Mangelverdacht unbegründet: Mieter muss Diagnosekosten nicht zahlen


Sachverhalt: Ungewöhnlicher Geruch führt zu Technikerbesuch
Ein Mieter bemerkte in seiner Wohnung einen unangenehmen Schmorgeruch, der aus dem Bereich des Sicherungskastens zu kommen schien. Besonders stark nahm er den Geruch wahr, während seine Waschmaschine in Betrieb war. Da bereits im Jahr 2021 ein ähnlicher Vorfall in der Wohnung zu einem Kabelbrand geführt hatte, wandte sich der Mieter umgehend telefonisch an die Hausverwaltung.
In der darauffolgenden schriftlichen Nachricht beschrieb der Mieter die Situation detailliert und fragte vorsichtig nach, ob die Hausverwaltung einen Elektriker schicken könne. Er schilderte, dass der Geruch aufgetreten sei, als die Waschmaschine lief, und bat um eine zeitnahe Überprüfung durch einen Fachmann.
Die Hausverwaltung beauftragte daraufhin eine Elektrofirma mit der Diagnose. Der Techniker führte eine umfassende Prüfung durch, zog Schrauben im Sicherungskasten nach und kontrollierte die Waschmaschinensteckdose. Ergebnis: Es konnten weder verschmutzte Bauteile noch ein Geruch festgestellt werden. Ein technischer Defekt lag nicht vor.
Streitpunkt: Muss der Mieter für erfolglose Diagnose zahlen?
Nach dem ergebnislosen Technikerbesuch stellte der Vermieter dem Mieter die Diagnosekosten in Höhe von 131,50 Euro in Rechnung. Seine Begründung: Der Mieter habe eine Pflichtverletzung begangen, indem er einen nicht existierenden Mangel gemeldet habe. Dadurch seien unnötige Kosten entstanden, die er zu tragen habe.
Der Vermieter argumentierte, der Mieter hätte vor der Meldung genauer prüfen müssen, ob das Problem möglicherweise von seinen eigenen Geräten stamme. Zudem überstieg der Rechnungsbetrag die im Mietvertrag vereinbarte Grenze für Kleinreparaturen von 100 Euro.
Der Mieter weigerte sich zu zahlen und verwies darauf, dass er nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt habe. Aufgrund der Vorgeschichte mit dem Kabelbrand und des deutlich wahrnehmbaren Geruchs sei seine Sorge berechtigt gewesen.
Gerichtsentscheidung: Keine Pflichtverletzung des Mieters
Das Amtsgericht wies die Klage des Vermieters vollständig ab. Die Richter stellten klar, dass der Mieter keine Pflichtverletzung begangen hatte und daher nicht zur Zahlung der Diagnosekosten verpflichtet sei.
Zentrale Begründung des Gerichts: Es gehört nicht zu den Pflichten eines Mieters, sich nur dann an den Vermieter zu wenden, wenn er mit absoluter Sicherheit weiß, dass die Wohnung einen Mangel aufweist. Eine Pflichtverletzung läge nur vor, wenn der Mieter wider besseres Wissen einen Mangel behauptet oder nicht hinreichend prüft, ob der Mangel aus seiner eigenen Verantwortungssphäre stammt.
Im vorliegenden Fall hatte der Mieter den Schmorgeruch tatsächlich wahrgenommen. Seine Ehefrau bestätigte als Zeugin glaubhaft, dass beide am betreffenden Tag einen unangenehmen, plastikartigen Geruch im Bereich des Sicherungskastens bemerkt hatten. Das Gericht bewertete ihre Aussage als überzeugend und lebensnah.
Besonders gewichtig war für die Richter, dass in derselben Wohnung bereits 2021 ein tatsächlicher Kabelbrand aufgetreten war. Diese Vorgeschichte rechtfertigte die erhöhte Vorsicht und das sofortige Handeln des Mieters.
Keine unbegründete Mängelmeldung
Das Gericht betonte, dass der Mieter in seiner Nachricht an die Hausverwaltung transparent kommuniziert hatte. Er beschrieb den Geruch detailliert und erwähnte ausdrücklich den Zusammenhang mit dem Betrieb der Waschmaschine. Diese offene Information ermöglichte es der Hausverwaltung, eigenverantwortlich über die erforderlichen Maßnahmen zu entscheiden.
Die Formulierung "Können Sie bitte einen Elektriker schicken?" bewerteten die Richter als bloße Anregung, nicht als verbindlichen Auftrag. Die Hausverwaltung hätte auch andere Schritte einleiten können, etwa eine Beratung per Telefon oder eine weniger aufwändige Erstprüfung.
Allein der Umstand, dass die Fachkräfte keinen Defekt fanden, führe nicht zu dem Schluss, dass der Mieter den Schmorgeruch vorgetäuscht habe. Sinneswahrnehmungen könnten zeitweise auftreten, ohne dass ein dauerhafter technischer Defekt vorliegen müsse.
Kleinreparaturklausel nicht anwendbar
Zusätzlich prüfte das Gericht, ob die Kosten unter die Kleinreparaturklausel des Mietvertrags fallen könnten. Diese sah vor, dass der Mieter Reparaturkosten bis 100 Euro zu tragen habe. Da die Rechnung 131,50 Euro betrug, überschritt sie diese Grenze und war daher nicht auf den Mieter übertragbar.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Mieter dürfen und sollen potenzielle Mängel melden, auch wenn sich später herausstellt, dass kein Defekt vorliegt. Diese Entscheidung stärkt die Position von Mietern erheblich und schützt vor unbegründeten Kostenforderungen.
Konkret bedeutet das Urteil: Wenn Sie als Mieter ungewöhnliche Gerüche, Geräusche oder andere Auffälligkeiten in Ihrer Wohnung bemerken, die auf einen Mangel hindeuten könnten, sollten Sie diese unverzüglich dem Vermieter melden. Sie müssen nicht befürchten, später für Diagnosekosten aufzukommen, falls sich der Verdacht als unbegründet erweist.
Besonders wichtig ist eine transparente Kommunikation: Beschreiben Sie Ihre Wahrnehmungen genau und ehrlich. Erwähnen Sie mögliche Zusammenhänge mit eigenen Geräten oder Aktivitäten. Diese Offenheit schützt Sie vor dem Vorwurf, bewusst falsche Angaben gemacht zu haben.
Vermieter hingegen tragen grundsätzlich das Risiko für erforderliche Diagnosen. Sie können nicht pauschal davon ausgehen, dass gemeldete Probleme immer auf einen tatsächlichen Mangel hinweisen. Die Entscheidung, welche Schritte zur Klärung eingeleitet werden, liegt in ihrer Verantwortung.
Für die Praxis empfiehlt es sich, Mängelmeldungen schriftlich zu dokumentieren. So können beide Seiten später nachvollziehen, wie die Kommunikation ablief und welche Informationen ausgetauscht wurden.
Das Urteil sendet ein klares Signal: Die frühzeitige Meldung möglicher Probleme dient dem Schutz der Mietsache und liegt im Interesse aller Beteiligten. Mieter sollten sich nicht aus Kostenfurcht davon abhalten lassen, ihrer Anzeigepflicht nachzukommen.
Quelle: AG Köpenick, Urteil vom 29.08.2024 - 14 C 284/23
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