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Eigenbedarfskündigung scheitert bei mangelnder Begründung des Nutzungsinteresses

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Eine Eigenbedarfskündigung muss konkret begründen, warum die Bedarfsperson ausgerechnet diese Wohnung benötigt. Reicht es nicht aus, wenn bereits eine moderne Alternative vorhanden ist?
junge Studentin sitzt mit einem Laptop auf ihrem Bett
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall aus der Praxis

Ein Vermieter wollte seine seit 2007 vermietete Wohnung für seine Nichte zurückhaben. Die junge Frau absolviert eine duale Ausbildung bei einer Bank und wohnt in einem modernen Studentenwohnheim. Obwohl seine aktuelle Unterkunft nur knapp über 19 Quadratmeter groß ist, scheiterte die Kündigung vor dem Amtsgericht Kreuzberg.

Das Besondere an diesem Fall: Die Nichte hatte erst wenige Monate zuvor ein zeitgemäßes Appartement in einem Studentenwohnheim bezogen, das zudem näher an seinem Arbeitsplatz lag als die gekündigte Wohnung.

Was die Vermieter falsch gemacht haben

Die Vermieter begingen einen entscheidenden Fehler bei der Formulierung ihrer Eigenbedarfskündigung. Sie erwähnten zwar, dass die Nichte derzeit nur über einen kleinen Wohnraum verfüge, erklärten aber nicht überzeugend, warum er trotz seiner bestehenden Wohnsituation in die gekündigte Wohnung ziehen wollte.

Die problematische Formulierung: In der Kündigung hieß es lediglich: "Nach Ihrem Auszug aus der Wohnung wird Frau J. selbst die Wohnung beziehen und persönlich für sich nutzen." Diese Aussage blieb jedoch völlig unkonkret und ließ das eigentliche Nutzungsinteresse im Dunkeln.

Rechtliche Anforderungen an die Eigenbedarfskündigung

Das Gesetz verlangt in Paragraph 573 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, dass Vermieter ihre Kündigungsgründe ausführlich darlegen müssen. Die Kündigung muss so detailliert sein, dass der Mieter sofort erkennen kann, ob er Aussichten auf eine erfolgreiche Gegenwehr hat.

Diese Vorschrift dient dem Schutz der Mieter. Sie sollen frühzeitig Klarheit über ihre Rechtsposition erhalten und rechtzeitig alle notwendigen Schritte einleiten können. Schließlich ist die Wohnung für jeden Mieter der Mittelpunkt seines Lebens.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Amtsgericht Kreuzberg stellte fest, dass die Eigenbedarfskündigung formell unwirksam war. Die Richter sahen es als nicht nachvollziehbar an, warum die Nichte ihre moderne Studentenunterkunft aufgeben und in die gekündigte Wohnung ziehen sollte.

"Es liegt nicht auf der Hand und bedarf einer Erklärung, dass und warum die Nichte, die im August 2023 ein an den Bedürfnissen von Studenten ausgerichtetes, modernes Appartement bezogen hat, welches zudem näher an ihrer Arbeitsadresse gelegen ist, nunmehr in die streitgegenständliche Wohnung einziehen will."

Das Gericht betonte, dass ein Mindestmaß an Anforderungen für die Darlegung eines berechtigten Selbstnutzungswunsches einzuhalten ist. Die Vermieter hätten konkrete Tatsachen und Erwägungen so deutlich anführen müssen, dass diese aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar erscheinen.

Warum die Begründung unzureichend war

Mehrere Faktoren sprachen gegen die Plausibilität der Eigenbedarfskündigung. Die Nichte hatte sich erst kürzlich bewusst für das Studentenwohnheim entschieden, das speziell auf die Bedürfnisse von Studenten ausgerichtet war. Zudem lag ihre aktuelle Unterkunft verkehrsgünstiger zu ihrem Arbeitsplatz.

Die Vermieter hätten erklären müssen: Welche konkreten Vorteile die gekündigte Wohnung gegenüber der bestehenden Unterkunft bietet, warum der größere Wohnraum tatsächlich benötigt wird, und aus welchen Gründen die Nichte bereit wäre, auf die Vorteile des Studentenwohnheims zu verzichten.

Konsequenzen für die Beteiligten

Da die Kündigung unwirksam war, blieb das Mietverhältnis bestehen. Die Mieterin konnte in der Wohnung bleiben, und die Vermieter mussten die Gerichtskosten tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, was bedeutet, dass es sofort umgesetzt werden kann.

Die Vermieter hätten theoretisch die Möglichkeit einer Berufung gehabt, allerdings zeigt die ausführliche Begründung des Gerichts, dass die Erfolgsaussichten gering gewesen wären.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Vermieter: Eine Eigenbedarfskündigung erfordert sorgfältige Vorbereitung und detaillierte Begründung. Es reicht nicht aus, lediglich zu behaupten, dass jemand die Wohnung nutzen wird. Sie müssen konkret darlegen, warum die Bedarfsperson ausgerechnet diese Wohnung benötigt und welches Interesse sie daran hat.

Besonders wichtig wird dies, wenn die Bedarfsperson bereits anderweitig untergebracht ist. In solchen Fällen müssen Vermieter überzeugend erklären, warum ein Wohnungswechsel notwendig oder sinnvoll ist.

Für Mieter: Prüfen Sie Eigenbedarfskündigungen kritisch auf ihre Schlüssigkeit. Wenn die Begründung oberflächlich oder unplausibel erscheint, haben Sie gute Chancen, sich erfolgreich zu wehren. Achten Sie besonders darauf, ob die angegebenen Gründe in sich logisch und nachvollziehbar sind.

Das Urteil zeigt auch, dass Gerichte die Interessen langjähriger Mieter ernst nehmen und hohe Anforderungen an die Begründung von Eigenbedarfskündigungen stellen.

Praktischer Tipp: Lassen Sie sich bei einer Eigenbedarfskündigung anwaltlich beraten. Oft zeigen sich erst bei genauer Prüfung die Schwachstellen in der Begründung des Vermieters.

Das Amtsgericht Kreuzberg hat mit diesem Urteil klargestellt, dass Eigenbedarfskündigungen nicht als Vorwand für andere Motive missbraucht werden dürfen. Die Durchsetzung von Eigentümerrechten erfordert eine ehrliche und nachvollziehbare Darlegung des tatsächlichen Bedarfs.


Quelle: AG Kreuzberg, Urteil vom 26.11.2024, Az. 6 C 246/24, IMR 2025, 275

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