten, und es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass der Untermieter problematisch wäre oder eine Überbelegung vorläge.

Hausordnung und E-Bike: Klare Beweise erforderlich

Ein weiterer Kündigungsgrund sollte die angebliche Lagerung eines elektrischen Fahrrads in der Wohnung sein, was gegen die Hausordnung verstoße. Doch auch hier scheiterte die Vermieterin. Die befragten Zeugen konnten nicht mit ausreichender Sicherheit bestätigen, dass der Mieter nach Kenntnis des Verbots sein Fahrrad weiterhin durch das Treppenhaus in die Wohnung gebracht hatte.

Das Gericht betonte, dass ein stetiges Ignorieren legitimer Verhaltensregeln durchaus zur Kündigung führen kann. Jedoch müssen die behaupteten Verstöße klar bewiesen werden. Vage Erinnerungen und ungenaue Zeitangaben der Zeugen reichten hierfür nicht aus.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil enthält wichtige Hinweise für Mieter und Vermieter gleichermaßen. Wenn Sie von zu Hause aus arbeiten oder einen Onlineshop betreiben, müssen Sie keine Kündigung befürchten, solange Sie nicht regelmäßig Kunden in der Wohnung empfangen oder dort Mitarbeiter beschäftigen. Die bloße Angabe Ihrer Wohnadresse als Geschäftsadresse ist unproblematisch.

Möchten Sie ein Zimmer untervermieten, sollten Sie dies zwar dem Vermieter anzeigen und um Erlaubnis bitten. Haben Sie jedoch ein berechtigtes Interesse wie etwa Kostenreduzierung oder den Wunsch, nicht allein zu wohnen, können Sie sich auch im Nachhinein noch auf Ihren Anspruch auf Genehmigung berufen. Dies gilt besonders dann, wenn keine wichtigen Gründe gegen den Untermieter sprechen.

Für Vermieter bedeutet das Urteil: Eine Kündigung wegen gewerblicher Nutzung oder unerlaubter Untervermietung setzt hohe Anforderungen an Darlegung und Beweis. Abmahnungen sollten gezielt und zum richtigen Zeitpunkt ausgesprochen werden. Nach einer Abmahnung können nur noch Pflichtverletzungen zur Kündigung führen, die danach begangen wurden. Bloße Vermutungen reichen nicht aus.

Das Urteil zeigt auch: Langjährige Mietverhältnisse genießen besonderen Schutz. Bei der Abwägung, ob eine Pflichtverletzung schwer genug für eine Kündigung ist, spielt die Dauer des Mietverhältnisses eine wichtige Rolle. Nach dreißig Jahren Mietzeit müssen die Kündigungsgründe besonders gewichtig sein.

Grundsätze des Urteils

  • Berufliche Tätigkeiten im häuslichen Arbeitszimmer, die nicht nach außen in Erscheinung treten (kein Kundenverkehr, keine Mitarbeiter), fallen unter den Begriff des Wohnens und sind keine vertragswidrige gewerbliche Nutzung
  • Die bloße Angabe der Wohnadresse als Geschäftsadresse auf einer Website rechtfertigt keine Kündigung
  • Nach erneuter Abmahnung kann Kündigung nur auf Pflichtverletzungen nach der letzten Abmahnung gestützt werden
  • Vermieter trägt volle Beweislast für vertragswidrige Nutzung; bloße Behauptungen ohne konkrete Beweise reichen nicht

Quelle: AG München, Urteil vom 18.09.2025, Az. 419 C 23314/24

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