Notdienstpauschale: Vermieter müssen selbst zahlen


Der Fall: Streit um nächtliche Bereitschaft
Ein typischer Fall aus der Berliner Mietpraxis führte bis vor den Bundesgerichtshof. Eine Vermieterin wollte von ihren Mietern anteilige Kosten für eine Notdienstpauschale in Höhe von rund 102 Euro zurückfordern. Diese Pauschale hatte sie ihrem Hausmeister für dessen Bereitschaftsdienst außerhalb der üblichen Geschäftszeiten gezahlt.
Der Hausmeister sollte bei Störungsfällen wie Stromausfällen, Heizungsproblemen oder Wasserrohrbrüchen auch nachts und an Wochenenden erreichbar sein. Die Mieter weigerten sich jedoch, diesen Anteil der Betriebskostenabrechnung zu bezahlen, da sie die Kosten nicht als umlagefähig ansahen.
Zwei Rechtsauffassungen prallten aufeinander
Position der Vermieterin: Notdienstbereitschaft dient dem Schutz der Mieter und ihrer Sachen. Bei einem Wasserrohrbruch oder Stromausfall verhindert die schnelle Erreichbarkeit des Hausmeisters größere Schäden. Diese Bereitschaft gehöre zum Sicherheitsbereich und sei daher wie andere Hausmeistertätigkeiten umlagefähig.
Position der Mieter: Die Entgegennahme von Störungsmeldungen und die Veranlassung von Reparaturen seien Verwaltungstätigkeiten, die normalerweise die Hausverwaltung oder der Vermieter selbst übernehme. Nur weil diese Tätigkeiten außerhalb der Geschäftszeiten stattfinden, ändere sich ihr rechtlicher Charakter nicht.
Rechtliche Grundlagen der Betriebskosten
Das deutsche Mietrecht unterscheidet streng zwischen verschiedenen Kostenarten. Betriebskosten sind solche Kosten, die dem Eigentümer durch das Eigentum am Grundstück oder durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Gebäudes laufend entstehen. Diese können grundsätzlich auf die Mieter umgelegt werden, wenn eine entsprechende Vereinbarung im Mietvertrag besteht.
Verwaltungskosten hingegen müssen Vermieter grundsätzlich selbst tragen. Dazu gehören die Kosten für Arbeitskräfte und Einrichtungen zur Gebäudeverwaltung, Aufsichtskosten und der Wert der vom Vermieter persönlich geleisteten Verwaltungsarbeit.
Die entscheidende Frage lautete: Welcher Kategorie ist die Notdienstpauschale zuzuordnen?
Was Hausmeister normalerweise tun dürfen
Hausmeister können verschiedene Tätigkeiten ausüben, deren Kosten unterschiedlich behandelt werden. Umlagefähig sind beispielsweise:
- Wartungs-, Reinigungs- und Pflegetätigkeiten an Gemeinschaftsanlagen
- Sicherheits- und Ordnungsaufgaben in allgemein zugänglichen Bereichen
- Routinemäßige Kontrollen von Rettungswegen, Beleuchtung oder Außentüren
- Überwachung der Einhaltung der Hausordnung
Diese Aufgaben zeichnen sich dadurch aus, dass sie ohne konkreten Anlass in bestimmten Intervallen im Sicherheitsinteresse durchgeführt werden.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Der BGH entschied eindeutig zugunsten der Mieter. Die Notdienstpauschale ist nicht umlagefähig, sondern als Verwaltungskosten vom Vermieter zu tragen.
Die Richter begründeten ihre Entscheidung präzise: Bei der Notdienstbereitschaft handelt es sich nicht um eine Vergütung für allgemeine Kontroll- und Überwachungstätigkeiten, sondern um Aufwendungen für Verwaltungstätigkeiten. Konkret geht es um:
- Die Entgegennahme von Störungsmeldungen
- Die Veranlassung von Reparaturmaßnahmen durch Dritte
Entscheidend war der Vergleich mit der normalen Geschäftszeit: Während der üblichen Bürozeiten werden solche Meldungen an die Hausverwaltung oder den Vermieter gerichtet, die dann die erforderlichen Maßnahmen veranlassen. Diese Tätigkeit ändert ihren rechtlichen Charakter nicht dadurch, dass sie außerhalb der Geschäftszeiten erfolgt.
Widerlegung der Vermieter-Argumente
Das Gericht wies mehrere Argumente der Vermieterin zurück:
„Notdienst dient Mieterinteressen": Der BGH stellte klar, dass es für die Definition von Betriebskosten nicht darauf ankommt, ob diese dem Interesse des Mieters dienen. Sonst könnten die meisten Verwaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen als Betriebskosten angesehen werden, was der gesetzlichen Regelung widerspricht.
„Vergleichbar mit Wartungsverträgen": Auch der Verweis auf Notdienstpauschalen in Wartungsverträgen für technische Anlagen half nicht. Das Gericht betonte, dass auch bei Wartungsverträgen differenziert werden müsse, welche Leistungen tatsächlich dem Betriebskostenkatalog unterliegen.
Sonderfall Aufzug: Für Aufzugsanlagen gelten besondere Vorschriften der Betriebssicherheitsverordnung, die eine ständige Notrufbereitschaft vorschreiben. Diese Sonderregelung lässt sich jedoch nicht auf die allgemeine Notdienstbereitschaft eines Hausmeisters übertragen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Mieter: Sie müssen Notdienstpauschalen für Hausmeister nicht als Betriebskosten akzeptieren. Falls solche Kosten in Ihrer Betriebskostenabrechnung auftauchen, können Sie Widerspruch einlegen und sich auf dieses BGH-Urteil berufen. Bereits gezahlte Beträge können Sie zurückfordern.
Für Vermieter: Sie müssen die Kosten für Hausmeister-Bereitschaftsdienste selbst tragen und können diese nicht mehr auf die Mieter umlegen. Bei der Kalkulation der Miethöhe sollten Sie diese Zusatzkosten berücksichtigen.
Praktische Konsequenzen: Das Urteil könnte dazu führen, dass Vermieter ihre Notdienstorganisation überdenken. Möglicherweise werden sie verstärkt auf professionelle Hausmeisterdienste oder Facility-Management-Unternehmen setzen, deren Bereitschaftskosten ebenfalls als Verwaltungskosten zu qualifizieren sind.
Wichtige Abgrenzungen beachten
Das BGH-Urteil bezieht sich ausschließlich auf die allgemeine Notdienstbereitschaft von Hausmeistern. Davon zu unterscheiden sind:
- Konkrete Reparaturarbeiten: Führt der Hausmeister tatsächlich Reparaturen durch, können diese Kosten je nach Art der Tätigkeit durchaus umlagefähig sein
- Wartungsarbeiten: Reguläre Wartungs- und Pflegearbeiten bleiben weiterhin umlagefähige Betriebskosten
- Spezieller Aufzugsnotdienst: Hier gelten aufgrund gesetzlicher Vorschriften andere Regeln
Langfristige Auswirkungen
Diese Entscheidung stärkt die Position der Mieter erheblich und schafft wichtige Rechtssicherheit. Vermieter können sich nicht mehr darauf berufen, dass Notdienstbereitschaft dem Mieterinteresse diene und daher umlagefähig sei.
Das Urteil unterstreicht die klare Trennung zwischen Betriebskosten und Verwaltungskosten im deutschen Mietrecht. Es zeigt auch, dass der BGH eine restriktive Auslegung des Betriebskostenkatalogs verfolgt und Erweiterungen zulasten der Mieter kritisch prüft.
Für die Praxis bedeutet dies: Mieter sollten ihre Betriebskostenabrechnungen genau prüfen und bei Notdienstpauschalen grundsätzlich widersprechen. Vermieter hingegen müssen ihre Kostenplanung anpassen und können diese Ausgaben nicht mehr auf die Mietergemeinschaft abwälzen.
Quelle: BGH, Urteil vom 18.12.2019 - VIII ZR 62/19 (BeckRS 2019, 35615)
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