Mehr Rechte für Eigentümer nach WEMoG
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Rechtsanwalt Alexander Liese
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04/25
Der Sachverhalt: Streit um einen Aufzug im denkmalgeschützten Haus
Im Mittelpunkt des Falles aus München stand eine Wohnanlage mit zwei zwischen 1911 und 1912 im Jugendstil errichteten Gebäuden unter Denkmalschutz. Während im Vorderhaus ein Aufzug vorhanden war, fehlte eine solche Einrichtung im Hinterhaus – dem ehemaligen "Gesindehaus" mit schlichter Fassade und einem sehr schmalen Treppenhaus.
Die Eigentümer von Wohnungen im dritten und vierten Obergeschoss des Hinterhauses beantragten bei der Eigentümerversammlung, ihnen auf eigene Kosten die Errichtung eines Außenaufzugs am Treppenhaus des Hinterhauses zu gestatten. Obwohl die Antragsteller selbst nicht gehbehindert waren, beriefen sie sich auf die Erleichterung des Zugangs durch Menschen mit Behinderung.
Die Eigentümergemeinschaft lehnte den Antrag ab. Nach erfolgloser Klage vor dem Amtsgericht hatte das Landgericht München I den Beschluss der Eigentümergemeinschaft durch Urteil ersetzt und damit den Bau des Außenaufzugs grundsätzlich genehmigt. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) legte Revision zum BGH ein.
Die Entscheidung: Grünes Licht für den Aufzug
Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und wies die Revision zurück. Nach seiner Auffassung steht den Klägern ein Anspruch auf einen Grundlagenbeschluss über die Errichtung eines Personenaufzugs für das Hinterhaus zu. Damit wird zunächst nur über das "Ob" der Maßnahme entschieden, während das "Wie" der Ausgestaltung den Wohnungseigentümern noch vorbehalten bleibt.
Wichtige Klarstellungen des BGH
Für Wohnungseigentümer sind besonders folgende Punkte der Entscheidung bedeutsam:
1. Privilegierte bauliche Veränderungen nach § 20 Abs. 2 WEG
Der BGH betont, dass nach dem seit dem 1. Dezember 2020 geltenden WEG bestimmte bauliche Veränderungen privilegiert sind. Der Gesetzgeber hat in § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG einen Anspruch auf Genehmigung von Maßnahmen geschaffen, die unter anderem der Barrierefreiheit dienen.
"Eine bauliche Veränderung, die einem der gesetzlich privilegierten Zwecke dient, ist regelmäßig angemessen."
2. Keine Behinderung erforderlich
Wichtig für Eigentümer ist auch die Feststellung des BGH, dass es unerheblich ist, ob die Wohnungseigentümer selbst behindert sind. Es genügt, wenn die Maßnahme die Zugänglichkeit des Sondereigentums dadurch erleichtert, dass Barrieren verringert werden. Eigentümer dürfen also für die Zukunft vorsorgen.
3. Ausschließliche Nutzungsbefugnis durch Beschluss möglich
Der BGH hat seine frühere Rechtsprechung geändert: Nach dem neuen WEG können die Wohnungseigentümer bauliche Veränderungen auch dann beschließen, wenn die Beschlussfassung zur Zuweisung einer ausschließlichen Nutzungsbefugnis an dem dafür vorgesehenen Gemeinschaftseigentum führt. Eine Vereinbarung ist dafür nicht mehr nötig.
4. Angemessenheit als Regelfall
Bauliche Veränderungen, die einem privilegierten Zweck dienen, sind nach Auffassung des BGH regelmäßig angemessen. Nur in Ausnahmefällen kann die Angemessenheit verneint werden, etwa bei außergewöhnlichen baulichen Gegebenheiten oder außergewöhnlichen Begehren, die zu unverhältnismäßigen Nachteilen führen.
5. Keine grundlegende Umgestaltung durch Aufzug
Eine "grundlegende Umgestaltung" der Wohnanlage, die ein Hindernis für die Maßnahme sein könnte, nahm der BGH bei einem Außenaufzug nicht an. Bei Maßnahmen, die privilegierten Zwecken dienen, ist eine grundlegende Umgestaltung typischerweise nicht anzunehmen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Das BGH-Urteil stärkt die Position von Wohnungseigentümern, die ihre Wohnung oder das Gemeinschaftseigentum barrierefrei gestalten wollen. Sie können folgende Rechte nun mit größerer Sicherheit durchsetzen:
- Recht auf barrierefreien Zugang: Auch wenn Sie selbst (noch) nicht körperlich eingeschränkt sind, können Sie Maßnahmen zur Barrierereduzierung (z.B. Aufzug, Rampe) durchsetzen.
- Kostenregelung unproblematisch: Die Kosten für die Maßnahme tragen die bauwilligen Eigentümer. Dies steht der Angemessenheit nicht entgegen.
- Detailfragen später klären: Zunächst wird nur das "Ob" der Maßnahme beschlossen. Die genaue Ausführung kann später festgelegt werden, wobei die Mehrheit im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung noch Gestaltungsermessen hat.
- Hohe Hürden für Ablehnung: Die Eigentümergemeinschaft kann privilegierte Maßnahmen nur in begründeten Ausnahmefällen ablehnen.
Praktische Empfehlungen
Wenn Sie als Wohnungseigentümer bauliche Veränderungen zur Barrierereduzierung planen:
- Stellen Sie einen präzisen Beschlussantrag für die Eigentümerversammlung
- Weisen Sie auf den privilegierten Charakter der Maßnahme nach § 20 Abs. 2 WEG hin
- Bieten Sie an, die Kosten zu übernehmen
- Legen Sie verschiedene Ausführungsvarianten vor, aus denen die Gemeinschaft wählen kann
- Beachten Sie, dass öffentlich-rechtliche Vorgaben (z.B. Denkmalschutz, Baurecht) eingehalten werden müssen
Für Eigentümergemeinschaften bedeutet das Urteil, dass sie privilegierte bauliche Veränderungen nur in eng begrenzten Ausnahmefällen ablehnen können. Sie haben jedoch ein Mitspracherecht bei der konkreten Ausführung der Maßnahme.
Das BGH-Urteil ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Rechte einzelner Eigentümer und trägt dem gesellschaftlichen Interesse an barrierefreiem Wohnraum Rechnung.
Quelle: BGH, Urteil vom 9. Februar 2024 - V ZR 244/22
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