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Kündigungssperre bei Wohnungsumwandlung: BGH schützt Mieter

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Der Bundesgerichtshof stärkt den Mieterschutz in München. Eine zehnjährige Kündigungssperrfrist schützt Mieter auch dann, wenn das Mehrfamilienhaus zunächst von einer GmbH & Co. KG erworben wurde.
Junger Mann hält eine rote Karte in der Hand
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Eigenbedarfskündigung nach Jahren im Streit

Ein Mieterpaar bewohnte seit 2004 eine Wohnung in einem Münchner Mehrparteienhaus. Das Leben lief seinen gewohnten Gang, bis das gesamte Anwesen zu Beginn des Jahres 2012 den Eigentümer wechselte. Die neue Eigentümerin war eine GmbH & Co. KG, die das Gebäude mit allen vermieteten Wohnungen erwarb. Bereits wenige Monate später teilte diese Gesellschaft das Hausgrundstück in Wohnungseigentum auf. Die notarielle Erklärung erfolgte im Juni 2012, die Eintragung im Grundbuch im April 2013.

Im Februar 2016 verkaufte die GmbH & Co. KG die von dem Mieterpaar bewohnte Wohnung an neue Eigentümer. Diese wurden im März 2017 als Eigentümer im Wohnungsgrundbuch eingetragen. Fast sechs Jahre später, im September 2022, erhielt das Mieterpaar eine Eigenbedarfskündigung. Die neuen Eigentümer wollten die Wohnung selbst nutzen und kündigten das Mietverhältnis zum März 2023.

Das Mieterpaar wehrte sich gegen die Kündigung. Sie waren der Auffassung, dass die in München geltende zehnjährige Kündigungssperrfrist noch nicht abgelaufen sei. Die Eigentümer hingegen argumentierten, die Frist habe bereits mit dem Erwerb durch die GmbH & Co. KG im Jahr 2012 begonnen und sei daher längst abgelaufen.

Die rechtliche Ausgangslage: Schutz vor Verdrängung

Das deutsche Mietrecht kennt besondere Schutzvorschriften für den Fall, dass vermieteter Wohnraum in Eigentumswohnungen umgewandelt wird. Der Grund ist nachvollziehbar: Wenn ein Mehrfamilienhaus in einzelne Eigentumswohnungen aufgeteilt und diese verkauft werden, steigt für die Mieter das Risiko erheblich, wegen Eigenbedarfs ihre Wohnung verlieren zu müssen. Aus einem Vermieter werden plötzlich mehrere Eigentümer, von denen jeder grundsätzlich Eigenbedarf anmelden könnte.

Um Mieter vor dieser Situation zu schützen, hat der Gesetzgeber die Kündigungssperrfrist eingeführt. Nach der Umwandlung in Wohnungseigentum und dem Verkauf der Wohnung darf der neue Eigentümer zunächst nicht wegen Eigenbedarfs oder zur wirtschaftlichen Verwertung kündigen. Diese Sperrfrist beträgt grundsätzlich drei Jahre. In Gebieten mit besonders angespanntem Wohnungsmarkt können die Bundesländer diese Frist jedoch auf bis zu zehn Jahre verlängern.

München gehört zu den Städten mit besonders angespanntem Wohnungsmarkt. Der Freistaat Bayern hat von seiner Ermächtigung Gebrauch gemacht und für München eine zehnjährige Kündigungssperrfrist festgelegt. Diese gilt seit dem Jahr 2022 und soll Mieter vor Verdrängung schützen.

Der Streitpunkt: Wann beginnt die Kündigungssperrfrist?

Die zentrale Frage des Rechtsstreits war, ab wann die zehnjährige Kündigungssperrfrist zu laufen begann. Das Amtsgericht München gab zunächst den Eigentümern Recht und verurteilte die Mieter zur Räumung der Wohnung. Die Mieter legten Berufung ein, und das Landgericht München kam zu einem anderen Ergebnis. Es wies die Räumungsklage ab und stellte fest, dass die Kündigung unwirksam sei.

Das Landgericht argumentierte, die Kündigungssperrfrist habe erst mit der Eintragung der neuen Eigentümer im Grundbuch im März 2017 begonnen. Zu diesem Zeitpunkt seien die neuen Eigentümer als Ersterwerber des neu geschaffenen Wohnungseigentums anzusehen. Die zehnjährige Frist wäre damit erst im März 2027 abgelaufen. Bei Zugang der Kündigung im September 2022 sei die Sperrfrist daher noch nicht abgelaufen gewesen.

Die Eigentümer sahen das anders. Sie vertraten die Auffassung, maßgeblich sei der Erwerb des gesamten Hausgrundstücks durch die GmbH & Co. KG Anfang 2012. Sie beriefen sich dabei auf eine besondere Regelung im Gesetz, die auch den Erwerb durch eine Personengesellschaft erfasst. Nach dieser Regelung soll die Kündigungssperrfrist bereits mit dem Erwerb durch die Gesellschaft beginnen, auch wenn diese das Grundstück später in Wohnungseigentum aufteilt und verkauft. Nach dieser Rechtsauffassung wäre die zehnjährige Frist bereits Anfang 2022 abgelaufen gewesen.

Das Landgericht lehnte diese Sichtweise ab. Es war der Ansicht, die entsprechende gesetzliche Regelung sei auf Personenhandelsgesellschaften wie eine GmbH & Co. KG nicht anwendbar. Diese Regelung ziele nur auf Gesellschaften bürgerlichen Rechts und Miteigentümergemeinschaften ab, nicht aber auf Personenhandelsgesellschaften. Das Landgericht begründete dies mit dem Zweck der Vorschrift, der bei Personenhandelsgesellschaften nicht eingreife.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Klare Abgrenzung

Der Bundesgerichtshof bestätigte im Wesentlichen die Entscheidung des Landgerichts München. Die Richter präzisierten die Auslegung des Gesetzes und stellten klar, wann die besondere Regelung für Personengesellschaften zur Anwendung kommt und wann nicht.

Die Veräußerung an eine GmbH & Co. KG löst die Kündigungssperrfrist nicht aus. Der Bundesgerichtshof stellte zunächst fest, dass die Veräußerung vermieteten Wohnraums an eine Personenhandelsgesellschaft wie eine GmbH & Co. KG nicht die besondere Kündigungssperrfrist für Personengesellschaften auslöst. Die entsprechende gesetzliche Regelung erfasse nur Gesellschaften bürgerlichen Rechts und Miteigentümergemeinschaften, nicht aber Personenhandelsgesellschaften.

Die Begründung des Gerichts ist einleuchtend: Der Gesetzgeber wollte mit der besonderen Regelung eine bestimmte Umgehung des Mieterschutzes verhindern. In der Praxis war es vorgekommen, dass mehrere Personen gemeinsam ein Mehrfamilienhaus erwarben und dann einzelne Gesellschafter oder Miteigentümer wegen ihres Eigenbedarfs kündigten. Bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist dies möglich, denn diese kann sich für einen ihrer Gesellschafter auf Eigenbedarf berufen.

Bei einer Personenhandelsgesellschaft wie der GmbH & Co. KG ist dies jedoch nicht der Fall. Eine solche Gesellschaft kann sich nicht auf den Eigenbedarf eines ihrer Gesellschafter berufen. Das Verdrängungsrisiko, das der Gesetzgeber mit der Sonderregelung bekämpfen wollte, besteht bei Personenhandelsgesellschaften daher nicht. Die Kündigungssperrfrist beginnt erst, wenn das Wohnungseigentum an einen einzelnen Erwerber verkauft wird.

Die Sperrfrist begann mit dem Eigentumserwerb im Jahr 2017. Im vorliegenden Fall bedeutete dies, dass die zehnjährige Kündigungssperrfrist erst mit der Eintragung der neuen Eigentümer im März 2017 zu laufen begann. Die neuen Eigentümer waren die Ersterwerber der umgewandelten Eigentumswohnung. Dass das gesamte Hausgrundstück zuvor von einer GmbH & Co. KG erworben und aufgeteilt worden war, spielte für den Beginn der Kündigungssperrfrist keine Rolle.

Bei Zugang der Eigenbedarfskündigung im September 2022 waren erst etwa fünfeinhalb Jahre seit Beginn der Kündigungssperrfrist vergangen. Die zehnjährige Frist war also noch nicht abgelaufen. Die Kündigung war unwirksam, und die Mieter konnten in ihrer Wohnung bleiben.

Keine Rolle spielt die Gesellschafterstellung

Der Bundesgerichtshof stellte außerdem klar, dass es nicht darauf ankommt, ob der spätere Erwerber des Wohnungseigentums vorher Gesellschafter der erwerbenden Gesellschaft war. Manche Stimmen in der Rechtsliteratur hatten vertreten, die besondere Regelung greife nur dann ein, wenn ein Gesellschafter eine Wohnung aus dem Gesellschaftsvermögen erwerbe. Der Bundesgerichtshof widersprach dieser Auffassung. Die Kündigungssperrfrist gelte unabhängig davon, ob der Erwerber zuvor Gesellschafter war oder nicht.

Diese Klarstellung ist für die Praxis wichtig. Sie verhindert, dass die Kündigungssperrfrist durch bestimmte Gestaltungen umgangen werden kann. Der Mieterschutz greift auch dann, wenn eine Personengesellschaft Wohnungseigentum begründet und die einzelnen Wohnungen an völlig außenstehende Dritte verkauft.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil des Bundesgerichtshofs stärkt den Mieterschutz in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt erheblich. Es zeigt, dass die Kündigungssperrfrist ein wirksames Instrument ist, um Mieter vor Verdrängung zu schützen. Besonders in Städten wie München, wo eine zehnjährige Kündigungssperrfrist gilt, haben Mieter nach der Umwandlung ihrer Wohnung in Wohnungseigentum einen starken Schutz.

Wenn Sie als Mieter in einer Wohnung leben, die in Wohnungseigentum umgewandelt wurde, sollten Sie darauf achten, wann Ihr neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurde. Von diesem Zeitpunkt an beginnt die Kündigungssperrfrist zu laufen. In München und anderen Gebieten mit verlängerter Sperrfrist können Sie sich in dieser Zeit gegen eine Eigenbedarfskündigung wehren.

Das Urteil zeigt auch, dass es auf die genauen Umstände des Eigentumserwerbs ankommt. Nicht jeder Eigentümerwechsel löst automatisch die Kündigungssperrfrist aus. Wurde das Gebäude zunächst von einer Personenhandelsgesellschaft erworben und später in Wohnungseigentum aufgeteilt, beginnt die Sperrfrist erst mit dem Verkauf der einzelnen Wohnungen. Dies kann für Mieter einen deutlich längeren Schutz bedeuten.

Für Erwerber von Eigentumswohnungen bedeutet das Urteil, dass sie bei der Planung von Eigenbedarf die Kündigungssperrfrist genau beachten müssen. Sie können sich nicht darauf berufen, dass das Gebäude bereits Jahre zuvor von einer anderen Gesellschaft erworben wurde. Maßgeblich ist allein der Zeitpunkt ihres eigenen Eigentumserwerbs.

Das Urteil zeigt zudem die Bedeutung einer sorgfältigen rechtlichen Prüfung. Die Frage, ob und wann eine Eigenbedarfskündigung möglich ist, hängt von vielen Faktoren ab. Im Zweifel sollten sowohl Mieter als auch Vermieter anwaltlichen Rat einholen, bevor sie eine Kündigung aussprechen oder gegen eine Kündigung vorgehen.


Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. August 2025, Az. VIII ZR 161/24, veröffentlicht in NZM 2025, 758

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