Bei Gefahr in Verzug kann die Verwaltung einer WEG auch ohne Ermächtigung handeln


Der Fall: Millionenschaden durch Fassadenabriss
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit fünf Hochhäusern in Nürnberg stand 2018 vor einem dramatischen Problem: Bei einer behördlichen Überprüfung stellte sich heraus, dass in den Fassaden brennbare Materialien verbaut waren. Die Hausverwaltung veranlasste daraufhin den sofortigen Abriss aller Fassaden – mit Kosten von über 15 Millionen Euro.
Die Eigentümergemeinschaft klagte anschließend auf Schadensersatz gegen die Verwaltung. Ihr Vorwurf: Die Verwaltung habe ohne ordnungsgemäße Ermächtigung gehandelt und den Abriss zu voreilig veranlasst.
Brennbare Dämmstoffe trotz Bestandsschutz unzulässig
Das Amtsgericht Nürnberg wies die Klage ab. Die Hochhäuser aus den 1960er Jahren hatten keinen Bestandsschutz für die brennbaren Materialien, so das Gericht. Bei der Errichtung 1965/66 waren bereits brennbare Dämmstoffe verbaut worden, obwohl dies schon damals gegen die Bayerische Bauordnung und die Hochhausrichtlinien verstieß.
Wichtig für Eigentümer: Auch bei älteren Gebäuden gilt: Wenn brennbare Materialien schon bei der Errichtung rechtswidrig verbaut wurden, gibt es keinen Bestandsschutz. Die Behörden können jederzeit Maßnahmen zur Gefahrenabwehr anordnen.
Warum waren die Materialien so gefährlich?
Ein Sachverständiger erklärte vor Gericht die Brandgefahr:
- Die verwendeten Dreischichtplatten enthielten einen Polystyrolkern, der brennbar war
- Bei einem Brand hätten Temperaturen von über 900°C das Material zum Schmelzen und Abtropfen gebracht
- Die Feuerwehr hätte Brände in den 41-55 Meter hohen Gebäuden ab dem 10. Geschoss nicht mehr löschen können
- Eine Brandausbreitung von Stockwerk zu Stockwerk wäre die Folge gewesen
Verwaltung handelte im Interesse der Eigentümer
Obwohl die Verwaltung seit 2015 nicht mehr wirksam bestellt war, sah das Gericht ihr Handeln als berechtigt an. Als "faktische Verwaltung" war sie verpflichtet, Gefahren für Leben und Gesundheit abzuwenden.
Die Stadt hatte bereits mit der Räumung der Hochhäuser gedroht, falls nicht bis zum 20. Dezember 2018 die Fassaden entfernt würden. Durch das schnelle Handeln der Verwaltung blieben den Bewohnern eine Zwangsräumung und Obdachlosigkeit erspart.
Keine Zeit für Alternativprüfungen
Die Eigentümer hatten argumentiert, man hätte weniger einschneidende Maßnahmen prüfen können. Das Gericht sah das anders:
- Weihnachten und Silvester 2018 standen bevor – das Risiko durch Feuerwerkskörper war zu hoch
- Für Brandversuche und alternative Sanierungskonzepte fehlte die Zeit
- Die Feuerwehr war aufgrund fehlender Zufahrten ohnehin nur eingeschränkt einsatzfähig
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Wohnungseigentümer:
- Bestandsschutz ist begrenzt: Auch alte Gebäude müssen bei Brandgefahr nachgerüstet werden
- Bei akuter Gefahr können Behörden sofortige Maßnahmen anordnen – auch ohne lange Prüffristen
- Die Kosten trägt grundsätzlich die Eigentümergemeinschaft, auch wenn die Verwaltung den Auftrag erteilt hat
Für Hausverwaltungen:
- Auch ohne wirksamen Vertrag kann in Notfällen gehandelt werden – die Haftung beschränkt sich auf grob fahrlässiges Verhalten
- Bei behördlichen Anordnungen zum Brandschutz sollte schnell gehandelt werden
- Eine Freistellung von Drittansprüchen kann gegen die Eigentümergemeinschaft durchgesetzt werden
Für Immobilienkäufer:
- Lassen Sie bei Altbauten ab den 1960er Jahren unbedingt die Fassadendämmung prüfen
- Brennbare Materialien können auch bei genehmigten Bauten später zum Problem werden
- Besonders bei Hochhäusern gelten strenge Brandschutzvorschriften
Fazit: Sicherheit geht vor Kosten
Das Urteil macht deutlich: Beim Brandschutz haben Sicherheitsbelange Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen. Eine Hausverwaltung, die bei akuter Brandgefahr schnell handelt, macht sich nicht schadensersatzpflichtig – auch wenn hohe Kosten entstehen.
Für Eigentümer bedeutet das: Investitionen in den Brandschutz sind keine lästige Pflicht, sondern essentiell für den Schutz von Leben und Eigentum. Wer bei Altbauten auf eine professionelle Brandschutzprüfung verzichtet, riskiert teure Überraschungen.
Quelle: AG Nürnberg, Urteil vom 23.01.2025 – 244 C 7118/20 WEG
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