Fristlose Kündigung wegen rassistischer Beleidigung zulässig
Der Ausgangssachverhalt
Die Mieterin bewohnte eine Wohnung in Hannover, die sie ursprünglich von einer Firma angemietet hatte. Im Jahr 2023 erwarb ein neuer Eigentümer das Grundstück und trat in das bestehende Mietverhältnis ein. Das Verhältnis zwischen dem neuen Vermieter und der Mieterin gestaltete sich offenbar zunehmend schwierig.
Kurz vor Weihnachten 2024 suchte der Vermieter die Mieterin an ihrer Wohnanschrift auf. Bei diesem Besuch am späten Nachmittag kam es zu einem folgenschweren Wortwechsel. Nach Darstellung des Vermieters beleidigte ihn die Mieterin auf rassistische und menschenverachtende Weise. Sie soll unter anderem Ausdrücke wie "Ihr Kanacken" und "Scheiß Ausländer" verwendet und dabei auch auf die nationalsozialistische Judenverfolgung angespielt haben. Dabei soll sie gedroht haben, dass mit der AfD ähnliche Verhältnisse wie zur Zeit des Holocausts eintreten würden.
Wenige Tage nach dem Vorfall, am 27. Dezember 2024, kündigte der Vermieter das Mietverhältnis fristlos und hilfsweise ordentlich. Er setzte der Mieterin eine kurze Frist zur Räumung der Wohnung. Als diese der Aufforderung nicht nachkam, erhob der Vermieter Räumungsklage vor dem Amtsgericht.
Die Verteidigung der Mieterin
Die Mieterin bestritt die Vorwürfe vehement. Sie behauptete, am fraglichen Tag gar nicht zu Hause gewesen zu sein. Stattdessen habe sie ihre Tochter und eine Nachbarin besucht. Die rassistischen Äußerungen habe sie niemals getätigt. Vielmehr warf sie dem Vermieter vor, sie bereits zuvor eingeschüchtert und unter Druck gesetzt zu haben.
Die Mieterin argumentierte zudem, der Vermieter habe keinen legitimen Grund für seinen unangekündigten Besuch gehabt, da er bereits einen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hatte.
Nach Ansicht der Mieterin war der gesamte Besuch eine gezielte Provokation, um einen Kündigungsgrund zu konstruieren. Ein Treffen zwischen ihr und dem Vermieter habe an diesem Tag schlicht nicht stattgefunden.
Die Beweisaufnahme vor Gericht
Um die Wahrheit herauszufinden, vernahm das Gericht mehrere Zeugen. Dabei stellte sich heraus, dass zum Zeitpunkt des Vorfalls weitere Personen in unmittelbarer Nähe anwesend waren. Zwei Zeugen hatten sich im Treppenhaus befunden und konnten das Gespräch zwischen Vermieter und Mieterin zumindest teilweise mithören.
Die Zeugen gaben an, zunächst selbst in ein eigenes Gespräch vertieft gewesen zu sein. Erst als die Lautstärke an der Wohnungstür der Mieterin zunahm und die beleidigenden Äußerungen fielen, wurden sie aufmerksam. Beide Zeugen fühlten sich durch die rassistischen Aussagen selbst persönlich angegriffen, da sie ebenfalls einen Migrationshintergrund haben.
Die Mieterin benannte ihrerseits eine Zeugin, die ihre Version bestätigen sollte. Diese Zeugin war jedoch nicht vollständig glaubwürdig. Ihre Aussagen widersprachen sogar teilweise den Angaben der Mieterin selbst. Während die Mieterin behauptete, ihre Nachbarin besucht zu haben, gab die Zeugin an, die Mieterin zu Hause besucht zu haben. Auch die zeitlichen Abläufe passten nicht zusammen.
Die rechtliche Bewertung
Das Gericht musste prüfen, ob die Voraussetzungen für eine außerordentliche fristlose Kündigung nach Paragraf 543 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorlagen. Diese Vorschrift erlaubt eine fristlose Kündigung, wenn dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ende der regulären Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar ist.
Nach Würdigung aller Beweise kam das Gericht zu der Überzeugung, dass das Treffen am 22. Dezember 2024 tatsächlich stattgefunden hatte und die Mieterin die rassistischen Beleidigungen geäußert hatte. Die Aussagen der beiden Zeugen waren nach Ansicht des Gerichts glaubhaft und überzeugend. Sie konnten Details zum Randgeschehen schildern und auch ihre emotionalen Reaktionen nachvollziehbar beschreiben.
Das Gericht hielt es für unproblematisch, dass der Vermieter ohne vorherige Ankündigung bei seiner Mieterin geklingelt hatte. Ein Vermieter sei grundsätzlich berechtigt, bei seinem Mieter zu erscheinen. Es liege dann an der Mieterin zu entscheiden, ob sie ein Gespräch führen möchte. Eine gezielte Provokation oder Einschüchterung konnte das Gericht nicht erkennen. Auch die Tatsache, dass der Vermieter bereits einen Anwalt beauftragt hatte, hindere ihn nicht daran, selbst Handlungen vorzunehmen.
Die vom Gericht festgestellten Äußerungen wertete es eindeutig als rassistisch und menschenverachtend. Nach dieser massiven persönlichen Attacke sei es dem Vermieter nicht mehr zumutbar, an dem Mietverhältnis festzuhalten.
Die Kündigung erfüllte zudem alle formalen Anforderungen. Sie war schriftlich erfolgt und ausreichend begründet, wie es das Gesetz für Kündigungen verlangt.
Die gerichtliche Entscheidung
Das Amtsgericht Hannover gab der Räumungsklage des Vermieters vollumfänglich statt. Die Mieterin wurde zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verurteilt. Allerdings gewährte das Gericht ihr eine Räumungsfrist bis Ende März 2026. Diese Frist sollte der Mieterin ausreichend Zeit geben, sich eine neue Wohnung zu suchen.
Bei der Bemessung dieser Frist berücksichtigte das Gericht die Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt in Hannover. Es ging davon aus, dass es dort bei entsprechenden Bemühungen möglich ist, innerhalb von etwa sechs Monaten eine vergleichbare Wohnung zu finden.
Die Kosten des Rechtsstreits muss die Mieterin tragen, da sie den Prozess verloren hat. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wobei die Mieterin die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung abwenden kann.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Diese Entscheidung zeigt deutlich, dass rassistische Beleidigungen im Mietverhältnis schwerwiegende Konsequenzen haben können. Das Vertrauensverhältnis zwischen Vermieter und Mieter ist ein wesentlicher Bestandteil des Mietvertrags. Wird dieses Vertrauen durch menschenverachtende Äußerungen zerstört, kann dies die fristlose Kündigung rechtfertigen.
Für Mieter bedeutet dies, dass sie auch in emotional aufgeladenen Situationen auf ihre Wortwahl achten müssen. Selbst wenn Streitigkeiten mit dem Vermieter bestehen, rechtfertigt dies niemals rassistische oder diskriminierende Äußerungen. Solche Beleidigungen können zum sofortigen Verlust der Wohnung führen.
Vermieter sollten wissen, dass sie bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen ihrer Mieter nicht hilflos sind. Bei rassistischen Beleidigungen oder anderen gravierenden Vorfällen steht ihnen das Instrument der außerordentlichen Kündigung zur Verfügung. Allerdings müssen sie die Vorwürfe vor Gericht beweisen können. In diesem Fall waren Zeugenaussagen entscheidend.
Das Urteil verdeutlicht auch, dass unangekündigte Besuche des Vermieters beim Mieter grundsätzlich zulässig sind. Dies gilt selbst dann, wenn bereits ein Anwalt beauftragt wurde. Allerdings darf der Besuch nicht dem Zweck dienen, den Mieter einzuschüchtern oder zu provozieren.
Wichtig ist zudem, dass das Gericht trotz der schwerwiegenden Verfehlung der Mieterin eine angemessene Räumungsfrist gewährt hat. Diese soziale Komponente des Mietrechts zeigt, dass selbst bei berechtigter fristloser Kündigung die Interessen aller Beteiligten abgewogen werden. Die Mieterin erhält ausreichend Zeit, sich neu zu orientieren und eine andere Wohnung zu finden.
Die Entscheidung unterstreicht letztlich, dass im Mietrecht zwar der Bestandsschutz des Mieters grundsätzlich stark ausgeprägt ist, dieser Schutz aber dort seine Grenzen findet, wo fundamentale gesellschaftliche Werte verletzt werden. Rassismus und Menschenverachtung gehören nicht zu den legitimen Verhaltensweisen, die durch den Mieterschutz abgedeckt werden.
Quellenangabe
Amtsgericht Hannover, Urteil vom 10.09.2025, Az.: 465 C 781/25
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