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Mieterhöhungen nur bei transparentem Sachverständigen-Gutachten

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Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Lüneburg könnte die Praxis der Mieterhöhungen grundlegend verändern. Das Gericht stellte erstmals klar: Sachverständigengutachten müssen deutlich transparenter werden - sonst sind Mieterhöhungen unwirksam.
Ein Sachverständiger steht in einer Mietwohnung und macht Notizen
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Wenn das Gutachten zum Problem wird

Viele Vermieter kennen das Verfahren: Um eine Mieterhöhung durchzusetzen, beauftragen sie einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen mit einem Gutachten. Dieses soll belegen, dass die angestrebte Miete der ortsüblichen Vergleichsmiete entspricht. Doch ein aktueller Fall aus Niedersachsen zeigt, dass diese scheinbar sichere Methode ihre Tücken hat.

Ein Vermieter wollte die Miete seiner Wohnung erhöhen und stützte sich dabei auf ein professionelles Gutachten. Die Mieter verweigerten ihre Zustimmung, woraufhin der Vermieter vor Gericht zog. Das Ergebnis war ernüchternd: Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Lüneburg wiesen die Klage ab - nicht etwa weil die Mieterhöhung zu hoch gewesen wäre, sondern weil das Gutachten nicht den rechtlichen Anforderungen entsprach.

Transparenz als Schlüssel zum Erfolg

Das Landgericht Lüneburg machte in seinem Urteil vom April 2025 deutlich, dass ein Gutachten für Mieter nachvollziehbar sein muss. "Der Sachverständige muss in zumindest für den Mieter nachvollziehbarer Weise mitteilen, wie er zu seiner Wertfeststellung gelangt ist", so die Richter wörtlich. Diese Anforderung klingt simpel, hat aber weitreichende Konsequenzen.

Konkret bedeutet dies, dass Mieter durch das Gutachten in die Lage versetzt werden müssen, die Berechtigung der Mieterhöhung zumindest ansatzweise selbst zu überprüfen. Es reicht nicht aus, dass ein qualifizierter Sachverständiger ein Ergebnis präsentiert - die Methodik muss transparent und verständlich dargelegt werden.

Datenschutz wird zum Hindernis

Besonders brisant ist eine Beobachtung des Gerichts: "Wegen der Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung lässt sich für Sachverständige keine zureichende Datenmenge für die Feststellung der Ortsüblichkeit mehr ermitteln." Diese Aussage könnte die gesamte Praxis der gutachterlichen Mieterhöhungen in Frage stellen.

Die DSGVO schränkt die Möglichkeiten von Sachverständigen erheblich ein, an relevante Mietdaten zu gelangen. Während früher umfangreiche Datensammlungen möglich waren, sind heute deutlich strengere Regeln zu beachten. Dies führt dazu, dass Gutachten möglicherweise auf einer zu schmalen Datenbasis beruhen, um rechtlich belastbare Aussagen treffen zu können.

Was das Gutachten enthalten muss

Das Gericht definierte klare Mindestanforderungen für rechtlich verwertbare Gutachten. Aus dem Gutachten muss zwingend hervorgehen, wie viele Datensätze der Sachverständige seiner Bewertung zugrunde gelegt hat. Außerdem muss angegeben werden, welche Internetportale für die Datenerhebung genutzt wurden.

Diese Transparenzpflicht geht weit über das hinaus, was bisher üblich war. Viele Sachverständige beschränkten sich darauf, ihre Qualifikation und ihr Ergebnis zu präsentieren, ohne die Methodik im Detail zu offenbaren. Diese Praxis ist nach dem neuen Urteil nicht mehr ausreichend.

Der Sachverständige muss außerdem eine klare Aussage über die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete treffen und die zu beurteilende Wohnung in das örtliche Preisgefüge einordnen. Pauschale Bewertungen oder vage Mietspannen reichen nicht aus.

Scharfe Kritik an mangelhaften Gutachten

Die Richter fanden deutliche Worte für das vorgelegte Gutachten. Sie sprachen von einem "Ergebnisermitteln durch Kaffeesatz-Lesen" und verglichen es mit einem Gutachtenergebnis "wie von Zauberhand". Diese ungewöhnlich scharfe Kritik zeigt, wie ernst das Gericht die Mängel bewertet.

Das konkrete Gutachten wies mehrere schwerwiegende Defizite auf: Es fehlten Angaben zur Anzahl der berücksichtigten Mietverträge, zur Gewichtung zwischen Neu- und Bestandsmieten und zu den genutzten Datenquellen. Für die Mieter war nicht erkennbar, auf welcher Grundlage die durchschnittliche Nettomiete ermittelt wurde.

Besondere Herausforderungen in heterogenen Orten

Das Gericht wies auch auf regionale Besonderheiten hin. Der streitgegenständliche Ort wurde als "flächenmäßig sehr ausgedehnte Örtlichkeit mit sehr inhomogenen Wohnlagen" beschrieben. In solchen Gebieten reicht es nicht aus, pauschale Durchschnittswerte zu ermitteln - die unterschiedlichen Teilmärkte müssen differenziert betrachtet werden.

Diese Problematik betrifft viele deutsche Städte und Gemeinden, die deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Stadtteilen oder Wohnlagen aufweisen. Sachverständige müssen künftig stärker auf diese lokalen Besonderheiten eingehen und ihre Bewertungsmethodik entsprechend anpassen.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Mieter bringt diese Entscheidung mehr Schutz vor unberechtigten Mieterhöhungen. Sie können künftig kritischer prüfen, ob ein Gutachten den rechtlichen Anforderungen genügt. Fehlen wesentliche Angaben zur Methodik oder Datengrundlage, können sie der Mieterhöhung mit guten Aussichten auf Erfolg widersprechen.

Vermieter müssen hingegen deutlich sorgfältiger bei der Auswahl und Beauftragung von Sachverständigen vorgehen. Es empfiehlt sich, bereits im Vorfeld zu klären, ob der Sachverständige die neuen Transparenzanforderungen erfüllen kann und über eine ausreichende Datenbasis verfügt.

Sachverständige stehen vor der Herausforderung, ihre Gutachtenmethodik grundlegend zu überarbeiten. Die bisherige Praxis, sich hauptsächlich auf die fachliche Qualifikation zu stützen, reicht nicht mehr aus. Detaillierte Dokumentation und Transparenz werden zu entscheidenden Erfolgsfaktoren.

Auswirkungen auf die Mietrechtspraxis

Dieses Urteil könnte weitreichende Folgen für die gesamte Mietrechtspraxis haben. Wenn tatsächlich aufgrund der DSGVO-Bestimmungen keine ausreichenden Datenmengen mehr verfügbar sind, stellt dies das System der gutachterlichen Mieterhöhungen grundsätzlich in Frage.

Möglicherweise wird dies zu einer Renaissance anderer Begründungsmethoden für Mieterhöhungen führen, etwa der Berufung auf Vergleichsmieten oder Mietspiegel. Auch könnte der Druck auf Kommunen steigen, qualifizierte Mietspiegel zu erstellen, die als Alternative zu Einzelgutachten dienen können.

Die Rechtsprechung wird in den kommenden Jahren zeigen müssen, wie sie mit diesem Spannungsfeld zwischen Datenschutz und mietrechtlichen Nachweispflichten umgeht. Weitere Urteile zu diesem Thema sind zu erwarten.

Das Landgericht Lüneburg hat mit seiner Entscheidung jedenfalls ein deutliches Zeichen gesetzt: Transparenz und Nachvollziehbarkeit sind keine Optionen, sondern zwingende Voraussetzungen für rechtswirksame Mieterhöhungen. Vermieter und Sachverständige, die diese Anforderungen ignorieren, tun dies auf eigenes Risiko.


Quelle: Landgericht Lüneburg, Urteil vom 02.04.2025 - 6 S 4/25

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