WEG: Schadensersatzpflicht bei Verwalterfehlern


Wenn der Verwalter stur bleibt
Stellen Sie sich vor: Sie sind Wohnungseigentümer und bemerken, dass Ihr Verwalter bei der Hausgeldumlage einen falschen Miteigentumsanteil zugrunde legt. Sie weisen ihn mehrfach darauf hin, doch er ignoriert Ihre berechtigten Einwände hartnäckig. Schließlich beauftragen Sie einen Rechtsanwalt, um Ihre Rechte durchzusetzen. Können Sie später die Anwaltskosten von der Eigentümergemeinschaft zurückverlangen?
Mit dieser Frage musste sich das Amtsgericht Neuss in einem aktuellen Urteil beschäftigen. Die Antwort fällt überraschend differenziert aus und zeigt wichtige Grenzen der Schadensersatzpflicht bei Verwalterfehlern auf.
Der konkrete Fall
Ein Wohnungseigentümer geriet mit seinem Verwalter in Konflikt wegen seines Miteigentumsanteils. Laut Grundbuch und Teilungserklärung betrug sein Anteil 1.823 von 100.000 Anteilen. Der Verwalter rechnete jedoch kontinuierlich mit einem deutlich höheren Anteil von 2.022 von 10.000 Anteilen ab.
Der Eigentümer erkannte den Fehler und wandte sich bereits vor der geplanten Eigentümerversammlung mehrfach an den Verwalter. Er wies auf den korrekten Miteigentumsanteil hin und bat um Erläuterung des verwendeten Umlageschlüssels. Zusätzlich übersandte er dem Verwalter sogar das Protokoll einer Eigentümerversammlung aus dem Jahr 1982, das verdeutlichte, dass eine damals geplante Änderung der Miteigentumsanteile nie tatsächlich im Grundbuch eingetragen worden war.
Doch der Verwalter blieb bei seiner falschen Auffassung und ignorierte alle Hinweise konsequent.
Anwalt bringt auch nichts
Nachdem seine eigenen Bemühungen erfolglos blieben, beauftragte der Eigentümer einen Rechtsanwalt. Dieser kontaktierte den Verwalter noch vor der Eigentümerversammlung zweimal und wies ebenfalls auf den korrekten Miteigentumsanteil hin. Auch die anwaltlichen Schreiben verhallten ungehört.
Bei der Eigentümerversammlung beschloss die Gemeinschaft schließlich die Jahresabrechnungen und Wirtschaftspläne basierend auf dem fehlerhaften Miteigentumsanteil. Der betroffene Eigentümer focht diese Beschlüsse später erfolgreich vor Gericht an. Das Amtsgericht erklärte die Beschlüsse für unwirksam, da sie wegen des falschen Miteigentumsanteils nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprachen.
Forderung nach Kostenerstattung
Nach diesem Erfolg verlangte der Eigentümer von der Eigentümergemeinschaft Ersatz für seine Rechtsanwaltskosten. Seine Argumentation war nachvollziehbar: Die Gemeinschaft hafte für das Fehlverhalten ihres Verwalters. Dieser habe seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Beschlussvorbereitung verletzt, indem er trotz mehrfacher Hinweise fehlerhafte Beschlussvorlagen erstellte.
Die Eigentümergemeinschaft sah das anders und wehrte sich gegen die Kostenforderung. Sie argumentierte, der Eigentümer hätte vor der Versammlung Einsicht in die Verwalterunterlagen nehmen können. Außerdem sei die Beauftragung eines Rechtsanwalts vor der Versammlung weder erforderlich noch zweckmäßig gewesen, da der Verwalter die geforderte Änderung bereits abgelehnt hatte.
Rechtliche Bewertung des Gerichts
Das Amtsgericht Neuss bestätigte zunächst die grundsätzlichen Rechtsprinzipien: Bei Schäden durch Verwalter-Pflichtverletzungen kann der betroffene Wohnungseigentümer von der Gemeinschaft Schadensersatz verlangen. Die Gemeinschaft haftet für ihren Verwalter entsprechend den allgemeinen Haftungsregeln.
Eine Haftung kommt insbesondere bei Fehlern in der Beschlussvorbereitung in Betracht. Denn der Verwalter hat die wichtige Aufgabe, Beschlüsse ordnungsgemäß vorzubereiten und die Eigentümer mit zutreffenden und ausreichenden Informationen zu versorgen. Nur so kann die Gemeinschaft ordnungsgemäße Beschlüsse fassen.
Im vorliegenden Fall lag eine klare Pflichtverletzung vor: Der Verwalter hatte mehrfachen Nachfragen und Hinweisen zum falschen Miteigentumsanteil nicht entsprochen und trotzdem fehlerhafte Beschlussvorlagen erstellt.
Zweckmäßigkeit als entscheidender Faktor
Obwohl eine Pflichtverletzung vorlag, verneinte das Gericht dennoch einen Schadensersatzanspruch. Der entscheidende Punkt war die fehlende Zweckmäßigkeit der Rechtsanwaltsbeauftragung.
Die Ersatzpflicht für Rechtsanwaltskosten setzt voraus, dass die Inanspruchnahme eines Anwalts aus damaliger Sicht erforderlich und zweckmäßig war. Genau daran fehlte es hier.
Das Gericht argumentierte: Der Eigentümer konnte aufgrund des bisherigen Verhaltens des Verwalters nicht davon ausgehen, dass erneute Einwände durch einen Rechtsanwalt zu einem Umdenken führen würden. Der Verwalter hatte schließlich bereits sechsmal ablehnend oder gar nicht auf die Hinweise reagiert. Noch in seiner letzten E-Mail hatte er rechtlich falsch argumentiert und gezeigt, dass er sowohl rechtlich als auch tatsächlich uneinsichtig war.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Diese Entscheidung enthält wichtige Lektionen für Wohnungseigentümer:
Dokumentieren Sie Verwalter-Fehler sorgfältig. Wenn Sie Fehler bei der Verwaltung bemerken, weisen Sie den Verwalter schriftlich darauf hin und bewahren Sie alle Korrespondenz auf. Diese Dokumentation kann später wichtig werden.
Prüfen Sie die Erfolgsaussichten einer anwaltlichen Intervention. Zeigt sich der Verwalter bereits bei direkter Ansprache vollkommen uneinsichtig und ignorant, bringt auch ein Anwaltsschreiben oft nichts. In solchen Fällen kann es wirtschaftlicher sein, direkt den Weg der Beschlussanfechtung zu wählen.
Nutzen Sie die nachträglichen Rechtsschutzmöglichkeiten. Das Wohnungseigentumsgesetz setzt primär auf nachträglichen Rechtsschutz gegen fehlerhafte Beschlüsse. Die Anfechtung unwirksamer Beschlüsse ist oft der direktere und kostengünstigere Weg als der Versuch einer Vorab-Korrektur.
Wählen Sie Ihre Rechtsstrategien bewusst. Manchmal ist der kostengünstigere Weg auch der erfolgversprechendere. Statt teure Anwaltsschreiben zu versenden, die bei einem ignoranten Verwalter ohnehin wirkungslos bleiben, kann die direkte Beschlussanfechtung die bessere Option sein.
Grenzen der Verwalterhaftung
Das Urteil zeigt auch die praktischen Grenzen der Verwalterhaftung auf. Zwar haftet die Eigentümergemeinschaft grundsätzlich für Pflichtverletzungen ihres Verwalters, aber nicht jede theoretisch mögliche Schadensvermeidungsmaßnahme ist auch erstattungsfähig.
Die Rechtsprechung verlangt eine vernünftige Abwägung: Waren die ergriffenen Maßnahmen aus damaliger Sicht geeignet, den Schaden zu vermeiden oder zu verringern? Bei einem nachweislich ignoranten Verwalter kann diese Frage durchaus verneint werden.
Praktische Empfehlungen
Für den Umgang mit Verwalterfehlern ergeben sich folgende Empfehlungen:
Sprechen Sie Fehler zunächst direkt an. Geben Sie dem Verwalter die Chance zur Korrektur und dokumentieren Sie seine Reaktion. Zeigt er sich kooperativ, können weitere Schritte oft vermieden werden.
Bewerten Sie die Erfolgsaussichten realistisch. Reagiert der Verwalter bereits bei direkter Ansprache ignorant oder rechthaberisch, werden auch teure Anwaltsschreiben meist nichts bewirken. In diesem Fall ist die spätere Beschlussanfechtung oft der bessere Weg.
Informieren Sie andere Eigentümer. Oft sind Sie nicht der einzige Betroffene. Andere Eigentümer haben möglicherweise ähnliche Probleme bemerkt und können Sie unterstützen.
Prüfen Sie einen Verwalterwechsel. Bei wiederholten Problemen und mangelnder Kooperationsbereitschaft sollten Sie einen Verwalterwechsel in Erwägung ziehen. Dies erfordert zwar einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft, kann aber langfristig die beste Lösung sein.
Die Entscheidung des Amtsgerichts Neuss macht deutlich: Wohnungseigentümer haben durchaus Rechte gegen Verwalter-Pflichtverletzungen, müssen aber ihre Rechtsverfolgung klug und wirtschaftlich vernünftig gestalten. Nicht jeder denkbare Schritt ist auch erstattungsfähig - manchmal ist weniger mehr.
Quelle: AG Neuss, Urteil vom 12.02.2025, Az. 82 C 2493/23
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