Mietpreisbremse: Wann gilt sie nicht bei nachträglichen Mietänderungen?


Der Sachverhalt: Streit um die "Vormiete"
Im verhandelten Fall ging es um einen zentralen Streitpunkt: Darf ein Vermieter sich auf eine mit dem Vormieter vereinbarte höhere Miete berufen, wenn diese erst im Laufe des Mietverhältnisses – etwa durch einen Vergleich – zustande gekommen ist?
Die Klägerin hatte argumentiert, dass bei der sogenannten "Vormiete" im Sinne des § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB eine Einschränkung gemacht werden müsse. Ihrer Meinung nach sollten nur solche nachträglichen Mieterhöhungen als wirksame Vormiete gelten, die aufgrund von Modernisierungsmaßnahmen vereinbart wurden.
Die rechtliche Kernfrage
Die entscheidende Rechtsfrage lautete: Welche Art von nachträglicher Mietänderung kann als "Vormiete" im Sinne des Gesetzes angesehen werden?
Nach § 556e Abs. 1 BGB darf ein Vermieter eine Miete verlangen, die der Vormieter zuletzt schuldete (sogenannte "Vormiete"), auch wenn diese über der nach der Mietpreisbremse eigentlich zulässigen Höhe liegt. Dies soll den Bestandsschutz für bereits bestehende Mietverhältnisse sichern.
Der entscheidende Gesetzestext (§ 556e Abs. 1 Satz 1 BGB):
"Ist die Miete, die der vorherige Mieter zuletzt schuldete (Vormiete), höher als die nach § 556d Absatz 1 zulässige Miete, so darf eine Miete bis zur Höhe der Vormiete vereinbart werden."
Die Klägerin vertrat die Ansicht, dass diese Regelung einschränkend ausgelegt werden müsse. Sie argumentierte, der Gesetzgeber habe nur solche nachträglichen Mietvereinbarungen schützen wollen, die "nach entsprechenden Modernisierungen wirksam vereinbart wurden."
Die Entscheidung des Gerichts
Das Landgericht Berlin (Aktenzeichen: 64 S 50/24) wies die Berufung der Klägerin zurück und entschied:
Als wirksame "Vormiete" kommt jede nach Abschluss des Vor-Mietvertrags durch Vereinbarung der Mietvertragsparteien geänderte Miete in Frage.
Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass:
- Eine Mietvereinbarung im laufenden Mietverhältnis nicht an den Vorschriften der Mietpreisbremse (§§ 556d ff. BGB) zu messen ist
- Auch ein Vergleich zwischen Vermieter und Vormieter über die Miethöhe geeignet ist, eine nach der Mietpreisbremse teilunwirksame Mietabsprache zu "heilen"
- Der Gesetzgeber im Wortlaut des Gesetzes keinerlei Andeutung für eine Beschränkung auf modernisierungsbedingte Mietänderungen gemacht hat
Besonders deutlich wird dies in der Begründung des Gerichts:
"Diese von der Klägerin vorgeschlagene Auslegung des § 556e Abs. 1 BGB scheitert daran, dass der Gesetzgeber nach Beginn des Vormietverhältnisses getroffene Absprachen eindeutig als relevant vorausgesetzt hat, sich andererseits für die vorgeschlagene Beschränkung im Wortlaut des Gesetzes nicht einmal eine Andeutung findet."
Das Gericht hob zudem hervor, dass eine wirksame Modernisierungsmieterhöhung nach §§ 559 ff. BGB gar keine Vereinbarung der Parteien voraussetzt, während beispielsweise eine Mieterhöhung nach §§ 558 ff. BGB nur durch vertragsändernde Vereinbarung erfolgen kann.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Mieter:
- Wenn Ihr Vermieter eine höhere Miete verlangt und sich dabei auf die "Vormiete" beruft, kann es sich auch um eine nachträglich vereinbarte Miete des Vormieters handeln
- Die Mietpreisbremse greift nicht bei Vereinbarungen, die im laufenden Mietverhältnis getroffen wurden
- Ein Vergleich zwischen Vormieter und Vermieter über die Miethöhe kann als neue Vormiete dienen, auch wenn die ursprüngliche Miete gegen die Mietpreisbremse verstoßen hat
Für Vermieter:
- Auch nachträglich vereinbarte höhere Mieten mit dem Vormieter können als maßgebliche "Vormiete" für neue Mietverträge dienen
- Ein Vergleich mit dem Vormieter kann eine ursprünglich teilunwirksame Mietvereinbarung "heilen"
- Die Absprachen zur Miethöhe, die während eines Mietverhältnisses getroffen werden, unterliegen nicht den Regelungen der Mietpreisbremse
Wichtig zu beachten:
Die Entscheidung steht im Einklang mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.09.2022 (VIII ZR 300/21). Dies zeigt, dass es sich um eine gefestigte Rechtsprechung handelt.
Die Mietpreisbremse zielt darauf ab, überhöhte Mieten bei Neuverträgen zu verhindern. Innerhalb bestehender Mietverhältnisse gelten jedoch andere Regeln für Mieterhöhungen, wie etwa die Kappungsgrenzen oder die ortsübliche Vergleichsmiete.
Dieses Urteil verdeutlicht, dass die Mietpreisbremse in ihrer aktuellen Form gewisse Spielräume lässt, die von Vermietern genutzt werden können. Für Mieter bedeutet dies, dass sie bei Berufung des Vermieters auf eine "Vormiete" genau prüfen sollten, wie diese zustande gekommen ist.
Fazit
Das Landgericht Berlin hat mit seiner Entscheidung klargestellt, dass nachträgliche Mietänderungen während eines bestehenden Mietverhältnisses nicht den Regelungen der Mietpreisbremse unterliegen und als "Vormiete" im Sinne des Gesetzes gelten können. Dies gilt auch für Vergleiche zwischen Vermieter und Vormieter zur Beilegung von Streitigkeiten über die Miethöhe.
Die Entscheidung zeigt einmal mehr, wie komplex das Mietrecht ist und dass es für Mieter wie Vermieter wichtig ist, die gesetzlichen Regelungen und die aktuelle Rechtsprechung zu kennen.
Quelle: Landgericht Berlin, Beschluss vom 28.05.2024, Aktenzeichen: 64 S 50/24
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