Mieterhöhung wirksam trotz falscher Wohnfläche


Der Fall: Wenn die Wohnfläche nicht stimmt
Ein Mieter lebte über acht Jahre in seiner Wohnung und stimmte in dieser Zeit vier Mieterhöhungen zu. Die Vermieter berechneten diese Erhöhungen jeweils auf Basis einer Wohnfläche von etwa 114 Quadratmetern. Im Mietvertrag selbst war keine Wohnungsgröße angegeben - ein häufiger Fall in der Praxis.
Erst nach Jahren kam der Mieter auf die Idee, die tatsächliche Wohnfläche zu hinterfragen. Seine Vermutung bestätigte sich: Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger stellte fest, dass die Wohnung nur etwa 102 Quadratmeter groß war. Der Unterschied von mehr als zehn Quadratmetern war erheblich.
Die Vermieter hatten bei allen Mieterhöhungen stets den örtlichen Mietspiegel beachtet. Selbst bei der korrekten, kleineren Wohnfläche wären die vereinbarten Mieten noch unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete gelegen. Dennoch forderte der Mieter die Rückzahlung der seiner Ansicht nach zu viel gezahlten Miete und klagte auf mehrere tausend Euro.
Die rechtlichen Streitpunkte
Der zentrale Streitpunkt lag in der rechtlichen Bewertung der Mieterhöhungsvereinbarungen. Beide Parteien waren einem gemeinsamen Kalkulationsirrtum unterlegen - weder Mieter noch Vermieter kannten die tatsächliche Wohnfläche.
Das Landgericht gab dem Mieter zunächst größtenteils recht. Es argumentierte, dass die Vermieter an ihre Berechnung pro Quadratmeter gebunden seien. Stelle sich später heraus, dass die Wohnfläche geringer sei, könne der Vermieter diese Differenz nicht nachträglich ausgleichen. Eine Anpassung der Miete anhand der tatsächlichen Wohnungsgröße sei daher vorzunehmen.
Die Vermieter wehrten sich gegen diese Sichtweise. Sie beriefen sich darauf, dass ihre Mieterhöhungsverlangen inhaltlich berechtigt gewesen seien, da sie die ortsübliche Vergleichsmiete nicht überschritten hätten. Durch die Zustimmung des Mieters seien wirksame Vereinbarungen zustande gekommen.
Das wegweisende BGH-Urteil
Der Bundesgerichtshof entschied eindeutig zugunsten der Vermieter und schuf damit wichtige Rechtssicherheit. Die obersten Richter stellten klar: Stimmt ein Mieter einem Mieterhöhungsverlangen zu, kommt dadurch eine wirksame vertragliche Vereinbarung zustande - unabhängig davon, ob das ursprüngliche Verlangen formell korrekt war.
Diese Grundregel gilt auch dann, wenn die Mieterhöhung auf einer unrichtigen Wohnfläche beruht. Die Vertragsparteien einigen sich durch die Zustimmung auf den konkret genannten Mietbetrag, nicht auf eine mathematische Formel aus Quadratmetern und Preis pro Quadratmeter.
Die entscheidende Frage war die Zumutbarkeit für den Mieter. Der BGH prüfte, ob dem Mieter ein Festhalten an den Vereinbarungen zugemutet werden kann. Das Gericht bejahte dies aus mehreren Gründen:
Erstens hätten die Vermieter auch bei korrekter Wohnflächenangabe ein gerichtliches Mieterhöhungsverfahren führen und die gleichen Beträge durchsetzen können. Die falsche Flächenangabe wirkte sich wirtschaftlich nicht zum Nachteil des Mieters aus.
Zweitens erschien es unplausibel, dass ein verständiger Mieter eine berechtigte und durchsetzbare Mieterhöhung nur deshalb abgelehnt hätte, weil bei der Berechnung ein folgenloser Fehler unterlaufen war.
Störung der Geschäftsgrundlage abgelehnt
Der BGH lehnte auch eine Vertragsanpassung nach den Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage ab. Zwar können gemeinsame Kalkulationsirrtümer grundsätzlich zu Vertragsanpassungen führen. Dies setzt jedoch voraus, dass einem Vertragspartner das Festhalten am ursprünglichen Vertrag unzumutbar ist.
Diese Unzumutbarkeit sah das Gericht nicht gegeben. Der Mieter hätte bei einer Weigerung nicht besser dagestanden. Im Gegenteil: Bei einer Kündigung wären ihm Kosten und Mühen durch die Wohnungssuche entstanden, ohne dass sicher gewesen wäre, eine vergleichbare Wohnung zu günstigeren Konditionen zu finden.
Die Richter betonten zudem, dass die korrekte Ermittlung der Wohnfläche grundsätzlich Aufgabe des Vermieters ist. Jedoch führe ein solcher Fehler nicht automatisch zu Nachteilen für den Mieter, wenn die Mieterhöhung materiell berechtigt sei.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Dieses Urteil hat weitreichende praktische Auswirkungen für Mieter und Vermieter gleichermaßen. Für Mieter bedeutet es: Vorsicht bei der Zustimmung zu Mieterhöhungen. Haben Sie einmal zugestimmt, ist ein späteres Zurück schwierig - selbst wenn sich herausstellt, dass der Berechnung fehlerhafte Angaben zugrunde lagen.
Überprüfen Sie daher vor einer Zustimmung kritisch:
- Liegt die geforderte Miete tatsächlich im Rahmen der ortsüblichen Vergleichsmiete?
- Stimmen die angegebenen Wohnungsdaten wie Größe, Ausstattung und Lage?
- Sind alle formellen Voraussetzungen des Mieterhöhungsverlangens erfüllt?
Falls Sie Zweifel haben, sollten Sie rechtlichen Rat einholen, bevor Sie zustimmen. Eine einmal erteilte Zustimmung können Sie praktisch nicht mehr rückgängig machen.
Für Vermieter schafft das Urteil mehr Rechtssicherheit. Fehlerhafte Angaben in Mieterhöhungsverlangen führen nicht automatisch zu Rückzahlungsansprüchen, wenn die Mieterhöhung materiell berechtigt war. Dennoch sollten Vermieter sorgfältig arbeiten und korrekte Wohnflächenangaben verwenden, um Streitigkeiten zu vermeiden.
Praktische Tipps für den Alltag
Als Mieter sollten Sie bei Mieterhöhungsverlangen systematisch vorgehen:
Lassen Sie sich nicht unter Zeitdruck setzen. Sie haben zwei Monate Zeit für eine Entscheidung. Nutzen Sie diese Frist, um das Verlangen gründlich zu prüfen. Bei Unsicherheiten über die Wohnfläche können Sie diese nachmessen oder von einem Sachverständigen ermitteln lassen.
Informieren Sie sich über die örtliche Vergleichsmiete. Viele Städte und Gemeinden stellen Mietspiegel zur Verfügung. Prüfen Sie, ob Ihre Wohnung korrekt eingeordnet wurde und ob die geforderte Miete im angemessenen Rahmen liegt.
Besondere Vorsicht ist bei Altbauten geboten, wo Wohnflächenangaben häufig ungenau sind. Hier lohnt sich eine professionelle Vermessung vor wichtigen Entscheidungen.
Wenn Sie einer Mieterhöhung nicht zustimmen möchten, teilen Sie dies schriftlich mit und begründen Sie Ihre Ablehnung. Der Vermieter kann dann den Klageweg beschreiten, Sie haben aber die Möglichkeit, Ihre Einwände vor Gericht zu vertreten.
Ausblick und Bedeutung
Das BGH-Urteil stärkt das Prinzip der Vertragstreue im Mietrecht. Es zeigt, dass einvernehmliche Lösungen zwischen Mietern und Vermietern Vorrang haben vor späteren Korrekturen aufgrund technischer Fehler.
Gleichzeitig wird deutlich, wie wichtig sorgfältige Prüfungen vor Vertragsabschlüssen sind. Sowohl Mieter als auch Vermieter sollten alle relevanten Daten korrekt ermitteln und dokumentieren, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
Die Entscheidung fügt sich in die Rechtsprechungslinie des BGH ein, wonach materielle Gerechtigkeit und wirtschaftliche Interessenlage bei der Beurteilung mietrechtlicher Streitigkeiten eine zentrale Rolle spielen. Formal-juristische Fehler führen nicht automatisch zu Nachteilen, wenn sie sich materiell nicht auswirken.
Quelle: BGH, Urteil vom 11. Dezember 2019 - VIII ZR 234/18
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