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Mietminderung ohne Berechtigung: Wann Sie ein Risiko eingehen

Der beste Anwalt für Mietrecht
Wenn Sie als Mieter die Miete mindern, sollten Sie sich der möglichen Konsequenzen bewusst sein. Ein aktuelles Urteil zeigt, dass unbegründete Mietminderungen zum Verlust der Wohnung führen können.
Bild von Hans auf Pixabay

Worum ging es in dem Fall?

Ein Mieter in Wiesbaden hatte über einen längeren Zeitraum seine Miete gemindert. Als Begründung führte er verschiedene Mängel an:

  • Uringeruch im Treppenhaus und angeblich auch in seiner Wohnung
  • Eine defekte Haustür, die nicht verschließbar war
  • Regelmäßig überfüllte Mülltonnen mit Geruchsbelästigung

Der Vermieter akzeptierte diese Mietminderung nicht, mahnte den Mieter wiederholt und kündigte schließlich das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs. Daraufhin kam es zum Rechtsstreit, der zunächst vor dem Amtsgericht Wiesbaden und nach Berufung des Mieters vor dem Landgericht Wiesbaden verhandelt wurde.

Die strittigen Punkte

Der zentrale Streitpunkt war, ob die vom Mieter angeführten Mängel tatsächlich vorlagen und ob sie eine Mietminderung in der vorgenommenen Höhe rechtfertigten.

Der Mieter behauptete:

  • Im Treppenhaus und in seiner Wohnung sei ein Uringeruch wahrnehmbar gewesen, der von den Toiletten eines Restaurants im Erdgeschoss ausgehe.
  • Die Haustür sei nicht verschließbar gewesen, wodurch Dritte Zugang zum Gebäude erhielten und im Innenhof urinierten oder nächtigten.
  • Die Mülltonnen seien regelmäßig überfüllt gewesen, was zu Würmerbefall und starkem Gestank geführt habe, der bis in seine Wohnung vorgedrungen sei.

Die Vermieterin bestritt diese Darstellung:

  • Sie habe nach Kenntnis der Probleme Abhilfe geschaffen.
  • Die vom Mieter vorgelegten Fotos würden keinen dauerhaften Mangel beweisen.
  • Andere Mieter hätten sich nie über die genannten Probleme beschwert.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Wiesbaden bestätigte das Urteil des Amtsgerichts und wies die Berufung des Mieters zurück. Dabei kam es zu folgenden Feststellungen:

  1. Zur Beweislast: Der Mieter trägt grundsätzlich die Beweislast für die von ihm behaupteten Mängel. Bestehen Zweifel – insbesondere bei widersprüchlichen Zeugenaussagen – gehen diese zu seinen Lasten.
  2. Zu den einzelnen Mängeln:
    • Uringeruch: Das Gericht konnte keinen dauerhaften Uringeruch im Treppenhaus oder in der Wohnung feststellen. Die Zeugenaussagen waren widersprüchlich.
    • Defekte Haustür: Hier erkannte das Gericht einen Mangel an, jedoch nur für einen begrenzten Zeitraum (19.10.2022 bis 30.10.2022). Nach einer Reparatur hätte der Mieter erneut auftretende Probleme melden müssen.
    • Überfüllte Mülltonnen: Das Gericht bestätigte Probleme mit überfüllten Mülltonnen und damit verbundene Geruchsbelästigungen im Außenbereich, konnte aber keine dauerhafte Beeinträchtigung im Treppenhaus oder in der Wohnung feststellen.
  3. Zur Höhe der Mietminderung: Das Gericht setzte folgende Minderungsquoten fest:
    • 5% für die defekte Haustür (nur für den begrenzten Zeitraum)
    • 5-7% für die überfüllten Mülltonnen
  4. Zur Verwirkung: Der Mieter argumentierte vergeblich, dass die Vermieterin ihre Ansprüche auf die rückständigen Mieten verwirkt habe. Das Gericht stellte fest, dass es am sogenannten "Umstandsmoment" fehle – der Mieter konnte nicht darauf vertrauen, dass die Vermieterin die Mieten nicht mehr einfordern würde, da sie seinen Mietminderungen stets widersprochen hatte.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil enthält wichtige Lehren für Mieter, die eine Mietminderung in Erwägung ziehen:

  1. Dokumentation ist entscheidend: Mängel sollten detailliert und nachweisbar dokumentiert werden (z.B. durch datierte Fotos, Zeugenaussagen, Protokolle).
  2. Mängel unverzüglich melden: Treten Mängel auf oder kehren sie nach einer Reparatur zurück, müssen sie dem Vermieter umgehend gemeldet werden, damit dieser die Möglichkeit hat, Abhilfe zu schaffen.
  3. Angemessene Minderungshöhe wählen: Die Gerichte legen bei der Bewertung von Mängeln oft strengere Maßstäbe an, als Mieter vermuten. Im vorliegenden Fall hielt das Gericht maximal 7% für angemessen, während der Mieter von mindestens 28% ausging.
  4. Vorsicht bei dauerhafter Mietminderung: Wenn der Vermieter der Mietminderung widerspricht, riskieren Mieter bei einer unberechtigt hohen Minderung einen Zahlungsrückstand, der zur Kündigung führen kann.
  5. Der Zeitfaktor: Beachten Sie, dass das Gericht bei der defekten Haustür nur einen kurzen Minderungszeitraum akzeptierte. Nach einer Reparatur darf nicht ohne erneute Mängelanzeige weiter gemindert werden.

Besonders wichtig: Das Gericht betonte den Grundsatz, dass an einem Vertrauenstatbestand für die Verwirkung stets dann fehlt, wenn ein Mieter die Miete mindert und der Vermieter dieser Minderung widerspricht. Mit anderen Worten: Wenn Ihr Vermieter Ihre Mietminderung nicht akzeptiert und dies deutlich kommuniziert, können Sie sich später nicht darauf berufen, er habe auf die Mietzahlung verzichtet.

Für Mieter bedeutet dies: Eine Mietminderung sollte wohlüberlegt sein und auf einer soliden Dokumentation der Mängel beruhen. Im Zweifel ist es ratsam, juristischen Rat einzuholen, bevor man sich für eine dauerhafte Mietminderung entscheidet.

Quelle

Landgericht Wiesbaden, Urteil vom 04.09.2024, Az. 3 S 13/24

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