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WEG: Sanierungsbeschlüsse rechtsgültig beschließen

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Wohnungseigentümergemeinschaften müssen bei Sanierungsbeschlüssen präzise formulieren und ihre Kompetenzen beachten. Das Amtsgericht Friedberg erklärte Beschlüsse zur Balkonsanierung für ungültig, weil sie zu unbestimmt waren oder das Sondereigentum betrafen.
eine Gruppe von fünf Menschen steht vor einem Haus mit einem sanierungsbedürftigen Balkon
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall aus Hessen: Streit um Balkonsanierung

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit drei Einheiten beschloss in ihrer Versammlung die Sanierung von vier Außenbalkonen und einer Garagen-Terrasse. Die Maßnahmen sollten von zwei Miteigentümern in Eigenleistung durchgeführt werden. Doch nicht alle Eigentümer waren mit diesen Beschlüssen einverstanden.

Die betroffenen Balkone und die Terrasse gehörten zum Sondereigentum der durchführenden Miteigentümer und waren sanierungsbedürftig. In der Eigentümerversammlung stimmte die Mehrheit dafür, dass die beiden Miteigentümer die Sanierungsarbeiten selbst übernehmen sollten.

Die Einwände der Kläger: Zu unbestimmt und nicht zuständig

Die klagenden Miteigentümer sahen gleich mehrere Probleme in den gefassten Beschlüssen. Ihr Hauptkritikpunkt: Die Beschlüsse seien viel zu unbestimmt formuliert. Der Begriff "Sanierung" sage nichts darüber aus, was konkret gemacht werden sollte.

Besonders problematisch war aus ihrer Sicht die Vermischung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum. Bei Balkonen gehört typischerweise der Oberbelag zum Sondereigentum des jeweiligen Wohnungseigentümers, während die darunter liegende Konstruktion Gemeinschaftseigentum darstellt. Da nicht klar war, welche Teile saniert werden sollten, blieb auch die Finanzierung ungeklärt.

Weitere Kritikpunkte der klagenden Eigentümer

Die Kläger bemängelten zusätzlich, dass durch die Beschlüsse wesentliche Aufgaben des Verwalters an die beiden Miteigentümer übertragen würden, was rechtlich nicht zulässig sei. Außerdem seien die Beschlüsse nicht ordnungsgemäß verkündet worden.

Bei den Balkonen kritisierten sie außerdem, dass nicht eindeutig sei, welche der vier Balkone überhaupt saniert werden sollten, obwohl die Anlage tatsächlich nur über vier Außenbalkone verfügte.

Die Verteidigung: Beschlüsse seien ausreichend konkret

Die Wohnungseigentümergemeinschaft verteidigte ihre Beschlüsse vehement. Ihrer Ansicht nach waren die Beschlüsse hinreichend bestimmt, da die Anlage nur über vier Balkone und eine Garagen-Terrasse verfüge. Eine Verwechslung sei daher ausgeschlossen.

Den Begriff "Sanierung" hielt die beklagte Gemeinschaft für ausreichend konkret. Unter Sanierung verstehe man im Bauwesen die technische Wiederherstellung und Werterhaltung der Bausubstanz mit dem Ziel, einen standsicheren und gebrauchstauglichen Zustand zu erreichen.

Die Beschlüsse seien ordnungsgemäß protokolliert und damit auch verkündet worden. Eine Übertragung von Verwaltungsaufgaben liege nicht vor, sondern lediglich die Durchführung der Sanierungsarbeiten in Eigenleistung.

Gerichtsentscheidung: Beide Beschlüsse ungültig

Das Amtsgericht Friedberg gab den klagenden Eigentümern Recht und erklärte beide strittigen Beschlüsse für ungültig. Dabei unterschied das Gericht zwischen zwei verschiedenen Rechtsproblemen.

Beschluss zur Balkonsanierung: Zu unbestimmt

Bei dem Beschluss zur Sanierung der vier Balkone sah das Gericht das Hauptproblem in der mangelnden Bestimmtheit. Zwar gab das Gericht den Einwänden bezüglich der Verkündung und der Erkennbarkeit der betroffenen Balkone nicht statt, wohl aber dem Argument der zu ungenauen Formulierung.

"Aus dem Beschluss selbst ist nicht ersichtlich, in welchem Umfang die Sanierung der vier Balkone durchgeführt werden soll."

Das Gericht betonte, dass bei Balkonen zwischen Teilen unterschieden werden müsse, die zum Sondereigentum gehören (typischerweise der Oberbelag) und solchen, die Gemeinschaftseigentum darstellen (die Grundkonstruktion und sicherheitsrelevante Teile). Da der Beschluss diese Unterscheidung nicht traf, blieb völlig unklar, wie weit die Sanierung gehen sollte.

Wichtige Rechtsgrundsätze zur Beschlussauslegung

Das Gericht verwies auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der Beschlüsse "objektiv und aus sich heraus" auszulegen sind. Dabei kommt es darauf an, wie der Beschluss für einen unbefangenen Betrachter verständlich ist. Auch bei diesem Maßstab war der Umfang der geplanten Arbeiten nicht bestimmbar.

Der allgemeine Begriff "Sanierung" reichte nach Ansicht des Gerichts nicht aus, um die beschlossene Maßnahme hinreichend zu konkretisieren. Es fehlte jede Beschreibung dessen, was die beauftragten Eigentümer tun sollten und wo ihrem Handeln Grenzen gesetzt waren.

Beschluss zur Terrasse: Keine Kompetenz für Sondereigentum

Anders lag der Fall bei der Garagen-Terrasse. Hier vermied der Beschluss zwar die Bestimmtheitsproblematik, da er ausdrücklich nur den zum Sondereigentum gehörenden Belag betraf. Dennoch erklärte das Gericht auch diesen Beschluss für ungültig.

Der Grund: Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat keine Beschlusskompetenz für Angelegenheiten des Sondereigentums. Sondereigentum ist grundsätzlich nicht Gegenstand der gemeinschaftlichen Verwaltung.

Strikte Rechtsprechung zu Sondereigentum

Das Gericht berief sich auf die klare Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs: Ein Beschluss zur Verwaltung von Sondereigentum ist wegen fehlender Beschlusskompetenz nichtig. Dies gilt selbst dann, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften Maßnahmen am Sondereigentum erfordern würden.

Der Mangel der Beschlusskompetenz muss als Nichtigkeitsgrund von Amts wegen berücksichtigt werden, unabhängig davon, wann er vorgetragen wird.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Wohnungseigentümergemeinschaften:

Präzise Beschlussformulierung ist entscheidend: Beschlüsse zu Sanierungsmaßnahmen müssen genau definieren, welche Arbeiten durchgeführt werden sollen. Der Begriff "Sanierung" allein reicht nicht aus. Beschreiben Sie konkret Art, Umfang und Grenzen der geplanten Maßnahmen.

Sonder- und Gemeinschaftseigentum unterscheiden: Klären Sie vor jeder Beschlussfassung, ob die geplanten Arbeiten Sonder- oder Gemeinschaftseigentum betreffen. Beschlüsse zu Sondereigentum sind grundsätzlich unwirksam.

Rechtliche Beratung einholen: Bei komplexeren Sanierungsvorhaben sollten Sie vorab rechtliche Beratung einholen, um unwirksame Beschlüsse zu vermeiden.

Für einzelne Wohnungseigentümer:

Beschlüsse genau prüfen: Lesen Sie Beschlussvorlagen vor der Versammlung sorgfältig durch. Unklare oder zu allgemein formulierte Beschlüsse können später für ungültig erklärt werden.

Fristen beachten: Auch wenn Beschlüsse wegen fehlender Kompetenz nichtig sind, sollten Sie bei anderen Fehlern die Anfechtungsfristen des Wohnungseigentumsgesetzes beachten.

Eigentumsarten kennen: Informieren Sie sich über die Aufteilung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum in Ihrer Anlage. Diese Kenntnis hilft bei der Bewertung von Beschlussvorlagen.

Praktische Empfehlungen:

Für Sanierungsbeschlüsse sollten Sie folgende Punkte beachten:

Definieren Sie präzise die betroffenen Bauteile und unterscheiden Sie dabei zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum. Beschreiben Sie Art und Umfang der geplanten Arbeiten detailliert. Klären Sie die Kostenverteilung und Finanzierung vorab. Holen Sie bei größeren Vorhaben mehrere Angebote ein und legen Sie diese der Versammlung vor.

Bei Arbeiten am Sondereigentum ist die Eigentümergemeinschaft nicht zuständig. Hier muss der betroffene Eigentümer selbst entscheiden und handeln. Sind sowohl Sonder- als auch Gemeinschaftseigentum betroffen, müssen separate Beschlüsse für die verschiedenen Eigentumsarten gefasst werden.

Fazit: Dieses Urteil zeigt deutlich, wie wichtig präzise Formulierungen und die Beachtung der Kompetenzen in Wohnungseigentümergemeinschaften sind. Ungenaue Beschlüsse können nicht nur zu rechtlichen Problemen führen, sondern auch den gesamten Sanierungsprozess verzögern und verteuern.


Quelle: Amtsgericht Friedberg (Hessen), Urteil vom 10. Januar 2025, Az. 2 C 580/24

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