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Schimmel in der Wohnung: Vermieter oder Mieter in der Pflicht?

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Schimmelschäden führen oft zu langwierigen Streitigkeiten zwischen Mietern und Vermietern. Ein aktuelles Urteil schafft Klarheit über Beweislast und Verantwortlichkeiten.
Fenster mit Schimmelbefall am Rahmen und Wänden
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Jahrelanger Schimmelstreit in Kölner Wohnung

Eine Mieterfamilie lebte seit 1999 in einer Wohnung im dritten Obergeschoss, als ab 2018 wiederholt Schimmel und Feuchtigkeit auftraten. Besonders betroffen waren die Bereiche rund um Fenster und Balkontür in Wohn-, Schlaf- und Kinderzimmern sowie in Küche und Gäste-WC.

Die Vermieterin überstrich den Schimmel mehrmals mit Isolierfarbe und brachte unterhalb der Wohnzimmerfensterbank Isolierplatten an. Diese Maßnahmen führten jedoch nicht zu einer dauerhaften Lösung - der Schimmel kehrte regelmäßig zurück.

Der Konflikt eskaliert

Die Vermieterin beauftragte 2022 ein Gutachten, das falsches Heiz- und Lüftungsverhalten als Ursache identifizierte. Die Familie widersprach dieser Einschätzung und forderte eine fachgerechte, nachhaltige Beseitigung der Schäden. Als die Vermieterin eine Mietminderung ablehnte, zog die Familie vor Gericht.

Zusätzlich verschärfte sich die Situation im Januar 2023 durch einen Rohrbruch im Badezimmer, der weitere Feuchteschäden verursachte und zeitweise zu Ausfällen bei Wasser und Heizung führte.

Die zentralen Streitpunkte vor Gericht

Baubedingte Mängel versus Nutzerverhalten

Das Gericht musste klären, ob die Schimmelbildung auf bauliche Mängel oder auf falsches Verhalten der Bewohner zurückzuführen war. Diese Unterscheidung ist entscheidend, denn nur bei baubedingten Mängeln ist der Vermieter zur Beseitigung verpflichtet.

Beweislastverteilung bei Schimmelschäden

Ein wesentlicher Punkt war die Frage, wer beweisen muss, was die Ursache des Schimmels ist. Das Gericht wendete die sogenannte Gefahrkreistheorie an: Danach muss zunächst der Vermieter beweisen, dass der Schimmel nicht bauwerksbedingt ist und die Wohnung bei normalem Nutzerverhalten schimmelfrei gehalten werden kann.

Erst wenn dieser Beweis gelingt, muss der Mieter nachweisen, dass er sich vertragsgemäß verhalten hat.

Umfang der Mangelbeseitigung

Strittig war auch, welche Bereiche der Wohnung von baubedingten Mängeln betroffen sind und entsprechend vom Vermieter instand gesetzt werden müssen.

Die Entscheidung des Amtsgerichts Köln

Das Gericht beauftragte einen Sachverständigen, der die Wohnung gründlich untersuchte. Seine Erkenntnisse führten zu einem differenzierten Urteil.

Vermieter muss Fensterbereiche sanieren

Das Gericht gab der Familie in wichtigen Punkten recht. Der Sachverständige stellte fest, dass an den Fenstern baulich begründete Wärmebrücken vorhanden sind. Diese senken die Oberflächentemperatur so stark ab, dass zwangsläufig Kondenswasser entstehen muss - unabhängig vom Nutzerverhalten.

Die Vermieterin wurde daher verurteilt, alle Feuchtigkeits- und Schimmelschäden rund um die Fensterrahmen in den Fensterlaibungen und an den Fensterbänken nachhaltig und fachgerecht zu beseitigen. Dies umfasst auch die Beseitigung der Ursachen, also die baulichen Mängel selbst.

Sonstiger Schimmel: Mieter in der Verantwortung

Für alle anderen Bereiche der Wohnung - wie Wand- und Deckenflächen außerhalb der Fensterbereiche - entschied das Gericht hingegen zugunsten der Vermieterin. Hier konnte der Sachverständige keine baulichen Mängel feststellen.

Der Gutachter dokumentierte unzureichendes Lüftungsverhalten: Die Familie lüftete zwar zweimal täglich, aber zu kurz und nicht intensiv genug. Die Luftfeuchtigkeit in der Wohnung lag selbst nach dem Lüften bei 60 bis 80 Prozent, während sie kurzzeitig auf unter 50 Prozent absinken müsste.

Mietminderung teilweise berechtigt

Das Gericht erkannte eine Mietminderung von 15 Prozent ab Dezember 2022 an - bezogen auf die baubedingten Schimmelschäden in den Fensterbereichen. Für Januar 2023 wurde aufgrund des zusätzlichen Wasserschadens eine Minderung von 40 Prozent zugesprochen.

Die Familie erhielt eine Rückzahlung von etwa 438 Euro. Ihre Forderung nach Rückzahlung von über 8.000 Euro für den Zeitraum 2020 bis 2022 wurde hingegen abgelehnt, da für diese Zeit nicht konkret dargelegt werden konnte, welche Bereiche wann von baubedingtem Schimmel betroffen waren.

Wichtige Rechtsgrundsätze aus dem Urteil

Schimmel ist grundsätzlich ein Mangel

Das Gericht stellte klar: "Aufgrund der besonderen Gefahren von Schimmelpilz für die Rechtsgüter des Mieters und der weiteren Bewohner der Wohnung, insbesondere für ihre Gesundheit und ihr Eigentum, ist die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung bei Auftreten von Schimmel ohne Weiteres nicht unerheblich beeinträchtigt."

Vermieter trägt die Beweislast

Der Vermieter muss beweisen können, dass der Schimmel nicht bauwerksbedingt ist, dass aus technischer Sicht auszuschließen ist, dass der Schimmel auf Baumängel zurückzuführen ist und dass die Wohnung durch zumutbares Nutzerverhalten schimmelfrei gehalten werden kann.

Psychische Belastung allein reicht nicht

Interessant ist auch, dass das Gericht feststellte: Die alleinige Gewissheit, dass Schimmel wieder auftreten könnte, führt noch nicht zu einer Mietminderung. Erst das tatsächliche Vorhandensein von Schimmel berechtigt zur Minderung.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Mieter: Beweislast liegt beim Vermieter

Als Mieter haben Sie einen starken Stand bei Schimmelschäden. Der Vermieter muss zunächst beweisen, dass keine baulichen Mängel vorliegen. Dies erfordert oft aufwendige Sachverständigengutachten.

Betroffene sollten Schimmelschäden sofort mit Fotos und Datum dokumentieren und die Mängel schriftlich bei ihrem Vermieter anzeigen. Ein Lüftungsprotokoll kann helfen, korrektes Verhalten zu belegen. Lassen Sie sich nicht mit oberflächlichen Maßnahmen wie Überstreichen abspeisen.

Für Vermieter: Sorgfältige Prüfung erforderlich

Als Vermieter sollten Sie Schimmelschäden ernst nehmen und professionell abklären lassen. Oberflächliche Behandlungen mit Farbe lösen das Problem meist nicht dauerhaft.

Vermieter sollten bei wiederkehrenden Schimmelschäden einen qualifizierten Sachverständigen beauftragen und bauliche Schwachstellen wie Wärmebrücken prüfen lassen. Auch das Nutzerverhalten der Mieter sollte dokumentiert werden. Führen Sie nachhaltige Sanierungen durch, nicht nur kosmetische Reparaturen.

Besondere Aufmerksamkeit bei Fensterbereichen

Das Urteil zeigt, dass Probleme rund um Fenster und in Fensterlaibungen häufig baubedingt sind. Hier entstehen durch Wärmebrücken oft unvermeidbar Kondensationsprobleme, für die der Vermieter verantwortlich ist.

Bei Schimmel an Fensterrahmen und Fensterlaibungen, an Fensterbänken, in Bereichen um Balkontüren sowie in Ecken und Übergängen zwischen Wand und Decke sollten Sie besonders aufmerksam werden.

Richtig lüften ist trotzdem wichtig

Auch wenn der Vermieter für baubedingte Mängel haftet, müssen Mieter ihren Teil beitragen. Das bedeutet: mehrmals täglich stoßlüften, nach dem Duschen oder Kochen zusätzlich lüften und die Luftfeuchtigkeit dauerhaft unter 60 Prozent halten.

Mietminderung gezielt einsetzen

Eine Mietminderung sollte erst nach schriftlicher Mängelanzeige und bei tatsächlich vorhandenem Schimmel erfolgen. Die Höhe richtet sich nach dem Ausmaß der Beeinträchtigung - im vorliegenden Fall waren 15 bis 40 Prozent angemessen.

Fazit: Klare Regeln schaffen Rechtssicherheit

Das Kölner Urteil zeigt: Bei Schimmelschäden in Mietwohnungen gibt es klare rechtliche Maßstäbe. Vermieter tragen zunächst die Beweislast und müssen baubedingte Mängel beseitigen. Mieter müssen aber auch ihren Beitrag durch sachgemäßes Lüften und Heizen leisten.

Die differenzierte Betrachtung des Gerichts - baubedingte Probleme bei den Fenstern versus verhaltensbedingten Schimmel an anderen Stellen - zeigt, dass jeder Fall individuell geprüft werden muss. Pauschalurteile werden der komplexen Thematik nicht gerecht.

Für beide Seiten gilt: Professionelle Hilfe durch Sachverständige kann teure und langwierige Rechtsstreitigkeiten vermeiden und zu einer sachgerechten Lösung führen.


Quelle: AG Köln, Urteil vom 04.09.2024, Az. 206 C 17/23

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