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Verzugszinsen trotz Mieteinnahmen

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Wer beim Immobilienkauf zu spät zahlt, muss Verzugszinsen entrichten – auch wenn der Verkäufer währenddessen Mieten kassiert. Das entschied das OLG Hamm und stärkte damit die Position von Immobilienverkäufern.
Mann im Anzug hält ein Bündel Geldscheine in der Hand
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Ein verspäteter Immobilienkauf wird teuer

Beim Kauf einer Immobilie kann eine verspätete Zahlung des Kaufpreises schnell kostspielig werden. Dies musste eine Käuferin schmerzhaft erfahren, als sie ein Mehrfamilienhaus erworben hatte, aber nicht rechtzeitig zahlte. Das Oberlandesgericht Hamm entschied in seinem Beschluss vom 5. Juli 2024, dass Verzugszinsen in vollem Umfang zu zahlen sind – selbst wenn der Verkäufer während der Verzugszeit Mieteinnahmen aus der Immobilie erzielt.

Der Fall zeigt exemplarisch, welche rechtlichen und finanziellen Folgen bei Immobiliengeschäften drohen, wenn Zahlungsfristen nicht eingehalten werden. Besonders bemerkenswert ist die Entscheidung des Gerichts, dass Mieteinnahmen die Verzugszinsen nicht mindern können.

Der Sachverhalt: Wenn Träume vom Eigenheim zum Alptraum werden

Die Geschichte beginnt mit einem notariellen Kaufvertrag über ein Mehrfamilienhaus. Die Käuferin und die Verkäufer hatten alle Details sorgfältig vertraglich geregelt, einschließlich einer wichtigen Klausel: Bei Nichtzahlung des Kaufpreises innerhalb der vereinbarten Frist sollte ohne weitere Mahnung automatisch Verzug eintreten.

Doch genau das passierte. Die Käuferin zahlte den Kaufpreis nicht rechtzeitig. Der Verzug erstreckte sich über mehrere Monate – vom 1. Oktober 2021 bis zum 1. Februar 2022. In dieser Zeit kassierten die Verkäufer weiterhin die Mieteinnahmen aus dem Mehrfamilienhaus, da ihnen laut Vertrag die Erträge bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung zustanden.

Die finanziellen Folgen des Verzugs waren erheblich: Verzugszinsen in Höhe von über zehntausend Euro, dazu kommen Rechtsanwaltskosten von mehr als tausend Euro. Die Käuferin sah sich einer beträchtlichen Nachzahlung gegenüber, die weit über den ursprünglich vereinbarten Kaufpreis hinausging.

Der zentrale Streitpunkt: Doppelte Belastung oder berechtigte Forderung?

Die Käuferin fühlte sich ungerecht behandelt. Ihre Argumentation war nachvollziehbar: "Wenn die Verkäufer während meines Zahlungsverzugs Mieteinnahmen erhalten haben, müssen diese doch die Verzugszinsen mindern. Sonst profitieren die Verkäufer doppelt von meiner verspäteten Zahlung."

Diese Sichtweise erscheint auf den ersten Blick plausibel. Schließlich erhielten die Verkäufer während der Verzugszeit Mieteinnahmen, die sie bei planmäßiger Kaufpreiszahlung nicht bekommen hätten. Die Käuferin berief sich auf den Grundsatz des Vorteilsausgleichs – ein wichtiges Prinzip im deutschen Recht, das verhindern soll, dass jemand durch einen Schaden besser gestellt wird als ohne das schädigende Ereignis.

Die Verkäufer sahen das völlig anders. Sie argumentierten, dass Verzugszinsen nach dem Gesetz unabhängig von anderen Einnahmen zu zahlen seien. Die Mieteinnahmen stünden ihnen vertraglich zu und hätten nichts mit den Verzugszinsen zu tun. Diese Position stützte sich auf die klare Regelung in § 288 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der Verzugszinsen als automatischen Mindestschaden definiert.

Die Entscheidung: Klare Trennung zwischen Verzugszinsen und Mieten

Das Oberlandesgericht Hamm gab den Verkäufern recht und bestätigte damit das vorangegangene Urteil des Landgerichts Dortmund. Die Begründung des Gerichts ist eindeutig und wegweisend für ähnliche Fälle.

Die Richter stellten fest: "Die Verzugszinsen sind mit den Mieten nicht gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden." Diese Formulierung ist der Schlüssel zum Verständnis der Entscheidung. Das Gericht trennt strikt zwischen zwei verschiedenen Rechtsbereichen: dem Verzugsrecht und dem Mietrecht.

Verzugszinsen als objektiver Mindestschaden

Die rechtliche Begründung basiert auf der Systematik des § 288 BGB. Verzugszinsen haben einen besonderen Charakter: Sie sind als objektiver Mindestschaden gesetzlich festgelegt. Das bedeutet, sie entstehen automatisch, ohne dass ein tatsächlicher Schaden nachgewiesen werden muss. Dem Schuldner ist der Beweis abgeschnitten, dass kein oder nur ein geringerer Schaden entstanden ist.

Diese Regelung hat einen wichtigen praktischen Grund: Sie vereinfacht die Rechtsdurchsetzung erheblich. Verkäufer müssen nicht umständlich beweisen, welche konkreten finanziellen Nachteile ihnen durch die verspätete Zahlung entstanden sind. Die Verzugszinsen entstehen kraft Gesetzes.

Vertragliche Risikoverteilung verhindert Vorteilsausgleich

Das Gericht ging noch einen Schritt weiter und analysierte die vertragliche Risikoverteilung. Die Richter erkannten, dass "im Vertrag gleichsam angelegt ist, dass bei einem Verzug der Käuferin mit der Kaufpreiszahlung diese während des Verzugszeitraums die Mieten nicht vereinnahmen darf."

Diese Vertragsgestaltung ist bewusst gewählt. Sie schafft Anreize für eine pünktliche Zahlung und stellt sicher, dass der Verkäufer während des Verzugs nicht das Risiko für die Immobilie trägt, ohne über das Kapital verfügen zu können.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Immobilienkäufer: Pünktlichkeit zahlt sich aus

Das Urteil sendet eine klare Botschaft an alle Immobilienkäufer: Zahlungsfristen sind ernst zu nehmen. Die finanziellen Folgen einer verspäteten Zahlung können erheblich sein und lassen sich nicht durch den Verweis auf Mieteinnahmen des Verkäufers reduzieren.

Käufer sollten daher folgende Punkte beachten:

Bei der Vertragsgestaltung ist besonders auf Verzugsklauseln zu achten. Vereinbarungen, die Verzug ohne Mahnung eintreten lassen, sind wirksam und können teuer werden. Die Finanzierung sollte rechtzeitig und mit ausreichendem Puffer organisiert werden. Unvorhergesehene Verzögerungen bei der Bank können sonst zu kostspieligen Verzugszinsen führen.

Die Kommunikation mit dem Verkäufer ist wichtig, falls sich Zahlungsschwierigkeiten abzeichnen. Auch wenn rechtlich kein Anspruch auf Nachsicht besteht, können einvernehmliche Lösungen oft gefunden werden, bevor hohe Verzugszinsen entstehen.

Für Immobilienseigner: Gestärkte Rechtsposition

Das Urteil stärkt die Position von Immobilienverkäufern erheblich. Sie können sich darauf verlassen, dass vereinbarte Verzugszinsen in vollem Umfang durchsetzbar sind, auch wenn sie gleichzeitig Mieteinnahmen erzielen.

Verkäufer profitieren von folgenden Aspekten:

Verzugsklauseln ohne Mahnerfordernis sind ein wirksames Instrument, um Zahlungsdisziplin zu fördern. Die Kombination aus Verzugszinsen und fortlaufenden Mieteinnahmen ist rechtlich zulässig und kann vertraglich vereinbart werden. Die Durchsetzung von Verzugszinsen ist einfacher geworden, da Vorteilsausgleichsargumente in diesen Konstellationen nicht greifen.

Für die Rechtspraxis: Klarstellung wichtiger Grundsätze

Das Urteil schafft Rechtssicherheit in einem praktisch wichtigen Bereich. Es bestätigt die strikte Trennung zwischen verschiedenen Rechtskreisen und zeigt, dass der Vorteilsausgleich nicht schematisch angewendet werden kann.

Die Entscheidung verdeutlicht mehrere wichtige Rechtsprinzipien:

Die Systematik des Verzugsrechts steht einer Vermischung mit anderen Rechtsbereichen entgegen. Vertragliche Risikoverteilungen sind zu respektieren und können einen Vorteilsausgleich ausschließen. Die gesetzliche Konzeption der Verzugszinsen als objektiver Mindestschaden ist konsequent umzusetzen.

Ausblick: Präzedenzcharakter für künftige Fälle

Die Entscheidung des OLG Hamm wird voraussichtlich Signalwirkung für ähnliche Fälle entfalten. Sie bestätigt eine verkäuferfreundliche Rechtsprechung und macht deutlich, dass kreative Argumente zur Minderung von Verzugszinsen selten Erfolg haben werden.

Für die Praxis bedeutet dies eine Verschiebung der Verhandlungsmacht zugunsten der Verkäufer. Käufer werden sich noch sorgfältiger überlegen müssen, ob sie Zahlungsfristen einhalten können, bevor sie entsprechende Verträge unterzeichnen.

Das Urteil zeigt auch, wie wichtig eine präzise Vertragsgestaltung ist. Beide Seiten sollten sich bewusst machen, welche finanziellen Folgen verschiedene Szenarien haben können. Transparenz bei der Vertragsgestaltung kann spätere Streitigkeiten vermeiden und für alle Beteiligten Klarheit schaffen.

Die Rechtsprechung entwickelt sich kontinuierlich weiter, aber dieses Urteil setzt einen wichtigen Meilenstein. Es zeigt, dass das deutsche Recht bei Immobiliengeschäften klare Strukturen und verlässliche Regeln bietet – auch wenn diese manchmal überraschende Ergebnisse zur Folge haben können.


Quelle: OLG Hamm, Beschluss vom 05.07.2024, Az. 22 U 53/24

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