Zum Hauptinhalt springen

Falsche Modernisierungsauskunft schadet Vermieter nicht immer

Der beste Anwalt für Mietrecht
Vermieter können sich trotz falscher Auskunft über umfassende Modernisierung noch auf einfache Modernisierung berufen, entschied der BGH. Das stärkt Vermieterrechte bei der Mietpreisbremse erheblich.
moderne Etagenwohnung, die gerade renoviert wird
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall aus Berlin

Im Jahr 2019 vermietete eine Berliner Vermieterin eine Wohnung mit knapp 77 Quadratmetern für monatlich 1.500 Euro Kaltmiete. Im Mietvertrag stand ausdrücklich: "Die Wohnung wird erstmalig nach umfassender Modernisierung gemäß § 556g BGB vermietet." Diese Formulierung sollte die Vermieterin von der Mietpreisbremse befreien, die in Berlin seit 2015 gilt.

Die Mieterin wurde jedoch misstrauisch und beauftragte ein Inkassounternehmen mit der Überprüfung. Das Ergebnis war ernüchternd: Es hatte gar keine umfassende Modernisierung stattgefunden, wie der Vermieter behauptet hatte. Stattdessen waren lediglich einfache Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt worden.

Die Mieterin sah sich getäuscht und forderte Geld zurück. Sie argumentierte, dass die falsche Auskunft über die Art der Modernisierung zur Folge haben müsse, dass sich die Vermieterin überhaupt nicht mehr auf Modernisierungsmaßnahmen berufen könne.

Unterschied zwischen einfacher und umfassender Modernisierung

Um den Streitfall zu verstehen, muss man den wichtigen Unterschied zwischen beiden Modernisierungsarten kennen:

Einfache Modernisierung nach § 556e BGB erlaubt dem Vermieter, die zulässige Miete um den Betrag zu erhöhen, der auch bei einer normalen Mieterhöhung wegen Modernisierung möglich gewesen wäre. Die Modernisierung muss dabei in den letzten drei Jahren vor Mietbeginn stattgefunden haben.

Umfassende Modernisierung nach § 556f BGB geht deutlich weiter: Sie befreit den Vermieter bei der ersten Neuvermietung komplett von der Mietpreisbremse. Der Vermieter kann dann verlangen, was er möchte - die sonst geltende Obergrenze von 110 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete fällt weg.

Für eine umfassende Modernisierung müssen jedoch sehr hohe Anforderungen erfüllt sein. Die Modernisierungskosten müssen mindestens ein Drittel der Herstellungskosten einer entsprechenden Neubaumaßnahme betragen, oder die Qualität der Wohnung muss erheblich und nachhaltig verbessert werden.

Was die Vorinstanzen entschieden

Das Amtsgericht und das Landgericht Berlin gaben der Mieterin recht. Ihre Begründung: Die Vermieterin hatte nicht nur fälschlicherweise behauptet, es habe eine umfassende Modernisierung stattgefunden. Sie hatte auch nicht mitgeteilt, in welchem Zeitraum die Modernisierung erfolgte.

Die Berliner Richter argumentierten, diese Information über den Zeitraum sei unverzichtbar. Schließlich dürfe sich ein Vermieter nur auf eine einfache Modernisierung berufen, wenn diese höchstens drei Jahre vor Mietbeginn stattgefunden habe. Ohne diese Auskunft könne der Mieter nicht prüfen, ob die Voraussetzungen tatsächlich vorliegen.

Das Landgericht sprach der Mieterin daher über 712 Euro anteilige Miete für Dezember 2019 sowie Rechtsverfolgungskosten von knapp 1.094 Euro zu.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof sah den Fall völlig anders und gab der Vermieterin recht. Die obersten Zivilrichter stellten klar: Eine Auskunft über umfassende Modernisierung erfasst auch den Fall einer einfachen Modernisierung.

Die Begründung des BGH ist nachvollziehbar: Wer sagt, er habe umfassend modernisiert, gibt damit auch zu erkennen, dass zumindest eine einfache Modernisierung stattgefunden hat. Eine umfassende Modernisierung ist letztlich nichts anderes als eine besonders weitgehende einfache Modernisierung.

Der BGH betonte außerdem den Zweck der Auskunftspflichten: Der Mieter soll vor Vertragsschluss erfahren, auf welchen Ausnahmetatbestand sich der Vermieter beruft. Diese Information erhielt die Mieterin durch die Auskunft über die angeblich umfassende Modernisierung.

"Durch die erteilte Auskunft, die Wohnung sei umfassend modernisiert worden, hatte die Mieterin sogar besonderen Anlass zu prüfen, ob die zulässige Miethöhe eingehalten wird", führte das Gericht aus. Die Auskunft habe verdeutlicht, dass die Vermieterin eine vollständige Ausnahme von der Mietpreisbremse anstrebe.

Keine übertriebenen Informationspflichten

Ein wichtiger Punkt der BGH-Entscheidung betrifft die Grenzen von Informationspflichten. Die Richter stellten fest, dass der Gesetzgeber die vorvertraglichen Auskunftspflichten bewusst niederschwellig gehalten habe.

Der Vermieter müsse dem Mieter nicht alle Details mitteilen, die für eine vollständige rechtliche Prüfung nötig wären. Es reiche aus, wenn der Mieter erfahre, auf welchen Ausnahmetatbestand sich der Vermieter berufe. Für weitergehende Informationen könne der Mieter dann den allgemeinen Auskunftsanspruch nach § 556g Absatz 3 BGB nutzen.

Bei der Information über den Zeitpunkt der Modernisierung komme "ein maßgeblicher Erkenntnisgewinn für den Mieter nicht zu", wenn bereits mitgeteilt wurde, dass die Wohnung umfassend modernisiert worden sei.

Rückverweisung an das Landgericht

Trotz des grundsätzlichen Erfolgs für die Vermieterin ist der Fall noch nicht abgeschlossen. Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf und verwies es zurück. Der Grund: Das Landgericht hatte von seinem damaligen Rechtsstandpunkt aus folgerichtig keine Feststellungen zu einfachen Modernisierungsmaßnahmen getroffen.

Jetzt muss das Berliner Landgericht prüfen, ob und in welchem Umfang tatsächlich einfache Modernisierungsmaßnahmen in den drei Jahren vor Mietbeginn durchgeführt wurden. Nur dann kann die Vermieterin sich auf die entsprechende Ausnahme von der Mietpreisbremse berufen.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Vermieter ist die Entscheidung eine wichtige Stärkung ihrer Position. Sie müssen nicht mehr befürchten, bei falschen Angaben über das Ausmaß der Modernisierung komplett leer auszugehen. Solange tatsächlich modernisiert wurde, können sie sich auf die entsprechende Ausnahme berufen - auch wenn sie übertrieben haben.

Dennoch sollten Vermieter vorsichtig bleiben. Wer bewusst falsche Angaben macht, riskiert nach wie vor rechtliche Probleme. Außerdem müssen die Voraussetzungen für eine einfache Modernisierung tatsächlich vorliegen, insbesondere der Zeitrahmen von drei Jahren.

Für Mieter bedeutet das Urteil, dass sie bei zweifelhaften Modernisierungsangaben noch genauer hinschauen sollten. Die BGH-Entscheidung macht es schwieriger, überhöhte Mieten wegen falscher Vermieterangaben zurückzufordern.

Wichtig bleibt der Auskunftsanspruch: Mieter können vom Vermieter detaillierte Informationen über die durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen verlangen. Wer Zweifel an den Angaben hat, sollte diesen Anspruch nutzen und gegebenenfalls einen Anwalt konsultieren.

Für die Praxis zeigt das Urteil, dass die Mietpreisbremse weiterhin ein komplexes Rechtsgebiet bleibt. Die Balance zwischen Vermieter- und Mieterinteressen wird vom BGH eher zugunsten der Vermieter justiert. Das könnte dazu führen, dass Vermieter künftig weniger zurückhaltend bei der Berufung auf Modernisierungsausnahmen sind.

Die Entscheidung bestätigt auch, dass der BGH die Mietpreisbremse nicht übermäßig scharf anwenden will. Die Richter zeigten Verständnis für Vermieter, die Anreize zur Modernisierung brauchen, und warnten vor übertriebenen Informationspflichten.

Ausblick und Empfehlungen

Das Urteil dürfte nicht das letzte Wort zur Mietpreisbremse sein. Es zeigt aber eine Tendenz des BGH, die Regelung praxistauglich zu gestalten und nicht übermäßig vermieterfeindlich auszulegen.

Vermieter sollten dennoch ehrliche Angaben machen und bei Unsicherheiten lieber vorsichtig formulieren. Wer sich auf Modernisierung beruft, sollte die entsprechenden Nachweise griffbereit haben.

Mieter sind gut beraten, bei hohen Mieten in Gebieten mit Mietpreisbremse genau nachzufragen und den Auskunftsanspruch zu nutzen. Die BGH-Entscheidung macht deutlich, dass pauschale Zweifel an Vermieterangaben nicht automatisch zum Erfolg führen.

Das Urteil unterstreicht letztlich, dass beide Seiten von klaren und ehrlichen Kommunikation profitieren - auch wenn der BGH Vermieter bei kleineren Ungenauigkeiten nicht gleich abstrafen will.


Quelle: BGH, Urteil vom 27. November 2024, Az. VIII ZR 36/23

Kontaktieren Sie uns!

Für detaillierte Fragen oder eine individuelle Beratung stehen Ihnen die Experten unserer Kanzlei für Mietrecht in Essen zur Verfügung. Wir helfen Ihnen, die beste Strategie für Ihr spezifisches Anliegen zu entwickeln.


Ihr Recht ist unsere Leidenschaft!

Portrait der besten Anwälte von Essen

Sie sind ratlos im Streit mit Ihrem Mieter oder Vermieter? Sie stehen vor komplexen Vertragsverhandlungen oder es geht um den Erwerb, Veräußerung oder Vererbung von Immobilieneigentum. Wir haben uns auf das private und gewerbliche Mietrecht, Immobilienrecht und Maklerrecht spezialisiert. Vertrauen Sie uns. Zögern Sie also nicht länger und holen Sie sich die Unterstützung, die ein professionelles Vorgehen ermöglicht. Lassen Sie uns gemeinsam eine Strategie für die Umsetzung Ihres Vorhabens besprechen.


Unsere digitale Kanzlei

Kind sitzt im Chefsessel und bedient ein Mobiltelefon

Bei uns geht Recht vollkommen digital. Für Sie entscheidend: Sie können alles bequem von überall aus organisieren. Besuchen Sie unsere Webseite und buchen Sie ein Video-Meeting mit einem Anwalt. Ihre Unterlagen können Sie einfach uploaden. Selbst erforderliche Unterschriften können Sie bei uns digital leisten.

Erfahrungen & Bewertungen zu JURiAL® Rechtsanwaltskanzlei

kostenlose Ersteinschätzung

Wartebereich der JURiAL® Rechtsanwaltskanzlei

Lassen Sie uns bei einem unverbindlichen Kennenlerngespräch über Ihre spezifischen rechtlichen Anliegen sprechen.


Das könnte Sie auch interessieren:

19. Mai 2024
Vermieter stehen manchmal vor der Herausforderung, dass sie berechtigte Gründe haben, ein Mietverhältnis zu beenden, und dennoch auf Hindernisse st...
01. April 2024
Die Kündigung eines Mietverhältnisses durch den Vermieter kann viele Gründe haben, doch einer der häufigsten und zugleich komplexesten ist die Eige...
18. Juli 2023
Fragen kostet nichts, außer beim Anwalt. Ein Anwalt ist teuer, ein guter Anwalt ist unbezahlbar. So jedenfalls die landläufige Meinung. Falsch! Anw...
03. Mai 2024
Die Kündigung eines Wohnungsmietvertrages ist ein Thema, das sowohl für Mieter als auch für Vermieter von großer Bedeutung ist. In diesem Artikel e...
05. Mai 2025
Nach einer Trennung stellt sich für viele Paare die Frage, wie mit dem gemeinsamen Mietvertrag umzugehen ist. Besonders kompliziert wird es, wenn e...