Rauchen auf dem Balkon: Wann berechtigt Zigarettenrauch zur Mietminderung?

Der Sachverhalt: Streit um Rauchbelästigung
In einem Wohnhaus in Remscheid kam es zum Streit zwischen Mietparteien. Die Mieter einer 127 m² großen Wohnung im zweiten Obergeschoss fühlten sich durch Zigarettenrauch gestört, der vom Balkon ihrer Nachbarn eine Etage tiefer aufstieg. Die Besonderheit: Das Gebäude hatte eine L-Form, wobei die Wohnungen in einem 90-Grad-Winkel zueinander lagen.
Die betroffenen Mieter dokumentierten in einem "Rauchtagebuch" penibel, wann die Nachbarn auf ihrem Balkon rauchten. Sie argumentierten, dass der aufsteigende Rauch in ihre Wohnung ziehe und es ihnen nicht möglich sei, ihre Räume wie gewünscht zu lüften. Als Konsequenz minderten sie die Kaltmiete um etwa 10% – rückwirkend für einen Zeitraum von 19 Monaten.
Die Vermieter akzeptierten diese Mietminderung nicht und forderten die einbehaltenen Beträge zurück – insgesamt etwa 1.380 Euro. Als die Mieter nicht zahlten, reichten die Vermieter Klage ein.
Die rechtlichen Streitpunkte
Der zentrale Streitpunkt war die Frage, ob die Rauchbelästigung vom Nachbarbalkon einen Mangel der Mietsache nach § 536 Abs. 1 BGB darstellt, der zur Mietminderung berechtigt. Dafür müsste die Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch "mehr als nur unerheblich" gemindert sein.
Die Mieter argumentierten, dass der Zigarettenrauch über ein Badfenster und zwei bodentiefe Fenster im Esszimmer in ihre Wohnung eindringe und sie dadurch in der Nutzung ihrer Räume erheblich eingeschränkt seien. Ihrer Ansicht nach rechtfertige dies die vorgenommene Mietminderung.
Die Vermieter entgegneten, dass Rauchen grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch einer Mietwohnung gehöre – auch auf dem Balkon.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Amtsgericht Remscheid gab den Vermietern Recht und verurteilte die Mieter zur Zahlung der einbehaltenen Mietbeträge zuzüglich Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
In seiner Begründung stellte das Gericht klar:
"Rauchen gehört grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch einer Mietwohnung. Das gilt auch, wenn der Mitmieter (Wohnungsnachbar) auf seinem Balkon raucht."
Der Mieter könne grundsätzlich nicht vom Vermieter verlangen, den rauchenden Nachbarn in seinem Verhalten einzuschränken. Eine Ausnahme bestehe nur in zwei Fällen:
- Wenn der gestörte Mieter gar nicht verhindern kann, dass Rauch in seine Wohnung dringt (etwa durch Zwangsöffnungen)
- Wenn es nahezu unmöglich ist, eingedrungenen Rauch durch Lüften wieder aus der Wohnung zu bekommen
Beide Ausnahmen lagen nach Ansicht des Gerichts hier nicht vor. Die Wohnung der Mieter verfügte neben den drei betroffenen Fenstern noch über zehn weitere Fenster in anderen Räumen. Daher könnten die Mieter:
- das Eindringen des Rauchs durch Schließen der betroffenen Fenster verhindern
- bei Bedarf durch "Querlüften" mit den übrigen Fenstern für frische Luft sorgen
Zudem bewertete das Gericht das dokumentierte Rauchverhalten als nicht exzessiv. Es verglich die Situation mit einem "Rauchpavillon einer Gaststätte", wo "besonders viele Menschen zu praktisch jeder Tages- und Nachtzeit rauchen würden" – ein solches Ausmaß lag hier nicht vor.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Diese Entscheidung hat praktische Bedeutung für viele Mieter und Vermieter:
- Für Mieter, die sich durch Rauch gestört fühlen:
- Eine Mietminderung ist nur in extremen Ausnahmefällen gerechtfertigt
- Entscheidend ist, ob Sie die Möglichkeit haben, das Eindringen des Rauchs zu verhindern und Ihre Wohnung ausreichend zu lüften
- Führen Sie dennoch ein Rauchtagebuch, falls die Belästigung ein unzumutbares Ausmaß erreicht
- Für rauchende Mieter:
- Grundsätzlich dürfen Sie auf Ihrem Balkon rauchen
- Aus nachbarschaftlicher Rücksicht sollten Sie aber übermäßiges Rauchen vermeiden
- Für Vermieter:
- Sie müssen normalerweise nicht gegen rauchende Mieter vorgehen
- Eine Vermittlung zwischen den Parteien kann jedoch sinnvoll sein, um den Hausfrieden zu wahren
Das Urteil macht deutlich: Nicht jede Beeinträchtigung des Wohnkomforts rechtfertigt eine Mietminderung. Bei normalen Immissionen, die durch alltägliches Verhalten von Nachbarn entstehen, müssen Mieter ein gewisses Maß an Toleranz zeigen – besonders dann, wenn Ausweichmöglichkeiten bestehen.
Wichtig ist auch die Erkenntnis, dass die bauliche Situation eine entscheidende Rolle spielt. In Mehrfamilienhäusern mit eng beieinanderliegenden Balkonen und Fenstern ist ein gewisser "Nachbarschaftseffekt" kaum zu vermeiden.
Quelle: AG Remscheid, Urteil vom 02.05.2024 - 7 C 5/24, openJur 2024, 9755
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