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Staffelmiete bei Sozialwohnungen rechtens

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Auch während einer Preisbindung dürfen Vermieter und Mieter Staffelmieten für die Zeit nach Ablauf der Bindung vereinbaren. Der Bundesgerichtshof stärkt damit die Vertragsfreiheit im Mietrecht.
Apartmentkomplex in Berlin, der Fernsehturm im Hintergrund
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall:

Eine Mieterin war seit 2018 in einer Dreizimmerwohnung in Köln eingezogen. Die Wohnung war aufgrund öffentlicher Förderung bis Ende 2020 preisgebunden. Bereits bei Vertragsabschluss hatten die Parteien jedoch eine Staffelmiete vereinbart: Die monatliche Grundmiete sollte sich nach Ablauf der Preisbindung automatisch erhöhen.

Die Vereinbarung sah folgende Staffelung vor: Während der Preisbindung lag die Miete bei einem niedrigen Betrag. Ab Januar 2021 sollte sie deutlich steigen und ab Januar 2022 nochmals angehoben werden. Die Mieterin zahlte die höhere Miete zunächst unter dem Vorbehalt der Rückforderung.

Jahre später verlangte sie jedoch die Rückzahlung der Erhöhungsbeträge und argumentierte, die Staffelmietvereinbarung sei unwirksam. Sie forderte mehrere tausend Euro zurück und wollte gerichtlich feststellen lassen, dass sie weiterhin nur die ursprünglich niedrige Miete zahlen müsse.

Die zentrale Rechtsfrage

Der Streit drehte sich um eine grundsätzliche Frage des Mietrechts: Dürfen Vermieter und Mieter bereits während einer Preisbindung für öffentlich geförderte Wohnungen Staffelmieten für die Zeit nach Ablauf dieser Bindung vereinbaren?

Die Mieterin vertrat die Ansicht, dass solche Vereinbarungen unzulässig seien, da sie die Schutzwirkung der Preisbindung unterlaufen würden. Sie berief sich darauf, dass die drastischen Mieterhöhungen nach Ende der Bindung nicht rechtmäßig seien.

Der Vermieter hingegen sah sich durch die vertragliche Vereinbarung berechtigt und verwies auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit. Nach seiner Ansicht sei es zulässig, bereits im Voraus zu regeln, wie sich die Miete nach Wegfall der öffentlichen Bindung entwickeln solle.

BGH bestätigt Vertragsfreiheit

Der Bundesgerichtshof gab dem Vermieter Recht und stellte wichtige Grundsätze zur Staffelmiete bei preisgebundenen Wohnungen auf:

Staffelmieten auch während Preisbindung zulässig

Das Gericht betonte, dass Staffelmietvereinbarungen grundsätzlich auch für Zeiträume innerhalb einer Preisbindung zulässig sind - vorausgesetzt, die vereinbarten Mieten überschreiten nicht die durch die Förderbestimmungen festgelegten Höchstgrenzen.

Vereinbarungen für Zeit nach Preisbindung erlaubt

"Es ist mit Blick auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit regelmäßig zulässig, dass die Parteien eines Mietvertrags über eine preisgebundene Wohnung eine Staffelmiete für die Zeit nach Beendigung der Preisbindung vereinbaren."

Der BGH machte deutlich: Mieter und Vermieter dürfen bereits während der Bindung antizipiert eine Abrede über die Miete für den Zeitraum nach deren Ablauf treffen. Die öffentliche Bindung steht dem nicht entgegen.

Planungssicherheit für beide Seiten

Das Gericht verwies auf die Vorteile solcher Vereinbarungen: Sie verschaffen dem Vermieter Planungssicherheit und können sich auch für den Mieter als günstig erweisen, wenn die Preise am Wohnungsmarkt stärker steigen als die vereinbarte Staffel vorsieht.

Unterschied zu bestehender Rechtsprechung

Der BGH verwies auf seine bereits 2003 entwickelte Rechtsprechung zu diesem Thema. Damals hatte das Gericht bereits entschieden, dass entsprechende Vereinbarungen zulässig sind. Die aktuelle Entscheidung bestätigt diese Linie auch unter der heutigen Rechtslage.

Keine Kappungsgrenze bei Staffelmieten

Bedeutsam ist, dass für Staffelmieten - anders als bei anderen Mieterhöhungen - die übliche Kappungsgrenze nicht gilt. Das bedeutet, die Miete kann theoretisch auch um mehr als die sonst zulässigen Prozentsätze innerhalb bestimmter Zeiträume steigen.

Schutz vor Mietwucher bleibt bestehen

Allerdings sind auch Staffelmieten nicht grenzenlos möglich. Sie können nach wie vor wegen Mietwuchers oder ordnungswidriger Mietpreisüberhöhung unwirksam sein. Zudem können in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten besondere Begrenzungsvorschriften greifen.

Bedeutung für die Praxis

Für Mieter öffentlich geförderter Wohnungen:

  • Vertragskonditionen genau prüfen: Achten Sie bei Vertragsabschluss darauf, welche Staffelungen vereinbart werden
  • Entwicklung der Miete verstehen: Kalkulieren Sie bereits bei Einzug die langfristige finanzielle Belastung
  • Rechtliche Beratung einholen: Bei unklaren Vereinbarungen sollten Sie sich frühzeitig beraten lassen

Für Vermieter:

  • Klare Vertragsgestaltung: Formulieren Sie Staffelvereinbarungen eindeutig und unter Beachtung der Preisbindung
  • Rechtssichere Vereinbarungen: Stellen Sie sicher, dass die Staffeln die jeweiligen Höchstgrenzen einhalten
  • Marktüblichkeit beachten: Vermeiden Sie überhöhte Staffeln, die als Mietwucher eingestuft werden könnten

Praktische Hinweise:

Die Entscheidung stärkt die Position der Vermieter, bedeutet aber auch für Mieter Rechtssicherheit. Sie wissen nun, dass ordnungsgemäß vereinbarte Staffelmieten auch bei ursprünglich preisgebundenen Wohnungen durchsetzbar sind.

Wichtig ist dabei die Unterscheidung zwischen dem Zeitraum der Preisbindung und der Zeit danach. Während der Bindung gelten die öffentlich-rechtlichen Vorschriften, danach greifen die allgemeinen mietrechtlichen Bestimmungen.

Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt

Die Entscheidung könnte dazu beitragen, dass mehr Investoren in den öffentlich geförderten Wohnungsbau investieren, da sie bereits bei Vertragsabschluss Planungssicherheit für die Zeit nach Ablauf der Bindung haben.

Gleichzeitig bietet sie auch Mietern eine gewisse Vorhersehbarkeit der Mietentwicklung, da sie bereits bei Einzug wissen, wie sich ihre Wohnkosten langfristig entwickeln werden.

Berücksichtigung sozialer Aspekte

Kritisch zu sehen ist, dass die Entscheidung möglicherweise zu drastischen Mietsprüngen nach Ablauf von Preisbindungen führen kann. Mieter, die sich über Jahre an eine niedrige Miete gewöhnt haben, könnten von plötzlichen Erhöhungen überrascht werden.

Hier ist eine sorgfältige Vertragsgestaltung besonders wichtig, die sowohl die berechtigten Interessen der Vermieter als auch die Schutzinteressen der Mieter berücksichtigt.

Abgrenzung zu anderen Mieterhöhungen

Der BGH stellte klar, dass die Grundsätze für Staffelmieten nicht auf andere Arten von Mieterhöhungen übertragbar sind. Für normale Mieterhöhungen nach den Vorschriften über die ortsübliche Vergleichsmiete gelten weiterhin die üblichen Beschränkungen und Kappungsgrenzen.

Auch Modernisierungsumlagen und andere Mietanpassungen unterliegen ihren jeweiligen speziellen Vorschriften und werden durch diese Entscheidung nicht berührt.

Europarechtliche Einordnung

Die Entscheidung steht im Einklang mit den europäischen Vorgaben zur Wohnraumförderung. Der BGH berücksichtigte, dass das deutsche System der zeitlich befristeten Preisbindung durchaus mit einer späteren freien Preisgestaltung kombiniert werden kann.

Dies entspricht auch dem Gedanken, dass öffentliche Förderung zeitlich begrenzt sein soll und nach Erfüllung des Förderzwecks die normale Marktlogik wieder greifen darf.

Fazit: Der BGH stärkt mit seiner Entscheidung die Vertragsfreiheit im Mietrecht und schafft Rechtssicherheit für beide Seiten. Staffelmieten sind auch bei ursprünglich preisgebundenen Wohnungen für die Zeit nach Ablauf der Bindung zulässig, wenn sie ordnungsgemäß vereinbart wurden.


Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. Januar 2024, Az. VIII ZR 12/23

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