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Bohrlöcher in Fliesen: Wann Mieter haften

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Mieter dürfen nicht einfach Fliesen durchbohren. Wenn Bohrungen in den Fugen möglich gewesen wären, müssen sie Schadensersatz zahlen. Ein wichtiges Urteil für alle Mieter und Vermieter.
Handwerker bohrt in Bad ein Loch in eine weiße Fliese

Der Fall: Streit um Kaution nach Eigenbedarfskündigung

Ein Mieter forderte nach dem Ende seines Mietverhältnisses die Rückzahlung seiner Kaution in Höhe von 800 Euro sowie einer Überzahlung von 350 Euro. Der Vermieter hatte das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs für seine Tochter gekündigt. Nach der Wohnungsübergabe im Mai 2023 weigerte sich der Vermieter jedoch, die vollen 1.150 Euro zurückzuzahlen.

Stattdessen rechnete der Vermieter mit verschiedenen Schadensersatzforderungen gegen die Kautionsrückzahlung auf. Der Streitfall landete vor dem Amtsgericht Paderborn, das eine richtungsweisende Entscheidung zu Bohrlöchern in Fliesen traf.

Zentrale Streitpunkte: Durchbohrte Fliesen und entfernte Fußleisten

Der Hauptstreitpunkt drehte sich um sechs durchbohrte Fliesen: vier in der Küche und zwei im Badezimmer. Der Vermieter argumentierte, dass der Mieter dadurch die Sachsubstanz der Wohnung beschädigt habe. Der Mieter hätte die Bohrungen in den Fliesenfugen vornehmen müssen, nicht direkt durch die Fliesen.

Zusätzlich hatte der Mieter die Fußleisten in der gesamten Wohnung entfernt und diese nicht wieder angebracht. Auch hier sah der Vermieter einen Schadensersatzanspruch. Weitere Streitpunkte betrafen nicht vollständig entfernte Tapeten, im Keller verbliebene Gegenstände und andere kleinere Mängel.

Die rechtliche Bewertung: Fliesenfugen statt Fliesen

Das Gericht machte eine wichtige Unterscheidung zwischen verschiedenen Arten von Bohrlöchern in Mietwohnungen. Während normale Dübellöcher in Wänden grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch gehören, gilt für Fliesen eine strengere Regel.

"Das Durchbohren der Wandfliesen ist vom Vermieter im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs nur dann hinzunehmen, wenn nicht die Platzierung des Bohrlochs in den Fliesenfugen möglich gewesen wäre."

Diese Regelung begründete das Gericht damit, dass Bohrungen in den Fugen mit einer "weit weniger beeinträchtigenden Einwirkung auf die Sachsubstanz der Mietwohnung" einhergehen. Die Richter stellten klar: Mieter müssen immer prüfen, ob eine Befestigung über die Fliesenfugen möglich ist, bevor sie die Fliesen selbst durchbohren.

Individualvertragliche Vereinbarungen verstärken das Bohrverbot

In diesem Fall war die Rechtslage besonders eindeutig, da der Mietvertrag eine spezielle Klausel enthielt. Die Individualvereinbarungen zum Mietvertrag untersagten ausdrücklich das Anbohren der Fliesen in Küche und Bad. Dadurch war das Durchbohren der Fliesen individualvertraglich verboten und dem vertragsgemäßen Gebrauch vollständig entzogen.

Solche Klauseln sind in Mietverträgen durchaus üblich und rechtlich wirksam. Mieter sollten daher immer ihren Mietvertrag genau prüfen, bevor sie Löcher in geflieste Bereiche bohren.

Schadensersatz ohne vorherige Fristsetzung

Ein wichtiger rechtlicher Aspekt betraf die Frage der Fristsetzung. Bei Schäden an der Sachsubstanz der Mietsache durch Verletzung von Obhutspflichten ist keine vorherige Fristsetzung des Vermieters erforderlich. Das Gericht berief sich dabei auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2018.

Diese Regelung unterscheidet sich von anderen mietrechtlichen Ansprüchen, bei denen der Vermieter dem Mieter zunächst eine Frist zur Nachbesserung setzen muss. Bei direkten Beschädigungen der Wohnung entstehen Schadensersatzansprüche unmittelbar mit der Beschädigung.

Pauschalierter Schadensersatz für beschädigte Fliesen

Die Höhe des Schadensersatzes war in diesem Fall vertraglich geregelt. Die Parteien hatten einen pauschalierten Schadensersatz von 25 Euro pro beschädigter Fliese vereinbart. Bei sechs durchbohrten Fliesen ergab sich somit ein Schaden von 150 Euro.

Solche Pauschalierungen sind praktisch und rechtlich sinnvoll, da sie langwierige Beweisverfahren über die tatsächliche Schadenshöhe vermeiden. Für Mieter bedeutet dies Rechtssicherheit: Sie wissen im Voraus, welche Kosten bei einer Beschädigung entstehen.

Erfolgreiche Aufrechnung trotz Verjährung

Rechtlich interessant war die Frage der Verjährung. Die Schadensersatzansprüche des Vermieters konnten auch nach Ablauf der Verjährungsfrist noch zur Aufrechnung verwendet werden. Das Gericht stellte klar, dass für eine erfolgreiche Aufrechnung nicht erforderlich ist, dass Schadensersatzansprüche bereits konkret beziffert wurden.

Entscheidend ist nur, dass sich zwei gleichartige, unverzehrte Ansprüche gegenüberstehen. Die Zahlungsansprüche sind mit der rechtswidrigen Beschädigung unmittelbar entstanden und fällig geworden.

Gescheiterte Ansprüche: Fehlende Fristsetzung als Stolperstein

Nicht alle Schadensersatzforderungen des Vermieters waren erfolgreich. Bei nicht vollständig entfernten Tapeten, verbliebenen Gegenständen im Keller und anderen Mängeln scheiterte der Vermieter an der fehlenden Fristsetzung. Diese Ansprüche hätten sich nur nach erfolgloser Fristsetzung in Zahlungsansprüche umgewandelt.

Das Gericht betonte, dass eine Fristsetzung auch nicht entbehrlich war, da der Beklagte nicht beweisen konnte, dass der Mieter die weiteren Arbeiten ernsthaft und endgültig verweigert hatte. Hier zeigt sich die Bedeutung einer sauberen Dokumentation bei der Wohnungsübergabe.

Das Urteil im Detail: 705 Euro Rückzahlung

Das Amtsgericht Paderborn verurteilte den Vermieter zur Zahlung von 705 Euro an den Mieter. Von den ursprünglich geforderten 1.150 Euro (800 Euro Kaution plus 350 Euro Überzahlung) konnte der Vermieter erfolgreich 445 Euro gegenrechnen:

  • 150 Euro für sechs durchbohrte Fliesen (25 Euro pro Fliese)
  • 295 Euro für entfernte Fußleisten

Alle anderen Schadensersatzforderungen wurden abgewiesen. Das Gericht verteilte die Prozesskosten entsprechend dem Erfolg: Der Mieter trägt 40 Prozent, der Vermieter 60 Prozent der Kosten.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Mieter: Seien Sie beim Bohren in gefliesten Bereichen besonders vorsichtig. Prüfen Sie immer zuerst, ob eine Befestigung über die Fliesenfugen möglich ist. Lesen Sie Ihren Mietvertrag aufmerksam - viele Verträge enthalten spezielle Regelungen zu Bohrungen in Fliesen. Planen Sie bei Beschädigungen mit pauschalierten Schadensersatzforderungen, auch wenn diese vertraglich vereinbart sind.

Für Vermieter: Nehmen Sie detaillierte Übergabeprotokolle auf und dokumentieren Sie alle Mängel sofort. Setzen Sie dem Mieter schriftliche Fristen für die Beseitigung von Mängeln, die nicht die Sachsubstanz betreffen. Überlegen Sie, ob pauschalierte Schadensersatzklauseln in Ihren Mietverträgen sinnvoll sind - sie erleichtern die Durchsetzung von Ansprüchen erheblich.

Für beide Seiten gilt: Eine saubere Dokumentation bei Ein- und Auszug ist entscheidend. Halten Sie alle Vereinbarungen schriftlich fest und kommunizieren Sie offen über erforderliche Arbeiten. Das verhindert spätere Streitigkeiten und spart Zeit und Kosten.

Dieses Urteil zeigt: Das Mietrecht macht durchaus Unterschiede zwischen verschiedenen Arten von Eingriffen in die Wohnung. Während normale Dübellöcher meist hingenommen werden müssen, gelten für Fliesen strengere Maßstäbe. Mieter sollten daher vor jedem Bohrloch in geflieste Bereiche sorgfältig prüfen, ob nicht schonendere Alternativen möglich sind.


Quelle: AG Paderborn, Urteil vom 18.03.2024 - 51 C 135/23

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