Tiefgaragen-Rolltor beschädigt Sportwagen: Vermieter haftet
Der Vorfall: Sportwagen bleibt unter schließendem Tor stecken
Ein Mieter wollte abends mit seinem italienischen Sportwagen aus einer Tiefgarage in Hamburg ausfahren. Da es bereits nach den üblichen Geschäftszeiten war, musste er das elektrische Rolltor an der Ausfahrt mit einem Schlüssel öffnen. Ein vorausfahrendes Fahrzeug hatte die Tiefgarage bereits verlassen. Der Mieter fuhr nach und stoppte sein Fahrzeug so, dass die Front an der Bordsteinkante der öffentlichen Straße stand. Das Heck des Wagens befand sich dabei noch im Bereich des Rolltors.
Der Fahrer musste kurz anhalten, weil er Schwierigkeiten mit der Fahrzeugbeleuchtung hatte. In dieser Zeit schloss sich das Rolltor automatisch und setzte auf die Heckpartie des Sportwagens auf. Die vorhandenen Sicherheitseinrichtungen – ein Drucksensor und eine Lichtschranke – verhinderten den Schaden nicht. Als das Tor nach dem Kontakt wieder nach oben fuhr, verhakte es sich am Heckspoiler des Fahrzeugs und verursachte erhebliche Beschädigungen. Der Spoiler erlitt Risse, und die Heckklappe verzog sich so stark, dass das Fahrzeug als nicht mehr verkehrssicher eingestuft wurde.
Die entscheidende Frage: Wer trägt die Verantwortung?
Der Fahrzeugeigentümer verklagte die Vermieterin der Stellplätze auf Schadensersatz. Er argumentierte, dass die Sicherheitseinrichtungen des Rolltors unzureichend gewesen seien. Die Lichtschranke sei zu niedrig und an der falschen Stelle montiert gewesen. Dadurch habe sie sein Fahrzeug nicht erfasst und das Schließen des Tores nicht verhindert.
Die Vermieterin wehrte sich gegen die Forderung. Sie machte geltend, dass das Rolltor allen technischen Vorschriften entsprochen habe. Es sei sowohl mit einem Drucksensor als auch mit einer Lichtschranke ausgestattet gewesen – mehr könne man nicht verlangen. Außerdem treffe den Fahrer ein Mitverschulden, weil er im Torbereich angehalten habe, obwohl er die Funktionsweise hätte kennen müssen. Zudem handele es sich bei seinem Fahrzeug um ein so ungewöhnliches Modell, dass die Sicherheitseinrichtungen dafür nicht ausgelegt sein mussten. Im Mietvertrag sei darüber hinaus die Haftung für solche Schäden ausgeschlossen worden.
Die besondere bauliche Situation der Tiefgarage
Eine zentrale Rolle spielte die räumliche Gestaltung der Ausfahrt. Der Abstand zwischen dem Rolltor und der öffentlichen Straße betrug nur etwa vier Meter. Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger stellte fest, dass diese Distanz geringer ist als die Länge der meisten heute üblichen Fahrzeuge. Wer aus der Tiefgarage fährt, muss zwangsläufig im Torbereich warten, bis die Straße frei ist.
Die Lichtschranke war auf der Innenseite des Tores montiert und konnte dadurch einen Bereich von mehreren Zentimetern nicht überwachen. Genau in diesem unüberwachten Bereich befand sich das Heck des Sportwagens.
Die Position der Lichtschranke an der Innenseite des Tores führte dazu, dass ein nicht überwachter Bereich entstand. Dieser umfasste mehrere Zentimeter – genug, um das Heck eines Fahrzeugs zu verfehlen. Der Sachverständige wies darauf hin, dass es technische Lösungen für dieses Problem gibt, etwa Lichtschrankengitter in der Schließebene oder flächenhaft arbeitende Scanner.
Die Entscheidung des Gerichts: Verkehrssicherungspflicht verletzt
Das Oberlandesgericht Hamburg bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und verurteilte die Vermieterin zur Zahlung von Schadensersatz. Das Gericht stellte klar: Wer Stellplätze in einer Tiefgarage vermietet, muss dafür sorgen, dass die gemeinschaftlich genutzten Einrichtungen sicher benutzt werden können. Diese sogenannte Verkehrssicherungspflicht umfasst auch die Rolltoranlage an der Ausfahrt.
Die Richter betonten, dass es bei der Beurteilung der Sicherheitsvorkehrungen nicht ausreicht, nur auf das Tor selbst zu schauen. Vielmehr muss der gesamte Ausfahrtsbereich betrachtet werden. Bei einem so geringen Abstand zur Straße hätte berücksichtigt werden müssen, dass Fahrzeuge regelmäßig im Torbereich warten müssen. Diese Besonderheit hätte bei der Ausgestaltung der Sicherheitseinrichtungen berücksichtigt werden müssen.
Die bloße Einhaltung von DIN-Normen bei der Toranlagen-Installation genügt nicht, wenn die bauliche Situation vor Ort besondere Gefahren mit sich bringt.
Kein Mitverschulden des Fahrers
Das Gericht wies den Einwand zurück, der Fahrzeugeigentümer trage ein Mitverschulden. Der Fahrer durfte davon ausgehen, dass das Rolltor mit Sicherungsmaßnahmen ausgestattet ist, die ein Schließen bei einem darunter stehenden Fahrzeug verhindern. Es war nicht seine Aufgabe, vor der Anmietung alle technischen Einrichtungen der Tiefgarage zu überprüfen. Das kurze Anhalten im Ausfahrtsbereich verstieß auch nicht gegen die Straßenverkehrsordnung.
Haftungsausschluss im Mietvertrag unwirksam
Die Vermieterin konnte sich auch nicht auf eine Klausel im Mietvertrag berufen, die ihre Haftung für Sach- und Personenschäden ausschloss. Ein solcher pauschaler Haftungsausschluss ohne Rücksicht auf die Schadensursache ist nach dem Gesetz unwirksam. Vermieter können sich ihrer Verantwortung für die Verkehrssicherheit nicht einfach durch einen Satz im Kleingedruckten entziehen.
Auch ungewöhnliche Fahrzeuge sind geschützt
Das Argument, der Sportwagen sei so außergewöhnlich gebaut, dass er von der Verkehrssicherungspflicht nicht erfasst werde, ließ das Gericht nicht gelten. Unter Verweis auf eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs stellte es klar: Das Risiko, ob eine Anlage auch für zugelassene Fahrzeuge mit besonderen Merkmalen wie einem Heckspoiler geeignet ist, trägt der Betreiber. Die geringe Stückzahl oder der hohe Preis eines Fahrzeugs ändern daran nichts. Wer bestimmte Fahrzeuge ausschließen will, muss dies ausdrücklich im Mietvertrag regeln.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie einen Stellplatz in einer Tiefgarage mieten, können Sie erwarten, dass die gemeinsam genutzten Einrichtungen sicher sind. Der Vermieter kann sich nicht damit herausreden, dass das Tor technische Mindeststandards erfüllt, wenn die örtlichen Gegebenheiten besondere Maßnahmen erfordern. Pauschale Haftungsausschlüsse in Mietverträgen schützen den Vermieter in solchen Fällen nicht.
Für Vermieter und Betreiber von Tiefgaragen bedeutet das Urteil: Sie müssen den gesamten Verkehrsvorgang im Blick haben. Besonders bei kurzen Abständen zwischen Tor und Straße sind zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen erforderlich. Die nachträgliche Installation besserer Lichtschranken – wie sie im vorliegenden Fall nach dem Unfall erfolgte – ist ein Hinweis darauf, dass solche Maßnahmen technisch möglich und zumutbar sind.
Grundsätze des Urteils
- Die Verkehrssicherungspflicht bei Tiefgaragen-Rolltoren umfasst die Betrachtung des gesamten Ausfahrtsbereichs, nicht nur des Tores selbst.
- Ein geringer Abstand zwischen Tor und öffentlicher Straße erfordert besondere Sicherheitsmaßnahmen über den technischen Mindeststandard hinaus.
- Lichtschranken müssen so positioniert sein, dass die Schließebene des Tores tatsächlich überwacht wird.
- Ein pauschaler Haftungsausschluss für Sachschäden im Mietvertrag ist unwirksam.
- Auch für zum Straßenverkehr zugelassene Fahrzeuge mit besonderen Merkmalen trägt der Anlagenbetreiber die Verantwortung.
- Ein Mitverschulden liegt nicht vor, wenn ein Fahrzeug im Ausfahrtsbereich verkehrsbedingt warten muss.
Quelle: OLG Hamburg, Urteil vom 15.10.2025 – Az. 4 U 33/25
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