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Eigenbedarf trotz Verkaufsabsicht – BGH stärkt Vermieterrechte

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Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Vermieter auch dann Eigenbedarf geltend machen können, wenn sie ihre bisherige Wohnung nach einem Umbau verkaufen möchten. Die Eigenbedarfskündigung ist nicht automatisch rechtsmissbräuchlich, nur weil der Vermieter den Bedarfsgrund selbst herbeiführt.
Arbeiter auf einem Gerüst renoviert Dachgeschosswohnung
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall aus Berlin

Seit 2006 lebte eine Mieterin in einer Zweizimmerwohnung im dritten Obergeschoss eines Berliner Mehrfamilienhauses. Der Eigentümer bewohnte die Wohnung direkt darüber im vierten Stock, die ähnlich groß war wie die vermietete Wohnung. Über seiner Wohnung lag ein noch nicht ausgebautes Dachgeschoss, das ebenfalls ihm gehörte.

Im November 2021 kündigte der Vermieter das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Seine Begründung war durchdacht: Er wollte das Dachgeschoss ausbauen und mit seiner jetzigen Wohnung verbinden. Während der mehrmonatigen Umbauarbeiten benötigte er die Wohnung der Mieterin als Ausweichquartier. Nach Abschluss der Bauarbeiten plante er jedoch nicht, in seine bisherige Wohnung zurückzukehren, sondern diese zu verkaufen.

Der Streit vor Gericht

Die Mieterin wehrte sich gegen die Kündigung. Das Amtsgericht Berlin gab zunächst dem Vermieter recht und verurteilte die Mieterin zur Räumung der Wohnung. Doch in der Berufung wendete sich das Blatt: Das Landgericht Berlin hob das Urteil auf und wies die Klage ab.

Die Begründung des Landgerichts war eindeutig: Es handele sich nicht um echten Eigenbedarf, sondern um eine unzulässige Verwertungskündigung. Der Vermieter wolle in Wahrheit nur seine jetzige Wohnung nach dem Dachausbau gewinnbringend verkaufen. Seine Wohnverhältnisse würden sich durch den Umzug nicht wesentlich ändern, da beide Wohnungen ähnlich groß seien. Das Gericht sah darin einen Rechtsmissbrauch und stellte fest, dass der Vermieter sein reines Verwertungsinteresse nicht über das Bestandsinteresse der langjährigen Mieterin stellen dürfe.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof sah die Sache grundlegend anders und gab dem Vermieter in wesentlichen Punkten recht. Die Karlsruher Richter hoben das Urteil des Landgerichts auf und verwiesen die Sache zurück an eine andere Kammer des Berufungsgerichts.

Eigennutzungswunsch ist zu respektieren

Die höchsten Zivilrichter stellten klar, dass der Eigennutzungswunsch eines Vermieters grundsätzlich zu achten ist. Ein Vermieter benötigt eine Wohnung bereits dann im Sinne des Gesetzes, wenn sein ernsthafter Wunsch, die Wohnung künftig selbst zu nutzen, auf vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen beruht. Der Vermieter muss nicht auf die Wohnung angewiesen sein. Diese großzügige Auslegung ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs notwendig, um die Eigentumsgarantie sowohl des Vermieters als auch des Mieters angemessen zu berücksichtigen.

Die Gerichte dürfen ihre eigenen Vorstellungen von angemessenem Wohnen nicht an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters setzen. Sie können den Eigenbedarfswunsch lediglich darauf überprüfen, ob er ernsthaft verfolgt wird und von vernünftigen Gründen getragen ist. Nur wenn der Wohnbedarf weit überhöht erscheint, die Wohnung die Nutzungswünsche überhaupt nicht erfüllen kann oder der Bedarf in einer anderen freien Wohnung ohne wesentliche Abstriche befriedigt werden könnte, ist eine Kündigung rechtsmissbräuchlich.

Selbst herbeigeführter Bedarf ist zulässig

Besonders wichtig war die Klarstellung des Bundesgerichtshofs, dass das Nutzungsinteresse des Vermieters auch dann zu respektieren ist, wenn er den Bedarfsgrund willentlich herbeigeführt hat. Der Vermieter darf also seine Lebenssituation bewusst so gestalten, dass Eigenbedarf entsteht. Dies gilt auch für die Veräußerung der bisherigen Wohnung nach einem Umbau.

Unveränderter Wohnstandard ist unerheblich

Das Landgericht hatte argumentiert, die Wohnverhältnisse des Vermieters würden sich nicht wesentlich ändern, da beide Wohnungen ähnlich groß seien. Auch dieser Einwand überzeugte den Bundesgerichtshof nicht. Es bestehen grundsätzlich keine Anforderungen daran, dass sich die Wohnverhältnisse wesentlich ändern müssen, damit Eigenbedarf vorliegt. Der Vermieter darf selbst entscheiden, welche Wohnung er nutzen möchte, solange sein Wunsch nachvollziehbar ist.

Keine Verwertungskündigung

Schließlich stellte der Bundesgerichtshof klar, dass es sich nicht um eine Verwertungskündigung handelt. Eine solche läge nur vor, wenn der Vermieter die vermietete Wohnung selbst verkaufen wollte. Hier geht es dem Vermieter jedoch darum, die gemietete Wohnung selbst zu nutzen und seine bisherige Wohnung zu verkaufen. Dies ist ein wesentlicher Unterschied, der die Anwendung der strengeren Vorschriften für Verwertungskündigungen ausschließt.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Vermieter

Diese Entscheidung stärkt die Position von Vermietern erheblich. Sie können Eigenbedarf auch dann geltend machen, wenn sie ihre Wohnsituation verändern und dabei eine andere Wohnung verkaufen möchten. Wichtig ist, dass Sie Ihren Eigenbedarfswunsch nachvollziehbar begründen können. Die Tatsache, dass Sie den Bedarf selbst herbeiführen, steht einer wirksamen Kündigung nicht entgegen.

Allerdings hat der Bundesgerichtshof die Sache zurückverwiesen, damit das Berufungsgericht nun die konkreten Umstände des Einzelfalls prüft. Die Frage, ob der Eigenbedarf tatsächlich ernsthaft und nachvollziehbar ist, muss also noch gerichtlich geklärt werden. Das bedeutet: Auch wenn die rechtlichen Maßstäbe nun klarer sind, müssen Vermieter ihren Eigenbedarfswunsch im Einzelfall überzeugend darlegen können.

Für Mieter

Als Mieter sollten Sie wissen, dass die Hürden für eine Eigenbedarfskündigung nicht besonders hoch sind. Der Vermieter muss nicht beweisen, dass er dringend auf die Wohnung angewiesen ist. Es reicht, wenn sein Wunsch nachvollziehbar erscheint. Auch der Umstand, dass sich die Wohnverhältnisse des Vermieters durch den Umzug nicht wesentlich verbessern, hilft Ihnen nicht weiter.

Dennoch können Sie die Kündigung auf ihre Ernsthaftigkeit überprüfen lassen. Erscheint der geltend gemachte Wohnbedarf weit überhöht oder hat der Vermieter eine andere geeignete Wohnung frei, können Sie sich wehren. Auch wenn der zeitliche Zusammenhang zwischen Kündigung und anderen Umständen auf einen Vorwand hindeutet, lohnt sich rechtlicher Beistand. Im konkreten Fall prüft das Berufungsgericht nun genau, ob der Vermieter seinen Eigenbedarf tatsächlich ernsthaft und dauerhaft verfolgt.

Praktische Hinweise

Die Rechtsprechung macht deutlich, dass beide Seiten schutzwürdig sind. Vermieter haben ein grundgesetzlich geschütztes Recht, über ihre Immobilie zu verfügen und diese selbst zu nutzen. Mieter haben aber ebenso ein Recht auf Bestandsschutz, das nicht durch vorgeschobene Kündigungsgründe ausgehöhlt werden darf.

Wenn Sie als Vermieter Eigenbedarf anmelden möchten, sollten Sie Ihre Beweggründe schriftlich detailliert darlegen können. Je konkreter und nachvollziehbarer Sie Ihre Pläne beschreiben, desto schwerer wird es für den Mieter, die Kündigung erfolgreich anzufechten. Dokumentieren Sie Ihre Überlegungen und Planungen frühzeitig.

Wenn Sie als Mieter eine Eigenbedarfskündigung erhalten, prüfen Sie diese sorgfältig. Lassen Sie sich im Zweifel anwaltlich beraten. Manchmal stellt sich erst im Prozess heraus, dass die Begründung nicht stichhaltig ist oder der Vermieter andere Möglichkeiten hätte. Die endgültige Entscheidung im zugrunde liegenden Fall steht noch aus und wird zeigen, ob die konkreten Umstände den Eigenbedarf tatsächlich rechtfertigen.


Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.09.2025, Az. VIII ZR 289/23

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