Wann dürfen Vermieter nach Auszug noch Forderungen verrechnen?


Der Fall: Streit um Mietkaution und Schadensersatz
Nach dem Ende eines Mietverhältnisses forderten die Mieter ihre Kaution in Höhe von 3.975 Euro zurück. Zudem verlangten sie die Rückzahlung geleisteter Betriebskostenvorauszahlungen und Ersatz für eine zerstörte Zaunanlage. Der Vermieter verweigerte die vollständige Rückzahlung der Kaution und rechnete mit eigenen Schadensersatzansprüchen auf. Diese betrafen unter anderem:
- Kosten für die Reparatur einer Küchenwange
- Austausch von Brandschutzdämmplatten
- Reparatur einer Küchenrückwand
- Austausch eines beschädigten Bodenbelags
Zudem machte der Vermieter Mietausfallschäden geltend, weil die Wohnung angeblich nicht rechtzeitig weitervermietet werden konnte.
Die zentralen Streitpunkte
Die rechtliche Auseinandersetzung drehte sich um mehrere Kernfragen:
- Verjährung von Ansprüchen: Können nach Ablauf der kurzen sechsmonatigen Verjährungsfrist noch Ansprüche geltend gemacht werden?
- Aufrechnung mit Kautionsrückzahlungsanspruch: Darf der Vermieter mit verjährten Ansprüchen gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch aufrechnen?
- Fälligkeit der Ansprüche: Muss für eine wirksame Aufrechnung der Anspruch des Aufrechnenden bereits fällig sein?
- Wann entsteht ein Schadensersatzanspruch in Geld? Muss der Vermieter vor Ablauf der Verjährungsfrist ausdrücklich Zahlung verlangen oder genügt das bloße Bestehen des Anspruchs?
Die Entscheidung des Landgerichts Lübeck
Das Landgericht Lübeck stellte klar, dass für die Aufrechenbarkeit gegenseitiger Ansprüche zwischen Mieter und Vermieter nicht entscheidend ist, dass der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Kaution erst nach einer angemessenen Prüffrist fällig wird.
Das Gericht führte aus:
Der Aufrechenbarkeit der gegenseitigen Ansprüche eines Mieters und eines Vermieters steht nicht entgegen, dass der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Mietkaution erst nach Ablauf einer angemessenen Prüffrist des Vermieters fällig wird. § 387 BGB verlangt für das Vorliegen einer Aufrechnungslage nur, dass der Aufrechnende die ihm obliegenden Leistungen bewirken kann, seine Leistung also erfüllbar ist. Fälligkeit der Leistung des Aufrechnenden ist keine Voraussetzung für eine Aufrechnungslage.
Diese Rechtsauffassung weicht von der Rechtsprechung des Kammergerichts Berlin ab, das höhere Anforderungen an eine wirksame Aufrechnung gestellt hatte.
Verjährung und ihre Bedeutung
Für Mieter besonders wichtig: Bei Auszug haben Mieter nur sechs Monate Zeit, um Aufwendungsersatzansprüche oder Wegnahmerechte geltend zu machen. Nach § 548 Abs. 2 BGB verjähren diese Ansprüche schnell. In diesem Fall konnte ein Mieter seinen Anspruch auf Ersatz für eine zerstörte Zaunanlage nicht mehr durchsetzen, weil die sechsmonatige Verjährungsfrist bereits abgelaufen war.
Andererseits konnte der Vermieter trotz Verjährung seiner Ansprüche noch wirksam aufrechnen. Denn entscheidend ist nach § 215 BGB, dass sich die Ansprüche zu irgendeinem Zeitpunkt unverjährt gegenüberstanden. Da die Ansprüche des Vermieters bei Beendigung des Mietverhältnisses entstanden sind, konnte er diese gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters aufrechnen.
Konkrete Auswirkung der Entscheidung
Im konkreten Fall führte dies dazu, dass die Mieter nicht den vollen Kautionsbetrag zurückerhielten. Das Gericht erkannte von den ursprünglich geforderten 3.975 Euro nur einen Anspruch in Höhe von 2.232,07 Euro zu, weil der Vermieter erfolgreich mit Gegenforderungen aufrechnen konnte.
Folgende Schadensersatzansprüche des Vermieters wurden anerkannt:
- 1.249,50 Euro für die Reparatur der Küchenwange und Austausch von Brandschutzdämmplatten
- 559,00 Euro für die Reparatur der Küchenrückwand
- 909,43 Euro für den Austausch des Bodenbelags
Nicht anerkannt wurden hingegen:
- Kosten für Farbanpassungsarbeiten
- Schimmelbeseitigungskosten (mangels Nachweis, dass der Schaden von den Mietern verursacht wurde)
- Mietausfallschäden (mangels Nachweis, dass eine frühere Weitervermietung möglich gewesen wäre)
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Mieter:
- Handeln Sie schnell bei eigenen Ansprüchen: Wenn Sie eigene Ansprüche gegen den Vermieter haben (z.B. für selbst vorgenommene Renovierungen oder für zurückzulassende Einrichtungen), müssen Sie diese innerhalb von sechs Monaten nach Ende des Mietverhältnisses geltend machen. Sonst verjähren sie!
- Dokumentieren Sie den Zustand bei Auszug: Fertigen Sie ein detailliertes Übergabeprotokoll an und machen Sie Fotos. Achten Sie darauf, dass das Protokoll von beiden Seiten unterschrieben wird.
- Seien Sie vorsichtig mit Aussagen bei der Wohnungsübergabe: Die Äußerung "Wir machen in der Wohnung nichts mehr" könnte als Leistungsverweigerung ausgelegt werden, die dem Vermieter direkte Schadensersatzansprüche ohne Fristsetzung ermöglicht.
Für Vermieter:
- Dokumentieren Sie Schäden genau: Bei Ansprüchen wegen Schäden müssen Sie konkret darlegen, inwiefern diese durch pflichtwidriges Verhalten des Mieters verursacht wurden. Pauschale Behauptungen reichen nicht aus.
- Setzen Sie grundsätzlich Fristen zur Mängelbeseitigung: Wenn Sie Schadensersatz statt der Leistung verlangen wollen, müssen Sie dem Mieter in der Regel eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel setzen.
- Prüfen Sie auch verjährte Ansprüche: Selbst wenn Ihre Ansprüche bereits verjährt sind, können Sie unter Umständen noch mit ihnen gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch aufrechnen.
Diese Entscheidung stärkt die Position von Vermietern, die auch nach Ablauf der Verjährungsfrist noch Schadensersatzansprüche im Wege der Aufrechnung gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch geltend machen können. Die Kammer hat die Revision zugelassen, sodass möglicherweise der Bundesgerichtshof über diese Rechtsfrage endgültig entscheiden wird.
Quelle: Landgericht Lübeck, Urteil vom 28.03.2024, 14 S 117/22
Kontaktieren Sie uns!
Für detaillierte Fragen oder eine individuelle Beratung stehen Ihnen die Experten unserer Kanzlei für Mietrecht in Essen zur Verfügung. Wir helfen Ihnen, die beste Strategie für Ihr spezifisches Anliegen zu entwickeln.
Ihr Recht ist unsere Leidenschaft!

Sie sind ratlos im Streit mit Ihrem Mieter oder Vermieter? Sie stehen vor komplexen Vertragsverhandlungen oder es geht um den Erwerb, Veräußerung oder Vererbung von Immobilieneigentum. Wir haben uns auf das private und gewerbliche Mietrecht, Immobilienrecht und Maklerrecht spezialisiert. Vertrauen Sie uns. Zögern Sie also nicht länger und holen Sie sich die Unterstützung, die ein professionelles Vorgehen ermöglicht. Lassen Sie uns gemeinsam eine Strategie für die Umsetzung Ihres Vorhabens besprechen.
Unsere digitale Kanzlei

Bei uns geht Recht vollkommen digital. Für Sie entscheidend: Sie können alles bequem von überall aus organisieren. Besuchen Sie unsere Webseite und buchen Sie ein Video-Meeting mit einem Anwalt. Ihre Unterlagen können Sie einfach uploaden. Selbst erforderliche Unterschriften können Sie bei uns digital leisten.
kostenlose Ersteinschätzung

Lassen Sie uns bei einem unverbindlichen Kennenlerngespräch über Ihre spezifischen rechtlichen Anliegen sprechen.
Das könnte Sie auch interessieren:
-ed79a4cd.webp)
Erleichterte Kündigung – Alles, was Mieter und Vermieter wissen müssen

Alles, was Sie über Eigenbedarfskündigungen wissen müssen

Was, wenn ich mir keinen Anwalt leisten kann?
