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Wann dürfen Vermieter nach Auszug noch Forderungen verrechnen?

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Bei der Rückgabe der Mietwohnung kommt es häufig zu Unstimmigkeiten zwischen Mietern und Vermietern. Besonders die Frage, wann und wie die Kaution zurückgezahlt werden muss und ob der Vermieter noch Schadensersatzansprüche geltend machen kann, führt oft zu rechtlichen Auseinandersetzungen. Das Landgericht Lübeck hat in einem aktuellen Urteil wichtige Grundsätze zur Aufrechnung gegenseitiger Ansprüche bei Mietverhältnissen geklärt.
Umzugskarton
Bild von congerdesign auf Pixabay

Der Fall: Streit um Mietkaution und Schadensersatz

Nach dem Ende eines Mietverhältnisses forderten die Mieter ihre Kaution in Höhe von 3.975 Euro zurück. Zudem verlangten sie die Rückzahlung geleisteter Betriebskostenvorauszahlungen und Ersatz für eine zerstörte Zaunanlage. Der Vermieter verweigerte die vollständige Rückzahlung der Kaution und rechnete mit eigenen Schadensersatzansprüchen auf. Diese betrafen unter anderem:

  • Kosten für die Reparatur einer Küchenwange
  • Austausch von Brandschutzdämmplatten
  • Reparatur einer Küchenrückwand
  • Austausch eines beschädigten Bodenbelags

Zudem machte der Vermieter Mietausfallschäden geltend, weil die Wohnung angeblich nicht rechtzeitig weitervermietet werden konnte.

Die zentralen Streitpunkte

Die rechtliche Auseinandersetzung drehte sich um mehrere Kernfragen:

  1. Verjährung von Ansprüchen: Können nach Ablauf der kurzen sechsmonatigen Verjährungsfrist noch Ansprüche geltend gemacht werden?
  2. Aufrechnung mit Kautionsrückzahlungsanspruch: Darf der Vermieter mit verjährten Ansprüchen gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch aufrechnen?
  3. Fälligkeit der Ansprüche: Muss für eine wirksame Aufrechnung der Anspruch des Aufrechnenden bereits fällig sein?
  4. Wann entsteht ein Schadensersatzanspruch in Geld? Muss der Vermieter vor Ablauf der Verjährungsfrist ausdrücklich Zahlung verlangen oder genügt das bloße Bestehen des Anspruchs?

Die Entscheidung des Landgerichts Lübeck

Das Landgericht Lübeck stellte klar, dass für die Aufrechenbarkeit gegenseitiger Ansprüche zwischen Mieter und Vermieter nicht entscheidend ist, dass der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Kaution erst nach einer angemessenen Prüffrist fällig wird.

Das Gericht führte aus:

Der Aufrechenbarkeit der gegenseitigen Ansprüche eines Mieters und eines Vermieters steht nicht entgegen, dass der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Mietkaution erst nach Ablauf einer angemessenen Prüffrist des Vermieters fällig wird. § 387 BGB verlangt für das Vorliegen einer Aufrechnungslage nur, dass der Aufrechnende die ihm obliegenden Leistungen bewirken kann, seine Leistung also erfüllbar ist. Fälligkeit der Leistung des Aufrechnenden ist keine Voraussetzung für eine Aufrechnungslage.

Diese Rechtsauffassung weicht von der Rechtsprechung des Kammergerichts Berlin ab, das höhere Anforderungen an eine wirksame Aufrechnung gestellt hatte.

Verjährung und ihre Bedeutung

Für Mieter besonders wichtig: Bei Auszug haben Mieter nur sechs Monate Zeit, um Aufwendungsersatzansprüche oder Wegnahmerechte geltend zu machen. Nach § 548 Abs. 2 BGB verjähren diese Ansprüche schnell. In diesem Fall konnte ein Mieter seinen Anspruch auf Ersatz für eine zerstörte Zaunanlage nicht mehr durchsetzen, weil die sechsmonatige Verjährungsfrist bereits abgelaufen war.

Andererseits konnte der Vermieter trotz Verjährung seiner Ansprüche noch wirksam aufrechnen. Denn entscheidend ist nach § 215 BGB, dass sich die Ansprüche zu irgendeinem Zeitpunkt unverjährt gegenüberstanden. Da die Ansprüche des Vermieters bei Beendigung des Mietverhältnisses entstanden sind, konnte er diese gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters aufrechnen.

Konkrete Auswirkung der Entscheidung

Im konkreten Fall führte dies dazu, dass die Mieter nicht den vollen Kautionsbetrag zurückerhielten. Das Gericht erkannte von den ursprünglich geforderten 3.975 Euro nur einen Anspruch in Höhe von 2.232,07 Euro zu, weil der Vermieter erfolgreich mit Gegenforderungen aufrechnen konnte.

Folgende Schadensersatzansprüche des Vermieters wurden anerkannt:

  • 1.249,50 Euro für die Reparatur der Küchenwange und Austausch von Brandschutzdämmplatten
  • 559,00 Euro für die Reparatur der Küchenrückwand
  • 909,43 Euro für den Austausch des Bodenbelags

Nicht anerkannt wurden hingegen:

  • Kosten für Farbanpassungsarbeiten
  • Schimmelbeseitigungskosten (mangels Nachweis, dass der Schaden von den Mietern verursacht wurde)
  • Mietausfallschäden (mangels Nachweis, dass eine frühere Weitervermietung möglich gewesen wäre)

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Mieter:

  1. Handeln Sie schnell bei eigenen Ansprüchen: Wenn Sie eigene Ansprüche gegen den Vermieter haben (z.B. für selbst vorgenommene Renovierungen oder für zurückzulassende Einrichtungen), müssen Sie diese innerhalb von sechs Monaten nach Ende des Mietverhältnisses geltend machen. Sonst verjähren sie!
  2. Dokumentieren Sie den Zustand bei Auszug: Fertigen Sie ein detailliertes Übergabeprotokoll an und machen Sie Fotos. Achten Sie darauf, dass das Protokoll von beiden Seiten unterschrieben wird.
  3. Seien Sie vorsichtig mit Aussagen bei der Wohnungsübergabe: Die Äußerung "Wir machen in der Wohnung nichts mehr" könnte als Leistungsverweigerung ausgelegt werden, die dem Vermieter direkte Schadensersatzansprüche ohne Fristsetzung ermöglicht.

Für Vermieter:

  1. Dokumentieren Sie Schäden genau: Bei Ansprüchen wegen Schäden müssen Sie konkret darlegen, inwiefern diese durch pflichtwidriges Verhalten des Mieters verursacht wurden. Pauschale Behauptungen reichen nicht aus.
  2. Setzen Sie grundsätzlich Fristen zur Mängelbeseitigung: Wenn Sie Schadensersatz statt der Leistung verlangen wollen, müssen Sie dem Mieter in der Regel eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel setzen.
  3. Prüfen Sie auch verjährte Ansprüche: Selbst wenn Ihre Ansprüche bereits verjährt sind, können Sie unter Umständen noch mit ihnen gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch aufrechnen.

Diese Entscheidung stärkt die Position von Vermietern, die auch nach Ablauf der Verjährungsfrist noch Schadensersatzansprüche im Wege der Aufrechnung gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch geltend machen können. Die Kammer hat die Revision zugelassen, sodass möglicherweise der Bundesgerichtshof über diese Rechtsfrage endgültig entscheiden wird.

Quelle: Landgericht Lübeck, Urteil vom 28.03.2024, 14 S 117/22

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