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WEG-Beschlüsse: Keine Entlastung ohne Abrechnung

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Eine Wohnungseigentümergemeinschaft kann ihrer Hausverwaltung nicht einfach Entlastung erteilen, wenn die Jahresabrechnung noch fehlt. Das hat das Amtsgericht Spandau entschieden und gleich vier Beschlüsse einer Eigentümerversammlung für ungültig erklärt.
Zwei Personen geben sich die Hände, im Hintergrund sitzen weitere Menschen an einem Tisch.
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Ausgangspunkt: Streit um Beschlüsse in der Eigentümerversammlung

In einer Berliner Wohnanlage aus den 1980er Jahren kam es zum Konflikt zwischen einer Eigentümerin und der Wohnungseigentümergemeinschaft. Im Oktober 2024 fand eine Eigentümerversammlung statt, bei der mehrere weitreichende Beschlüsse gefasst wurden. Eine Eigentümerin war mit gleich vier dieser Beschlüsse nicht einverstanden und zog vor Gericht. Die Anlage verfügt über eine Warmwasserversorgung mit einem Speicher, der bereits seit 1987 in Betrieb ist. Außerdem hatte die Gemeinschaft in den Jahren zuvor beschlossen, in allen Wohnungen Wasserzähler zu installieren, um den Wasserverbrauch individuell erfassen zu können.

Entlastung der Verwaltung ohne Rechenschaftslegung

Der erste kritische Beschluss betraf die Entlastung der Hausverwaltung für das Wirtschaftsjahr 2023. Das Besondere daran: Zum Zeitpunkt der Versammlung im Oktober 2024 lag die Jahresabrechnung für 2023 immer noch nicht vor. Trotzdem sollte die Verwaltung entlastet werden. Die klagende Eigentümerin machte geltend, dass dies besonders problematisch sei für Eigentümer, die ihre Wohnungen vermieten. Diese sind darauf angewiesen, von der Verwaltung rechtzeitig Einzelabrechnungen zu erhalten, um ihrerseits gegenüber ihren Mietern ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnungen erstellen zu können.

Das Gericht gab der Eigentümerin recht und stellte klar: Eine Entlastung setzt voraus, dass die Verwaltung zunächst Rechenschaft abgelegt hat. Der Mechanismus funktioniert normalerweise so, dass die Verwalterin ihre Kernaufgabe erfüllt und eine Abrechnung vorlegt. Die Eigentümer billigen dann mit dem Entlastungsbeschluss die zurückliegende Amtsführung als gesetzeskonform, ordnungsgemäß und zweckmäßig. Gleichzeitig sprechen sie der Verwaltung damit ihr Vertrauen für die Zukunft aus. Wird von diesem etablierten Ablauf abgewichen und Entlastung erteilt, bevor überhaupt eine Abrechnung vorliegt, entspricht dies nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.

Wasserzähler-Installation: Intransparente Kostenverteilung

Ein zweiter Beschluss befasste sich mit den Kosten für die Installation von Wasserzählern in den einzelnen Wohnungen. Die Gemeinschaft hatte bereits 2020 beschlossen, mit einem Dienstleister Verträge über funkbasierte Wasserzähler abzuschließen. Im Jahr 2022 wurde dann festgelegt, dass die Wasserkosten ab 2023 zur Hälfte nach Fläche und zur Hälfte nach Verbrauch abgerechnet werden sollten. Die meisten Eigentümer ließen daraufhin auf eigene Kosten Wasserzähler in ihren Wohnungen installieren. Bei etwa zehn Eigentümern fehlten diese jedoch noch. Die Verwaltung beauftragte daraufhin eine Firma mit der Installation der fehlenden Zähler sowie mit dem Austausch bereits vorhandener, aber veralteter Zähler.

In der Eigentümerversammlung sollte nun entschieden werden, wie die angefallenen Kosten verteilt werden. Die Beschlussfassung sah vor, dass sämtliche Kosten nach dem üblichen Verteilerschlüssel der Gemeinschaft, also nach Quadratmetern Wohnfläche, umgelegt werden sollten. Die klagende Eigentümerin war der Ansicht, dass jeder Eigentümer die Kosten für die Installation in seiner eigenen Wohnung selbst tragen müsse.

Das Gericht stellte zunächst fest, dass grundsätzlich beide Verteilungsmaßstäbe rechtlich zulässig wären. Der gewählte Verteilerschlüssel nach Wohnfläche ist nicht unordnungsgemäß oder unvernünftig, denn der Einbau der Wasserzähler dient dem Interesse aller Wohnungseigentümer, den Wasserverbrauch möglichst gerecht abzurechnen. Trotzdem erklärte das Gericht den Beschluss für ungültig. Der entscheidende Mangel lag in der unzureichenden Information der Eigentümer über die finanziellen Konsequenzen der verschiedenen Berechnungsalternativen.

Die Verwaltung hatte nämlich versäumt, transparent zu machen, welche Kosten bereits entstanden waren. Durch die Beauftragung einer Fachfirma waren bereits Kosten von mehreren Tausend Euro angefallen. Diese hätten je nach gewähltem Verteilerschlüssel unterschiedlich umgelegt werden müssen. Außerdem hatten einzelne Eigentümer bereits Vorleistungen erbracht, indem sie auf eigene Kosten Wasserzähler installierenließen. Auch hierüber wurden die Eigentümer nicht informiert, obwohl diese Vorleistungen bei einer Umlage nach Wohnfläche zum Gegenstand der Kostenverteilung hätten gemacht werden müssen. Ohne diese wesentlichen Informationen konnten die Eigentümer keine sachgerechte Entscheidung treffen.

Austausch des Warmwasserspeichers: Fehlende Sachargumente

Der dritte angefochtene Beschluss betraf die Erneuerung des Warmwasserspeichers. Die Eigentümergemeinschaft ermächtigte die Verwaltung, eine Fachfirma mit der Erneuerung des Warmwasserspeichers zu beauftragen. Die Kosten sollten aus der Instandhaltungsrücklage bezahlt werden, die Obergrenze lag bei einer fünfstelligen Summe. Als Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, dass der Speicher aus dem Jahr 1987 stamme und daher sehr alt sei. Eine Reparatur sei nicht mehr wirtschaftlich.

Die klagende Eigentümerin zweifelte an, dass ausreichende Entscheidungsgrundlagen vorlagen. Sie bemängelte, dass die angeblich bereits durchgeführten Reparaturarbeiten nicht nachvollziehbar seien, da weder die Abrechnung vorliege noch Belege vorgelegt worden seien. Auch seien die Informationen über die erforderlichen Arbeiten ungenügend. Es fehle an einer präzisen Schadensbeschreibung und einem Reparaturangebot. Die Verwalterin habe zudem von einem Wasserspeicher gesprochen, tatsächlich seien aber zwei Stück vorhanden. Die vorgelegten Angebote zweier Firmen seien nicht vergleichbar gewesen, da die Materialkosten stark voneinander abwichen.

Das Gericht gab der Eigentümerin recht und stellte fest, dass die alleinige Information über das hohe Alter des Speichers keine ausreichende Entscheidungsgrundlage darstellt. Soll eine Anlage erneuert werden, weil eine Reparatur angeblich nicht mehr wirtschaftlich sei, müssen die Eigentümer mit konkreten Sachargumenten überzeugt werden. Dazu gehören beispielsweise Informationen über das Ausmaß bereits eingetretener Schäden und den zu erwartenden weiteren Verschleiß bestimmter Bauteile. Die bloße Vorlage von Fotografien und der Hinweis auf das Baujahr genügen hierfür nicht, zumal diese Informationen den Eigentümern in der Versammlung noch nicht einmal zur Kenntnis gebracht worden waren.

Kostenbelastung für Akteneinsicht unzulässig

Der vierte Beschluss sollte regeln, dass Eigentümer ab der zweiten Einsichtnahme in Unterlagen innerhalb eines Kalenderjahres die Kosten hierfür selbst tragen müssen. Die Gemeinschaft wollte damit offenbar dem Eindruck begegnen, dass eine Eigentümerin ihr Einsichtsrecht in schikanöser Weise ausübte. Die Verwaltung sollte für ihren zeitlichen Aufwand Stundensätze abrechnen können, wobei die betroffenen Eigentümer vorab über die entstehenden Kosten informiert werden sollten. Mitglieder des Verwaltungsbeirats sollten von dieser Regelung ausgenommen sein.

Auch diesen Beschluss erklärte das Gericht für ungültig. Die Begründung ist klar und eindeutig: Den einzelnen Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft muss es jederzeit und immer wieder erneut möglich sein, sich von der Entwicklung der Verwaltungstätigkeit ein eigenes Bild zu machen. Nur so können sie die sich aus ihrem Eigentum ergebenden Rechte effektiv und mit Nachdruck wahrnehmen. Eine finanzielle Hürde für die Einsichtnahme in Unterlagen widerspricht diesem Grundsatz und damit ordnungsmäßiger Verwaltung.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Diese Entscheidung zeigt deutlich, welche Anforderungen an ordnungsgemäße Beschlussfassungen in Wohnungseigentümergemeinschaften gestellt werden. Hausverwaltungen und Eigentümergemeinschaften sollten mehrere wichtige Punkte beachten.

Erstens: Entlastungsbeschlüsse können erst gefasst werden, wenn die Jahresabrechnung vorliegt. Die Eigentümer müssen prüfen können, ob die Verwaltung ihre Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt hat, bevor sie ihr das Vertrauen aussprechen. Eine vorzeitige Entlastung entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung und kann erfolgreich angefochten werden.

Zweitens: Bei Beschlüssen, die verschiedene Verteilungsmaßstäbe für Kosten vorsehen, müssen die Eigentümer umfassend über die finanziellen Konsequenzen der Alternativen informiert werden. Transparenz ist hier das oberste Gebot. Bereits entstandene Kosten und erbrachte Vorleistungen müssen offengelegt werden, damit die Eigentümer eine sachgerechte Entscheidung treffen können. Dies gilt insbesondere dann, wenn einzelne Eigentümer bereits auf eigene Kosten in Vorleistung gegangen sind.

Drittens: Will die Gemeinschaft größere Instandsetzungsmaßnahmen beschließen, reicht ein pauschaler Verweis auf das Alter einer Anlage nicht aus. Die Eigentümer benötigen konkrete Informationen über Art und Umfang von Schäden, die Wirtschaftlichkeit einer Reparatur im Vergleich zu einer Erneuerung und aussagekräftige, vergleichbare Angebote. Nur auf dieser Grundlage können sie entscheiden, ob die vorgeschlagene Maßnahme tatsächlich im Interesse der Gemeinschaft liegt.

Viertens: Das Recht auf Einsicht in Verwaltungsunterlagen ist ein wesentliches Eigentümerrecht und darf nicht durch finanzielle Hürden eingeschränkt werden. Auch wenn eine Eigentümerin oder ein Eigentümer dieses Recht häufig in Anspruch nimmt, rechtfertigt dies keine Kostenbelastung. Die Verwaltung muss dieses Recht umfassend gewährleisten.

Für Wohnungseigentümer bedeutet dieses Urteil, dass sie berechtigt sind, hohe Ansprüche an die Qualität von Beschlussvorlagen zu stellen. Transparenz, vollständige Information und nachvollziehbare Begründungen sind keine überzogenen Forderungen, sondern notwendige Voraussetzungen für rechtmäßige Beschlüsse. Wer Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Beschlusses hat, sollte die Anfechtungsfristen im Blick behalten und gegebenenfalls rechtlichen Rat einholen.


Quelle: Amtsgericht Spandau, Urteil vom 01.07.2025, Aktenzeichen 19 C 47/24 WEG

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