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Immobilien-Leasing: Keine Kündigung wegen Formmangel

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Immobilien-Leasingverträge unterliegen nicht den strengen mietrechtlichen Formvorschriften. Dies entschied das Kammergericht Berlin in einem wegweisenden Urteil und stärkte damit die Rechte von Leasinggebern.
moderne Bürogebäude, im Vordergrund Tische einer Gastronomie, zwei Männer und ein Frau in Businesskleidung in der Bildmitte
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Kündigung nach über 20 Jahren

Ein Unternehmen hatte 1994 einen Immobilien-Leasingvertrag über eine noch zu errichtende Büroimmobilie abgeschlossen. Das Besondere: Der Vertrag lief über 30 Jahre und diente ausschließlich der Finanzierung des Bauprojekts auf dem eigenen Grundstück der Leasingnehmerin.

Nach über 20 Jahren versuchte die Leasingnehmerin 2015, aus dem Vertrag auszusteigen. Ihre Begründung: Das Landgericht hatte zuvor festgestellt, dass der Leasingvertrag wegen angeblicher Formfehler bei der Mietzinsbestimmung als auf unbestimmte Zeit geschlossen gelte und daher kündbar sei.

Mietrecht oder Leasingrecht: Eine entscheidende Unterscheidung

Die Ausgangslage der Leasingnehmerin

Die Leasingnehmerin berief sich auf die mietrechtlichen Formvorschriften. Diese besagen vereinfacht: Wenn ein Mietvertrag über Grundstücke länger als ein Jahr läuft, muss er schriftlich geschlossen werden. Fehlt die ordnungsgemäße Schriftform, gilt der Vertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann gekündigt werden.

Das Gegenargument der Leasinggeberin

Die Leasinggeberin widersprach: Immobilien-Leasingverträge seien keine gewöhnlichen Mietverträge. Die mietrechtlichen Kündigungsregeln wegen Formmängeln passten nicht zur besonderen Natur des Leasinggeschäfts.

Das Wesen des Immobilien-Leasings

Mehr als nur Miete

Das Kammergericht Berlin machte deutlich: Immobilien-Leasing ist grundlegend anders als normale Vermietung. Während bei einem klassischen Mietvertrag der Vermieter eine bereits vorhandene Immobilie gegen laufende Miete zur Verfügung stellt, erfüllt das Immobilien-Leasing eine Finanzierungsfunktion.

Die Finanzierungskomponente

Bei einem Immobilien-Leasingvertrag erwirbt oder errichtet der Leasinggeber die Immobilie speziell für den Leasingnehmer. Die Leasingraten sind so kalkuliert, dass sie nicht nur die laufenden Kosten decken, sondern auch die gesamten Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie alle Finanzierungskosten vollständig amortisieren.

Eigentumsähnliche Stellung

Der Leasingnehmer erhält eine dem Eigentümer vergleichbare Rechtsstellung. Er trägt die Verantwortung für Instandhaltung, Reparaturen und alle Risiken. Häufig ist sogar ein späterer Erwerb der Immobilie vorgesehen.

Die Rechtsprechung: Klare Abgrenzung zum Mietrecht

Grundsätzliche Erwägungen

Das Gericht betonte: Obwohl auf Leasingverträge grundsätzlich Mietrecht angewandt wird, muss bei jeder einzelnen Rechtsfrage geprüft werden, ob dies auch sinnvoll ist. Entscheidend ist, ob die typischen Merkmale eines Leasingvertrags mit denen eines normalen Mietvertrags übereinstimmen.

Warum die Formvorschriften nicht passen

Die mietrechtlichen Formvorschriften sollen hauptsächlich zwei Zwecke erfüllen:

Erstens sollen sie späteren Grundstückskäufern ermöglichen, aus dem schriftlichen Vertrag die Bedingungen eines bestehenden Mietverhältnisses zu erkennen. Zweitens sollen sie die ursprünglichen Vertragsparteien vor unbedachten langfristigen Bindungen schützen.

Besondere Schutzregelungen im Immobilien-Leasing

Beide Schutzzwecke greifen beim Immobilien-Leasing nicht: Leasingnehmer sind regelmäßig Unternehmen, die sich intensiv beraten lassen und keine Übereilungsschutz benötigen. Zudem können sie sich durch entsprechende Vertragsgestaltung gegen unerwünschte Übertragungen der Immobilie schützen.

Die Finanzierungsfunktion als entscheidender Faktor

Das Amortisationsprinzip

Der Kern der gerichtlichen Argumentation lag im Amortisationsprinzip: Leasingverträge sind darauf ausgelegt, dass sich alle Aufwendungen des Leasinggebers über die vereinbarte Laufzeit vollständig amortisieren. Eine vorzeitige Kündigung würde dieses Prinzip zerstören.

Parallele zur höchstrichterlichen Rechtsprechung

Das Gericht verwies auf eine frühere Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Dort war bereits entschieden worden, dass der Ausschluss von Kündigungsrechten bei Leasingverträgen gerechtfertigt ist, weil sonst die Finanzierungsfunktion nicht erfüllt werden könnte.

Besonderheiten der Leasingraten

Anders als normale Mietzahlungen sind Leasingraten bereits mit Vertragsschluss als feste Forderungen entstanden. Sie dienen nicht nur der zeitanteiligen Nutzung, sondern gleichzeitig der Refinanzierung der gesamten Investition.

Hilfsweise: Auch keine Formfehler vorhanden

Bestimmbarkeit des Mietzinses

Selbst wenn man die mietrechtlichen Formvorschriften anwenden würde, sah das Gericht keine relevanten Formmängel. Die Leasingraten waren aufgrund der vertraglichen Regelungen ausreichend bestimmbar.

Anpassungen im Vertragsverlauf

Verschiedene Vertragsanpassungen, die die Leasingnehmerin als Formfehler rügte, bewertete das Gericht als unschädlich:

Die Reduzierung der Leasingraten durch ein günstigeres Darlehen kam allein der Leasingnehmerin zugute. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben kann sich niemand auf einen Formmangel berufen, wenn die beanstandete Regelung nur zu seinen Gunsten ist.

Auch die praktische Handhabung der Ratenzahlungen, bei der die Quartalsbeträge zur besseren Kalkulation "linearisiert" wurden, stellte keinen relevanten Formmangel dar.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Leasinggeber: Mehr Rechtssicherheit

Das Urteil stärkt die Position von Leasinggebern erheblich. Sie müssen nicht mehr befürchten, dass Leasingnehmer sich nach Jahren unter Berufung auf Formfehler aus langfristigen Verträgen lösen. Dies erhöht die Planungssicherheit für Investitionen.

Für Leasingnehmer: Sorgfältige Prüfung vor Vertragsschluss

Leasingnehmer sollten Immobilien-Leasingverträge noch sorgfältiger prüfen, da nachträgliche Ausstiegsmöglichkeiten wegen Formmängeln praktisch ausgeschlossen sind. Eine umfassende rechtliche und wirtschaftliche Beratung vor Vertragsschluss ist daher besonders wichtig.

Längerfristige Bindung beachten

Da die Kündigungsmöglichkeiten stark eingeschränkt sind, sollten Unternehmen ihre langfristige Planung besonders gründlich durchdenken. Eine vorzeitige Beendigung des Leasingverhältnisses wird noch schwieriger.

Ausblick: Grundsätzliche Bedeutung

Wegweisende Entscheidung

Das Kammergericht hat die Revision zugelassen, da die Frage grundsätzliche Bedeutung hat. Es wird nun Aufgabe des Bundesgerichtshofs sein, endgültig zu klären, inwieweit mietrechtliche Vorschriften auf Immobilien-Leasingverträge anwendbar sind.

Klarstellung für die Praxis

Bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung bietet das Berliner Urteil jedoch wichtige Orientierung für die Praxis. Es macht deutlich, dass Immobilien-Leasing als eigenständiger Vertragstyp behandelt werden sollte, der sich wesentlich von der klassischen Vermietung unterscheidet.

Empfehlungen für Vertragsgestaltung

Sowohl Leasinggeber als auch Leasingnehmer sollten ihre Verträge daraufhin überprüfen, ob sie den besonderen Anforderungen des Immobilien-Leasings entsprechen. Dabei geht es nicht nur um Formfragen, sondern auch um die klare Abgrenzung zur normalen Vermietung.

Das Urteil zeigt: Immobilien-Leasing hat sich als eigenständige Finanzierungsform etabliert, die eigenen rechtlichen Grundsätzen folgt. Für alle Beteiligten bedeutet dies mehr Klarheit, aber auch die Notwendigkeit spezialisierter Beratung.


Quelle: Kammergericht Berlin, Urteil vom 24.11.2016, Az. 8 U 70/15

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