Defekte Rollläden rechtfertigen Zurückbehaltung der gesamten Miete


Der Fall: Wasserschaden und defekte Rollläden
Eine Familie mietete eine Erdgeschosswohnung mit zusätzlichen Räumen im Kellergeschoss. Die monatliche Miete betrug über 1.000 Euro zuzüglich Betriebskosten. Was zunächst als normale Mietverhältnis begann, entwickelte sich zu einem komplexen Rechtsstreit über Mängel und Mietminderungen.
Die Probleme begannen mit zwei Wasserschäden: einem zu Jahresbeginn und einem weiteren im November desselben Jahres. Das Kellergeschoss war komplett durchnässt. Zusätzlich funktionierten die Rollläden im Wohnzimmer und in den Kinderzimmern nicht ordnungsgemäß.
Monatelange Beeinträchtigungen
Die Folgen der Wasserschäden waren gravierend. Vom Dezember bis April des Folgejahres standen Trocknungsgeräte in der Wohnung. Das Kellergeschoss mit den Kinderzimmern und einem weiteren Badezimmer war unbewohnbar. Schimmel bildete sich, die Feuchtigkeit zog sich durch die Wände.
Die Familie musste über vier Monate auf einem deutlich kleineren Wohnraum leben. Eigene Zimmer für die Kinder waren nicht vorhanden, die Privatsphäre stark eingeschränkt. Die Stromkosten für die Trocknungsgeräte beliefen sich auf über 300 Euro.
Streit um Mietminderung und Zurückbehaltungsrecht
Die Vermieter akzeptierten zunächst eine Mietminderung von 20 Prozent. Die Mieter sahen dies als unzureichend an und minderten die Miete deutlich stärker. Zusätzlich behielten sie aufgrund der defekten Rollläden eine komplette Monatsmiete zurück.
Als die Vermieter die ausstehenden Beträge als Mietrückstand bewerteten, kündigten sie das Mietverhältnis fristlos. Ihre Begründung: Die Mieter seien mit mehreren Monatsmieten im Rückstand. Die Kündigung sollte das Mietverhältnis sofort beenden.
Rechtliche Bewertung der Mängel
Das Gericht musste verschiedene Rechtsfragen klären. Wie hoch darf eine Mietminderung bei Wasserschäden ausfallen? Berechtigen defekte Rollläden zum Zurückbehalt der kompletten Miete? Und wann ist eine fristlose Kündigung wegen Mietrückständen zulässig?
Diese Fragen sind für Mieter und Vermieter gleichermaßen relevant, da sie die Grenzen der jeweiligen Rechte abstecken.
Gerichtsentscheidung: Mieter im Recht
Das Amtsgericht Friedberg gab den Mietern in allen wesentlichen Punkten Recht und wies die Räumungsklage vollständig ab. Die Begründung des Gerichts zeigt wichtige Grundsätze für ähnliche Fälle auf.
60 Prozent Mietminderung bei Wasserschaden
Das Gericht bewertete die Mietminderung von 60 Prozent als angemessen. Die Begründung war eindeutig: Ein vertragsgemäßer Gebrauch der Wohnung war nicht möglich. Für die Minderungshöhe sei ausschließlich die objektive Einschränkung der Nutzbarkeit maßgeblich.
"Für die Bestimmung der Minderungshöhe ist allein die objektive Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit maßgeblich."
Das Gericht berücksichtigte dabei mehrere Faktoren: Die Kinderzimmer standen über Monate nicht zur Verfügung, ein komplettes Badezimmer war unbenutzbar, und die Familie musste sich auf deutlich weniger Wohnraum beschränken. Die ständige Geräuschkulisse und der Stromverbrauch der Trocknungsgeräte verstärkten die Beeinträchtigung zusätzlich.
Rollläden als Sicherheitsrisiko
Besonders interessant ist die Bewertung der defekten Rollläden. Das Gericht sah darin nicht nur einen harmlosen Mangel, sondern ein echtes Sicherheitsrisiko. In einer Erdgeschosswohnung können nicht funktionierende Rollläden nachts zur Gefahr werden.
Die Räume seien für Außenstehende einsehbar und für Einbrecher leicht zu überwinden gewesen. Nach monatelangen erfolglosen Aufforderungen zur Reparatur sei das Zurückbehalten der kompletten Monatsmiete gerechtfertigt gewesen.
"Die fehlende Funktion der Rollläden in einer EG-Wohnung stellt insbesondere nachts ein Sicherheitsrisiko dar und begründet deshalb ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters an der vollen Miete."
Kündigung unwirksam: Keine Mietrückstände
Da das Gericht sowohl die hohe Mietminderung als auch das Zurückbehaltungsrecht als berechtigt ansah, lagen keine echten Mietrückstände vor. Die fristlose Kündigung der Vermieter war daher unwirksam.
Das Zurückbehaltungsrecht verhinderte den Verzugseintritt. Solange ein berechtigter Mangel vorliegt, dürfen Mieter ihre Zahlungen zurückhalten, um Druck auf die Beseitigung auszuüben. Wichtig dabei: Der einbehaltene Betrag muss in einem angemessenen Verhältnis zum Mangel stehen.
Heilung durch nachträgliche Zahlung
Interessant ist auch der zeitliche Ablauf: Am Tag der Kündigung reparierten die Vermieter endlich die Rollläden. Am selben Tag überwies die Mieterin die zurückbehaltene Miete. Das Gericht sah darin eine sogenannte Heilung - selbst wenn Mietrückstände bestanden hätten, wären sie durch die prompte Zahlung beseitigt worden.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Mieter: Ihre Rechte bei Mängeln
Das Urteil stärkt die Position von Mietern erheblich. Bei schwerwiegenden Mängeln sind hohe Mietminderungen möglich - in diesem Fall sogar 60 Prozent. Entscheidend ist die objektive Beeinträchtigung der Wohnnutzung, nicht das subjektive Empfinden.
Sicherheitsmängel besonders gewichtet: Defekte Rollläden in Erdgeschosswohnungen werden als Sicherheitsrisiko eingestuft. Das berechtigt zum Zurückbehalt der kompletten Miete bis zur Reparatur.
Zurückbehaltungsrecht als Druckmittel: Wenn Vermieter auf Mängelbeseitigung nicht reagieren, dürfen Mieter ihre Zahlungen zurückhalten. Der einbehaltene Betrag muss jedoch angemessen sein.
Für Vermieter: Mängel ernst nehmen
Vermieter sollten Mängel schnell und gründlich beseitigen. Das Urteil zeigt: Wer Reparaturen verschleppt, riskiert hohe Mietausfälle und kann nicht erfolgreich kündigen.
Wasserschäden sofort angehen: Bei Feuchtigkeit und Schimmel sind Minderungen von 60 Prozent und mehr möglich. Schnelle professionelle Sanierung ist günstiger als monatelange Mietausfälle.
Sicherheitsaspekte beachten: Besonders bei Erdgeschosswohnungen haben funktionierende Rollläden hohe Bedeutung. Defekte sollten umgehend repariert werden.
Praktische Tipps für beide Seiten
Dokumentation ist wichtig: Fotografieren Sie Mängel ausführlich. Bei Wasserschäden sollten Feuchtigkeitsmessungen und Schadensberichte erstellt werden.
Kommunikation schriftlich: Mängelmeldungen und Reparaturaufforderungen sollten immer schriftlich erfolgen. Setzen Sie angemessene Fristen für die Beseitigung.
Verhältnismäßigkeit wahren: Mietminderungen und Zurückbehaltungen müssen zum Mangel passen. Übertreibungen schwächen die Rechtsposition.
Professionelle Hilfe: Bei komplexen Fällen sollten beide Seiten rechtlichen Rat einholen. Oft lassen sich Streitigkeiten durch frühzeitige Beratung vermeiden.
Wichtige Unterscheidung: Minderung vs. Zurückbehaltung
Das Urteil verdeutlicht einen wichtigen Unterschied: Mietminderung und Zurückbehaltungsrecht sind verschiedene Rechtsinstitute mit unterschiedlichen Voraussetzungen.
Die Mietminderung reduziert die Miete dauerhaft um einen bestimmten Prozentsatz, solange der Mangel besteht. Sie richtet sich nach der objektiven Beeinträchtigung der Wohnnutzung.
Das Zurückbehaltungsrecht berechtigt zur kompletten Verweigerung der Mietzahlung bis zur Mängelbeseitigung. Es dient als Druckmittel und setzt voraus, dass der Vermieter nicht auf Mängelbeseitigung reagiert.
Fazit: Starke Mieterrechte bei echten Mängeln
Das Friedberger Urteil zeigt: Bei echten und erheblichen Wohnungsmängeln haben Mieter starke Rechte. Wasserschäden mit Schimmelbildung können Mietminderungen von 60 Prozent rechtfertigen. Sicherheitsmängel wie defekte Rollläden in Erdgeschosswohnungen berechtigen sogar zum kompletten Zahlungsstopp.
Gleichzeitig wird deutlich: Vermieter können nicht erfolgreich kündigen, wenn die Mietrückstände auf berechtigten Mängelrechten beruhen. Wer als Vermieter Reparaturen verschleppt, trägt das wirtschaftliche Risiko hoher Mietausfälle.
Für beide Seiten gilt: Mängel sollten schnell, sachlich und lösungsorientiert angegangen werden. Dann lassen sich langwierige Rechtsstreitigkeiten meist vermeiden.
Quelle: Amtsgericht Friedberg, Urteil vom 20.11.2024, Az. 2 C 380/24
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