Therapie-Hund erlaubt, Hundezaun verboten: Die Grenzen des Mietrechts bei Behinderung


Der Fall: Streit um einen Hundezaun
Die schwerbehinderte, rollstuhlpflichtige Mieterin einer Erdgeschosswohnung hatte auf der Gemeinschaftsgrünfläche des Hauses, direkt hinter ihrer mitvermieteten Terrasse, einen kleinen Zaun errichtet. Dieser sollte ihrem Therapie-Hund einen geschützten Auslauf bieten. Die Vermieterin verlangte die Entfernung dieses Zauns.
Die Mieterin berief sich auf ihre schwere Behinderung und argumentierte, dass sie auf den Therapie-Hund zur Überwachung ihrer gesundheitlichen Situation angewiesen sei. Laut ärztlichem Attest leidet sie an:
- Lokalisationsbezogener symptomatischer Epilepsie mit einfachen fokalen Anfällen
- Mitralklappeninsuffizienz
- Trikuspidalklappeninsuffizienz
- Langjähriger Hypertonie
Ihr Hund, so die Mieterin, sei speziell geschult, um auf drohende Epilepsie-Anfälle oder Herzprobleme zu reagieren. Beispielsweise lege er seinen Kopf auf ihr Bein, wenn ihr Blutdruck zu hoch sei, oder auf ihren Fuß, wenn er zu niedrig sei. Bei drohenden Epilepsie-Anfällen positioniere er seinen Kopf auf ihrer Schulter.
Rechtliche Grundlagen
Das Gericht musste mehrere rechtliche Aspekte abwägen:
- Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz verbieten die Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen.
- § 554 BGB gibt Mietern das Recht, vom Vermieter die Zustimmung zu baulichen Veränderungen zu verlangen, die für eine behindertengerechte Nutzung der Mietsache erforderlich sind.
- § 242 BGB (Treu und Glauben) fordert ein angemessenes Maß an gegenseitiger Rücksichtnahme und Toleranz.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Gericht stellte fest:
Ein Vermieter kann von einem Mieter mit Behinderung nicht verlangen, dass dieser seinen Therapie-Hund nicht mehr in der angemieteten Wohnung bzw. auf der mitvermieteten Terrasse hält.
Dies begründete das Gericht damit, dass aufgrund der grundgesetzlichen Wertentscheidung in Verbindung mit dem AGG ein behinderter Mieter grundsätzlich ein höheres Maß an Rücksichtnahme verlangen kann als Mieter ohne Behinderungen.
Allerdings:
Eine räumliche Erweiterung des Gebrauchsrechts des Mieters wird jedoch durch § 554 BGB nicht gedeckt, selbst wenn die bauliche Veränderung der Mietsache dem Gebrauch des Mieters mit Behinderung dient.
Der Zaun auf der Gemeinschaftsfläche stellte eine solche unzulässige Erweiterung des Gebrauchsrechts dar. Der § 554 BGB ist auf bauliche Veränderungen der Mietsache beschränkt und erlaubt keine Ausdehnung des Nutzungsrechts auf Gemeinschaftsflächen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Mieter mit Behinderungen ergeben sich aus dem Urteil wichtige Erkenntnisse:
- Therapie- und Assistenztiere sind grundsätzlich zu dulden, wenn sie für den Mieter gesundheitlich wichtig sind. Vermieter können die Haltung solcher Tiere in der Wohnung oder auf der Terrasse nicht untersagen.
- Gemeinschaftsflächen dürfen nicht eigenmächtig umgestaltet werden. Auch wenn eine Behinderung vorliegt, rechtfertigt dies nicht automatisch bauliche Veränderungen außerhalb der eigentlichen Mietsache.
- Bauliche Veränderungen nach § 554 BGB können nur innerhalb der eigentlichen Mieträume oder für den Zugang zu diesen beansprucht werden (z.B. Rampen zum Hauseingang, Treppenlifte).
- Gemeinschaftseinrichtungen können vom Vermieter grundsätzlich jederzeit in ihrer Nutzung eingeschränkt oder anders gestaltet werden, da sie typischerweise kein fester Bestandteil des Mietvertrags sind.
Fazit
Das Urteil zeigt die Grenzen des besonderen Schutzes für Menschen mit Behinderungen im Mietrecht auf. Während die Haltung von notwendigen Assistenz- oder Therapietieren innerhalb der Mietwohnung durch das AGG und das Grundgesetz geschützt ist, besteht kein Anspruch auf eine Erweiterung des Mietgebrauchs auf Gemeinschaftsflächen. Bei Fragen zu Ihren Rechten als Mieter mit Behinderung sollten Sie sich an einen spezialisierten Fachanwalt für Mietrecht wenden.
Quelle: AG Brandenburg, Urteil vom 06.05.2025 - 31 C 153/24
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