Maklervertrag per E-Mail: Warum stillschweigendes Handeln nicht reicht
Vom Hauskauf zum Hausverkauf
Ein Ehepaar suchte ursprünglich ein neues Zuhause und wandte sich im Sommer an eine Immobilienmaklerin. Für die Suche nach einer Kaufimmobilie schlossen beide Seiten einen ordentlichen Maklervertrag mit allen erforderlichen Unterlagen ab. Die Maklerin überreichte dabei auch eine korrekte Widerrufsbelehrung samt dem gesetzlich vorgeschriebenen Formular.
Einige Monate später änderte sich die Situation. Das Ehepaar wollte nun sein eigenes Haus verkaufen und bat dieselbe Maklerin um Unterstützung. Die Kommunikation lief ausschließlich per E-Mail. Die Maklerin schickte zwar eine Widerrufsbelehrung, verzichtete aber auf einen förmlichen neuen Vertragsabschluss. Sie ging davon aus, dass sich der bestehende Kontakt einfach auf den Hausverkauf erstrecken würde.
Die Maklerin vermittelte tatsächlich einen Käufer. Nach Abschluss des notariellen Kaufvertrags zahlte das Ehepaar die vereinbarte Provision. Wenige Monate später erklärte der Ehemann jedoch den Widerruf und verlangte das Geld zurück.
Der zentrale Streitpunkt: Kam überhaupt ein Vertrag zustande?
Das Landgericht und das Oberlandesgericht mussten sich mit einer grundlegenden Frage beschäftigen: Kann ein Maklervertrag über den Verkauf eines Einfamilienhauses stillschweigend geschlossen werden, wenn die Beteiligten per E-Mail kommunizieren?
Seit dem Jahr 2020 schreibt das Gesetz für solche Maklerverträge die sogenannte Textform vor. Das bedeutet: Die Vereinbarung muss schriftlich dokumentiert sein, etwa per E-Mail, Brief oder in einem anderen dauerhaft lesbaren Format. Die spannende Frage war nun, ob es ausreicht, wenn jemand auf ein Provisionsangebot reagiert, indem er einfach die Maklerdienste nutzt – ohne ausdrücklich „Ja, ich stimme zu" zu sagen.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Oberlandesgericht Celle kam zu einem klaren Ergebnis: Ein Maklervertrag, der der Textform unterliegt, kann nicht durch bloßes Verhalten geschlossen werden. Es reicht nicht aus, dass jemand auf ein Provisionsangebot reagiert und anschließend Maklerdienste in Anspruch nimmt.
Das Gericht betonte: Eine „lesbare Erklärung" erfordert, dass der wesentliche Inhalt der Vereinbarung tatsächlich in Worten niedergeschrieben ist.
Das Ehepaar hatte in seinen E-Mails nie ausdrücklich erklärt, den Maklervertrag anzunehmen und die Provision zahlen zu wollen. Sie baten lediglich darum, einen Notartermin zu organisieren. Von dieser Bitte konnte die Maklerin zwar auf eine Zustimmung schließen – aber nur, weil sie aus Erfahrung wusste, wie sich Kunden üblicherweise verhalten. Dieser Erfahrungswert stand jedoch nicht in der E-Mail selbst.
Das Gericht erklärte dazu: Bei einer stillschweigenden Willenserklärung muss der Empfänger zusätzliche Erkenntnisse hinzufügen, um den Sinn zu verstehen. Genau das widerspricht aber der Idee einer „lesbaren" Erklärung. Der vollständige Inhalt der Vereinbarung muss aus dem Text selbst hervorgehen.
Warum der Gesetzgeber diese Regel eingeführt hat
Der Gesetzgeber wollte mit der Textform einen häufigen Streitpunkt bei Maklergeschäften beseitigen: Oft war unklar, ob überhaupt ein Vertrag bestand und zu welchen Bedingungen. Gerade bei Immobiliengeschäften mit hohen Provisionen sollten beide Seiten schwarz auf weiß sehen können, was vereinbart wurde.
Das Gericht stellte fest, dass diese Schutzfunktion unterlaufen würde, wenn man weiterhin stillschweigende Vertragsschlüsse zuließe. Denn gerade die Frage „Wurde überhaupt ein Vertrag geschlossen?" führt in der Praxis zu den meisten Streitigkeiten.
Die weiteren Argumente der Maklerin
Die Maklerin versuchte, sich auf mehrere Punkte zu berufen. Zunächst argumentierte sie, es habe von Anfang an nur einen einzigen Maklervertrag gegeben, der später lediglich erweitert worden sei. Das Gericht wies dies zurück: Die ursprüngliche Beauftragung betraf ausschließlich den Kauf einer Immobilie. Der spätere Verkaufsauftrag war ein völlig neues Geschäft mit anderem Inhalt.
Die Maklerin verwies auch auf eine Klausel im notariellen Kaufvertrag, die ihre Vermittlungstätigkeit bestätigte. Diese sogenannte Maklerklausel hatte jedoch nach Überzeugung des Gerichts nur eine Beweisfunktion. Sie dokumentierte lediglich, dass ein Makler tätig war – sie begründete aber keinen eigenständigen Zahlungsanspruch.
Schließlich berief sich die Maklerin darauf, das Geld bereits ausgegeben zu haben und nicht mehr bereichert zu sein. Auch dieses Argument verfing nicht. Die Maklerin hatte vorgetragen, mit dem Geld ihren Lebensunterhalt bestritten und Geschäftsausgaben bezahlt zu haben. Das Gericht erklärte: Wer durch eine Zahlung nur Ausgaben spart, die ohnehin angefallen wären, kann sich nicht auf Entreicherung berufen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Dieses Urteil hat erhebliche praktische Bedeutung für alle, die mit Immobilienmaklern zusammenarbeiten.
Für Immobilienkäufer und -verkäufer bedeutet das Urteil mehr Sicherheit. Bevor Sie eine Provision zahlen müssen, brauchen Sie einen ausdrücklichen Vertrag in Textform. Ein bloßer E-Mail-Austausch, bei dem Sie um Termine bitten oder Informationen anfordern, begründet noch keine Zahlungspflicht. Achten Sie darauf, ob Sie tatsächlich einen Maklervertrag unterschrieben haben oder ob dieser Ihnen in einer E-Mail eindeutig angeboten und von Ihnen ausdrücklich angenommen wurde.
Für Makler ergibt sich eine klare Handlungsanweisung. Sie müssen bei jedem neuen Auftrag einen ausdrücklichen Vertragsschluss herbeiführen. Es genügt nicht mehr, auf ein früheres Vertragsverhältnis zu verweisen oder darauf zu hoffen, dass der Kunde durch sein Verhalten stillschweigend zustimmt. Empfehlenswert ist ein klarer Vertragstext, den der Kunde per E-Mail ausdrücklich bestätigt – etwa mit den Worten „Ich nehme Ihr Angebot an" oder einer vergleichbaren eindeutigen Formulierung.
Das Gericht hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, weil es von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte abweicht. Die endgültige Klärung dieser Rechtsfrage steht also noch aus. Bis dahin sollten alle Beteiligten auf Nummer sicher gehen und auf ausdrückliche Vertragsschlüsse achten.
Grundsätze des Urteils
- Maklerverträge über Einfamilienhäuser und Wohnungen unterliegen dem Textformerfordernis nach § 656a BGB
- Ein konkludenter Vertragsschluss durch bloßes Verhalten wahrt die Textform nicht
- Es bedarf eines ausdrücklichen Angebots und einer ausdrücklichen Annahme in Textform
- Der wesentliche Erklärungsinhalt muss vollständig aus dem geschriebenen Text hervorgehen
- Deklaratorische Maklerklauseln im Kaufvertrag begründen keinen eigenständigen Provisionsanspruch
- Die Berufung auf Entreicherung scheitert, wenn die Zahlung nur ersparte Ausgaben ersetzt hat
OLG Celle, Urteil vom 02.10.2025, Az. 11 U 23/25
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