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Mietzahlung aufs falsche Konto: Kündigung kann treuwidrig sein

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Wenn mehrere Personen gemeinsam vermieten und der Mieter versehentlich auf das alte Konto zahlt, kann eine Kündigung rechtsmissbräuchlich sein. Das Landgericht München I stoppte eine Räumungsklage, weil der frühere Alleineigentümer die Mieten nicht weiterleitete.
Junger Mieter sitzt am Küchentisch und grübelt über Unterlagen
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Vom Einzelvermieter zur Vermietergemeinschaft

Ein Mieter bewohnte seit 2010 eine Wohnung in München. Im Jahr 2017 hatte ein neuer Eigentümer die Immobilie übernommen und das Mietverhältnis fortgesetzt. Fünf Jahre später, im September 2022, übertrug dieser Eigentümer Anteile an der Immobilie an seine drei Kinder. Er selbst behielt die Hälfte des Eigentums, während seine Kinder jeweils ein Sechstel erhielten. Die neue Eigentümergemeinschaft wurde im Oktober 2022 ins Grundbuch eingetragen.

Für die Mietzahlungen richteten die vier Miteigentümer ein gemeinsames Konto ein. Der Mieter sollte künftig auf dieses Gemeinschaftskonto überweisen, damit alle Vermieter gleichzeitig ihr Geld erhielten. Dies entspricht der rechtlichen Vorgabe, dass bei mehreren Vermietern die Miete nur an alle gemeinsam gezahlt werden kann. Die Vermieter informierten den Mieter über die neue Kontoverbindung. Ob dies bereits im Februar 2023 oder erst im Juni 2023 geschah, blieb zwischen den Parteien umstritten.

Die problematischen Mietzahlungen

Der Mieter überwies die Mieten für April bis Juli 2023 weiterhin auf das bekannte Konto des früheren Alleineigentümers. Dieser war nun einer von vier Miteigentümern. Die monatlichen Zahlungen gingen dort pünktlich und vollständig ein. Doch der Empfänger leitete das Geld weder an das Gemeinschaftskonto weiter, noch zahlte er es dem Mieter zurück. Stattdessen behielt er die Beträge kommentarlos ein, ohne dem Mieter einen Grund dafür mitzuteilen.

Erst ab August 2023 zahlte der Mieter seine Miete auf das gemeinsame Konto der Vermietergemeinschaft. Anfang August sprachen alle vier Vermieter eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs aus. Sie argumentierten, der Mieter habe vier Monatsmieten nicht ordnungsgemäß gezahlt. Später forderten sie den Mieter auf, die bereits an einen der Vermieter gezahlten Beträge nochmals auf das Gemeinschaftskonto zu überweisen. Als dies nicht geschah, kündigten sie erneut.

Die erstinstanzliche Entscheidung

Das Amtsgericht München gab den Vermietern zunächst recht. Es verurteilte den Mieter zur Räumung und Herausgabe der Wohnung ohne Gewährung einer Räumungsfrist. Das Gericht sah einen wirksamen Kündigungsgrund, weil die Mieten für vier Monate nicht auf das richtige Konto geflossen waren. Nach der Rechtslage können Zahlungen an nur einen von mehreren Vermietern grundsätzlich keine schuldbefreiende Wirkung entfalten. Das Amtsgericht sah keine Verpflichtung des Empfängers, die Gelder weiterzuleiten.

Die überraschende Wende in der Berufung

Das Landgericht München I kam jedoch zu einem völlig anderen Ergebnis. Es hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage ab. Die Richter betonten zwar, dass der Mieter tatsächlich seine Zahlungspflicht verletzt hatte. Die Zahlungen auf das falsche Konto wirkten nicht schuldbefreiend. Dennoch sei die Kündigung rechtsmissbräuchlich und nach Treu und Glauben unzulässig.

Die Begründung des Gerichts überzeugt durch ihre praktische Sichtweise. Der bisherige Alleinvermieter hatte die vollständigen Mietzahlungen erhalten und war nun selbst Mitvermieter mit einem hälftigen Eigentumsanteil. Er hätte die Beträge problemlos und mit minimalem Aufwand auf das Gemeinschaftskonto weiterleiten können. Ebenso wäre es ihm möglich und zumutbar gewesen, die zu Unrecht erlangten Zahlungen an den Mieter zurückzuerstatten. Stattdessen behielt er das Geld ohne jede Erklärung ein.

Das Gericht berücksichtigte besonders die enge familiäre Verbindung zwischen allen vier Vermietern. Es handelte sich um einen Vater und seine drei Kinder, die als Familie gemeinsam vermieteten. Gerade diese Konstellation machte eine Weiterleitung oder Rückzahlung besonders einfach und naheliegend. Die Vermieter forderten den Mieter sogar auf, die bereits gezahlten Beträge ein zweites Mal zu überweisen. Eine solche doppelte Zahlung war dem Mieter jedoch finanziell weder möglich noch zumutbar, zumal er Leistungen vom Jobcenter bezog.

Die rechtliche Würdigung nach Treu und Glauben

Das Landgericht stellte klar, dass das Verhalten der Vermieterseite insgesamt als treuwidrig zu bewerten sei. Der Mieter hatte zwar fahrlässig vier Monate lang auf das falsche Konto überwiesen. Diese Pflichtverletzung wäre jedoch folgenlos geblieben, wenn der empfangende Vermieter die Zahlungen einfach weitergeleitet hätte. Ihm wäre es ein Leichtes gewesen, seine Mitvermieter und Familienmitglieder vor finanziellen Nachteilen zu bewahren.

Zudem hatte der Mieter bereits im August 2023 wieder korrekt auf das Gemeinschaftskonto gezahlt. Die Vermieter hätten daran erkennen können und müssen, dass das fehlerhafte Zahlungsverhalten nur vorübergehend und versehentlich war. Unter diesen besonderen Umständen war es der Vermietergemeinschaft nach Treu und Glauben verwehrt, den Zahlungsverzug bewusst auszunutzen und Kündigungen auszusprechen.

Das Gericht wies auch den Einwand zurück, nur einer der vier Vermieter habe sich treuwidrig verhalten. Maßgeblich sei der Ausspruch der Kündigung durch alle Vermieter gewesen. Dieser Anknüpfungspunkt liege in der Verantwortungssphäre aller vier Kläger. Die Vermietergemeinschaft könne sich nicht darauf berufen, dass nur einer von ihnen die Situation herbeigeführt habe.

Ergänzend verwies das Gericht auf die mietrechtliche Vorgeschichte zwischen den Parteien. Bereits 2019 hatte der Vater und damalige Alleineigentümer erfolglos versucht, den Mieter wegen angeblichen Eigenbedarfs aus der Wohnung zu klagen. Diese Bestrebungen waren gescheitert. Das aktuelle Verhalten erweckte den Eindruck, als solle der Zahlungsfehler bewusst ausgenutzt werden, um das Mietverhältnis nun doch zu beenden.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil zeigt eindrücklich, dass auch formal korrekte Kündigungen scheitern können, wenn sie gegen das Gebot von Treu und Glauben verstoßen. Vermieter dürfen fehlerhafte Mietzahlungen nicht zum Anlass nehmen, eine ansonsten unerwünschte Kündigung durchzusetzen, wenn sie selbst zur Entstehung der Situation beigetragen haben.

Für Mieter bedeutet das Urteil eine gewisse Erleichterung. Wer versehentlich auf ein falsches Konto überweist, muss nicht automatisch mit dem Verlust der Wohnung rechnen. Voraussetzung ist allerdings, dass besondere Umstände vorliegen, die eine Kündigung treuwidrig erscheinen lassen. Im entschiedenen Fall waren dies insbesondere das kommentarlose Einbehalten der Mietzahlungen durch einen der Vermieter, die enge familiäre Verbindung der Vermietergemeinschaft und die konfliktbeladene Vorgeschichte.

Dennoch sollten Mieter größte Sorgfalt walten lassen. Grundsätzlich gilt weiterhin, dass Mietzahlungen bei mehreren Vermietern nur an alle gemeinsam geleistet werden können. Wer auf ein falsches Konto zahlt, riskiert zunächst einmal seinen Mieterschutz. Nur in besonderen Ausnahmefällen wie dem vorliegenden kann die Kündigung wegen Treuwidrigkeit scheitern. Mieter sollten daher Mitteilungen über geänderte Kontoverbindungen sehr ernst nehmen und ihre Daueraufträge umgehend anpassen.

Für Vermietergemeinschaften enthält das Urteil eine klare Botschaft. Wer versehentliche Zahlungen auf ein falsches Konto erhält, sollte diese unverzüglich weiterleiten oder zurückerstatten. Das bloße Einbehalten solcher Beträge ohne Erklärung und die anschließende Kündigung wegen Zahlungsverzugs können als rechtsmissbräuchlich bewertet werden. Dies gilt besonders, wenn zwischen den Vermietern enge persönliche oder familiäre Verbindungen bestehen und die Weiterleitung ohne nennenswerten Aufwand möglich wäre.

Das Urteil unterstreicht auch die Bedeutung einer offenen Kommunikation im Mietverhältnis. Hätten die Vermieter dem Mieter klar mitgeteilt, warum sie die Zahlungen einbehielten, oder hätten sie eine Lösung für die Situation gesucht, wäre der Rechtsstreit möglicherweise vermeidbar gewesen. Stattdessen führte das intransparente Vorgehen zu einem langwierigen Verfahren, das letztlich zulasten der Vermieter entschieden wurde.

Bemerkenswert ist schließlich, dass das Gericht eine Einzelfallentscheidung traf. Es entwickelte keine neue allgemeine Regel, sondern wendete den etablierten Grundsatz von Treu und Glauben auf die besonderen Umstände des konkreten Falls an. Dies bedeutet, dass ähnliche Sachverhalte durchaus anders entschieden werden können, wenn die Rahmenbedingungen abweichen. Die Entscheidung ist daher keine Einladung an Mieter, nachlässig mit Mietzahlungen umzugehen. Sie ist vielmehr eine Mahnung an Vermieter, faire Maßstäbe anzulegen und Kündigungen nicht als Mittel zur Durchsetzung anderer Ziele zu missbrauchen.


Quelle: Landgericht München I, Urteil vom 06.08.2025, Aktenzeichen 14 S 13520/24

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