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Mehr Rechte für Eigentümer nach WEMoG

  • Teaser: Die Eigentümergemeinschaft ist eine rechtliche Zwangsgemeinschaft – Wohnungseigentümer müssen sich oft mit unterschiedlichen Interessen arrangieren. Besonders bei baulichen Veränderungen kam es in der Vergangenheit häufig zu Streit. Mit dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) hat der Gesetzgeber 2020 weitreichende Änderungen eingeführt, die nun durch zwei wegweisende BGH-Urteile vom 9. Februar 2024 erstmals höchstrichterlich konkretisiert wurden.
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    Rechtsanwalt Alexander Liese
  • 04/25

Der Sachverhalt: Streit um einen Aufzug im denkmalgeschützten Haus

Im Mittelpunkt des Falles aus München stand eine Wohnanlage mit zwei zwischen 1911 und 1912 im Jugendstil errichteten Gebäuden unter Denkmalschutz. Während im Vorderhaus ein Aufzug vorhanden war, fehlte eine solche Einrichtung im Hinterhaus – dem ehemaligen "Gesindehaus" mit schlichter Fassade und einem sehr schmalen Treppenhaus.

Die Eigentümer von Wohnungen im dritten und vierten Obergeschoss des Hinterhauses beantragten bei der Eigentümerversammlung, ihnen auf eigene Kosten die Errichtung eines Außenaufzugs am Treppenhaus des Hinterhauses zu gestatten. Obwohl die Antragsteller selbst nicht gehbehindert waren, beriefen sie sich auf die Erleichterung des Zugangs durch Menschen mit Behinderung.

Die Eigentümergemeinschaft lehnte den Antrag ab. Nach erfolgloser Klage vor dem Amtsgericht hatte das Landgericht München I den Beschluss der Eigentümergemeinschaft durch Urteil ersetzt und damit den Bau des Außenaufzugs grundsätzlich genehmigt. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) legte Revision zum BGH ein.

Die Entscheidung: Grünes Licht für den Aufzug

Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und wies die Revision zurück. Nach seiner Auffassung steht den Klägern ein Anspruch auf einen Grundlagenbeschluss über die Errichtung eines Personenaufzugs für das Hinterhaus zu. Damit wird zunächst nur über das "Ob" der Maßnahme entschieden, während das "Wie" der Ausgestaltung den Wohnungseigentümern noch vorbehalten bleibt.

Wichtige Klarstellungen des BGH

Für Wohnungseigentümer sind besonders folgende Punkte der Entscheidung bedeutsam:

1. Privilegierte bauliche Veränderungen nach § 20 Abs. 2 WEG

Der BGH betont, dass nach dem seit dem 1. Dezember 2020 geltenden WEG bestimmte bauliche Veränderungen privilegiert sind. Der Gesetzgeber hat in § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG einen Anspruch auf Genehmigung von Maßnahmen geschaffen, die unter anderem der Barrierefreiheit dienen.

"Eine bauliche Veränderung, die einem der gesetzlich privilegierten Zwecke dient, ist regelmäßig angemessen."

2. Keine Behinderung erforderlich

Wichtig für Eigentümer ist auch die Feststellung des BGH, dass es unerheblich ist, ob die Wohnungseigentümer selbst behindert sind. Es genügt, wenn die Maßnahme die Zugänglichkeit des Sondereigentums dadurch erleichtert, dass Barrieren verringert werden. Eigentümer dürfen also für die Zukunft vorsorgen.

3. Ausschließliche Nutzungsbefugnis durch Beschluss möglich

Der BGH hat seine frühere Rechtsprechung geändert: Nach dem neuen WEG können die Wohnungseigentümer bauliche Veränderungen auch dann beschließen, wenn die Beschlussfassung zur Zuweisung einer ausschließlichen Nutzungsbefugnis an dem dafür vorgesehenen Gemeinschaftseigentum führt. Eine Vereinbarung ist dafür nicht mehr nötig.

4. Angemessenheit als Regelfall

Bauliche Veränderungen, die einem privilegierten Zweck dienen, sind nach Auffassung des BGH regelmäßig angemessen. Nur in Ausnahmefällen kann die Angemessenheit verneint werden, etwa bei außergewöhnlichen baulichen Gegebenheiten oder außergewöhnlichen Begehren, die zu unverhältnismäßigen Nachteilen führen.

5. Keine grundlegende Umgestaltung durch Aufzug

Eine "grundlegende Umgestaltung" der Wohnanlage, die ein Hindernis für die Maßnahme sein könnte, nahm der BGH bei einem Außenaufzug nicht an. Bei Maßnahmen, die privilegierten Zwecken dienen, ist eine grundlegende Umgestaltung typischerweise nicht anzunehmen.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Das BGH-Urteil stärkt die Position von Wohnungseigentümern, die ihre Wohnung oder das Gemeinschaftseigentum barrierefrei gestalten wollen. Sie können folgende Rechte nun mit größerer Sicherheit durchsetzen:

  1. Recht auf barrierefreien Zugang: Auch wenn Sie selbst (noch) nicht körperlich eingeschränkt sind, können Sie Maßnahmen zur Barrierereduzierung (z.B. Aufzug, Rampe) durchsetzen.
  2. Kostenregelung unproblematisch: Die Kosten für die Maßnahme tragen die bauwilligen Eigentümer. Dies steht der Angemessenheit nicht entgegen.
  3. Detailfragen später klären: Zunächst wird nur das "Ob" der Maßnahme beschlossen. Die genaue Ausführung kann später festgelegt werden, wobei die Mehrheit im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung noch Gestaltungsermessen hat.
  4. Hohe Hürden für Ablehnung: Die Eigentümergemeinschaft kann privilegierte Maßnahmen nur in begründeten Ausnahmefällen ablehnen.

Praktische Empfehlungen

Wenn Sie als Wohnungseigentümer bauliche Veränderungen zur Barrierereduzierung planen:

  • Stellen Sie einen präzisen Beschlussantrag für die Eigentümerversammlung
  • Weisen Sie auf den privilegierten Charakter der Maßnahme nach § 20 Abs. 2 WEG hin
  • Bieten Sie an, die Kosten zu übernehmen
  • Legen Sie verschiedene Ausführungsvarianten vor, aus denen die Gemeinschaft wählen kann
  • Beachten Sie, dass öffentlich-rechtliche Vorgaben (z.B. Denkmalschutz, Baurecht) eingehalten werden müssen

Für Eigentümergemeinschaften bedeutet das Urteil, dass sie privilegierte bauliche Veränderungen nur in eng begrenzten Ausnahmefällen ablehnen können. Sie haben jedoch ein Mitspracherecht bei der konkreten Ausführung der Maßnahme.

Das BGH-Urteil ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Rechte einzelner Eigentümer und trägt dem gesellschaftlichen Interesse an barrierefreiem Wohnraum Rechnung.


Quelle: BGH, Urteil vom 9. Februar 2024 - V ZR 244/22

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WEG-Recht: Mehrheitsentscheidungen bei Kostenverteilung

  • Teaser: Die jüngsten Urteile des Bundesgerichtshofs geben Wohnungseigentümern mehr Spielraum bei der Änderung von Kostenverteilungen – aber mit klaren Grenzen.
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  • 04/25

Einleitung: Neuer Spielraum bei der Kostenverteilung

Wenn Sie in einer Eigentumswohnung leben, kennen Sie vermutlich die Diskussionen über die Verteilung von Kosten in der Eigentümergemeinschaft. Wer zahlt wie viel für die Sanierung des Dachs? Wie werden die Kosten für die Tiefgarage verteilt? Mit zwei wegweisenden Urteilen vom 14. Februar 2025 hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun wichtige Klarstellungen zum reformierten Wohnungseigentumsrecht geschaffen. Die Entscheidungen betreffen die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss von einer vereinbarten Kostenverteilung abweichen können.

Fall 1: Wer zahlt für die Tiefgarage?

Der Sachverhalt

In der ersten Entscheidung (V ZR 236/23) ging es um eine Wohnanlage mit einer Tiefgarage, die 15 Stellplätze umfasst. Nach der Gemeinschaftsordnung aus dem Jahr 1971 war die Nutzung der Stellplätze ausschließlich bestimmten Wohneinheiten zugeordnet. Zudem war festgelegt, dass die Kosten für die Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums in und an der Garagenhalle ausschließlich von diesen Wohneinheiten zu tragen sind.

Im April 2022 beschlossen die Wohnungseigentümer, das Dach der Garage sanieren zu lassen und die Kosten auf sämtliche Wohnungseigentümer nach ihren Miteigentumsanteilen umzulegen – also auch auf jene Eigentümer, die keinen Stellplatz besaßen. Eine betroffene Eigentümerin ohne Stellplatz wehrte sich mit einer Anfechtungsklage gegen diesen Beschluss.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH hat nun klargestellt, dass die Wohnungseigentümer grundsätzlich die Kompetenz haben, durch Mehrheitsbeschluss von der vereinbarten Kostenverteilung abzuweichen – und zwar auch dann, wenn dadurch der Kreis der Kostenschuldner erweitert wird. Dies ist eine wichtige Neuerung des seit Dezember 2020 geltenden reformierten Wohnungseigentumsrechts.

Aber Vorsicht: Der BGH hat gleichzeitig hohe Hürden für solche Beschlüsse aufgestellt. Bei einer vereinbarten objektbezogenen Kostentrennung (wie hier zwischen Wohngebäude und Tiefgarage) entspricht es in der Regel nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, auch die übrigen Wohnungseigentümer an den Kosten zu beteiligen.

"In typisierender Betrachtung ist davon auszugehen, dass die vereinbarte Kostentrennung für die konkrete Anlage grundsätzlich angemessen ist."

Der BGH begründet dies damit, dass eine objektbezogene Kostentrennung regelmäßig deshalb vereinbart wird, weil sich Gebrauch bzw. Gebrauchsmöglichkeiten besonders stark unterscheiden. Es bedarf daher eines sachlichen Grundes, um von dieser Vereinbarung abzuweichen.

Als mögliche sachliche Gründe nennt der BGH:

  • Wenn die Kosten der Beseitigung von Schäden dienen, die vom übrigen Gemeinschaftseigentum außerhalb der Tiefgarage herrühren
  • Wenn sich das Problem auf die gesamte Anlage erstreckt und aus diesem Grund eine Gesamtsanierung unter Beteiligung aller Wohnungseigentümer beschlossen wird

Die bloße Tatsache, dass die Tiefgarage auch für die Statik des Gebäudes wichtig ist, reicht hingegen nicht als sachlicher Grund aus.

Fall 2: Änderung des Verteilungsschlüssels zwischen Wohn- und Gewerbeeinheiten

Der Sachverhalt

Im zweiten Fall (V ZR 128/23) ging es um eine Wohnanlage mit 30 Wohneinheiten und mehreren Gewerbeeinheiten sowie 25 Garagen/Stellplätzen. Nach der Teilungserklärung von 1984 sollten öffentliche Abgaben, Betriebskosten und Instandsetzungskosten nach Miteigentumsanteilen getragen werden. Nur für die Heizungskosten war eine Umlage nach dem Verhältnis der beheizten Flächen vorgesehen.

Auffällig war dabei, dass die Miteigentumsanteile bei den Wohnungen bezogen auf die Grundfläche etwa viermal größer waren als bei den Gewerbeeinheiten. In einer Eigentümerversammlung 2021 wurde beschlossen, die bisher nach Miteigentumsanteilen umgelegten Kosten künftig nach der beheizbaren Wohnfläche zu verteilen. Dagegen klagten die Eigentümer der Gewerbeeinheiten.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH bestätigte die Rechtmäßigkeit des Beschlusses. Er stellte klar, dass nach dem neuen Wohnungseigentumsrecht die Kompetenz zur Änderung des Verteilungsschlüssels auch für die Zuführung zu Rücklagen besteht – anders als nach dem alten Recht.

Wichtig ist die Klarstellung des BGH, dass die Formulierung "bestimmte Arten von Kosten" in § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG lediglich das allgemeine Bestimmtheitserfordernis hervorhebt und keine darüber hinausgehenden Anforderungen begründet.

Für die Frage, ob ein solcher Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, gelten die gleichen Grundsätze wie nach altem Recht: Die Änderung einer vereinbarten Kostenverteilung, die bestimmte Wohnungseigentümer privilegiert, ist zulässig, wenn es für diese Privilegierung keinen sachlichen Grund gibt.

Im konkreten Fall war der Beschluss rechtmäßig, weil die Gewerbeeinheiten gemessen an ihrer Fläche nur mit etwa einem Viertel an den Kosten beteiligt wurden und für diese Privilegierung kein sachlicher Grund bestand.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Die Entscheidungen des BGH haben wichtige praktische Auswirkungen für alle Wohnungseigentümer:

  1. Mehr Flexibilität: Wohnungseigentümergemeinschaften haben unter dem neuen Recht mehr Möglichkeiten, durch Mehrheitsbeschluss von vereinbarten Kostenverteilungen abzuweichen.
  2. Schutz vor ungerechten Belastungen: Gleichzeitig hat der BGH Grenzen gesetzt, um zu verhindern, dass Eigentümer unbillig mit Kosten belastet werden, die mit ihrer Nutzung nichts zu tun haben.
  3. Handlungsanleitung für Wohnungseigentümer:
    • Prüfen Sie die Gemeinschaftsordnung/Teilungserklärung: Welche Regelungen zur Kostenverteilung sind dort getroffen?
    • Bei geplanten Änderungen der Kostenverteilung: Gibt es sachliche Gründe, die eine Abweichung rechtfertigen?
    • Als betroffener Eigentümer: Achten Sie auf die einmonatige Anfechtungsfrist, wenn Sie mit einem Beschluss nicht einverstanden sind!
  4. Bedeutung für Rücklagen: Die Beschlusskompetenz erstreckt sich auch auf die Änderung des Verteilungsschlüssels für Rücklagen.
  5. Beseitigung von Privilegierungen: Ein wichtiger sachlicher Grund für die Änderung einer vereinbarten Kostenverteilung kann sein, dass bestimmte Eigentümer ungerechtfertigt privilegiert werden.

Diese Urteile zeigen: Das reformierte Wohnungseigentumsrecht gibt den Gemeinschaften mehr Spielraum für praktische Lösungen durch Mehrheitsbeschlüsse. Gleichzeitig setzt der BGH diesem Spielraum aber auch Grenzen, um die Interessen einzelner Eigentümer zu schützen. Bei Unklarheiten sollten Sie sich rechtlich beraten lassen, um Ihre Rechte als Wohnungseigentümer optimal wahrnehmen zu können.

Quelle: Urteile des Bundesgerichtshofs vom 14. Februar 2025 - V ZR 236/23 und V ZR 128/23

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Maklerprovision: BGH erklärt Umgehungstricks für unwirksam

  • Teaser: Beim Immobilienkauf ist die Verteilung der Maklerkosten ein häufiger Streitpunkt. Mit dem Gesetz zur fairen Verteilung der Maklerkosten wurde Ende 2020 eine klare Regelung geschaffen: Beauftragt der Verkäufer einen Makler, darf der Käufer maximal die Hälfte der Provision zahlen. Doch in der Praxis versuchen viele, diese Regelung zu umgehen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun mit seinem Urteil vom 6. März 2025 (Az. I ZR 138/24) klargestellt: Solche Umgehungsversuche sind unwirksam – und zwar komplett.
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  • 04/25

Der Fall: Clever getarnte Provision

Ein Ehepaar interessierte sich 2021 für ein Einfamilienhaus, das von einer Immobilienmaklerin im Auftrag der Verkäuferin angeboten wurde. Im Exposé war der Kaufpreis mit 397.500 Euro angegeben – mit dem ausdrücklichen Hinweis "keine Käuferprovision".

Die Kaufvertragsparteien handelten zunächst einen Kaufpreis von 395.000 Euro und anschließend von 370.000 Euro aus. Mit der zweiten Preissenkung sollte der Kaufpreis um genau jenen Betrag reduziert werden, den die Verkäuferin der Maklerin als Provision schuldete.

In einer separaten "Vereinbarung" – unterschrieben nur von den Käufern und der Maklerin – verpflichteten sich die Käufer, der Maklerin einen Betrag von 25.000 Euro als "Honorar" zu zahlen. Dieser Betrag war am Tag der notariellen Beurkundung fällig.

Nach Beurkundung des Kaufvertrags stellte die Maklerin den Käufern wie vereinbart 25.000 Euro in Rechnung. Die Käufer zahlten zunächst, forderten den Betrag später aber gerichtlich zurück.

Die zentrale Streitfrage: Ist die Umgehung des Gesetzes wirksam?

Der Fall warf eine grundlegende Frage auf: Kann die gesetzliche Regelung zur fairen Verteilung der Maklerkosten (§ 656d BGB) durch solche Konstruktionen umgangen werden?

Die Maklerin argumentierte, es handele sich nicht um eine verbotene Abwälzung der Provision, sondern um eine legitime Preisgestaltung: Der ursprüngliche Kaufpreis sei einfach aufgeteilt worden – in einen reduzierten Betrag für den Verkäufer und einen separaten Betrag für die Maklerin.

Das Landgericht gab den Käufern vollständig Recht und verurteilte die Maklerin zur Rückzahlung des gesamten Betrags. Das Oberlandesgericht Köln hingegen entschied, dass die Käufer nur die Hälfte (12.500 Euro) zurückfordern könnten, da eine geltungserhaltende Reduktion der unwirksamen Vereinbarung möglich sei.

Die Entscheidung des BGH: Keine halben Sachen

Der BGH hat in seiner Entscheidung mehrere wichtige Grundsätze klargestellt:

  1. Umfassender Anwendungsbereich: § 656d BGB erfasst nicht nur direkte Vereinbarungen zwischen Käufer und Verkäufer, sondern jede Art von vertraglicher Vereinbarung, die zu einer Zahlungspflicht des nicht beauftragenden Teils führt – einschließlich separater Vereinbarungen mit dem Makler.
  2. Innenverhältnis entscheidend: Wenn sich die Käufer im Innenverhältnis zur Verkäuferin verpflichten, den Maklerlohn in voller Höhe zu bezahlen, verstößt dies gegen § 656d BGB, selbst wenn die Verkäuferin formal Vertragspartnerin des Maklers bleibt.
  3. Komplette Nichtigkeit statt Teilwirksamkeit: Eine gegen § 656d BGB verstoßende Vereinbarung ist vollständig nichtig. Eine geltungserhaltende Reduktion, bei der der Käufer zumindest die Hälfte der Provision zahlen müsste, findet nicht statt.

"Eine Vereinbarung, die gegen § 656d BGB verstößt, ist nichtig. Eine geltungserhaltende Reduktion mit der Folge, dass die andere Partei zur Zahlung des hälftigen Maklerlohns verpflichtet bleibt, findet nicht statt."

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Käufer:

  • Wenn Sie als Käufer einer Immobilie eine Vereinbarung unterschreiben sollen, durch die Sie mehr als die Hälfte der Maklerprovision tragen würden, ist diese unwirksam.
  • Haben Sie bereits eine solche Zahlung geleistet, können Sie den gesamten Betrag zurückfordern – nicht nur den Teil, der über die Hälfte hinausgeht.
  • Achten Sie auf versteckte Konstruktionen: Auch wenn eine Provisionszahlung als "Honorar" oder als Teil des Kaufpreises getarnt wird, greift der gesetzliche Schutz.

Für Verkäufer:

  • Als Verkäufer müssen Sie mindestens die Hälfte der Maklerkosten tragen, wenn Sie den Makler beauftragt haben.
  • Vereinbarungen, die dies umgehen sollen, sind unwirksam und können zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen.

Für Makler:

  • Provisionsvereinbarungen, die gegen § 656d BGB verstoßen, sind vollständig unwirksam.
  • Es ist nicht möglich, durch vertragliche Gestaltungen die hälftige Teilung der Provision zu umgehen.
  • Eine transparente und gesetzeskonforme Gestaltung der Provisionsvereinbarung ist unerlässlich.

Fazit: Ein Sieg für den Verbraucherschutz

Mit diesem Urteil hat der BGH ein klares Zeichen für den Verbraucherschutz gesetzt. Die seit Ende 2020 geltende gesetzliche Regelung zur fairen Verteilung der Maklerkosten kann nicht durch kreative Vertragskonstruktionen ausgehebelt werden.

Die Entscheidung stärkt die Position von Immobilienkäufern erheblich: Wer mehr als die Hälfte der Provision gezahlt hat, obwohl der Verkäufer den Makler beauftragt hatte, kann den gesamten Betrag zurückfordern – unabhängig davon, wie die Vereinbarung im Einzelnen gestaltet war.

Für alle Beteiligten am Immobilienmarkt bedeutet dies: Klare und faire Vereinbarungen zur hälftigen Teilung der Maklerkosten sind der einzig rechtssichere Weg.


Quelle: BGH, Urteil vom 6. März 2025 - I ZR 138/24

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Hauskauf: Verkäufer müssen über Eingriffe in die Statik informieren

  • Teaser: Verkäufer müssen Käufer ungefragt über statisch relevante Veränderungen an Gebäuden informieren – andernfalls droht die Rückabwicklung des Kaufvertrags, wie ein aktuelles Urteil zeigt.
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  • 04/25

Das Wichtigste in Kürze

  • Verkäufer müssen ungefragt über Eingriffe in die Statik des Hauses informieren
  • Ein fehlender Standsicherheitsnachweis ist offenbarungspflichtig
  • Bei arglistigem Verschweigen können Käufer den Kaufvertrag anfechten und rückabwickeln
  • Die Kaufnebenkosten können ebenfalls zurückgefordert werden

Der Fall: Tragende Wände entfernt – Trägerkonstruktion nicht dauerhaft standsicher

Ein Ehepaar kaufte im Jahr 2015 ein Hausgrundstück in Hanglage für 440.000 Euro. Was die Käufer nicht wussten: Die Verkäufer hatten während ihrer Eigentumszeit erhebliche bauliche Veränderungen vorgenommen. Unter anderem hatten sie im ersten Obergeschoss tragende Trennwände entfernen und die Decke stattdessen durch zwei Eisenträger abstützen lassen.

Diese Stützkonstruktion war jedoch statisch nicht dauerhaft tragfähig. Der eingebrachte Stahlträger lag auf Mauerwerk auf, das das zusätzliche Gewicht nicht tragen konnte. Zudem wurden nur für die vorübergehende Stützung geeignete Stahlsprieße zur dauerhaften Abstützung verwendet und durch Verblendungen verdeckt. Einen Nachweis der statischen Tragfähigkeit gab es nicht.

Nach der Schlüsselübergabe begannen die Käufer mit Umbaumaßnahmen. Dabei stellte ein beauftragter Statiker fest, dass die vorhandene Trägerkonstruktion unzulässig und nicht dauerhaft tragfähig sei. Die Käufer leiteten ein Beweisverfahren ein, bei dem ein Sachverständiger weitere Mängel feststellte und die Kosten zur Beseitigung aller Mängel auf rund 161.547 Euro bezifferte.

Daraufhin erklärten die Käufer die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung und verlangten vor Gericht die Rückabwicklung.

Die Entscheidung: Arglistige Täuschung durch Verschweigen der Statik-Änderungen

Das OLG Zweibrücken gab den Käufern Recht und verurteilte die Verkäufer zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübertragung des Hausgrundstücks.

Nach Ansicht des Gerichts hatten die Verkäufer durch das Verschweigen der statischen Veränderungen arglistig gehandelt. Auch wenn sie behaupteten, sie hätten die Arbeiten von einer "polnischen Firma" ausführen lassen und keine Kenntnis von der genauen Konstruktion gehabt, waren sie verpflichtet, die Käufer ungefragt über folgende Umstände zu informieren:

  • Die Entfernung der tragenden Zwischenwände
  • Die Ersetzung durch eine Stahlträgerkonstruktion
  • Das Fehlen eines Statiknachweises
  • Die Unklarheit darüber, ob es sich bei der ausführenden Firma um eine Fachfirma handelte

Das Gericht stellte klar:

"Schon die Entfernung der ursprünglichen Zwischenwände, bei denen es sich um tragende Wände handelte, und deren Ersetzung durch eine Stahlträgerkonstruktion ist als solches ein offenbarungspflichtiger Umstand. Denn solche Eingriffe in die ursprüngliche, ordnungsgemäße Statik eines Gebäudes sind angesichts der möglichen Folgen schon aus sich heraus ein für einen potentiellen Erwerber des Hausanwesens ganz wesentlicher Vorgang, der ungefragt zu offenbaren ist."

Das OLG war überzeugt, dass die Verkäufer mit Eventualvorsatz handelten: Sie kannten die offenlegungspflichtigen Tatsachen und nahmen billigend in Kauf, dass die Käufer bei Kenntnis der Umstände den Kaufvertrag nicht oder nicht zu diesen Bedingungen abgeschlossen hätten.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Käufer:

  1. Anfechtungsrecht bei verschwiegenen Statik-Problemen: Wenn Verkäufer statische Veränderungen am Haus verschweigen, können Sie den Kaufvertrag anfechten – auch lange nach dem Kauf.
  2. Erstattung von Kaufnebenkosten: Bei erfolgreicher Anfechtung können Sie neben dem Kaufpreis auch Kaufnebenkosten wie Notargebühren, Grundbuchkosten und Maklercourtage zurückverlangen. Auch Kosten für die Wohngebäudeversicherung sind erstattungsfähig.
  3. Besichtigungen schützen nicht vor allem: Selbst wenn Sie das Haus mehrfach besichtigt haben, befreit dies den Verkäufer nicht von der Pflicht, über statisch relevante Änderungen zu informieren – insbesondere wenn diese durch Verkleidungen verdeckt sind.
  4. Sachverständige einschalten: Bei Verdacht auf statische Probleme sollten Sie frühzeitig einen Fachmann hinzuziehen. Bei größeren baulichen Veränderungen empfiehlt sich eine vorherige Prüfung durch einen Statiker.

Für Verkäufer:

  1. Offenbarungspflicht für statische Veränderungen: Sie müssen Käufer ungefragt über alle Eingriffe in die Statik des Hauses informieren – auch wenn Sie diese für unbedenklich halten.
  2. Statiknachweis wichtig: Lassen Sie nach baulichen Veränderungen einen Statiknachweis erstellen und bewahren Sie diesen auf. Das Fehlen eines solchen Nachweises ist offenbarungspflichtig.
  3. Aufklärungspflicht auch für beauftragte Arbeiten: Sie können sich nicht damit entlasten, dass Sie die Arbeiten von einer Firma ausführen ließen. Die Verantwortung für die Aufklärung bleibt bei Ihnen.
  4. Hohe Haftungsrisiken: Bei arglistig verschwiegenen Mängeln haftet der Verkäufer unabhängig von vertraglichen Gewährleistungsausschlüssen – selbst wenn die Kosten zur Beseitigung des Mangels vergleichsweise gering sind (hier nur 4% des Kaufpreises).

Dieses Urteil unterstreicht, wie wichtig Transparenz beim Immobilienverkauf ist. Insbesondere bei Eingriffen in die Statik eines Gebäudes sollten Verkäufer alle relevanten Informationen offenlegen – auch ohne direkte Nachfrage. Denn Käufer dürfen darauf vertrauen, dass ein Gebäude dauerhaft standsicher ist.

Quelle: OLG Zweibrücken, Urteil vom 27.09.2024 - 7 U 45/23

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Eigenbedarfskündigung: BGH definiert Familienbegriff im Mietrecht

  • Teaser: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem wegweisenden Urteil vom 10. Juli 2024 (VIII ZR 276/23) den Begriff der "Familie" im Mietrecht klar definiert. Die Richter stellten fest: Cousins gehören nicht zur selben Familie im mietrechtlichen Sinne – selbst wenn sie persönlich eng verbunden sind. Diese Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen für Vermieter und Mieter bei Eigenbedarfskündigungen.
  • Bildquelle: Bild von <a href="https://pixabay.com/de/users/chillla70-22422106/?utm_source=link-attribution&utm_medium=referral&utm_campaign=image&utm_content=6398107">Charles McArthur</a> auf <a href="https://pixabay.com/de//?utm_source=link-attribution&utm_medium=referral&utm_campaign=image&utm_content=6398107">Pixabay</a>
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    Alexander Liese
  • 04/25

Die zentrale Frage: Wer gehört zur "Familie"?

Im Mittelpunkt des Urteils steht die Frage, wie der Begriff "Familie" im Mietrecht auszulegen ist. Diese Frage ist besonders relevant, wenn es um Eigenbedarfskündigungen durch Gesellschaften geht.

Der konkrete Fall: Die Beklagten waren seit 2009 Mieter einer Wohnung in Berlin. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) erwarb 2013 das Gebäude. Zum Zeitpunkt des Kaufs hatte die GbR zwei Gesellschafter, die Cousins waren. Nach dem Tod eines Gesellschafters wurden dessen drei Kinder als Erben ebenfalls Gesellschafter der GbR.

Im August 2021 kündigte die GbR das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Einer der neuen Gesellschafter wollte die Wohnung für sich und seine Ehefrau nutzen. Die Mieter weigerten sich auszuziehen, woraufhin die GbR Räumungsklage erhob.

Der Streitpunkt: Die Kündigungssperrfrist

Nach § 577a Abs. 1a BGB gibt es eine Kündigungssperrfrist, wenn eine Wohnung nach der Vermietung an eine Personengesellschaft (wie eine GbR) veräußert wird. In Berlin beträgt diese Sperrfrist durch eine spezielle Verordnung sogar zehn Jahre.

Es gibt jedoch eine Ausnahme: Die Sperrfrist gilt nicht, wenn die Gesellschafter im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs derselben Familie angehörten (§ 577a Abs. 1a Satz 2 BGB).

Die entscheidende Frage war also: Gehören Cousins zur selben "Familie" im Sinne dieser Ausnahmeregelung?

Die klare Definition des Familienbegriffs durch den BGH

Der BGH traf eine richtungsweisende Entscheidung: Als "Familie" im mietrechtlichen Sinne gelten nur Personen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen nach § 383 ZPO oder § 52 StPO zusteht.

Zu diesem Personenkreis gehören:

  • Verlobte, Ehegatten und Lebenspartner
  • Verwandte in gerader Linie (Eltern, Kinder, Großeltern, Enkel)
  • Verwandte in der Seitenlinie bis zum dritten Grad (Geschwister, Onkel, Tanten, Neffen, Nichten)

Cousins sind jedoch in der Seitenlinie im vierten Grad miteinander verwandt und fallen daher nicht unter diese Definition – selbst wenn zwischen ihnen eine noch so enge persönliche Bindung besteht.

Warum der BGH den Familienbegriff eng auslegt

Die Begründung des BGH für die enge Definition des Familienbegriffs ist besonders aufschlussreich:

  1. Typisierende Betrachtungsweise: Der Gesetzgeber geht pauschal davon aus, dass innerhalb eines bestimmten Verwandtschaftskreises eine enge persönliche Bindung besteht. Diese Annahme gilt aber nur für den im Prozessrecht definierten Kreis der zeugnisverweigerungsberechtigten Personen.
  2. Objektive statt subjektive Kriterien: Der BGH lehnt es bewusst ab, auf die tatsächlich vorhandene persönliche Bindung abzustellen. Bei entfernteren Verwandten wie Cousins reicht auch eine tatsächlich bestehende enge Beziehung nicht aus, um sie als "Familie" einzustufen.
  3. Rechtssicherheit und Planbarkeit: Das Gericht betont, dass die klare, objektive Definition des Familienbegriffs Rechtsstreitigkeiten über die subjektive Frage der persönlichen Nähebeziehung vermeidet. Eine einzelfallbezogene Prüfung der sozialen Nähe würde zu Rechtsunsicherheit führen.

"Als 'Familienangehörige' oder als 'Familie' im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB und § 577a Abs. 1a Satz 2 BGB sind ausschließlich diejenigen Personen anzusehen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen gemäß § 383 ZPO, § 52 StPO zusteht."

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Die enge Definition des Familienbegriffs hat weitreichende praktische Konsequenzen:

Wer gilt als "Familie" im mietrechtlichen Sinne:

✓ Ehepartner und eingetragene Lebenspartner
✓ Verlobte
✓ Eltern, Kinder, Großeltern, Enkel (gerade Linie)
✓ Geschwister (Seitenlinie 2. Grades)
✓ Onkel, Tanten, Neffen, Nichten (Seitenlinie 3. Grades)

Wer gilt NICHT als "Familie":

✗ Cousins und Cousinen (Seitenlinie 4. Grades)
✗ Großcousins
✗ Unverheiratete Lebensgefährten
✗ Angeheiratete Verwandte (außer in den Grenzen des Schwägerschaftsgrads)
✗ Freunde, egal wie eng die Beziehung ist

Praktische Bedeutung für Vermieter:

  • Eine GbR kann grundsätzlich wegen Eigenbedarfs eines ihrer Gesellschafter kündigen.
  • Erwirbt eine GbR ein bereits vermietetes Objekt, gilt die Kündigungssperrfrist (in Berlin: zehn Jahre).
  • Die Ausnahme von der Sperrfrist greift nur, wenn die ursprünglichen Gesellschafter im oben definierten Sinne zur selben Familie gehören.
  • Eine persönliche oder wirtschaftliche Verbundenheit der Gesellschafter reicht für die Ausnahme nicht aus.

Praktische Bedeutung für Mieter:

  • Wenn Ihre Wohnung von einer GbR erworben wurde, deren Gesellschafter nur entfernt verwandt (z.B. Cousins) oder gar nicht verwandt sind, sind Sie durch die Kündigungssperrfrist geschützt.
  • Die Sperrfrist beginnt mit der Eintragung des neuen Eigentümers im Grundbuch.
  • Innerhalb dieser Frist kann auch wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters nicht wirksam gekündigt werden.

Fazit: Familie ist im Mietrecht klar definiert

Der BGH hat mit seiner Entscheidung für Klarheit gesorgt: Im Mietrecht gilt ein objektiv bestimmbarer, eng gefasster Familienbegriff. Die Definition orientiert sich am Zeugnisverweigerungsrecht und nicht an der tatsächlichen persönlichen Bindung zwischen den Beteiligten.

Diese enge Auslegung mag manchen persönlichen Lebensrealitäten nicht entsprechen. Schließlich können Cousins durchaus eng verbunden sein, während manche gesetzlich privilegierten Verwandten kaum Kontakt haben. Der BGH hat sich jedoch bewusst für eine klare, objektive Definition entschieden, die Rechtssicherheit schafft und Streitigkeiten vermeidet.

Für Mieter bedeutet das Urteil einen stärkeren Schutz: Bei Erwerb durch eine GbR, deren Gesellschafter nicht im engeren Sinne "Familie" sind, greift die Kündigungssperrfrist. Vermieter müssen bei der Planung von Eigenbedarfskündigungen sorgfältig prüfen, ob sie unter die eng definierte Ausnahme fallen.

Quelle: BGH, Urteil vom 10. Juli 2024, VIII ZR 276/23

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