Käuferschutz bei Immobilienanlagen


Wenn der Traum von der Rendite-Immobilie platzt
Ein Ehepaar aus Hamburg erlebte im Jahr 2008 eine böse Überraschung. Was als lukrative Kapitalanlage angepriesen wurde, entpuppte sich als finanzielle Belastung. Die erworbene Eigentumswohnung sollte nach der Beratung durch einen Immobilienvermittler praktisch kostenneutral sein und nach zehn Jahren sogar mit einem ordentlichen Gewinn verkauft werden können. Die Realität sah anders aus.
Bereits kurz nach dem Kauf stellte sich heraus, dass die monatlichen Zuzahlungen deutlich höher ausfielen als versprochen. Statt der prognostizierten geringen Belastung mussten die Käufer erheblich mehr aus eigener Tasche dazuzahlen. Der versprochene gewinnbringende Verkauf nach zehn Jahren erwies sich als unrealistisch, da der Kaufpreis bereits zum Erwerbszeitpunkt weit über dem tatsächlichen Marktwert lag.
Drei zentrale Beratungsfehler führten zur Klage
Das Ehepaar sah sich in drei wesentlichen Punkten falsch beraten. Erstens war die tatsächliche monatliche Zuzahlung erheblich höher als dargestellt. Die Differenz zwischen Finanzierungskosten und Mieteinnahmen betrug nicht wie versprochen einen geringen Betrag, sondern lag deutlich darüber. Zweitens wurde ihnen eine unrealistische Wertsteigerung in Aussicht gestellt. Der Vermittler hatte erklärt, die Wohnung könne nach zehn Jahren mit einem beträchtlichen Gewinn verkauft werden. Drittens wurden sie nicht über die sich verringernden Steuervorteile bei der gewählten Finanzierungsform aufgeklärt.
Die Käufer forderten Schadensersatz und verklagten die Verkäuferin. Das Landgericht gab ihrer Klage zunächst statt. Nach dem Verkauf der Wohnung mit erheblichem Verlust verlangten sie die Erstattung der Differenz sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden.
Oberlandesgericht sieht Ansprüche als verjährt an
Das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg wies die Klage jedoch ab. Zwar erkannte es grundsätzlich einen Beratungsfehler an, sah die Schadensersatzansprüche aber als verjährt an. Nach Ansicht der Hamburger Richter hätten die Käufer bereits 2008 von der höheren monatlichen Belastung gewusst. Die dreijährige Verjährungsfrist sei daher Ende 2011 abgelaufen, während die Klage erst im November 2012 erhoben worden sei.
Bezüglich der versprochenen Wertsteigerung sah das Oberlandesgericht lediglich eine unverbindliche Anpreisung. Die fehlende Aufklärung über die sich verringernden Steuervorteile bei einem Annuitätendarlehen bewertete es nicht als Beratungsfehler, da kein Anlageberatervertrag geschlossen worden sei.
BGH korrigiert Oberlandesgericht in allen Punkten
Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Oberlandesgerichts auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung zurück. Die Karlsruher Richter sahen in allen drei strittigen Punkten Rechtsfehler des Berufungsgerichts und stärkten damit erheblich die Position von Immobilienkäufern.
Verjährung beginnt erst mit vollständiger Aufklärung der Ursachen
Zur Verjährungsfrage stellte der BGH klar, dass die bloße Kenntnis einer höheren monatlichen Belastung noch nicht ausreicht. Die Verjährungsfrist beginnt erst, wenn der Käufer nachvollziehen kann, worauf die höhere Zuzahlung tatsächlich zurückzuführen ist. Dies ist regelmäßig erst nach Erhalt der Jahresabrechnung der Wohnungseigentümergemeinschaft oder des Mietpools möglich.
Höhere Zuzahlungen können vielfältige Ursachen haben, die nichts mit einem Beratungsfehler zu tun haben müssen. Denkbar sind etwa Zahlungsverzüge von Mietern, Mietminderungen wegen Mängeln, schlechte Entwicklung eines Mietpools oder unerwartete Beschlüsse der Eigentümerversammlung über umzulegende Kosten. Erst wenn der Käufer diese Ursachen ausschließen und einen konkreten Beratungsfehler identifizieren kann, beginnt die Verjährungsfrist zu laufen.
Rentabilitätsversprechen verpflichten zu vollständiger Aufklärung
Bezüglich der versprochenen Wertsteigerung betonte der BGH die weitreichenden Aufklärungspflichten bei Rentabilitätsversprechen. Wer als Kaufanreiz auf die wirtschaftliche Rentabilität einer Immobilie hinweist, muss vollständig über alle hierfür bedeutsamen Umstände informieren. Er verletzt seine Beratungspflichten, wenn er ein unzutreffendes Bild der Ertragserwartung oder des Wertsteigerungspotentials vermittelt.
Das Oberlandesgericht hatte die Äußerung des Vermittlers fälschlicherweise als unverbindliche Anpreisung eingestuft. Der BGH sah dies anders: Die Nennung eines konkreten Mindestwertes einer Wertsteigerung erweckt den Eindruck, der Erwerb sei praktisch risikofrei. Besonders problematisch war im vorliegenden Fall, dass der Kaufpreis bereits zum Erwerbszeitpunkt deutlich über dem Verkehrswert lag, was einen gewinnbringenden Verkauf von vornherein ausschloss oder zumindest unwahrscheinlich machte.
Aufklärung über schwindende Steuervorteile ist Pflicht
Auch zur Aufklärungspflicht über Steuervorteile korrigierte der BGH das Oberlandesgericht. Bei einer langfristigen Finanzierung mit Annuitätendarlehen muss über die negativen Auswirkungen des sich jährlich verringernden Zinsanteils der Darlehensraten auf den Steuervorteil aufgeklärt werden.
Die Steuervorteile bei Immobilieninvestitionen resultieren hauptsächlich aus den als Werbungskosten abziehbaren Darlehenszinsen. Bei einem Annuitätendarlehen sinkt der Zinsanteil kontinuierlich, während der Tilgungsanteil steigt. Dadurch verringern sich Jahr für Jahr die Steuervorteile, bis sie bei Eintritt in das Rentenalter möglicherweise ganz entfallen. Diese Entwicklung muss dem Käufer transparent dargestellt werden, wenn mit Steuervorteilen geworben wird.
Besondere Sorgfaltspflicht bei Altersvorsorge-Immobilien
Der vorliegende Fall zeigt die besonderen Risiken bei Immobilien, die der Altersvorsorge dienen sollen. Die Käufer hatten ein Darlehen mit einer Laufzeit von 28 Jahren abgeschlossen. Bei ihrem Alter zum Kaufzeitpunkt würden sie sich bei Ablauf der Finanzierung im hohen Rentenalter befinden. Die Angabe einer konkreten Wertsteigerung sollte daher besonders auf die Option hinweisen, das Objekt nach Renteneintritt gewinnbringend zu verkaufen und sich von den Finanzierungsbelastungen zu befreien.
Umso wichtiger ist eine realistische Einschätzung der Wertentwicklung. Ist ein gewinnbringender Verkauf wegen eines überhöhten Kaufpreises von vornherein ausgeschlossen, hat der Verkäufer falsche Vorstellungen über die Werthaltigkeit der Immobilie geweckt und seine Aufklärungspflichten verletzt.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Das BGH-Urteil stärkt erheblich die Rechte von Immobilienkäufern und verschärft die Haftung von Verkäufern und Vermittlern. Für Käufer bedeutet dies, dass sie auch bei bereits länger zurückliegenden Käufen noch Schadensersatzansprüche geltend machen können, wenn sie erst später die wahren Ursachen für finanzielle Belastungen erkennen konnten.
Verkäufer und Vermittler müssen künftig besonders vorsichtig sein, wenn sie mit der Rentabilität von Immobilien werben. Konkrete Gewinnversprechen sind nur zulässig, wenn sie realistisch sind und auf einer soliden Basis beruhen. Bei der Finanzierungsberatung muss vollständig über alle Aspekte aufgeklärt werden, die die laufenden Kosten beeinflussen können.
Für Käufer ist wichtig zu wissen, dass die Verjährung nicht bereits mit dem ersten Auftreten höherer Kosten beginnt. Sie haben Zeit, die Ursachen zu ermitteln und gegebenenfalls rechtliche Schritte einzuleiten. Bewahren Sie alle Unterlagen auf und lassen Sie sich bei Unstimmigkeiten zeitnah rechtlich beraten.
Das Urteil zeigt auch, wie wichtig eine unabhängige Bewertung vor dem Kauf ist. Liegt der Kaufpreis deutlich über dem Verkehrswert, sollten Käufer skeptisch werden, insbesondere wenn mit Wertsteigerungen geworben wird.
Fazit: Mehr Schutz für Immobilienkäufer
Mit seinem Urteil hat der Bundesgerichtshof die Weichen für einen besseren Schutz von Immobilienkäufern gestellt. Die Entscheidung macht deutlich, dass Verkäufer und Vermittler ihrer Beratungspflicht umfassend nachkommen müssen. Wer mit Rentabilität wirbt, steht in einer besonderen Verantwortung für die Richtigkeit seiner Angaben.
Für die Praxis bedeutet dies eine Win-Win-Situation: Käufer erhalten besseren Schutz vor unseriösen Verkaufspraktiken, während seriöse Verkäufer durch transparente und vollständige Beratung Vertrauen schaffen und rechtliche Risiken minimieren können.
Quelle: BGH, Urteil vom 17.06.2016 - V ZR 134/15
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