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WEG Umlaufbeschluss: Nur exakte Inhalte sind zulässig

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Wohnungseigentümer können nicht einfach den Inhalt eines geplanten Umlaufbeschlusses ändern und trotzdem mit einfacher Mehrheit abstimmen. Das entschied das Amtsgericht Köln in einem aktuellen Urteil und erklärte einen Beschluss über die Anschaffung von Müllcontainern für ungültig.
moderner Wohnkomplex, im Vordergrund Müllcontainer
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Müllcontainer sollten bestellt werden

In einer Wohnungseigentümergemeinschaft stand die Anschaffung neuer Müllcontainer an. Die Eigentümer fassten in ihrer Versammlung zunächst einen sogenannten Absenkungsbeschluss. Dabei handelt es sich um eine Regelung, die es ermöglicht, bestimmte Entscheidungen später im Umlaufverfahren mit einfacher Mehrheit zu treffen, anstatt die Zustimmung aller Eigentümer zu benötigen.

Konkret beschlossen die Eigentümer, einen Umlaufbeschluss für drei Container mit jeweils 770 Litern Fassungsvermögen durchzuführen - einen für Restmüll, einen für Papier und einen für Wertstoffe. Diese Entscheidung sollte dann per E-Mail mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen getroffen werden.

Das Problem: Gewünschte Containergröße nicht verfügbar

Nach der Eigentümerversammlung stellte die Hausverwaltung fest, dass es ein praktisches Problem gab: Wertstoffcontainer waren beim örtlichen Abfallwirtschaftsbetrieb nur in den Größen 240 Liter und 1.100 Liter erhältlich - nicht aber in der gewünschten Größe von 770 Litern.

Die Verwaltung änderte daraufhin den Beschlussantrag für das Umlaufverfahren. Statt drei Container à 770 Liter sollten nun zwei Container à 770 Liter für Restmüll und Papier bestellt werden. Zusätzlich sollte zu der bereits vorhandenen Wertstofftonne eine weitere Wertstofftonne mit 240 Liter Fassungsvermögen angeschafft werden.

Dieser geänderte Beschluss wurde mit Mehrheit angenommen, jedoch nicht von allen Eigentümern. Zwei Eigentümer stimmten dagegen und klagten später gegen den Beschluss.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen verstehen

Um die Entscheidung des Gerichts zu verstehen, muss man die gesetzlichen Regelungen für Umlaufbeschlüsse kennen. Das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) sieht grundsätzlich vor, dass Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft in einer Versammlung gefasst werden. Als Ausnahme können Beschlüsse auch im schriftlichen Umlaufverfahren getroffen werden.

Für Umlaufbeschlüsse gilt normalerweise das Prinzip der Allstimmigkeit - das bedeutet, alle Eigentümer müssen zustimmen. Dies soll sicherstellen, dass wichtige Entscheidungen nicht ohne ausreichende Diskussion und Beteiligung aller Betroffenen getroffen werden.

Die Ausnahme: Absenkungsbeschluss ermöglicht Mehrheitsentscheidung

Es gibt jedoch eine wichtige Ausnahme von der Allstimmigkeitsregel. Nach § 23 Absatz 3 Satz 2 WEG können die Wohnungseigentümer beschließen, dass für einen "einzelnen Gegenstand" die Mehrheit der abgegebenen Stimmen im Umlaufverfahren ausreicht. Einen solchen Beschluss nennt man Absenkungsbeschluss, weil er die hohen Anforderungen an die Zustimmung "absenkt".

Dieser Absenkungsbeschluss muss jedoch sehr präzise sein. Er muss genau festlegen, worüber im Umlaufverfahren abgestimmt werden soll. Nur dann können die Eigentümer sicher sein, dass sie über den richtigen Gegenstand entscheiden.

Die Entscheidung des Amtsgerichts Köln

Das Amtsgericht Köln erklärte den Umlaufbeschluss für ungültig. Die Begründung war klar und eindeutig: Der beschlossene Sachverhalt war nicht von dem ursprünglichen Absenkungsbeschluss gedeckt.

Die Richter stellten fest, dass die Eigentümer ursprünglich über drei Container à 770 Liter abstimmen wollten. Tatsächlich wurde dann aber über zwei Container à 770 Liter plus einen zusätzlichen 240-Liter-Container abgestimmt. Dies sei nicht dasselbe, sondern "etwas anderes".

Kernaussage des Gerichts: Exakte Übereinstimmung erforderlich

"Was unter einem einzelnen Gegenstand zu verstehen ist, ist in Rechtsprechung und Schrifttum noch nicht hinreichend geklärt", räumte das Gericht ein. Entscheidend sei aber, ob die letztendlich getroffene Entscheidung von dem ursprünglichen Absenkungsbeschluss noch "getragen" wird.

Das war hier nicht der Fall. Das Gericht betonte, dass eine Auslegung des Absenkungsbeschlusses, die der Verwaltung erlauben würde, eigenständig andere Varianten zur Abstimmung zu stellen, "fern liegt". Die Eigentümer hatten über einen konkreten Antrag entscheiden wollen, nicht über Alternativen, die die Verwaltung erst später entwickelte.

Wichtige Klarstellung: Kein "Minus" sondern "etwas anderes"

Ein besonders wichtiger Punkt in der Entscheidung ist die Abgrenzung zwischen einem "Minus" und "etwas anderem". Das Gericht stellte klar: Es handelte sich nicht etwa um weniger Container als ursprünglich geplant, sondern um eine andere Zusammenstellung.

Bei einem echten "Minus" - also wenn beispielsweise statt drei Containern nur zwei bestellt worden wären - könnte die rechtliche Bewertung anders ausfallen. Das ließ das Gericht bewusst offen, da es für die Entscheidung nicht relevant war.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Hausverwaltungen

Hausverwaltungen müssen besonders vorsichtig sein, wenn sie Umlaufbeschlüsse durchführen. Sie dürfen nicht eigenständig den Inhalt von Beschlussanträgen ändern, auch nicht wenn die ursprünglich geplante Lösung praktisch nicht umsetzbar ist.

Empfehlung: Wenn sich herausstellt, dass ein geplanter Beschluss nicht wie vorgesehen umgesetzt werden kann, sollte die Verwaltung die Eigentümer informieren und entweder eine neue Eigentümerversammlung einberufen oder einen neuen Absenkungsbeschluss herbeiführen.

Für Wohnungseigentümer

Als Wohnungseigentümer sollten Sie genau prüfen, worüber im Umlaufverfahren abgestimmt wird. Sie haben das Recht darauf, dass nur über das abgestimmt wird, was vorher auch beschlossen wurde.

Praxistipp: Bewahren Sie Protokolle von Eigentümerversammlungen gut auf und vergleichen Sie diese mit späteren Umlaufbeschlüssen. Bei Abweichungen können Sie den Beschluss anfechten.

Für die Rechtspraxis

Das Urteil schafft wichtige Klarheit für die Praxis. Es zeigt, dass Absenkungsbeschlüsse eng ausgelegt werden müssen. Flexibilität bei der Umsetzung ist nicht zulässig, wenn dadurch der Inhalt der Entscheidung verändert wird.

Vermeidung künftiger Probleme

Um solche Situationen zu vermeiden, können Eigentümergemeinschaften verschiedene Strategien anwenden:

Vorabklärung technischer Details: Bevor ein Absenkungsbeschluss gefasst wird, sollte die Verwaltung alle technischen und praktischen Aspekte klären. Welche Containergrößen sind verfügbar? Welche Kosten entstehen? Gibt es alternative Lösungen?

Flexibilität im Absenkungsbeschluss: Eigentümer können bereits im ursprünglichen Beschluss alternative Szenarien berücksichtigen. Beispielsweise: "Die Eigentümergemeinschaft beschließt, per Umlaufverfahren über die Anschaffung von drei Containern à 770 Liter oder, falls diese Größe nicht verfügbar ist, über alternative Containergrößen zu entscheiden."

Zweistufiges Verfahren: Bei komplexeren Entscheidungen kann es sinnvoll sein, zunächst im Umlaufverfahren über das grundsätzliche "Ob" zu entscheiden und in einem zweiten Schritt über die konkrete Ausgestaltung.

Rechtsmittel und weitere Konsequenzen

Der unterlegenen Hausverwaltung entstanden durch das Urteil Kosten. Das Gericht setzte den Streitwert auf 2.500 Euro fest. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, die Beklagte kann die Vollstreckung aber durch Sicherheitsleistung abwenden.

Für die Praxis bedeutet dies: Auch wenn die Beträge bei solchen Streitigkeiten oft überschaubar sind, können die Verfahrenskosten erheblich sein. Eine sorgfältige rechtliche Prüfung vor der Durchführung von Umlaufbeschlüssen ist daher wirtschaftlich sinnvoll.

Fazit: Präzision ist entscheidend

Das Urteil des Amtsgerichts Köln macht deutlich: Bei Umlaufbeschlüssen im Wohnungseigentumsrecht ist Präzision entscheidend. Absenkungsbeschlüsse ermöglichen zwar flexible Entscheidungsfindung, aber nur innerhalb der genau definierten Grenzen.

Die wichtigste Erkenntnis: Wer als Verwaltung oder Eigentümergemeinschaft von der normalerweise erforderlichen Allstimmigkeit abweichen möchte, muss sich strikt an den ursprünglich gefassten Beschluss halten. Änderungen - auch scheinbar geringfügige - können zur Ungültigkeit des gesamten Beschlusses führen.

Für alle Beteiligten gilt: Eine gründliche Vorbereitung und exakte Formulierung von Absenkungsbeschlüssen verhindert spätere Streitigkeiten und schafft Rechtssicherheit für die gesamte Eigentümergemeinschaft.


Quelle: AG Köln, Urteil vom 14.04.2025, Az. 215 C 57/24

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