Ein Bootsliegeplatz fällt unter die Grundstücksmiete, nicht unter das Wohnraummietrecht


Der Fall: Streit um dauerhaftes Wohnen auf dem Boot
In einer Marina in Nordrhein-Westfalen entwickelte sich ein typischer Konflikt zwischen Marinabetreiber und Bootsbesitzern. Ein Ehepaar hatte seit Ende 2020 einen Liegeplatz für ihre Motoryacht angemietet und nutzte das Boot als dauerhaften Wohnsitz. Die monatlichen Liegeplatzgebühren zahlten sie pünktlich.
Der Ärger begann, als die Marinabetreiberin Zweifel an der Schwimmfähigkeit des Bootes äußerte. Sie forderte das Paar auf, bestimmte Unterlagen zur Seetüchtigkeit vorzulegen. Als diese aus ihrer Sicht nicht ausreichten, verlangte sie die Räumung des Liegeplatzes bis Ende Juli 2023.
Das zentrale Problem: Während die Marinabetreiberin behauptete, der Mietvertrag sei nur für jeweils einen Monat abgeschlossen worden, argumentierten die Bootsbesitzer, sie hätten einen unbefristeten Vertrag.
Grundstücksmiete statt Wohnraummiete
Das Oberlandesgericht Düsseldorf stellte eine wichtige rechtliche Weiche: Ein Bootsliegeplatz fällt unter die Grundstücksmiete, nicht unter das Wohnraummietrecht. Diese Unterscheidung ist entscheidend für die Kündigungsmöglichkeiten.
Die Richter begründeten dies damit, dass die Marinabetreiberin den Bootsbesitzern keinen Wohnraum, sondern einen Grundstücksteil zur Verfügung gestellt hatte. Auch wenn der gemietete Bereich mit Wasser bedeckt ist, bleibt es eine Grundstücksmiete. Die Tatsache, dass die Bootsbesitzer ihr eigenes Schiff zu Wohnzwecken nutzten, änderte nichts an der rechtlichen Einordnung des Mietvertrages.
Diese Einordnung hat weitreichende Folgen: Bei Grundstücksmieten gelten andere, meist kürzere Kündigungsfristen als bei Wohnraummieten. Zudem sind die Kündigungsschutzbestimmungen weniger streng.
Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte
Ein weiterer wichtiger Punkt betraf die Frage, welche Gerichte überhaupt zuständig sind. Die Bootsbesitzer argumentierten, da es sich um eine öffentliche Hafenanlage handle, müssten Verwaltungsgerichte entscheiden.
Das Gericht wandte die sogenannte Zwei-Stufen-Theorie an und unterschied zwischen dem "Ob" und dem "Wie" der Nutzung:
- Das "Ob" betrifft den grundsätzlichen Zugang zur öffentlichen Einrichtung - hier wären Verwaltungsgerichte zuständig
- Das "Wie" umfasst die konkreten Nutzungsmodalitäten wie Vertragslaufzeit oder Kündigungsfristen - hier sind ordentliche Gerichte zuständig
Da die Bootsbesitzer bereits seit Jahren Zugang zur Marina hatten und es nur um die Dauer der Nutzung ging, entschieden die ordentlichen Gerichte nach privatem Mietrecht.
Die Beweislast bei Befristungen
Das Landgericht hatte die ursprüngliche Klage abgewiesen, weil die Marinabetreiberin nicht beweisen konnte, dass der Mietvertrag befristet war. Die Beweislast für eine Befristung liegt bei demjenigen, der sich darauf beruft.
Die monatlichen Zahlungen allein reichten als Beweis nicht aus. Auch bei unbefristeten Mietverträgen wird üblicherweise monatlich gezahlt. Die vorgelegten "Liegescheine" waren nicht aussagekräftig genug, und eine Hafenordnung mit entsprechenden Regelungen konnte die Marinabetreiberin nicht vorlegen.
Besonders interessant: Das Gericht erkannte an, dass Boote nicht nur als temporäre Ferienunterkünfte, sondern auch zum dauerhaften Bewohnen genutzt werden können. Deshalb sei es naheliegend, dass Mietverträge über Liegeplätze nicht zwingend befristet sein müssen.
Die rettende Kündigung
Obwohl das Landgericht die Klage abgewiesen hatte, wendete sich das Blatt durch eine geschickte rechtliche Strategie. Einen Tag nach Zustellung des ablehnenden Urteils kündigte die Marinabetreiberin "hilfsweise ein etwaig bestehendes, unbefristetes Mietverhältnis" ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Diese nachträgliche Kündigung war rechtlich zulässig. Gestaltungsrechte wie Kündigungen unterliegen nicht der Präklusion - das bedeutet, sie können auch noch in der Berufungsinstanz ausgeübt werden.
Die Kündigung war als "Rechtsbedingung" formuliert: Sie sollte nur dann greifen, wenn das Gericht feststellt, dass der Vertrag tatsächlich unbefristet war. Solche bedingten Kündigungen sind bei Rechtsfragen zulässig.
Kündigungsfristen bei Grundstücksmieten
Da der Mietvertrag als Grundstücksmiete eingestuft wurde und die Miete nach Monaten bemessen war, galten die Kündigungsfristen des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Bei monatlicher Miete kann spätestens am dritten Werktag eines Monats zum Ablauf des übernächsten Monats gekündigt werden.
Die Kündigung Ende April zum Juli-Ende war daher fristgerecht. Ein besonderer Kündigungsgrund war nicht erforderlich - im Gegensatz zum Wohnraummietrecht, wo meist wichtige Gründe vorliegen müssen.
Ungewöhnliche Kostenverteilung
Das Urteil enthält eine bemerkenswerte Besonderheit bei der Kostenverteilung. Obwohl die Marinabetreiberin in der Berufung gewann, muss sie die Kosten der zweiten Instanz selbst tragen.
Der Grund: Sie hätte die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für ihren Erfolg bereits in der ersten Instanz schaffen können. Die Kündigung war allein von ihrem Willen abhängig und hätte von Anfang an erklärt werden können.
Diese Regelung soll verhindern, dass Parteien bewusst erst spät alle Trümpfe ausspielen und dadurch unnötige Verfahrenskosten verursachen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Marinabetreiber: Das Urteil stärkt ihre Position erheblich. Bootsliegeplätze können wie andere Grundstücksmieten relativ unkompliziert gekündigt werden. Die kürzeren Fristen und der fehlende besondere Kündigungsschutz erleichtern die Beendigung unerwünschter Mietverhältnisse. Allerdings sollten sie nicht zu lange mit einer Kündigung warten, um Kostenrisiken zu vermeiden.
Für Bootsbesitzer: Die Rechtslage ist weniger günstig als oft angenommen. Wer sein Boot als Dauerwohnsitz nutzt, genießt nicht den Schutz des Wohnraummietrechts. Bei Streitigkeiten über die Vertragslaufzeit trägt der Vermieter zwar die Beweislast für eine Befristung, aber nachträgliche Kündigungen sind möglich.
Praktische Empfehlungen: Bootsbesitzer sollten Mietverträge sorgfältig prüfen und eindeutige Regelungen zur Vertragslaufzeit vereinbaren. Bei dauerhafter Wohnnutzung empfiehlt sich die schriftliche Bestätigung eines unbefristeten Vertrags. Marinabetreiber sollten ihre Vertragsgestaltung überprüfen und bei Problemen nicht zu lange mit rechtlichen Schritten warten.
Rechtssicherheit schaffen: Das Urteil schafft wichtige Klarstellungen für einen bislang rechtlich unsicheren Bereich. Mit der eindeutigen Zuordnung zur Grundstücksmiete und der Bestätigung der Zuständigkeit ordentlicher Gerichte können künftige Konflikte schneller und klarer gelöst werden.
Die Entscheidung zeigt auch, dass die Gerichte die Realität des "Wohnens auf dem Wasser" anerkennen, ohne jedoch die rechtlichen Kategorien des Mietrechts grundlegend zu ändern. Für alle Beteiligten bedeutet dies mehr Planungssicherheit bei der Gestaltung von Liegeplatzverträgen.
Quelle: OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.07.2025 – 24 U 54/24
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