Makler können keine anteiligen Bürokosten abrechnen


Wenn sich Lebensumstände ändern
Ein Ehepaar wollte sein Einfamilienhaus verkaufen und beauftragte dafür eine Immobilienmaklerin. Der Maklervertrag sah umfangreiche Leistungen vor: professionelle Fotos, ein Immobilienvideo, Objektdokumentation und eine detaillierte Marktwertermittlung. Das Haus sollte für eine beträchtliche Summe angeboten werden.
Doch dann änderten sich die Umstände dramatisch. Der Ukraine-Krieg führte zu stark steigenden Energiekosten. Die geplante Folgeimmobilie war energetisch nicht auf dem gewünschten Stand, und der Kauf wurde zu teuer. Das Ehepaar musste seine Verkaufsabsicht vorübergehend aufgeben.
Die Maklerin reagierte prompt: Sie stellte eine Rechnung über mehrere tausend Euro aus. Neben echten Fremdkosten forderte sie auch Geld für über 160 Arbeitsstunden à mehr als 60 Euro pro Stunde. Die Verkäufer zahlten zunächst einen Teil der Rechnung, zweifelten dann aber an der Rechtmäßigkeit der Forderung.
Was stand im Maklervertrag?
Der Streit drehte sich um eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Maklerin. Diese besagte vereinfacht: Wenn der Kunde seine Verkaufsabsicht aufgibt, muss er die konkreten Aufwendungen des Maklers ersetzen. Zu diesen Aufwendungen sollten ausdrücklich auch "anteilige Bürokosten" gehören.
Die entscheidende Frage war: Sind solche Bürokosten wirklich konkrete Aufwendungen für den einzelnen Auftrag? Oder handelt es sich um allgemeine Geschäftskosten, die der Makler sowieso hat?
Die Maklerin argumentierte: Sie habe viel Zeit und Geld in die Vermarktung investiert. Immerhin hatte sie bereits 29 Kaufinteressenten gefunden und 17 Besichtigungen eingeplant. Diese Arbeit müsse entlohnt werden, auch wenn der Verkauf nicht zustande komme.
Die Verkäufer hielten dagegen: Bürokosten sind keine konkreten Aufwendungen, sondern laufende Geschäftskosten. Ein Makler muss sein Büro auch ohne ihren Auftrag unterhalten. Diese Kosten auf Kunden abzuwälzen sei unfair.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Oberlandesgericht Frankfurt gab den Verkäufern recht. Die Klausel über Aufwendungsersatz ist unwirksam, soweit sie anteilige Bürokosten umfasst. Das Gericht begründete dies mit mehreren wichtigen Punkten:
Unterschied zwischen echten und unechten Aufwendungen
Echte Aufwendungen entstehen nur wegen des konkreten Auftrags. Dazu gehören zum Beispiel Fahrtkosten zu Besichtigungen, Kosten für professionelle Fotos des Objekts, Gebühren für Grundbuchauszüge sowie Porto und Telefonkosten für den spezifischen Auftrag.
Unechte Aufwendungen sind dagegen allgemeine Geschäftskosten wie Büromietkosten, allgemeine Büroausstattung, Grundausstattung mit Software und Verwaltungskosten, die unabhängig vom einzelnen Auftrag anfallen.
Verstoß gegen das Leitbild des Maklervertrags
Das Gericht stellte klar: Ein Maklervertrag ist erfolgsabhängig. Der Makler erhält nur dann eine Provision, wenn der Verkauf tatsächlich zustande kommt. Dieses Grundprinzip würde unterlaufen, wenn Makler ihre allgemeinen Geschäftskosten auf Kunden abwälzen könnten.
Die Entschließungsfreiheit des Kunden muss gewahrt bleiben. Jeder Verkäufer muss das Recht haben, seine Verkaufsabsicht aufzugeben, ohne mit hohen Kosten bestraft zu werden. Sonst würde ein unzulässiger Verkaufsdruck entstehen.
Keine Gesamtunwirksamkeit vermeidbar
Die Maklerin hatte gehofft, dass wenigstens ein Teil ihrer Klausel wirksam bleibt. Das Gericht lehnte dies ab. Die Regelung über Aufwendungsersatz war so formuliert, dass echte und unechte Aufwendungen nicht voneinander getrennt werden konnten. Deshalb war die gesamte Klausel unwirksam.
Keine Pflichtverletzung bei Aufgabe der Verkaufsabsicht
Ein wichtiger Nebenpunkt: Verkäufer verletzen keine Vertragspflicht, wenn sie ihre Verkaufsabsicht aufgeben. Das gilt auch bei Alleinaufträgen mit fester Laufzeit. Kunden sind nicht verpflichtet, während der gesamten Vertragslaufzeit verkaufsbereit zu bleiben.
Die einzige Pflicht: Der Makler muss unverzüglich informiert werden, wenn die Verkaufsabsicht aufgegeben wird. So können weitere unnötige Kosten vermieden werden.
Das Gericht betonte: Es ist unerheblich, aus welchen Gründen die Verkaufsabsicht aufgegeben wird. Auch persönliche oder wirtschaftliche Umstände rechtfertigen diese Entscheidung.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Verkäufer
Positive Nachricht: Sie müssen nicht befürchten, bei Aufgabe Ihres Verkaufsvorhabens hohe Kosten für Büroausstattung und Verwaltung des Maklers tragen zu müssen. Nur wirklich konkrete, durch Ihren Auftrag verursachte Kosten können Ihnen in Rechnung gestellt werden.
Prüfen Sie Maklerverträge genau: Achten Sie auf Klauseln zum Aufwendungsersatz. Besonders kritisch sind Formulierungen wie "anteilige Bürokosten", "Verwaltungskosten" oder "Gemeinkosten". Solche Klauseln sind häufig unwirksam.
Bei Problemen: Zahlen Sie umstrittene Rechnungen nicht vorschnell. Lassen Sie sich rechtlich beraten, wenn Makler neben echten Fremdkosten auch pauschale Beträge für Arbeitszeit oder Bürokosten fordern.
Für Makler
Aufwendungsersatz nur bei echten Kosten: Stellen Sie sicher, dass Ihre AGB-Klauseln nur konkrete, auftragsbezogene Aufwendungen umfassen. Allgemeine Geschäftskosten dürfen nicht auf Kunden abgewälzt werden.
Transparenz schaffen: Listen Sie in Abrechnungen genau auf, welche Kosten konkret durch den jeweiligen Auftrag entstanden sind. Pauschalierte Stundensätze, die Bürokosten enthalten, sind problematisch.
Vertragsgestaltung überdenken: Möglicherweise müssen bestehende AGB-Klauseln überarbeitet werden, um rechtssicher zu sein.
Praktische Tipps für Maklerverträge
Vor Vertragsschluss sollten Sie sich alle Kosten transparent erklären lassen und nachfragen, was bei Aufgabe der Verkaufsabsicht passiert. Bestehen Sie auf konkrete Kostenpositionen statt Pauschalen und prüfen Sie, ob kostenlose Zusatzleistungen bei Problemen trotzdem berechnet werden.
Während der Zusammenarbeit ist es wichtig, Ihren Makler sofort zu informieren, wenn sich Ihre Verkaufsabsicht ändert. Dokumentieren Sie wichtige Gespräche schriftlich und lassen Sie sich Kostenvoranschläge für zusätzliche Leistungen geben.
Bei Problemen sollten Sie umstrittene Rechnungen nicht sofort zahlen, sondern detaillierte Kostennachweise anfordern und bei größeren Summen rechtlichen Rat suchen.
Ausblick: Mehr Schutz für Verbraucher
Dieses Urteil stärkt die Position von Verbrauchern bei Maklerverträgen erheblich. Es zeigt, dass Gerichte genau prüfen, ob Makler versuchen, ihr wirtschaftliches Risiko unfair auf Kunden abzuwälzen.
Der Grundsatz bleibt: Maklerverträge sind erfolgsabhängig. Das wirtschaftliche Risiko erfolgloser Bemühungen trägt grundsätzlich der Makler. Im Gegenzug erhält er bei erfolgreichem Verkauf eine oft erhebliche Provision.
Für die Praxis bedeutet dies mehr Rechtssicherheit für Verkäufer. Sie können ihre Verkaufsabsicht aufgeben, ohne Angst vor überhöhten Kostenrechnungen haben zu müssen. Gleichzeitig werden Makler ermutigt, ihre Kostenstrukturen transparent und fair zu gestalten.
Quelle: OLG Frankfurt, Urteil vom 23.10.2024, Az. 19 U 134/23
Kontaktieren Sie uns!
Für detaillierte Fragen oder eine individuelle Beratung stehen Ihnen die Experten unserer Kanzlei für Mietrecht in Essen zur Verfügung. Wir helfen Ihnen, die beste Strategie für Ihr spezifisches Anliegen zu entwickeln.
Ihr Recht ist unsere Leidenschaft!

Sie sind ratlos im Streit mit Ihrem Mieter oder Vermieter? Sie stehen vor komplexen Vertragsverhandlungen oder es geht um den Erwerb, Veräußerung oder Vererbung von Immobilieneigentum. Wir haben uns auf das private und gewerbliche Mietrecht, Immobilienrecht und Maklerrecht spezialisiert. Vertrauen Sie uns. Zögern Sie also nicht länger und holen Sie sich die Unterstützung, die ein professionelles Vorgehen ermöglicht. Lassen Sie uns gemeinsam eine Strategie für die Umsetzung Ihres Vorhabens besprechen.
Unsere digitale Kanzlei

Bei uns geht Recht vollkommen digital. Für Sie entscheidend: Sie können alles bequem von überall aus organisieren. Besuchen Sie unsere Webseite und buchen Sie ein Video-Meeting mit einem Anwalt. Ihre Unterlagen können Sie einfach uploaden. Selbst erforderliche Unterschriften können Sie bei uns digital leisten.
kostenlose Ersteinschätzung

Lassen Sie uns bei einem unverbindlichen Kennenlerngespräch über Ihre spezifischen rechtlichen Anliegen sprechen.
Das könnte Sie auch interessieren:
-ed79a4cd.webp)
Erleichterte Kündigung – Alles, was Mieter und Vermieter wissen müssen

Alles, was Sie über Eigenbedarfskündigungen wissen müssen

Was, wenn ich mir keinen Anwalt leisten kann?

Wohnungsmietvertrag kündigen – ein Leitfaden für Mieter und Vermieter
