Schönheitsreparaturen: Ohne Frist kein Schadensersatz!


Der Fall: Wohnung in desolatem Zustand
Ein Berliner Vermieterehepaar hatte eine große Wohnung über sechs Jahre lang vermietet. Als das Mieterpaar mit vier Kindern auszog, war die Wohnung alles andere als renoviert. Die Wände waren verschmutzt und bekritzelt, überall waren Bohrlöcher zu sehen, Türen waren beschädigt und an den Fensterbrettern klebten noch Aufkleber. Obwohl die Mieter vertraglich zur Renovierung verpflichtet waren, hatten sie diese Arbeiten nicht durchgeführt.
Bei der Wohnungsübergabe erstellten beide Parteien ein Protokoll. Darin vereinbarten sie, dass die Mieter bis zu einem bestimmten Termin konkrete Arbeiten durchführen sollten. Dazu gehörten das Ausbessern von Bohrlöchern, eine gründliche Reinigung, das Reparieren von Putzschäden und das Streichen an bestimmten Stellen. Die ursprünglich vorgesehene Formulierung, dass die Wohnung in einen passablen Zustand gebracht werden solle, strichen die Beteiligten wieder.
Vermieter fordern hohen Schadensersatz
Als die vereinbarte Frist verstrich, ohne dass die Mieter die Arbeiten ordnungsgemäß erledigt hatten, beauftragten die Vermieter selbst Handwerker. Die Rechnungen beliefen sich auf mehrere tausend Euro. Zusätzlich verlangten sie Schadensersatz für entgangene Mieteinnahmen, da sie die Wohnung aufgrund ihres schlechten Zustands nicht sofort weitervermieten konnten.
Die Vermieter forderten von den ehemaligen Mietern insgesamt über siebentausend Euro. Davon entfielen etwa dreitausend Euro auf Renovierungskosten und über viertausend Euro auf entgangene Miete für zwei Monate. Die Mieter wehrten sich gegen diese Forderungen und argumentierten, sie hätten die Wohnung bereits bei Einzug renovieren müssen, da sie nicht in einwandfreiem Zustand übergeben worden sei.
Gericht stellt klare Regeln auf
Das Amtsgericht Schöneberg sprach den Vermietern nur einen Teil der geforderten Summe zu. Entscheidend war, dass die Richter zwischen verschiedenen Arten von Schäden unterschieden. Bei unterbliebenen Schönheitsreparaturen gelten andere Regeln als bei Sachbeschädigungen durch unsachgemäße Nutzung.
Für Schadensersatz wegen nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen muss der Vermieter dem Mieter zunächst eine angemessene Frist setzen. Dabei muss er genau aufzeigen, welche Renovierungsarbeiten erforderlich sind. Erst wenn diese Frist erfolglos verstreicht, kann er Schadensersatz in Geld verlangen. Eine pauschale Vereinbarung im Übergabeprotokoll reicht dafür nicht aus.
Kritzeleien sind kein vertragsgemäßer Gebrauch
Anders verhält es sich bei Sachbeschädigungen. Hier entschied das Gericht klar, dass Kritzeleien an Wänden und Fensterbrettern nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch gehören, den Vermieter akzeptieren müssen. Dies gilt selbst dann, wenn in der Wohnung Kinder leben und eines davon eine geistige Behinderung hat. Solche Beschädigungen können Vermieter sofort als Schadensersatz geltend machen, ohne vorher eine Frist setzen zu müssen.
Die Richter machten deutlich, dass Mieter eine Obhutspflicht für die gemieteten Räume haben. Sie müssen die Wohnung schonend und pfleglich behandeln und alles unterlassen, was zu Verschlechterungen führt, die über den normalen Gebrauch hinausgehen. Verstöße gegen diese Pflicht berechtigen den Vermieter unmittelbar zu Schadensersatzforderungen.
Übergabeprotokoll begrenzt Ansprüche
Ein wichtiger Aspekt der Entscheidung betrifft Übergabeprotokolle. Wenn Vermieter und Mieter bei der Wohnungsrückgabe den Zustand gemeinsam feststellen und sich auf konkrete Arbeiten einigen, verzichten sie damit in der Regel auf weitergehende Ansprüche. Das Gericht sah in der Beschränkung auf bestimmte Pflichten einen Verzicht auf andere mögliche Forderungen aus der Zustandsbeschreibung.
Die Vermieter konnten daher nicht nachträglich weitere Schäden geltend machen, die bei den Übergabeterminen bereits erkennbar gewesen wären. Wer als Vermieter umfassende Ansprüche behalten möchte, muss sich dies ausdrücklich vorbehalten oder weitere Beschädigungen in die Protokolle aufnehmen.
Mietausfall nur bei Vorenthaltung
Schadensersatz für entgangene Miete gibt es nur unter strengen Voraussetzungen. Der Vermieter muss beweisen, dass der vertragswidrige Zustand der Wohnung ursächlich dafür war, dass er sie nicht weitervermieten konnte. Außerdem muss er darlegen, wie er sich um eine Neuvermietung bemüht hat und dass diese am schlechten Zustand der Wohnung gescheitert ist.
Im vorliegenden Fall scheiterten die Vermieter mit ihren Forderungen für entgangene Miete. Sie konnten nicht ausreichend belegen, dass konkrete Mietinteressenten wegen der Mängel abgesprungen waren. Zudem hatten sie den Mietern selbst erlaubt, nach Vertragsende noch Arbeiten in der Wohnung durchzuführen. Dadurch lag keine Vorenthaltung der Mietsache vor, die Voraussetzung für eine Nutzungsentschädigung wäre.
Beweislast liegt beim Vermieter
Vermieter tragen die Beweislast für ihre Schadensersatzansprüche. Sie müssen nicht nur die Höhe der entstandenen Kosten belegen, sondern auch nachweisen, dass die Schäden tatsächlich durch vertragswidriges Verhalten der Mieter entstanden sind. Bei Mietausfallschäden müssen sie zusätzlich beweisen, dass sie sich angemessen um Schadensminderung bemüht haben.
Das Gericht wertete es als verdächtig, dass bei den Renovierungsarbeiten angeblich kein Strom verbraucht worden war, obwohl die Zählerstände in den Übergabeprotokollen identisch waren. Ernsthafte Renovierungsarbeiten ohne jeglichen Stromverbrauch erschienen den Richtern ausgeschlossen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Mieter bedeutet die Entscheidung Schutz vor überraschenden Forderungen. Vermieter können nicht einfach pauschal Schadensersatz für unterbliebene Schönheitsreparaturen verlangen. Sie müssen vorher konkret aufzeigen, was renoviert werden muss, und eine angemessene Frist setzen. Allerdings schützt dies nicht vor Schadensersatzforderungen bei echten Sachbeschädigungen.
Vermieter sollten bei der Wohnungsrückgabe sorgfältig vorgehen. Wer Schadensersatz für unterbliebene Renovierungen möchte, muss die erforderlichen Arbeiten detailliert benennen und eine Frist zur Nachholung setzen. Übergabeprotokolle sollten vollständig sein, da nachträgliche Forderungen für bereits erkennbare Mängel schwer durchsetzbar sind.
Besonders wichtig ist die Unterscheidung zwischen normaler Abnutzung und Sachbeschädigungen. Während Vermieter normalen Verschleiß hinnehmen müssen, können sie für Beschädigungen wie Kritzeleien oder mutwillige Zerstörungen sofort Ersatz verlangen. Die Tatsache, dass Kinder in der Wohnung leben, ändert daran nichts.
Die Entscheidung zeigt, dass Gerichte bei Mietstreitigkeiten genau prüfen und nicht jeden Schadensersatzanspruch automatisch durchwinken. Sowohl Mieter als auch Vermieter sollten ihre Rechte und Pflichten kennen und bei Problemen rechtzeitig rechtlichen Rat einholen.
Quelle: AG Schöneberg, Urteil vom 15.10.2024 - 17 C 33/24
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