Neue Fenster, neuer Schimmel: Wer trägt die Verantwortung?


Der Fall: Schimmel nach Modernisierung
Eine Mieterin wohnte in einer Erdgeschosswohnung. Im Jahr 2018 tauschte die Vermieterin die alten, zugigen Holzfenster gegen moderne Kunststofffenster mit Isolierverglasung und Falzdichtungen aus. Diese Modernisierung sollte eigentlich eine Verbesserung darstellen und Heizkosten sparen. Doch etwa einige Zeit nach dem Einbau traten in zwei Räumen der Wohnung Probleme auf.
Im Schlafzimmer bildete sich in der Außenwandecke unter der Fensterbank sowie zwischen Gardinenbrett und Fenster auf einer Fläche von etwa einem halben Quadratmeter dunkler, punktförmiger Schimmel. Auch im Wohnzimmer zeigte sich auf Tapete und Fußleiste Schimmelpilzbefall auf einer Fläche von knapp einem halben Quadratmeter. Die Mieterin forderte daraufhin von ihrer Vermieterin, diese Schäden zu beseitigen.
Die Vermieterin lehnte dies ab und verwies auf ein unzureichendes Lüftungsverhalten der Mieterin. Tatsächlich stellte ein beauftragter Sachverständiger fest, dass die Schimmelbildung nicht durch Baumängel verursacht wurde, sondern durch zu wenig Lüften und Heizen entstanden war. Deswegen weigerte sich die Vermieterin, die Schäden zu beheben. Die Mieterin zog vor Gericht.
Wie die Vorinstanz entschied
Das Amtsgericht wies die Klage zunächst ab. Die Begründung: Die Schimmelbildung sei auf das Verhalten der Mieterin zurückzuführen. Da sie nicht ausreichend gelüftet und geheizt habe, müsse sie selbst für die Beseitigung der Schäden aufkommen. Die Vermieterin habe ihrer Instandhaltungspflicht genügt, indem sie moderne Fenster eingebaut habe.
Die Mieterin legte gegen dieses Urteil Berufung ein. Sie argumentierte, dass sich durch den Austausch der Fenster die Anforderungen an ihr Lüftungsverhalten grundlegend verändert hätten. Die alten Holzfenster seien zugig gewesen und hätten für eine ständige Grundlüftung gesorgt. Die neuen, dicht schließenden Fenster würden diese natürliche Luftzirkulation verhindern. Darauf habe die Vermieterin sie jedoch nie hingewiesen. Sie habe keine Informationen darüber erhalten, dass und wie sie ihr Lüftungsverhalten anpassen müsse.
Die rechtlichen Streitpunkte
Im Mittelpunkt des Verfahrens stand die Frage, wer für die Schimmelbildung verantwortlich war. Unstrittig war, dass die Schäden durch unzureichendes Lüften und Heizen entstanden waren. Die entscheidende Frage lautete jedoch: Traf die Mieterin ein Verschulden oder hatte die Vermieterin ihre Pflichten verletzt?
Der Sachverständige erklärte in seinem Gutachten die technischen Hintergründe. Alte Holzfenster ohne moderne Dichtungen ermöglichen eine sogenannte bewohnerunabhängige Grundlüftung. Durch undichte Stellen strömt ständig etwas Frischluft nach, auch wenn die Fenster geschlossen sind. Moderne Fenster mit Isolierverglasung und Falzdichtungen schließen dagegen wesentlich dichter ab. Dies spart zwar Heizenergie, reduziert aber gleichzeitig die natürliche Luftzirkulation erheblich.
Die Folge: In Räumen mit modernen Fenstern steigt die relative Luftfeuchtigkeit schneller an, wenn nicht aktiv gelüftet wird. Besonders im Schlafzimmer sammelt sich über Nacht durch die Atemluft erhebliche Feuchtigkeit an. Diese muss durch gezieltes Lüften abgeführt werden, sonst kondensiert sie an kühlen Stellen wie Außenwänden und Fensterlaibungen. Dort bildet sich dann der ideale Nährboden für Schimmelpilze.
Nach Einschätzung des Sachverständigen wäre bei den neuen Fenstern eine gründliche Stoßlüftung zweimal täglich für jeweils acht bis fünfzehn Minuten erforderlich gewesen. Idealerweise sollte morgens und abends gelüftet werden, im Schlafzimmer besonders, um die nachts angefallene Feuchtigkeit zeitnah abzuführen. In Kombination mit ausreichender Beheizung könne so eine gute Klimaregulierung erreicht und Schimmelbildung verhindert werden.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Landgericht Hamburg gab der Mieterin recht und änderte das erstinstanzliche Urteil ab. Die Vermieterin wurde verurteilt, die Schimmelschäden zu beseitigen und die Innendekoration wiederherzustellen. Die Richter begründeten ihre Entscheidung ausführlich.
Zunächst bestätigten sie die Feststellung des Amtsgerichts, dass die Schimmelbildung tatsächlich auf unzureichendes Lüften und Heizen zurückzuführen war. Die Mieterin habe nicht ausreichend gelüftet. Allerdings träfe sie daran kein Verschulden. Entscheidend sei, dass sich durch den Fensteraustausch im Jahr 2018 die Anforderungen an das Nutzerverhalten grundlegend verändert hätten.
Das Gericht führte aus, dass zweimal tägliches Stoßlüften für jeweils acht bis fünfzehn Minuten grundsätzlich noch als zumutbar anzusehen sei. Auch ein erhöhter Lüftungsbedarf nach Modernisierungsmaßnahmen sei nicht automatisch unzumutbar. Entscheidend sei jedoch, dass der Vermieter seine Hinweispflicht erfülle.
Die Richter stellten klar: Wenn ein Vermieter neue, dicht schließende Fenster einbauen lasse, sei es seine Aufgabe, die notwendigen Vorkehrungen gegen Feuchtigkeitsschäden zu treffen. Dazu gehöre auch die Ermittlung der nun erforderlichen Verhaltensanforderungen. Falls nötig, müsse der Vermieter hierfür die Sachkunde eines Architekten oder Handwerkers hinzuziehen.
Der Vermieter müsse den Mieter dann sachgerecht und präzise auf die neuen Anforderungen an dessen Heiz- und Lüftungsverhalten im veränderten Raumklima hinweisen. Nur wenn der Vermieter dieser Hinweispflicht nachkomme und konkret erkläre, wie oft und wie lange gelüftet werden müsse, könne dem Mieter die Entstehung von Feuchtigkeitsschäden angelastet werden.
Im vorliegenden Fall sei unstreitig, dass die Vermieterin der Mieterin keinerlei Hinweise auf die veränderten Lüftungsanforderungen gegeben habe. Die Mieterin habe ihr Lüftungsverhalten daher in gutem Glauben beibehalten können. Dass dieses Verhalten bei den alten, zugigen Fenstern möglicherweise ausgereicht hätte, bei den neuen Fenstern aber nicht mehr ausreichte, könne ihr nicht vorgeworfen werden.
Die Vermieterin müsse daher die Schimmelschäden beseitigen. Allerdings habe die Mieterin keinen Anspruch auf Beseitigung der Ursachen, etwa durch bauliche Veränderungen. Der Sachverständige habe festgestellt, dass die Außendämmung baualterstypisch sei und den zum Zeitpunkt der Errichtung geltenden Normen entspreche. Die im Schlafzimmer vorhandenen Wärmebrücken stellten bei Einhaltung der gebotenen Lüftungs- und Heizgewohnheiten keinen Mangel dar.
Die Kostenentscheidung und ihre Begründung
Das Gericht verurteilte die Vermieterin zur Tragung der gesamten Prozesskosten. Die Begründung zeigt die praktische Bedeutung des Urteils: Der Umstand, der die Haftung der Mieterin ausschloss, also die Tatsache, dass die Schimmelbildung durch den Fenstereinbau bedingt war und die Mieterin nicht aufgeklärt wurde, sei erst durch die sachverständige Begutachtung geklärt worden.
Hätte die Vermieterin die Mieterin ordnungsgemäß informiert, wäre der Rechtsstreit vermutlich gar nicht erst entstanden. Die Vermieterin trage daher die volle Verantwortung für die entstandenen Kosten.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Dieses Urteil hat weitreichende praktische Auswirkungen für Vermieter und Mieter gleichermaßen. Es schafft Klarheit in einer häufig streitigen Frage und definiert die Verantwortungsbereiche neu.
Für Vermieter bedeutet das Urteil: Wer in Modernisierungsmaßnahmen investiert und dabei die Fenster austauscht, darf sich nicht zurücklehnen und darauf vertrauen, dass der Mieter schon das Richtige tun wird. Vielmehr entsteht eine konkrete Informationspflicht. Diese Pflicht beschränkt sich nicht auf einen allgemeinen Hinweis wie "Bitte ausreichend lüften". Erforderlich sind präzise, sachgerechte Informationen darüber, wie sich die Anforderungen konkret verändert haben.
Empfehlenswert ist es, bereits vor dem Fensteraustausch einen Sachverständigen hinzuzuziehen, der die neuen Anforderungen an das Lüftungsverhalten ermittelt. Diese Informationen sollten dem Mieter dann schriftlich mitgeteilt werden, etwa in Form eines Merkblatts mit konkreten Handlungsanweisungen. Darin sollte stehen, wie oft und wie lange gelüftet werden muss, zu welchen Tageszeiten die Lüftung besonders wichtig ist und worauf in bestimmten Räumen wie dem Schlafzimmer besonders zu achten ist.
Ein solches Merkblatt schützt den Vermieter nicht nur vor späteren Haftungsansprüchen, sondern dient auch dem Erhalt der Bausubstanz. Gut informierte Mieter können Schimmelbildung von vornherein verhindern. Die Investition in eine sachkundige Beratung und schriftliche Information zahlt sich damit in mehrfacher Hinsicht aus.
Für Mieter bedeutet das Urteil: Nach einer Modernisierung müssen Sie nicht automatisch ein deutlich aufwendigeres Lüftungsverhalten an den Tag legen, wenn Sie darüber nicht informiert wurden. Entstehen Schimmelschäden, können Sie unter bestimmten Voraussetzungen die Beseitigung verlangen, auch wenn die Schäden auf Ihr Verhalten zurückzuführen sind.
Allerdings sollten Sie als Mieter das Urteil nicht als Freibrief missverstehen. Sobald Sie ordnungsgemäß über die erforderlichen Maßnahmen informiert wurden, müssen Sie diese auch umsetzen. Ein zweimal tägliches Stoßlüften für einige Minuten gilt als zumutbar. Wenn Sie dann nicht entsprechend handeln und Schimmel entsteht, können Sie nicht mehr auf die Hinweispflicht des Vermieters verweisen.
Sinnvoll ist es auch für Mieter, nach einem Fensteraustausch das Gespräch mit dem Vermieter zu suchen und um konkrete Informationen zu bitten. Warten Sie nicht ab, bis Schäden entstehen. Eine frühzeitige Klärung, welches Lüftungsverhalten nun erforderlich ist, schützt Ihre Gesundheit und vermeidet Streitigkeiten.
Einordnung in die Rechtsprechung
Das Urteil reiht sich in eine gefestigte Rechtsprechung ein. Bereits seit vielen Jahren betonen Gerichte, dass Vermieter nach baulichen Veränderungen, die das Raumklima beeinflussen, ihre Mieter informieren müssen. Das Landgericht Hamburg hat diese Grundsätze nun nochmals bestätigt und präzisiert.
Die Rechtsprechung unterscheidet dabei verschiedene Fallkonstellationen. Grundsätzlich gilt: Ein Mieter muss für ein normales Wohnklima sorgen, also ausreichend heizen und lüften. Was als "ausreichend" anzusehen ist, hängt jedoch von den konkreten Umständen ab. Bei modernen, gut gedämmten Gebäuden mit dichten Fenstern können höhere Anforderungen gestellt werden als bei älteren Gebäuden mit undichten Fenstern.
Entscheidend ist aber stets, dass der Mieter über die konkreten Anforderungen informiert ist. Ohne eine solche Information kann ihm ein Fehlverhalten in der Regel nicht vorgeworfen werden. Dies gilt besonders dann, wenn sich die Anforderungen während der Mietzeit durch bauliche Maßnahmen des Vermieters verändern.
Quelle: Landgericht Hamburg, Urteil vom 28.02.2025, Aktenzeichen 316 S 35/24, Fundstelle ZMR 2025, 704
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