Überhöhte Miete: Vermieter haftet für Anwaltskosten
Der Fall vor Gericht
Eine Mieterin mietete im April 2021 eine Wohnung in Berlin an. Das Inkassounternehmen, das die Rechte der Mieterin übernommen hatte, rügte im Januar 2023 die Miethöhe als Verstoß gegen die Mietpreisbremse. Die Vermieterin wurde aufgefordert, Auskunft über relevante Umstände zu erteilen und zu viel gezahlte Miete zurückzuerstatten. Während die überzahlte Miete für mehrere Monate unstrittig war, drehte sich der Rechtsstreit vor allem um die Frage, in welcher Höhe die Mieterin Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten hat.
Mietpreisverstoß als Pflichtverletzung
Das Gericht stellte unmissverständlich klar: Eine gegen die Mietpreisbremse verstoßende Mietvereinbarung ist von Anfang an unwirksam. Das Verlangen, einer überhöhten Miete zuzustimmen, verletzt die schutzwürdigen Interessen des Mieters. Diese Pflichtverletzung begründet einen Schadensersatzanspruch, der auch die Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung umfasst. Anders als das Amtsgericht in erster Instanz entschieden hatte, beschränkt sich dieser Anspruch nicht nur auf die Kosten für das bloße Auskunftsverlangen.
Umfang der erstattungsfähigen Kosten
Das Landgericht Berlin bewertete die vorgerichtlich verfolgten Interessen der Mieterin mit dem 17-fachen Monatsbetrag der Mietüberhöhung. Diese Berechnung setzt sich zusammen aus der einfachen Jahresdifferenz der überzahlten Miete, der anteiligen Differenz bei der Kaution in Höhe von drei Nettokaltmieten sowie zwei Monatsdifferenzen für den Zeitraum unmittelbar nach der Rüge. Das Gericht wich damit von der bisherigen Praxis ab, die das 47-fache des Monatsbetrags zugrunde legte.
Höchstgebühr für Inkassounternehmen gerechtfertigt
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Entscheidung betrifft die Gebührenhöhe für Inkassodienstleistungen. Seit Oktober 2021 gilt für Inkassofälle mit unbestrittenen Forderungen ein Gebührenrahmen von 0,5 bis maximal 1,3. Das Gericht hielt den Ansatz der Höchstgebühr von 1,3 für angemessen, da die Durchsetzung der Mietpreisbremse besonders komplex ist. Im Vergleich zu einfachen Forderungseinziehungen erfordert dieses Rechtsgebiet eine erhebliche rechtliche Prüfung und Beratung.
Die Kammer betonte, dass die Komplexität der Materie den hohen Gebührensatz rechtfertigt, selbst wenn Teile der Dienstleistung automatisiert ablaufen. Die dafür genutzten Algorithmen und Plattformen wurden aufwändig entwickelt und müssen kontinuierlich gepflegt werden. Der Bundesgerichtshof hatte bereits festgestellt, dass die Ermittlung der höchstzulässigen Miete einschließlich des Betriebs eines Mietpreisrechners gerade noch als zulässige Inkassodienstleistung einzuordnen ist.
Neue gesetzliche Regelung zur Streitwertberechnung
Das Gericht verwies auf eine gesetzliche Klarstellung durch das Kosten- und Betreuervergütungsrechtsänderungsgesetz 2025. Danach ist der Streitwert einer Klage auf Feststellung einer Mietüberhöhung nach dem Jahresinteresse zu bemessen, nicht nach dem dreieinhalbfachen Jahresinteresse wie bei anderen Mietsenkungsbegehren. Diese Regelung stellte keine Änderung der bisherigen Rechtslage dar, sondern eine Klarstellung der bereits geltenden Praxis.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Mieter bedeutet diese Entscheidung eine deutliche Stärkung ihrer Position. Wer zu viel Miete zahlt, kann nicht nur die Rückerstattung der überzahlten Beträge verlangen, sondern auch die Kosten für die Beauftragung eines Anwalts oder Inkassounternehmens geltend machen. Der Vermieter haftet für diese Kosten unabhängig davon, ob er bewusst gegen die Mietpreisbremse verstoßen hat.
Vermieter sollten bei Neuverträgen besonders sorgfältig prüfen, ob die vereinbarte Miete die Grenzen der Mietpreisbremse einhält. Ein Verstoß kann nicht nur zur Rückzahlung überhöhter Miete führen, sondern zieht auch die Erstattung von Anwaltskosten nach sich. Die Kosten können dabei erheblich sein, da Gerichte bei der komplexen Materie der Mietpreisbremse hohe Gebührensätze für angemessen halten.
Die vom Landgericht Berlin zugelassene Revision zum Bundesgerichtshof zeigt allerdings, dass noch Klärungsbedarf bei der Berechnung der erstattungsfähigen Kosten besteht. Insbesondere die Frage, ob das einfache oder das dreieinhalbfache Jahresinteresse maßgeblich ist, könnte in Zukunft höchstrichterlich anders bewertet werden.
Grundsätze des Urteils
- Eine gegen die Mietpreisbremse verstoßende Mietvereinbarung ist von Anfang an unwirksam und begründet einen Schadensersatzanspruch des Mieters, der auch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten umfasst
- Der Schadensersatzanspruch beschränkt sich nicht auf Kosten für bloßes Auskunftsverlangen, sondern erfasst die gesamte vorgerichtliche Rechtsverfolgung
Quelle: LG Berlin II, Urteil vom 17.07.2025, Az. 64 S 15/24
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