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Hausgeld: Kein Zurückbehaltungsrecht für Eigentümer

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Wohnungseigentümer müssen ihr Hausgeld zahlen – auch wenn die Gemeinschaft seit Jahren keine Jahresabrechnung erstellt hat. Ein Zurückbehaltungsrecht gibt es nicht.
Symbolbild: Sparschwein mit Kette um den Bauch

Worum ging es in dem Fall?

Ein Wohnungseigentümer war Mitglied einer Eigentümergemeinschaft, die ihm Vorschüsse für mehrere Monate schuldete. Die Eigentümerversammlung hatte Anfang 2021 den Wirtschaftsplan für das laufende Jahr beschlossen. Dieser Plan legte fest, welche monatlichen Zahlungen jeder Eigentümer für die laufenden Kosten und die Rücklage zu leisten hat. Da kein neuer Beschluss gefasst wurde, galt dieser Wirtschaftsplan auch für das Folgejahr weiter.

Der Eigentümer zahlte seine Vorschüsse jedoch nicht. Sein Argument: Die Gemeinschaft habe seit vielen Jahren keine ordnungsgemäßen Jahresabrechnungen mehr erstellt. Er hatte sogar bereits ein Gerichtsurteil erstritten, das die Eigentümergemeinschaft zur Erstellung der Jahresabrechnung für ein zurückliegendes Jahr verpflichtete. Dennoch passierte nichts. Der Eigentümer sah sich daher berechtigt, seine Zahlungen zurückzuhalten, bis die Gemeinschaft ihrer Pflicht nachkommt.

Die Eigentümergemeinschaft klagte auf Zahlung der ausstehenden Vorschüsse. Das Amtsgericht gab der Klage statt, das Landgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Eigentümer legte daraufhin Revision beim Bundesgerichtshof ein.

Der zentrale Streitpunkt

Die entscheidende rechtliche Frage lautete: Darf ein Wohnungseigentümer die Zahlung seines Hausgeldes verweigern, wenn die Gemeinschaft ihre Pflichten verletzt? Konkret ging es um das sogenannte Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB. Dieses Recht erlaubt es einem Schuldner normalerweise, seine eigene Leistung so lange zurückzuhalten, bis der Gläubiger eine fällige Gegenleistung erbringt.

Der Eigentümer berief sich darauf, dass ihm die Gemeinschaft die Erstellung von Jahresabrechnungen schulde. Diesen Anspruch habe er sogar gerichtlich durchgesetzt. Solange die Gemeinschaft dieser Verpflichtung nicht nachkomme, müsse er auch sein Hausgeld nicht zahlen.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof wies die Revision zurück und bestätigte damit die Entscheidungen der Vorinstanzen. Das Gericht stellte einen wichtigen Grundsatz klar: Ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber Hausgeldansprüchen der Eigentümergemeinschaft ist generell ausgeschlossen. Dies gilt selbst dann, wenn der Eigentümer bereits einen rechtskräftig zuerkannten oder anerkannten Gegenanspruch hat.

Die Begründung des Gerichts

Der Bundesgerichtshof begründete seine Entscheidung mit dem besonderen Finanzierungssystem einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die monatlichen Vorschüsse, die im Wirtschaftsplan festgelegt werden, sind das zentrale Finanzierungsinstrument der Gemeinschaft. Diese Zahlungen gewährleisten, dass die für die Bewirtschaftung der Anlage notwendigen Mittel tatsächlich zur Verfügung stehen.

Könnte jeder Eigentümer bei Unstimmigkeiten seine Zahlungen zurückhalten, hätte dies schwerwiegende Folgen. Der Gemeinschaft wäre die finanzielle Grundlage entzogen. Bei Zahlungsausfällen drohen etwa Versorgungssperren, der Versicherungsschutz kann gefährdet werden und Verzugszinsen können anfallen. Die Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft wäre stark eingeschränkt.

Das Gericht betonte auch den Unterschied zwischen dem Zurückbehaltungsrecht und der Aufrechnung. Eine Aufrechnung mit rechtskräftig festgestellten Forderungen ist ausnahmsweise möglich, da sie die Vorschussforderung tatsächlich tilgt. Das Zurückbehaltungsrecht dagegen ist nur ein Druckmittel und kein Erfüllungsersatz. Der Schuldner hat lediglich ein Sicherungsrecht, aber keinen Anspruch auf Befriedigung seiner eigenen Forderung.

Keine Einzelfallprüfung erforderlich

Der Bundesgerichtshof stellte außerdem klar, dass es keiner Prüfung im Einzelfall bedarf, ob die Verwaltung tatsächlich beeinträchtigt wäre. Dies folge schon aus praktischen Erwägungen. Der Wirtschaftsplan werde auf Basis von Prognosen erstellt. Die Eigentümer schätzen den voraussichtlichen Geldbedarf für das jeweilige Jahr und haben dabei ein weites Ermessen. Dieses mehrheitlich ausgeübte Ermessen darf nicht durch die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts unterlaufen werden.

Dasselbe gilt für die Zuführung zur Erhaltungsrücklage. Diese soll der Gemeinschaft auch für einen unvorhergesehenen Bedarf Liquidität verschaffen. Auch hier ist ein Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Wohnungseigentümer hat dieses Urteil weitreichende praktische Bedeutung. Auch wenn Sie unzufrieden mit der Verwaltung Ihrer Eigentümergemeinschaft sind, dürfen Sie Ihre Hausgeldzahlungen nicht einfach einstellen oder reduzieren. Selbst ein Gerichtsurteil, das Ihnen einen Anspruch gegen die Gemeinschaft zuspricht, berechtigt Sie nicht zur Zahlungsverweigerung.

Stattdessen sollten Sie andere Wege nutzen, um Ihre Ansprüche durchzusetzen. Haben Sie bereits einen Titel, also ein rechtskräftiges Urteil, können Sie daraus vollstrecken. Sie können die Gemeinschaft also zwingen, ihrer Verpflichtung nachzukommen, ohne dabei Ihre eigenen Zahlungspflichten zu verletzen.

Für Eigentümergemeinschaften und Hausverwaltungen bestätigt das Urteil die starke Stellung der Hausgeldforderungen. Die Zahlungspflicht der Eigentümer besteht unabhängig von etwaigen Pflichtverletzungen der Gemeinschaft oder der Verwaltung. Dies schützt die finanzielle Stabilität der Gemeinschaft und stellt sicher, dass die laufende Bewirtschaftung der Anlage nicht durch einzelne zahlungsunwillige Eigentümer gefährdet wird.

Grundsätze des Urteils

  • Das Zurückbehaltungsrecht eines Wohnungseigentümers gegenüber Hausgeldforderungen ist generell ausgeschlossen
  • Dies gilt auch bei anerkannten oder rechtskräftig zuerkannten Gegenansprüchen
  • Die Vorschüsse nach dem Wirtschaftsplan sind das zentrale Finanzierungsinstrument der Gemeinschaft
  • Anders als das Zurückbehaltungsrecht ist die Aufrechnung mit titulierten Forderungen ausnahmsweise zulässig
  • Betroffene Eigentümer können ihre titulierten Ansprüche stattdessen im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen

Quelle: BGH, Urteil vom 14.11.2025 – V ZR 190/24

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