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Vormerkung gelöscht – Anspruch verloren?

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Wer eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch freiwillig löschen lässt, verzichtet damit in der Regel auch auf den dahinterstehenden Anspruch. Das hat weitreichende Folgen.
Symbolbild: Frau und Mann sind in einem Haus getrennt
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Gemeinsames Haus, getrennte Wege

Ein Paar lernte sich Anfang der 2000er Jahre kennen und beschloss, gemeinsam ein Haus zu kaufen. Er war zu diesem Zeitpunkt noch verheiratet, sie hatte eine Ausbildung in der Immobilienwirtschaft. Beide wollten zusammen in die Immobilie investieren, doch aus steuerlichen Gründen und zum Schutz vor Zugriffen durch die noch bestehende Ehe sollte das Grundstück allein auf die Partnerin übertragen werden.

Die rechtliche Konstruktion schien durchdacht: Die Frau erwarb das Grundstück im Jahr 2003 zu Alleineigentum. Der Mann finanzierte jedoch einen erheblichen Teil des Kaufpreises mit. In einem notariellen Vertrag vereinbarten beide, dass er bei Auflösung der Lebensgemeinschaft einen Anspruch auf Übertragung der Hälfte des Grundstücks haben sollte. Dieser Anspruch wurde durch eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch abgesichert.

Die beiden zogen gemeinsam in das Haus ein und bekamen ein Kind. Doch dann wendete sich das Blatt.

Finanzielle Probleme führen zu folgenschwerer Entscheidung

Ab dem Jahr 2011 geriet der Mann in gesundheitliche und finanzielle Schwierigkeiten. Er plante eine Privatinsolvenz und wollte seine Partnerin und den gemeinsamen Sohn davor schützen, dass Gläubiger auf das Grundstück zugreifen könnten. Seine Überlegung: Wenn die im Grundbuch eingetragene Vormerkung gelöscht wird, können seine Gläubiger auch nicht darauf zugreifen.

Im Mai 2013 beantragte er deshalb die Löschung der Auflassungsvormerkung. Das Grundbuchamt kam diesem Antrag nach und strich die Vormerkung ersatzlos aus dem Grundbuch. Eine Gegenleistung von seiner Partnerin erhielt er dafür nicht. Kurz darauf trennten sich die beiden. Die Frau verwehrte ihm den Zutritt zum gemeinsamen Grundstück.

Der Versuch, das Rad zurückzudrehen

Im Sommer 2014 versuchte der Mann, sein Recht doch noch durchzusetzen. Er teilte seiner Ex-Partnerin schriftlich per Einschreiben die Auflösung der Lebensgemeinschaft mit und machte seinen Anspruch auf Übertragung der Grundstückshälfte geltend. Die Frau weigerte sich jedoch.

Es folgten gerichtliche Auseinandersetzungen. Vor dem Oberlandesgericht Nürnberg erklärte die Frau im Jahr 2015 ein Anerkenntnis: Sie stimmte zu, dass die Vormerkung erneut eingetragen werden sollte. Doch das Grundbuchamt weigerte sich, dieses Urteil umzusetzen, da wichtige Details fehlten.

Das Grundstück wechselt den Eigentümer

Die Situation spitzte sich weiter zu. Die Frau heiratete im Dezember 2015 erneut und übertrug das Grundstück nur wenige Tage später als sogenannte ehebedingte Zuwendung auf ihren neuen Ehemann. Dieser verkaufte die Immobilie im Jahr 2018 für einen sechsstelligen Betrag an Dritte.

Der ursprüngliche Mitfinanzierer des Hauses ging leer aus. Er klagte schließlich auf Schadensersatz und verlangte die Hälfte des Verkaufserlöses, abzüglich noch bestehender Darlehen.

Die Entscheidung des Gerichts: Freiwilliger Verzicht ist bindend

Das Landgericht Lübeck wies die Klage ab. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass der Kläger durch die Löschung der Auflassungsvormerkung im Jahr 2013 freiwillig auf seinen Anspruch verzichtet hatte.

Eine verfahrensrechtliche Löschungsbewilligung, die den Willen des Berechtigten zur Aufhebung seines Rechts erkennen lässt, enthält nach ständiger Rechtsprechung auch die materiell-rechtliche Aufgabeerklärung des dahinterstehenden Anspruchs. Anders ausgedrückt: Wer die Vormerkung im Grundbuch löschen lässt, gibt damit nicht nur einen formalen Eintrag auf, sondern verzichtet auf das Recht selbst.

Im konkreten Fall war der Wille des Mannes eindeutig: Er wollte den Anspruch seinen Gläubigern entziehen. Das bedeutete aber nichts anderes als einen vollständigen und endgültigen Verzicht auf die Auflassungsvormerkung und das gesicherte Recht.

Kein neuer Anspruch durch späteres Anerkenntnis

Der Kläger argumentierte, durch das Anerkenntnisurteil des Oberlandesgerichts Nürnberg aus dem Jahr 2015 sei sein Recht neu entstanden. Auch diesem Argument folgte das Gericht nicht.

Ein prozessuales Anerkenntnis begründet lediglich einen Anspruch auf Erlass eines Anerkenntnisurteils. Es schafft aber keine neue materiell-rechtliche Grundlage für einen bereits erloschenen Anspruch. Mit anderen Worten: Das Anerkenntnis konnte nicht rückwirkend einen Anspruch wiederbeleben, auf den der Kläger bereits wirksam verzichtet hatte.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil zeigt eindrücklich, wie wichtig es ist, die Tragweite grundbuchrechtlicher Erklärungen zu verstehen. Wer eine Vormerkung löschen lässt, sollte sich bewusst sein, dass damit in der Regel auch der dahinterstehende Anspruch erlischt.

Besonders bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften ist Vorsicht geboten. Anders als bei Ehepaaren gibt es hier keinen gesetzlichen Ausgleich bei einer Trennung. Wer in eine gemeinsame Immobilie investiert, sollte seine Rechte sorgfältig absichern und diese Absicherung nicht vorschnell aufgeben.

Wenn finanzielle Schwierigkeiten drohen, ist es ratsam, rechtzeitig fachkundigen Rat einzuholen. Die Löschung einer Vormerkung zum vermeintlichen Schutz vor Gläubigern kann sich als Bumerang erweisen. Denn auch wenn die Absicht war, das Recht zu erhalten und nur den Grundbucheintrag zu entfernen, wertet die Rechtsprechung eine solche Löschung als endgültigen Verzicht.

Wer eine Immobilie gemeinsam mit dem Partner finanziert, sollte von Anfang an klare vertragliche Regelungen treffen. Diese sollten nicht nur den Fall einer einvernehmlichen Trennung regeln, sondern auch Szenarien wie Insolvenz, Tod oder Streit berücksichtigen. Eine einmal getroffene Vereinbarung sollte nur nach sorgfältiger rechtlicher Prüfung geändert oder aufgehoben werden.

Das Urteil macht außerdem deutlich, dass gutgläubige spätere Erwerber eines Grundstücks geschützt sind. Selbst wenn ursprünglich eine Vormerkung bestand, können nach deren Löschung neue Eigentümer das Grundstück lastenfrei erwerben. Der ursprünglich Berechtigte verliert damit nicht nur sein Recht am Grundstück, sondern auch die Möglichkeit, es zurückzufordern.

Grundsätze des Urteils

  • Löschung einer Auflassungsvormerkung enthält materiell-rechtliche Aufgabeerklärung des gesicherten Anspruchs; freiwilliger Verzicht ist bindend
  • Verfahrensrechtliche Löschungsbewilligung mit Willen zur Rechtsaufhebung führt zum Erlöschen des dahinterstehenden Anspruchs
  • Prozessuales Anerkenntnis begründet nur Anspruch auf Anerkenntnisurteil, schafft aber keine neue materiell-rechtliche Grundlage für erloschenen Anspruch
  • Nach Löschung der Vormerkung können gutgläubige Dritte Grundstück lastenfrei erwerben
  • Nichteheliche Lebensgemeinschaften unterliegen nicht gesetzlichem Trennungsausgleich; vertragliche Absicherungen sollten nicht vorschnell aufgegeben werden

Quelle: Landgericht Lübeck, Urteil vom 07.02.2025, Az. 10 O 323/19

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