Treuhänderin haftet für widersprüchliche Immobilienfonds-Prospekte


Der Fall: Widersprüche bei Stellplatz-Genehmigungen
Eine Anlegerin investierte im Jahr 2009 insgesamt 10.500 Euro in einen geschlossenen Immobilienfonds. Der Prospekt des Fonds wies jedoch gravierende Widersprüche auf, die letztendlich zu einem jahrelangen Rechtsstreit führten.
Der zentrale Widerspruch lag in den Angaben zu Stellplätzen und deren behördlichen Genehmigungen. Während der Prospekt auf Seite 37 versicherte, dass zum Zeitpunkt der Prospekterstellung "sämtliche zur Erreichung der Anlageziele erforderlichen behördlichen Genehmigungen" vorlägen, sah die Realität anders aus. Tatsächlich waren nur 566 von geplanten 600 Tiefgaragenstellplätzen genehmigt, und für die 50 geplanten Außenstellplätze lagen überhaupt keine Genehmigungen vor.
Besonders problematisch war, dass zum Zeitpunkt der Prospekterstellung bereits 760 Innen- und 58 Außenstellplätze vermietet waren. Das bedeutete, dass 160 Tiefgaragenplätze und acht Außenstellplätze vermietet wurden, für die allenfalls eine Planung existierte.
Wer trägt die Verantwortung bei Prospektfehlern?
Das Oberlandesgericht München hatte über die Haftung von drei verschiedenen Parteien zu entscheiden: der Anlageberaterin, der Fondsinitiatoren und der Treuhänderin. Dabei kam das Gericht zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Treuhänderin muss auf Widersprüche hinweisen
Die Treuhänderin wurde zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Das Gericht begründete dies mit der besonderen Vertrauensstellung der Treuhänderin gegenüber den Anlegern. Als Gründungs- und Treuhandkommanditistin hätte sie die Pflicht gehabt, die Anleger über alle wesentlichen Punkte aufzuklären, die für die mittelbare Beteiligung von Bedeutung sind.
Entscheidend war, dass sich die Prospektfehler bereits aus der Lektüre des Dokuments ergaben. Eine sorgfältige Prüfung hätte die Widersprüche offengelegt. Die Treuhänderin hätte klarstellen müssen, dass für die vermieteten Plätze nur teilweise Genehmigungen vorlagen, obwohl im Prospekt gleichzeitig behauptet wurde, alle erforderlichen Genehmigungen lägen vor.
Anlageberaterin haftet für unzureichende Aufklärung
Auch die Anlageberaterin wurde verurteilt. Sie hatte die Anlegerin auf Basis des fehlerhaften Prospekts beraten, ohne auf die offensichtlichen Widersprüche hinzuweisen. Im Rahmen der geschuldeten Prospektprüfung mit banküblichem Sachverstand hätte sie die Ungereimtheiten erkennen müssen.
Das Gericht stellte fest, dass eine ordnungsgemäße Beratung erfordert hätte, zu hinterfragen, aufgrund welcher Umstände hinreichende Sicherheit bestand, dass die noch nicht existenten Stellplätze den jeweiligen Mietern pünktlich zur Verfügung gestellt werden würden.
Fondsinitiatoren entkommen der Haftung
Die Fondsinitiatoren blieben hingegen von einer Haftung verschont. Das Gericht sah hier keine ausreichende Grundlage für eine Prospekthaftung im weiteren Sinne, da kein persönliches Vertrauensverhältnis zur Anlegerin nachgewiesen werden konnte. Auch für eine deliktische Haftung fehlte der Nachweis des erforderlichen Vorsatzes.
Rechtliche Grundlagen der Prospekthaftung
Prospekthaftung im weiteren Sinne greift ein, wenn der in Anspruch genommene Initiator selbst das persönliche Vertrauen des Anlegers in Anspruch nimmt. Dies war hier nur bei der Treuhänderin der Fall, die durch den Abschluss des Treuhandvertrags in ein direktes Vertrauensverhältnis zur Anlegerin getreten war.
Für eine deliktische Haftung müssen Anleger sowohl den objektiven Tatbestand einer Täuschung als auch die subjektive Tatseite, also den Vorsatz des Schädigers, nachweisen. Diese hohe Hürde konnten die Anleger gegenüber den Fondsinitiatoren nicht überwinden.
Schadensersatz: Was steht Anlegern zu?
Das Gericht sprach der Anlegerin Schadensersatz in Höhe von 7.048,13 Euro zu. Diese Summe ergab sich aus dem ursprünglichen Anlagebetrag von 10.500 Euro abzüglich der bereits erhaltenen Ausschüttungen in Höhe von 3.451,87 Euro.
Entgangener Gewinn bleibt außen vor
Keinen Anspruch hatte die Anlegerin auf entgangenen Gewinn. Das Gericht stellte klar, dass Anleger nicht allein mit der Behauptung durchkommen, ihr Geld wäre bei einer anderen Anlage sicher nicht ungenutzt geblieben. Vielmehr müssen sie konkret darlegen, für welche alternative Kapitalanlage sie sich ohne das schädigende Ereignis entschieden hätten und welchen Gewinn sie damit erzielt hätten.
Die pauschale Behauptung, "Eigenkapital ab einer gewissen Höhe bleibe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt liegen", genügte dem Gericht nicht. Angesichts der Entscheidung für einen riskanten geschlossenen Immobilienfonds ließ sich nicht sicher sagen, wie die Anlegerin alternativ investiert hätte.
Verzugszinsen ab Mahnung
Zusätzlich zum Hauptbetrag erhielt die Anlegerin Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Diese liefen ab dem Zeitpunkt der Mahnung, da sich die beklagten Parteien seit diesem Zeitpunkt im Verzug befanden.
Vorgerichtliche Kosten: Kein Anspruch bei aussichtsloser Lage
Die Anlegerin konnte ihre vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht geltend machen. Das Gericht verwies darauf, dass Schädiger nur solche Kosten ersetzen müssen, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren.
Da die beklagten Parteien bekanntermaßen zahlungsunwillig waren und der Versuch einer außergerichtlichen Forderungsdurchsetzung nicht erfolgversprechend erschien, waren die dadurch verursachten Kosten nicht zweckmäßig. In Massenverfahren müssen Anwälte konkret darlegen, warum im jeweiligen Einzelfall die vorgerichtliche Beauftragung erfolgversprechend war.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Sorgfältige Prospektprüfung ist Pflicht
Das Urteil verdeutlicht, dass alle an einer Fondsplatzierung beteiligten Parteien eine sorgfältige Prüfung der Prospektunterlagen durchführen müssen. Treuhänder und Anlageberater können sich nicht darauf berufen, Widersprüche in Prospekten übersehen zu haben, wenn diese bei sorgfältiger Lektüre erkennbar gewesen wären.
Vertrauen schafft Haftung
Besonders Treuhänder, die persönliches Vertrauen der Anleger in Anspruch nehmen, tragen eine hohe Verantwortung. Sie müssen aktiv auf erkannte Prospektmängel hinweisen und können sich nicht darauf zurückziehen, dass sie nur administrative Funktionen erfüllen.
Beweislast bei entgangenem Gewinn
Anleger, die neben der Rückzahlung ihres Investments auch entgangenen Gewinn geltend machen wollen, müssen konkret und nachvollziehbar darlegen, welche alternative Anlage sie gewählt hätten. Pauschale Behauptungen über die übliche Nutzung von Eigenkapital reichen nicht aus.
Vorgerichtliche Durchsetzung oft aussichtslos
In Massenverfahren, in denen die Schädiger bekanntermaßen ihre Ersatzpflichten bestreiten, ist der Versuch einer außergerichtlichen Einigung meist nicht erfolgversprechend. Die dadurch entstehenden Anwaltskosten können in der Regel nicht als Schaden geltend gemacht werden.
Das Urteil stärkt die Rechte von Fondsanlegern und macht deutlich, dass Prospektverantwortliche bei erkennbaren Fehlern nicht mit einem Freispruch rechnen können. Gleichzeitig zeigt es die Grenzen des Schadensersatzes auf und verdeutlicht die Bedeutung einer sorgfältigen Dokumentation bei alternativen Anlageentscheidungen.
Quelle: OLG München, Urteil vom 08.11.2016, Az. 5 U 1353/16
Kontaktieren Sie uns!
Für detaillierte Fragen oder eine individuelle Beratung stehen Ihnen die Experten unserer Kanzlei für Mietrecht in Essen zur Verfügung. Wir helfen Ihnen, die beste Strategie für Ihr spezifisches Anliegen zu entwickeln.
Ihr Recht ist unsere Leidenschaft!

Sie sind ratlos im Streit mit Ihrem Mieter oder Vermieter? Sie stehen vor komplexen Vertragsverhandlungen oder es geht um den Erwerb, Veräußerung oder Vererbung von Immobilieneigentum. Wir haben uns auf das private und gewerbliche Mietrecht, Immobilienrecht und Maklerrecht spezialisiert. Vertrauen Sie uns. Zögern Sie also nicht länger und holen Sie sich die Unterstützung, die ein professionelles Vorgehen ermöglicht. Lassen Sie uns gemeinsam eine Strategie für die Umsetzung Ihres Vorhabens besprechen.
Unsere digitale Kanzlei

Bei uns geht Recht vollkommen digital. Für Sie entscheidend: Sie können alles bequem von überall aus organisieren. Besuchen Sie unsere Webseite und buchen Sie ein Video-Meeting mit einem Anwalt. Ihre Unterlagen können Sie einfach uploaden. Selbst erforderliche Unterschriften können Sie bei uns digital leisten.
kostenlose Ersteinschätzung

Lassen Sie uns bei einem unverbindlichen Kennenlerngespräch über Ihre spezifischen rechtlichen Anliegen sprechen.
Das könnte Sie auch interessieren:
-ed79a4cd.webp)
Erleichterte Kündigung – Alles, was Mieter und Vermieter wissen müssen

Alles, was Sie über Eigenbedarfskündigungen wissen müssen

Was, wenn ich mir keinen Anwalt leisten kann?

Wohnungsmietvertrag kündigen – ein Leitfaden für Mieter und Vermieter
