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Mieterhöhung gescheitert: Gute ÖPNV-Anbindung reicht nicht aus

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In Metropolen müssen ÖPNV-Anbindung und Nahversorgung überdurchschnittlich sein, um höhere Mieten zu rechtfertigen. Das entschied das Amtsgericht Pankow in einem aktuellen Fall. Vermieter argumentieren bei Mieterhöhungen gerne mit der guten Lage ihrer Immobilie. Doch was genau macht eine gute Lage aus? Das Amtsgericht Pankow hat in einem Urteil vom Februar 2025 klargestellt, dass in Großstädten deutlich höhere Maßstäbe gelten als in kleineren Orten. Eine durchschnittliche Infrastruktur reicht dort nicht aus, um überdurchschnittliche Mieten zu begründen.
Straßenbahn fährt durch ein Berliner Stadtgebiet
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Vermieterin scheitert mit Mieterhöhung

Eine Vermieterin in Berlin wollte die Miete für ihre Wohnung erhöhen und berief sich dabei auf die angeblich hervorragende Lage. Sie argumentierte, dass sowohl die Nahversorgung als auch die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr besonders gut seien und daher höhere Mieten gerechtfertigt wären.

Die Mieter widersprachen der gewünschten Erhöhung. Sie sahen die Lage nicht als außergewöhnlich gut an und wollten die zusätzlichen Kosten nicht tragen. Der Streit landete vor dem Amtsgericht Pankow, wo ein Richter über die Berechtigung der Mieterhöhung entscheiden musste.

Die entscheidende Frage war: Was gilt in einer Metropole wie Berlin als "gute ÖPNV-Anbindung" und "gute Nahversorgung"?

Was die Vermieterin als Argumente vorbrachte

Die Vermieterin führte konkrete Beispiele für die angeblich hervorragende Infrastruktur an. Im Umkreis von etwa 900 Metern um die Wohnung befanden sich drei verschiedene Supermärkte unterschiedlicher Ketten sowie eine Apotheke. Das erschien ihr als ausreichende Nahversorgung für den Alltag.

Beim öffentlichen Nahverkehr verwies sie auf eine Bushaltestelle in nur etwa 110 Metern Entfernung sowie eine Straßenbahnhaltestelle in rund 700 Metern Entfernung. Diese Anbindung sollte ihrer Ansicht nach als überdurchschnittlich gelten und damit eine höhere Miete rechtfertigen.

Die Vermieterin orientierte sich am Berliner Mietspiegel und wollte erreichen, dass ihre Wohnung in der Merkmalgruppe "Wohnumfeld" besser als neutral bewertet wird. Eine solche Aufwertung hätte ihr ermöglicht, die Miete entsprechend zu erhöhen.

Das Gericht setzt hohe Maßstäbe in Metropolen

Das Amtsgericht Pankow sah die Sache völlig anders. Die Richter betonten, dass in einer Metropole wie Berlin andere Maßstäbe gelten als in kleineren Städten oder ländlichen Gebieten. Was dort als gut gelten mag, ist in der Hauptstadt oft nur Durchschnitt.

"Die Merkmale gute ÖPNV-Anbindung und gute Nahversorgung müssen in einer Metropole mehr als das Übliche bieten, um als wohnwerterhöhend gewertet werden zu können", so das Gericht in seiner Begründung.

Konkret bewertete das Gericht die Nahversorgung mit drei Supermärkten und einer Apotheke als "allenfalls durchschnittlich" für Berliner Verhältnisse. In einer Stadt mit der Größe und Dichte Berlins sei eine solche Ausstattung nichts Besonderes, sondern entspreche dem normalen Standard.

ÖPNV-Anbindung als "ausgesprochen dürftig" eingestuft

Besonders hart fiel das Urteil zur Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr aus. Das Gericht bezeichnete diese sogar als "ausgesprochen dürftig". Der entscheidende Punkt: Innerhalb von 20 Gehminuten gab es weder eine U-Bahn-Station noch eine S-Bahn-Station.

Bus und Straßenbahn allein reichen nach Ansicht des Gerichts in Berlin nicht aus, um von einer guten ÖPNV-Anbindung zu sprechen. Die schnellen Verbindungen durch U-Bahn und S-Bahn sind in der Metropole der Standard, den Mieter erwarten können. Fehlen diese, liegt die Verkehrsanbindung unter dem Durchschnitt.

Das Gericht ließ sogar durchblicken, dass eine solche Anbindung möglicherweise sogar zu einer Abwertung führen könnte. Diesen Punkt musste es aber nicht entscheiden, da bereits eine neutrale Bewertung zur Ablehnung der Mieterhöhung führte.

Mietspiegel und Spannenzuschlag richtig verstehen

Das Urteil zeigt auch, wie wichtig das Verständnis des Mietspiegels ist. Der Berliner Mietspiegel gibt für jede Wohnungskategorie einen Unter-, Mittel- und Oberwert an. Die konkrete Miethöhe hängt von verschiedenen Faktoren ab, zu denen auch das Wohnumfeld gehört.

Eine positive Bewertung des Wohnumfelds kann zu einem sogenannten Spannenzuschlag führen, der die Miete in Richtung des Oberwertes verschiebt. Im vorliegenden Fall hätte selbst bei neutraler Bewertung des Wohnumfelds die maximal zulässige Miete noch unter der bereits gezahlten Miete gelegen.

Das bedeutet: Die Mieter zahlten bereits mehr als die ortsübliche Vergleichsmiete, weshalb eine weitere Erhöhung von vornherein ausgeschlossen war.

Unterschiede zwischen Metropole und kleineren Städten

Das Gericht machte deutlich, dass dieselbe Infrastruktur je nach Standort völlig unterschiedlich zu bewerten ist. Die Richter erwähnten ausdrücklich, dass die vorhandene Nahversorgung und ÖPNV-Anbindung in kleineren Städten durchaus als gut gelten könnte.

In einer Metropole wie Berlin sind die Erwartungen aber deutlich höher. Mieter können hier zu Recht erwarten, dass eine überdurchschnittliche Lage mehr bietet als nur das Standard-Angebot. Drei Supermärkte in 900 Metern Entfernung sind in Berlin normal, nicht außergewöhnlich gut.

Diese Unterscheidung ist wichtig für Vermieter in ganz Deutschland. Was in einer 50.000-Einwohner-Stadt als hervorragende Lage gilt, kann in München, Hamburg oder Berlin völlig anders bewertet werden.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Als Mieter können Sie sich gegen ungerechtfertigte Mieterhöhungen wehren, wenn Ihr Vermieter sich auf eine angeblich besondere Lage beruft. Prüfen Sie kritisch, ob die angeführten Vorteile tatsächlich über dem Standard Ihrer Stadt liegen. In Großstädten sind die Anforderungen besonders hoch.

Als Vermieter sollten Sie realistische Einschätzungen der Lage vornehmen. Durchschnittliche Infrastruktur rechtfertigt keine überdurchschnittlichen Mieten. Dokumentieren Sie außergewöhnliche Vorteile Ihrer Immobilie sorgfältig, wenn Sie eine Mieterhöhung durchsetzen wollen.

Besonders wichtig: Die bereits gezahlte Miete darf die ortsübliche Vergleichsmiete nicht übersteigen. Ist das der Fall, sind weitere Erhöhungen ausgeschlossen, unabhängig von der Lage der Wohnung.

Das Urteil zeigt auch, dass Gerichte die Argumente von Vermietern sehr genau prüfen. Pauschale Behauptungen über eine "gute Lage" reichen nicht aus. Stattdessen müssen konkrete, überdurchschnittliche Vorteile nachgewiesen werden.

Für die Praxis bedeutet das: Sowohl Mieter als auch Vermieter sollten sich vor Mieterhöhungen genau über die Bewertungskriterien des örtlichen Mietspiegels informieren. Nur so lassen sich realistische Einschätzungen treffen und unnötige Rechtsstreitigkeiten vermeiden.


Quelle: AG Pankow, Urteil vom 27.02.2025 - 101 C 5061/24

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