Unsichere Elektroanlage: Vermieter trägt alle Kosten
Der Fall: Jahrelanger Streit um marode Elektrik
Eine Mieterin bewohnt seit 1998 eine größere Wohnung in Berlin. Im Jahr 2019 wurde bei einer Überprüfung festgestellt, dass die Elektroanlage in ihrer Wohnung nicht mehr sicher betrieben werden kann. Ein Elektrofachbetrieb dokumentierte die Mängel und teilte dies der Hausverwaltung mit.
Die neue Vermieterin, die das Gebäude 2018 übernommen hatte, sah jedoch keinen Handlungsbedarf. Sie argumentierte, die Elektroanlage sei bei Beginn des Mietverhältnisses in genau diesem Zustand gewesen. Die Mieterin habe die Wohnung so übernommen, wie sie war. Wenn überhaupt Reparaturen nötig seien, müsse sich die Mieterin an den Kosten beteiligen, da durch eine Erneuerung der Anlage ja der Wohnungsstandard verbessert würde.
Der zentrale Streitpunkt: Kann man einen Substandard vereinbaren?
Im Mietrecht gilt grundsätzlich: Vermieter und Mieter können auch einen niedrigeren Standard als üblich vereinbaren. Wer beispielsweise eine Wohnung ohne Zentralheizung mietet, kann später nicht verlangen, dass der Vermieter eine solche einbaut. Der Vermieter muss nur den Zustand erhalten, der bei Vertragsabschluss bestand.
Die Vermieterin berief sich auf diesen Grundsatz. Sie meinte, auch eine ältere Elektroinstallation könne als vertragsgemäßer Zustand gelten. Wenn die Mieterin eine Modernisierung wünsche, müsse sie sich an den Kosten beteiligen. Zur Unterstützung ihrer Argumentation verwies sie auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2020, in der es um Fragen der Wohnungsausstattung ging.
Die Mieterin hielt dagegen: Eine unsichere Elektroanlage sei etwas grundlegend anderes als eine schlichte oder veraltete Ausstattung. Es gehe hier nicht um Schönheit oder Komfort, sondern um die grundlegende Nutzbarkeit der Wohnung.
Die Entscheidung: Betriebssicherheit ist nicht verhandelbar
Das Amtsgericht Pankow gab der Mieterin in diesem Punkt vollständig recht. Das Gericht stellte klar:
„Es sind schlicht und ergreifend keine Umstände vorstellbar, unter denen es jemals vertretbar wäre, eine nicht betriebssichere Elektroanlage als vertragsgemäß einzustufen."
Die Richter erklärten den Unterschied: Zwar können Mietparteien tatsächlich einen Substandard vereinbaren. Das gilt aber nur, solange dadurch der eigentliche Zweck des Mietvertrags nicht gefährdet wird. Dieser Zweck ist schlicht: das Wohnen überhaupt.
Eine nicht betriebssichere Elektroanlage gefährdet genau diesen Kernzweck. Ohne funktionsfähige und sichere Elektrik kann eine Wohnung nicht ordnungsgemäß bewohnt werden. Deshalb kann eine unsichere Anlage niemals als vertragsgemäß gelten, auch wenn sie von Anfang an so vorhanden war.
Keine Kostenbeteiligung des Mieters
Das Gericht ging noch einen Schritt weiter und erteilte der Kostenbeteiligung eine klare Absage. Selbst wenn die Wiederherstellung der Betriebssicherheit nur durch eine Modernisierung möglich ist, die den Standard gegenüber dem ursprünglichen Zustand verbessert, muss der Vermieter die gesamten Kosten allein tragen.
Die Begründung ist einleuchtend: Der Vermieter hat unter allen Umständen sicherzustellen, dass der zentrale Vertragszweck – das Wohnen – erfüllt werden kann. Das ist seine Grundpflicht aus dem Mietvertrag. Er kann sich dieser Pflicht nicht entziehen, indem er auf den ursprünglichen Zustand verweist.
Den Verweis der Vermieterin auf das BGH-Urteil aus dem Jahr 2020 wies das Gericht zurück. In jener Entscheidung sei es lediglich um Fragen des Dekorationsniveaus gegangen, nicht um die grundlegende Bewohnbarkeit. Das sei, so das Gericht wörtlich, „ein Unterschied, der einen entscheidenden Unterschied macht".
Mietminderung von fünf Prozent anerkannt
Neben der Verpflichtung zur Reparatur erkannte das Gericht auch eine Mietminderung an. Die fehlende Betriebssicherheit der Elektroanlage mindert den Wohnwert um mindestens fünf Prozent. Die Mieterin darf ihre Miete entsprechend kürzen, bis die Elektroanlage wieder funktionsfähig und sicher ist.
Teilweise Niederlage bei anderen Mängeln
Nicht mit allen Forderungen hatte die Mieterin Erfolg. Sie hatte auch verlangt, dass die Vermieterin die Heizungsrohre in der gesamten Wohnung fachgerecht streichen lässt. Dieser Antrag wurde abgewiesen.
Das Gericht stellte fest, dass es zwar vielleicht schöner wäre, wenn die Heizungsrohre einen passenden Anstrich hätten. Aber die Mieterin konnte nicht ausreichend darlegen, dass hier ein wirklich vertragswidriger Zustand vorliegt. Es handelt sich um eine Frage der Optik, nicht der Funktionsfähigkeit.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Dieses Urteil stärkt die Position von Mietern erheblich, wenn es um die grundlegende Sicherheit der Wohnung geht. Die Elektroinstallation muss betriebssicher sein – daran führt kein Weg vorbei. Ein Vermieter kann sich nicht darauf berufen, dass die Anlage schon immer so war.
Für Mieter bedeutet das konkret: Wenn ein Fachbetrieb feststellt, dass die Elektroanlage nicht mehr sicher ist, haben Sie einen durchsetzbaren Anspruch auf Reparatur. Der Vermieter muss die Kosten vollständig übernehmen, selbst wenn dadurch der Standard steigt.
Für Vermieter folgt daraus: Die Betriebssicherheit der Elektroinstallation gehört zu den unverzichtbaren Pflichten. Bei älteren Gebäuden empfiehlt sich eine regelmäßige Überprüfung durch Fachleute, um böse Überraschungen zu vermeiden.
Grundsätze des Urteils
- Mietvertragsparteien können zwar einen Substandard vereinbaren, aber nicht, wenn dadurch der Vertragszweck des Wohnens gefährdet wird
- Eine nicht betriebssichere Elektroanlage kann unter keinen Umständen als vertragsgemäß gelten
- Der Vermieter muss die Betriebssicherheit auf eigene Kosten herstellen
- Eine Kostenbeteiligung des Mieters ist auch dann ausgeschlossen, wenn die Reparatur zu einer Verbesserung des Standards führt
- Bis zur Behebung des Mangels ist eine Mietminderung gerechtfertigt
Quelle: AG Pankow, Urteil vom 25.11.2025 – 101 C 69/24
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