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Eigentümerwechsel und Mieterhöhung: Wer bekommt das Geld?

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Wenn während eines Mieterhöhungsverfahrens die Immobilie verkauft wird, entstehen komplizierte Rechtsfragen. Ein aktuelles Urteil zeigt: Mieter müssen nicht immer an den neuen Eigentümer zahlen.
Mehrfamilienhaus mit Balkonen
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der komplizierte Fall aus Norddeutschland

Eine Mieterin bewohnte seit Jahren zwei miteinander verbundene Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus. Die ursprüngliche Vermieterin wollte die Miete erhöhen und klagte erfolgreich vor Gericht. Doch während das Berufungsverfahren noch lief, verkaufte sie die Wohnung an einen neuen Eigentümer.

Die Mieterin zahlte ab April 2022 zwar die erhöhte Miete, weigerte sich aber, die rückwirkenden Mieterhöhungsbeträge für die Zeit vor dem Verkauf an den neuen Eigentümer zu überweisen. Ihre Begründung: Diese Beträge stünden der ursprünglichen Vermieterin zu, die den Rechtsstreit geführt hatte.

Der neue Eigentümer kündigt fristlos

Der neue Vermieter sah das anders. Er mahnte die Mieterin ab und forderte die gesamten Mieterhöhungsbeträge für den Zeitraum vom Februar 2020 bis März 2022. Als die Mieterin nur einen Teilbetrag zahlte, kündigte er das Mietverhältnis fristlos wegen Zahlungsverzugs.

Die Mieterin wehrte sich gegen die Kündigung und reichte gleichzeitig eine Widerklage wegen verschiedener Mängel in der Wohnung ein. Sie bemängelte unter anderem ein defektes Treppenhaus, einen kaputten Heizkörper und fehlende Küchenanschlüsse.

Das Gericht stärkt die Mieterrechte

Das Landgericht Kiel entschied überraschend deutlich zugunsten der Mieterin. Die Richter erklärten die fristlose Kündigung für unwirksam und sprachen der Mieterin teilweise Recht bei ihren Mängelrügen zu.

Unklare Rechtslage schützt vor Kündigung

Die Kernfrage lautete: Wem stehen Mieterhöhungsbeträge zu, die vor einem Eigentümerwechsel fällig wurden? Das Gericht stellte fest, dass diese Rechtsfrage höchstrichterlich nicht abschließend geklärt ist. Grundsätzlich gilt zwar das sogenannte Fälligkeitsprinzip: Nach dem Eigentümerwechsel fällige Forderungen stehen dem neuen Eigentümer zu.

Doch bei Mieterhöhungen ist die Situation komplexer. Das Gericht neigte zu der Ansicht, dass die rückwirkenden Erhöhungsbeträge der ursprünglichen Vermieterin zustehen sollten. Die Begründung: Mietzahlungen sind periodische Leistungen für bestimmte Zeiträume der Wohnungsnutzung. Es erscheint unfair, diese Zahlungen einem Erwerber zuzusprechen, der noch keine Gebrauchsüberlassungspflicht hatte.

Mieter handelte nicht schuldhaft

Selbst wenn die Beträge dem neuen Eigentümer zugestanden hätten, wäre die Kündigung unwirksam gewesen. Das Gericht betonte: Die Mieterin konnte bei der unklaren Rechtslage nicht schuldhaft handeln. Sie hatte sogar den Teilbetrag gezahlt, der unstreitig auf die Zeit nach dem Eigentümerwechsel entfiel.

Für eine wirksame fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs muss der Mieter seine Pflichten schuldhaft und nicht nur unerheblich verletzen. Bei einer so umstrittenen Rechtsfrage konnte von der Mieterin nicht erwartet werden, dass sie ohne entsprechende Rechtssicherheit zahlt.

Erfolg bei Mängelbeseitigung

Auch bei der Widerklage hatte die Mieterin teilweise Erfolg. Das Gericht verpflichtete den Vermieter, zwei wesentliche Mängel zu beseitigen:

Treppenhaus: Die provisorischen Bretterplatten vor den Fenstern müssen entfernt und die Wandöffnungen ordnungsgemäß verschlossen werden. Das Treppenhaus war seit Jahren in einem desolaten Zustand, nachdem für einen geplanten Fahrstuhl Fenster entfernt worden waren.

Heizkörper: Der defekte Heizkörper in einem Zimmer muss repariert werden. Funktionsfähige Heizungen gehören zum Mindeststandard jeder Mietwohnung.

Mietminderung teilweise berechtigt

Das Gericht sprach der Mieterin auch eine Mietminderung zu:

  • 5 Prozent für Februar 2022 bis März 2023 wegen des defekten Heizkörpers
  • 20 Prozent für April 2023 bis Oktober 2023 wegen zusätzlicher Schimmelbildung
  • 5 Prozent ab Oktober 2023 bis zur Reparatur des Heizkörpers

Andere geforderte Mängelbeseitigungen lehnte das Gericht ab, da sie nicht vertraglich geschuldet waren oder keinen erheblichen Mangel darstellten.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Mieter

Zahlen Sie bei unklarer Rechtslage nicht vorschnell. Wenn während eines Mieterhöhungsverfahrens ein Eigentümerwechsel stattfindet, sollten Sie prüfen, wer tatsächlich Anspruch auf die rückwirkenden Beträge hat. Im Zweifel können Sie vom neuen Vermieter eine Abtretungserklärung des Vorbesitzers verlangen.

Dokumentieren Sie Mängel sorgfältig. Das Urteil zeigt, dass Mieter durchaus erfolgreich Mängelbeseitigung durchsetzen können. Wichtig ist eine detaillierte Dokumentation und rechtzeitige Mängelanzeige.

Für Vermieter

Klären Sie Forderungsübergänge im Kaufvertrag. Als neuer Eigentümer sollten Sie sich alle bestehenden Mietforderungen explizit abtreten lassen. Verlassen Sie sich nicht darauf, dass das Fälligkeitsprinzip automatisch greift.

Prüfen Sie vor Kündigungen die Rechtslage gründlich. Bei komplexen Rechtsfragen kann eine vorschnelle Kündigung unwirksam sein, wenn dem Mieter kein Verschulden vorgeworfen werden kann.

Praktische Tipps für beide Seiten

Mieter sollten bei Eigentümerwechseln nicht in Panik geraten, sondern die Rechtslage sorgfältig prüfen. Bei strittigen Forderungen ist es oft sinnvoll, zunächst unstreitige Beträge zu zahlen und rechtliche Beratung zu suchen.

Vermieter sind gut beraten, beim Immobilienerwerb alle mietrechtlichen Aspekte vertraglich zu regeln. Eine pauschale Übernahme aller Rechte und Pflichten reicht oft nicht aus.

Ausblick: Rechtssicherheit gefordert

Das Urteil verdeutlicht einen wichtigen Punkt: Die Rechtsprechung zu Mieterhöhungen bei Eigentümerwechseln ist noch nicht abschließend geklärt. Dies führt zu Rechtsunsicherheit für alle Beteiligten.

Der Bundesgerichtshof wird vermutlich bald eine grundsätzliche Entscheidung treffen müssen. Bis dahin sollten Mieter und Vermieter bei solchen Konstellationen besonders vorsichtig agieren und rechtlichen Rat einholen.

Die Entscheidung des Landgerichts Kiel zeigt einmal mehr: Mietrecht ist komplex, und vorschnelle Entscheidungen können teuer werden. Sowohl Mieter als auch Vermieter profitieren von einer besonnen Herangehensweise an rechtlich umstrittene Fragen.


Quelle: Landgericht Kiel, Urteil vom 28.05.2024, Az. 1 S 119/23

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